Endometriose und Gender

Endometriose ist eine Krankheit, bei der Geschlechterunterschiede und Gender natürlich eine große Rolle spielen. Was bedeutet das für die Betroffenen, für die Behandler und für unsere Webseite?

Endometriose – eine reine Frauenkrankheit?

Erstens ist es natürlich eine Krankheit die fast ausschließlich Frauen betrifft.

Aber ja – nur fast. Es gibt auch in Einzelfällen Männer, z.B. nach hochdosierter Östrogentherapie bei Prostatakrebs, die Endometriose entwickeln. Und es gibt natürlich auch Trans-Männer, die Endometriose haben. Häufig fühlen sich diese in der sehr weiblich geprägten Community unterrepräsentiert.

Hier auf der Webseite verwenden auch wir neben dem neutralen „die Betroffenen“ die Begriffe „Frauen mit Endometriose“ oder Patientinnen. Manche Aspekte der Erkrankung sind tatsächlich eher weniger für Männer relevant, wie beispielsweise unerfüllter Kinderwunsch. Aber auch viele Trans-Männer haben einen Kinderwunsch. [1] An anderen Stellen geht es vielleicht um Therapien oder Symptome die für alle relevant sind. Aufgrund der doch deutlich überwiegenden Mehrheit der Frauen dient dies der Lesbarkeit und soll keinesfalls ausschließen. Wir möchten mit unseren Informationen alle Menschen mit Endometriose ansprechen und allen gleichermaßen Unterstützung anbieten!

In einer Welt, in der das generische Maskulinum genutzt wird, hoffen wir, dass sich auch cis-Männer, Trans-Männer und andere Geschlechtsidentitäten durch ein generisches Femininum mit eingeschlossen fühlen können.

Sollte dies nicht gegeben sein bitten wir um direkte Kontaktaufnahme unter [email protected]! Auch Erfahrungsberichte oder Ideen für mehr Inklusion oder Themen, die unterrepräsentiert sind, können gerne angebracht werden!

Gleichberechtigung und Endometriose

Endometriose hat aufgrund vieler verschiedener Gründe in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten weniger Aufmerksamkeit in Gesellschaft, Forschung und Medizin erhalten, als viele andere Krankheiten mit ähnlich vielen Betroffenen.

Dies hat definitiv auch mit dem vorherrschenden Geschlecht der Betroffenen zu tun. Es konnte mittlerweile gezeigt werden, dass Frauen mit ähnlichen Schmerzniveaus in Krankenhäusern länger auf Behandlung warten als Männer [3,4]. Frauen sind lange Zeit in Forschungsthemen unterrepräsentiert gewesen und es ist ebenfalls bestätigt worden, dass Ärzte unbewusst Frauen bei Schmerzen weniger ernst nehmen – das bedeutet weniger Schmerzmittel und mehr Beruhigungsmittel verschreiben [2,3,4]. Und auch hier finden sich Überbleibsel in der Sprache… Der Begriff Hysterie wurde (von Männern) vom Wort Hyster – gr. Gebärmutter – abgeleitet.

Diese alten gesellschaftlichen Erbstücke der langen Zeit der Ungleichheit zwischen Mann und Frau werden weniger, aber der Einfluss ist auch heute noch spürbar. Die Lösung ist nicht, einen Schuldigen zu suchen, sondern Aufklärung voranzutreiben und auf Vorurteile sachlich aufmerksam zu machen.

Ein Grund mehr, die Gleichberechtigung zu fördern.

Gleichberechtigung in der Sprache

Es gibt ungefähr gleich viele Frauen und Männer. Trotzdem werden Probleme und Bedürfnisse ungleich beachtet. Männern wird aktuell noch mehr zugetraut und auch das ist ein Grund warum Frauen in Führungspositionen weniger repräsentiert sind. Natürlich nicht der einzige, aber einer davon. Das bedeutet widerum, dass die Interessen der Frauen in Politik, Wirtschaft UND Gesundheit weniger vertreten werden.

Kann Sprache da einen Unterschied machen? Die Wissenschaft sagt JA [2,5]!

