Doch wie häufig werden „Menstruationsbeschwerden“ denn überhaupt zum echten Notfall? Welche anderen Erkrankungen können noch für endometrioseähnliche Schmerzen sorgen? Alles, was Sanitäter, Notärzte und Angehörige für den Ernstfall wissen sollten, haben wir hier einmal zusammengetragen.
Natürlich sind das keine belastbaren Ergebnisse, jedoch zeigen sie ganz klar, dass Endometriose als Notfall keine Seltenheit ist. Was wir mit unserer Umfrage ebenfalls nicht erfassen konnten, war, wie die Patientinnen die Behandlung erlebt haben. Denn wie auch schon bei einem normalen Arztbesuch schwingt natürlich gerade beim Besuch einer Notaufnahme noch mehr die Angst mit, mit den Beschwerden belächelt und nicht ernst genommen zu werden.
Wie schon bei den weniger schwerwiegenden Symptomen gilt auch hier: Die Endometriose ist ein echtes Chamäleon. Endometriosebedingte Beschwerden sind unheimlich vielfältig, treten praktisch in allen Körperregionen auf und ihre Auslöser wiederum können oftmals in ganz anderen Teilen liegen. Folgende Auflistung ist also nicht allumfassend, gibt aber dennoch einen guten Überblick über mögliche Beschwerdebilder, die einer notfallmedizinischen Behandlung bedürfen. Alle Mediziner jetzt also aufgepasst:
Geschlechtsorgane/Abdomen: Geplatzte Zysten und Eierstöcke können eine Folge der Endometriose sein. Größere Endometrioseherde und Verwachsungen können ebenfalls zu starken Schmerzen führen. [1, 2] Auch Schwangerschaftskomplikationen können auftreten: Blutungen in den Bauchraum, Darmperforationen, Uterusrupturen sowie Placenta preavia stehen mit tief infiltrierender Endometriose in Zusammenhang. [3]
Verdauungstrakt: Bei tief infiltrierender Endometriose ist bei vielen Patientinnen der Darm betroffen. Darmverschlüsse, Darmrupturen und anale Blutungen können die Folge sein und bedürfen möglicherweise notfallmedizinischer Behandlung. [4, 5]
Harnweg: Endometrioseherde an oder in der Blase bleiben meist lange Zeit unentdeckt. Patientinnen leiden an häufigen Blasenentzündungen, die jedoch mit Infektnachweisen nicht erklärt werden können. Da die Symptomatik äußerst schleichend verläuft, können nach längerer Nicht-Behandlung irreversible Schäden an Blase, Harnleiter und Nieren die Folge sein. [6, 7]
Herz-Kreislauf: Generelle Kreislaufbeschwerden bei Endometriosepatientinnen können beispielsweise durch die Einnahme bestimmter Medikamente ausgelöst werden. Migräne und Depression zählen ebenfalls zu den Begleiterscheinungen einer Endometriose und können den Kreislauf negativ beeinflussen. Klagt die Patientin über Schmerzen in der Brust, könnten Endometrioseherde in der Lunge die Ursache sein, die zu Symptomatiken wie Pneumothorax, Hämatothorax oder Hämoptysen führen können. [8] Zudem haben Endometriosepatientinnen statistisch gesehen ein höheres Risiko, koronare Herzerkrankungen zu entwickeln. [9]
Erstmal gelten für Endometriosebetroffene natürlich keine anderen Regeln im Umgang in einer Notsituation als mit anderen Menschen. Jedoch solltest du immer in Betracht ziehen, dass Patientinnen mit einer chronischen Krankheit im Laufe der Erkrankung schon viele, oftmals negative, Berührungspunkte mit medizinischem Personal hatten. Gefühle wie Angst, Scham und Unsicherheit können sich im Verlauf der Krankengeschichte aufgebaut haben und sind auch Begleiter im Krankenwagen oder der Notaufnahme. Um also eine bestmögliche Behandlung zu gewährleisten und Ängste zu nehmen, solltest du beim Stichwort Endometriose nochmal ein besonderes Augenmerk auf folgende Punkte legen:
Ganz klar, bei der Ursachenforschung spielt die Anamnese eine extrem wichtige Rolle. Da wäre natürlich zunächst die Frage, ob es sich bei den Beschwerden um Endometriosesymptome handelt oder nicht. Das Anamnesegespräch mit der Patientin kann dir hier entscheidende Hinweise liefern. Die meisten Betroffenen leiden nämlich schon lange Zeit unter ihren Beschwerden und können daher meist ganz gut einschätzen, ob ihnen diese Art Schmerz bekannt ist oder eher nicht.
