Endometriosezentrum in der Klinik für Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg
Bereits seit 2019 befindet sich in der Klinik für Frauenheilkunde das zertifizierte Endometriosezentrum Freiburg unter Leitung von Prof. Dr. med. Ingolf Juhasz-Böss. Ein interdisziplinäres Expertenteam aus Frauenärzten, Chirurgen, Urologen, Schmerztherapeuten, Radiologen, Pathologen und Psychologen kümmert sich hier um die zahlreichen Patientinnen. Pro Woche finden in dem hier etwa 10 Endometriose-Operationen statt. Wir haben mit Prof. Dr. med. Ingolf Juhasz-Böss über Forschung und Behandlung der Endometriose sowie das umfangreiche Angebot der Klinik für Patientinnen gesprochen.
Fakten zum Endometriosezentrum
Ort: Freiburg
Stufe: 3
Anzahl Patientinnen Ambulanz: 500
Anzahl OPs: 1.500
Leitung: Prof. Dr. med. Ingolf Juhasz-Böss
Interview mit dem ärztlichen Direktor der Klinik für Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg Prof. Dr. med. Ingolf Juhasz-Böss
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben mit uns zu sprechen. Stellen Sie sich bitte kurz vor.
Prof. Juhasz-Böss: Gerne, vielen Dank, dass ich mitmachen darf. Mein Name ist Ingolf Juhasz-Böss, ich bin ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg und leite das Endometriosezentrum.
Ist das Thema der Endometriose für Sie als Leiter des Endometriosezentrums besonders wichtig?
Prof. Juhasz-Böss: Ja, die Endometriose liegt mir sehr am Herzen. Ich behandle schon sehr lange sehr viele Patientinnen mit Endometriose und mache das immer noch sehr gerne, sehe den großen Leidensdruck bei den Patientinnen und merke, dass man mit einer OP bzw. einer endokrinen Therapie viel Gutes bewirken kann. Zudem – zugegebener Maßen – operiere ich auch sehr gerne.
Als Patientin freut man sich ja darüber, dass man die Endometriose über eine Laparoskopie operieren kann. Haben Sie es schon anders erlebt, dass z.B. auch ein Bauchschnitt durchgeführt werden musste?
Prof. Juhasz-Böss: Das gibt es in der Tat mal, aber das ist zum Glück selten. Bei den erfahrenen Operateuren kann man den Großteil minimal-invasiv operieren, aber dennoch gibt es Situationen, wo man auch mal einen Bauchschnitt machen muss, aber bei jungen und sonst gesunden Patientinnen will man das eigentlich nicht.
Wie nehmen Sie einer Patientin die Angst vor einer OP?
Prof. Juhasz-Böss: Man muss jeder Patientin die Sorge nehmen. Da können wir die Patientin auch dadurch beruhigen, dass wir diese Operationen täglich mehrmals durchführen und wir sehr viel Expertise haben. Deshalb muss die Patientin eigentlich auch keine Angst haben.
Finden Sie, dass die Endometriose ausreichend erforscht wird?
Prof. Juhasz-Böss: Nein, das muss man ganz klar sagen. Bis dato ist die Endometriose noch nicht ausreichend erforscht. Erfreulich ist aber, dass sich in den letzten Jahren hier zunehmend etwas tut und wir immer mehr Arbeitsgruppen und Forschungsergebnisse zum Thema Endometriose haben. Da gibt es aber noch einiges, das man tun muss.
Was denken Sie denn, warum der Fokus sich mittlerweile doch mehr in Richtung Endometriose bewegt, denn häufig hört man ja auch, dass sich die Forschung immer noch hauptsächlich auf die Onkologie konzentriert.
Prof. Juhasz-Böss: Das liegt u.a. auch an Ihnen, den Patientinnen, der Laienpresse und auch der Endometriose App, dass die Endometriose mehr wahrgenommen wird und in den Vordergrund rückt. Dadurch wird auch der Bedarf signalisiert, sodass man Ressourcen auch für den Bereich Endometriose freigibt.
Was würden Sie sich für die Forschung der Endometriose wünschen?
Prof. Juhasz-Böss: Dass immer mehr Arbeitsgruppen sich damit beschäftigen und Projekte auch vermehrt finanziell gefördert werden. Auch der Austausch und das Vernetzen untereinander ist da sehr wichtig, um die bisherigen Erfahrungen auch miteinander zu teilen.
Forschen Sie denn auch selbst?
Prof. Juhasz-Böss: Ja, seit vielen Jahren bin ich sowohl im Bereich der Grundlagenforschung (= Forschung im Labor) sowie im Bereich von klinischen Studien und operativen Studien im Bereich der Endometrioseforschung aktiv.