In einer Untersuchung in 111 Ländern zeigte sich: In Ländern, in denen die Sprache stark nach Geschlechtern trennt, war die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern am geringsten. Damit ist gemeint, dass bei jeder Berufsbezeichnung automatisch das Geschlecht mit angegeben wird (bspw. Arzt oder Ärztin).

Im Mittelfeld befanden sich die Länder mit Sprache ohne jegliche Geschlechtstrennung in der Sprache.

Am meisten Gleichberechtigung fand sich aber in den Ländern, bei denen Berufsbezeichnungen beispielsweise keine Geschlechtsform hatten, aber das Geschlecht erwähnt werden konnte (z.B. Englisch male/female lawyer) [2,5].

Die Sprache spielt also eine Rolle und das generische Maskulinum ebenfalls. Wenn immer von Arzt, Anwalt oder Kanzler geredet wird, ist es ein Problem, dass die weibliche Form existiert aber ausgeschlossen wird. Es ist nachweislich so, dass Frauen und Männer bei den genannten Begriffen eher Männer im Kopf haben [2].

Die gendergerechte Sprache kann somit beitragen die Frauen als in Leben, Beruf und Gesundheit gleichberechtigt in Erinnerung zu rufen und so unterbewusste Ungleichheiten und Vorurteile zu verringern.

Daher bemühen wir uns in unseren Texten immer von Ärzt*innen, Ernährungsberater*innen und Nachbar*innen zu sprechen. Einzige Ausnahme sind die Patientinnen, da wir bei über 99% Frauenanteil der Betroffenen eine Verallgemeinerung für tragbar halten.

Geplant ist aber, in einem Text mehr auf die Männer und Trans-Männer und ihre Besonderheiten einzugehen. Denn den gleichen Fehler sollten wir als Gesellschaft nicht noch einmal machen – einzelne Gruppen aus Diskussionen komplett auszuschließen.

Referenzen

1.
Auer MK, Fuss J, Nieder TO, Briken P, Biedermann SV, Stalla GK, et al. Desire to Have Children Among Transgender People in Germany: A Cross-Sectional Multi-Center Study. J Sex Med. 2018 May;15(5):757–67.
1.
Criado Perez C. Invisible women: exposing data bias in a world designed for men. 2020.
1.
Hadjistavropoulos T, McMurtry B, Craig KD. Beautiful faces in pain: Biases and accuracy in the perception of pain. Psychology & Health [Internet]. 1996 Mar 1 [cited 2021 Feb 28];11(3):411–20. Available from: https://doi.org/10.1080/08870449608400268
1.
Kiesel L. Women and pain: Disparities in experience and treatment [Internet]. Harvard Health Blog. 2017 [cited 2021 Feb 28]. Available from: https://www.health.harvard.edu/blog/women-and-pain-disparities-in-experience-and-treatment-2017100912562
1.
Prewitt-Freilino JL, Caswell TA, Laakso EK. The Gendering of Language: A Comparison of Gender Equality in Countries with Gendered, Natural Gender, and Genderless Languages. Sex Roles [Internet]. 2012 Feb 1 [cited 2021 Feb 28];66(3):268–81. Available from: https://doi.org/10.1007/s11199-011-0083-5
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Endo Brother
Endo Brother
6. Dezember 2023 18:43

Erst einmal danke für diesen Beitrag, und auch für den über Endometriose bei Männern. Als nichtbinäre/genderfluide Person fühle ich mich schon des Öfteren in der Diskussion ausgeschlossen oder von Ärzt*innen diskriminiert. Was mich aber vor allem interessieren würde, und dazu habe ich bisher nicht allzu viel gefunden, ist, ob und wie sich die Endometriose unter der Einnahme von Testosteron verändert. Wenn es hierzu Studien und Erfahrungsberichte gäbe, fände ich das sehr interessant und hilfreich.

Lisa Schaller
7. Dezember 2023 15:08
Antworten zu  Endo Brother

Hi, vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Wir haben erst gestern einen neuen Artikel zum Thema „Endometriose & Gender“ veröffentlicht, in welchem aktuelle Forschungsergebnisse zusammengefasst sind. Schau doch gerne einmal dort rein. Hier ist der Link: https://endometriose.app/endometriose-gender/

Ganz liebe Grüße,
Lisa von der Endo-App

Dr. med. Nadine Rohloff