Sinnvolle Anamnesefragen könnten sein:
Wie bereits beschrieben sind die möglichen Beschwerdebilder allerdings äußerst vielfältig, was eine Differenzialdiagnose sehr schwierig machen kann. Um deine Vermutung abzusichern und der Patientin ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, ist es deshalb immer sinnvoll, Kolleginnen aus anderen Fachbereichen hinzuzuziehen. Vielleicht ist ja sogar jemand in eurem Team, der schon Erfahrung in Sachen Endometriose hat. Gerade bei der Bildgebung und der späteren Auswertung spielt das eine große Rolle. Endometrioseherde beispielsweise können teilweise sehr klein und echoarm sein und auch im Bereich der Fortpflanzungsorgane ist Expertise gefragt. [10]
Parallel zu all dem muss die Gabe von Schmerzmitteln in Betracht gezogen werden, um zumindest kurzfristig für eine Linderung der Schmerzen zu sorgen. Hierbei sollte dir bewusst sein, dass Studien zufolge Frauen im Schnitt erst deutlich später Schmerzmittel verabreicht werden als Männern. Stattdessen würden sogar eher Beruhigungsmittel gegeben. [11] Möglicher Grund hierfür ist, dass Frauen Schmerz anders wahrnehmen und auf ihn reagieren. Das Bewusstsein darüber kann die generelle Qualität deiner Behandlung deutlich verbessern, da sie gleichere Voraussetzungen für alle schafft. [12, 13] Langfristige Schmerztherapien allerdings können im klinischen Umfeld selbstverständlich nicht geleistet werden.
Hast du oder habt ihr im Team die Endometriose als Ursache für die Beschwerden der Patientin ausgeschlossen, könnten natürlich noch unzählige andere Diagnosen des Rätsels Lösung sein. Bei den so häufigen Unterbauchschmerzen ist es zuerst die akute Appendizitis, die in Betracht gezogen wird. [14, 15] Akute Nierenleiden oder Schmerzen im Brustraum können ebenfalls andere Auslöser haben. So wichtig es also auch ist, die Endometriose und ihre zahlreichen Begleiterscheinungen nicht zu belächeln und auszuschließen, so wichtig ist es auch, sich nicht ausschließlich auf sie zu konzentrieren. Dein geschulter Rundumblick als Medizinerin ist hier gefragt!
Klagt die Partnerin oder die Freundin über starke Beschwerden, kann einem auch als Angehöriger ganz schnell mulmig zumute werden. Immerhin gehören solche Situationen für die meisten nicht zum Alltag. Damit du im Notfall angemessen und effektiv reagieren kannst, haben wir uns für dich eine kleine Eselsbrücke überlegt. Mit ihr bist du für den Ernstfall bestens vorbereitet und ihr könnt gemeinsam diese Ausnahmesituation so gut es geht meistern. Alles, was du dir merken musst, ist „ENDO“!
Erklären lassen – Lass dir von der Betroffenen genau erklären, welche Beschwerden sie hat. Eine wichtige Frage, die du hier auf jeden Fall stellen kannst, ist, ob ihr die Schmerzen schon bekannt sind. Da Endometriosepatientinnen meist eine ganz gute Intuition haben, was ihre Beschwerden angeht, kann deine Freundin oder Partnerin hier vielleicht eine Aussage darüber treffen, wie ernst sie die Lage einschätzt.
Nicken – Das ist hier natürlich im übertragenen Sinne zu verstehen. Nimm die Beschwerden und die damit verbundenen Ängste auf jeden Fall ernst. Bestimmt wurden die Endometriosebeschwerden deiner Freundin/Partnerin schon häufig einfach abgetan. Du bist hier, um sie zu unterstützen. Selbst wenn du vielleicht findest, dass der Gang in die Notaufnahme übertrieben ist, solltest du dem Wunsch deiner Angehörigen nachkommen. Sie kennt ihren Körper schließlich am allerbesten.
Drängen – Ängste und starke Schmerzen können jedoch auch lähmen. Vielleicht geht es deiner Freundin/Partnerin genauso. Aus Angst vom medizinischen Personal wieder nur belächelt und nach Hause geschickt zu werden, weigert sie sich ins Krankenhaus zu gehen. Vielleicht sind es aber auch die Beschwerden selbst, die es ihr schwer machen, Entscheidungen zu fällen. Bist du allerdings der Meinung, dass ihr einen Notarzt rufen solltet und du dir ernsthafte Sorgen machst, dann ergreife ruhig die Initiative und hole deiner Freundin und dir Hilfe. Du musst in einer solchen Situation ebenfalls nicht alleine sein und mit Fachpersonal an deiner Seite, fühlst du dich bestimmt sicherer.
Organisieren – Während der Wartezeit oder bevor ihr in die Notaufnahme fahrt, kannst du deiner Freundin/Partnerin beispielsweise eine Krankenhaustasche packen. Wenn es gewünscht ist, könntest du zudem andere Freunde oder Angehörige informieren. Seid ihr nun in der Notaufnahme oder der Notarzt steht vor der Tür, hast du noch eine letzte, aber enorm wichtige Aufgabe: Sei die uneingeschränkte Fürsprecherin deiner Freundin/Partnerin! Hast du das Gefühl, dass die Beschwerden nur belächelt und abgetan werden, kannst du die Ärztinnen darauf aufmerksam machen, dass es durchaus sein kann, solch starke und möglicherweise lebensgefährliche Endometriosebeschwerden zu haben.
Endometriose kann zu einem echten medizinischen Notfall werden, der sehr ernst genommen werden sollte. Immerhin können zu spät erkannte Ursachen gravierende Folgen für die Patientin haben.
Verletzungen der Fortpflanzungsorgane, aber auch Folgen der Endometriose an anderen Organen sowie Herz-Kreislaufbeschwerden könnten die Ursachen für eine Notfalleinlieferung sein.
Mit einer zielgerichteten medizinischen und privaten Unterstützung jedoch können psychische und körperliche Schäden der Patientin allerdings auf ein Minimum reduziert oder sogar komplett vermieden werden.
Hinterlasse uns gerne einen Kommentar.
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