Was sind in Ihren Augen die wichtigsten Erkenntnisse, die bisher über die Endometriose gewonnen werden konnten?
Prof. Juhasz-Böss: Dass wir die Diagnostik stetig verbessern und immer bessere technische Tools haben, um Endometriose zu erkennen, z.B. intraoperativ bei einer Bauchspiegelung. Außerdem, dass die Teams immer besser geschult werden und die Ärzte affiner werden – nicht nur die Frauenärzte, sondern auch andere Ärzte. Und, dass wir uns als Behandler und Operateure vernetzen und schulen. Aus meiner Sicht ist sehr wichtig, dass die Endometriose in spezialisierten Zentren sehr gut behandelt wird. Dass die Zeit zwischen dem Auftreten von Beschwerden und der Diagnose in den letzten Jahren gefühlt kürzer wird, da sowohl die Frauen selbst, als auch die Ärzte ein zunehmendes Bewusstsein für diese Erkrankung haben.
Was denken Sie, warum es bisher recht lange dauert, bis einer Frau die Diagnose Endometriose gestellt wird?
Prof. Juhasz-Böss: Dies hat meiner Meinung nach zwei Gründe: Zum einen, dass in der Bevölkerung selbst bzw. die Frauen selbst eine schmerzhafte Regelblutung häufig als natürlich empfinden, bzw. dass das im Freundeskreis oder in der Familie so vermittelt wird. Deshalb verzögert sich der Gang zum Arzt. Andererseits, dass auch im Bereich der Ärzte dieses Symptom nicht immer mit der Endometriose assoziiert wird. Ich denke aber wirklich, dass die Sensibilität, vor allem bei den Frauenärzten, hierzu in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist.
Was würden Sie denn sagen, welche Anzahl der Schmerztage noch normal ist und ab wann Sie sagen würden, dass diese nicht mehr im Normalbereich liegen?
Prof. Juhasz-Böss: Das ist leider sehr schwierig zu sagen, weil jede Frau den Schmerz auch unterschiedlich wahrnimmt. Aber wenn man zu einem bestimmten Zeitpunkt sagt, dass man wirklich leidet und eine Einschränkung der Lebensqualität hat, sollte man reagieren.
Denken Sie, es müsse mehr Aufklärung unter Frauenärzten stattfinden, damit diese Beschwerden der Patientinnen schneller ernst nehmen und handeln?
Prof. Juhasz-Böss: Ja, aber ich denke es betrifft jede Erkrankung, dass man sich nicht auf seinem bisherigen Wissen ausruhen sollte, sondern für Weiterentwicklungen offen sein muss. Aber ich denke, hier sind wir auf einem guten Weg. Wir Frauenärzte sind in unseren Fachgesellschaften gut vernetzt. Hier spielt die Endometriose eine zunehmende Rolle, was sowohl die Weiterbildung in den Kliniken, als auch in den Praxen betrifft.
Manchmal ist es ja so, wenn eine Frau beim Frauenarzt den Verdacht auf Endometriose gestellt bekommt, hört Sie den Begriff nur, erhält aber keine weitere Aufklärung. Dann geht die Patientin nach Hause, googelt die Krankheit und das Erste, das sie findet, ist, dass die Endometriose möglicherweise die Fruchtbarkeit einschränkt. Denken Sie, da muss der Frauenarzt/ die Frauenärztin eher darauf reagieren?
Prof. Juhasz-Böss: Natürlich muss das Hauptziel sein, dass die Patientin gut aufgeklärt ist und die Krankheit im ersten Gespräch gut erläutert wird. Man muss direkt umfassend aufklären und dann kann man gerne auch auf das Onlineangebot hinweisen.
Sie haben andere Ärzte bereits angesprochen. Die Patientin geht bei Beschwerden wie Bauchschmerzen, Rückenschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden vielleicht erstmal zum Hausarzt, der jedoch nichts über die Endometriose weiß und diese somit nicht mit in die möglichen Erkrankungen einbezieht. Was denken Sie, wie man hier besser auf Hausärzte zugehen könnte?
Prof. Juhasz-Böss: Ja, das ist ganz richtig und etwas, woran wir arbeiten müssen. Wir müssen die anderen Fachdisziplinen mit ins Boot holen. Das könnte gut über die Fachpresse und Fachgesellschaften funktionieren.
Braucht diese Krankheit mehr Aufmerksamkeit?
Prof. Juhasz-Böss: Es wäre sicherlich förderlich, wenn die Endometriose mehr Aufmerksamkeit bekommen würde. Dies nicht nur in Fachkreisen, allen voran wäre hier die Laienpresse und vor allem neue soziale Netzwerke sicherlich sehr förderlich, so wie die Endometriose App.
Was denken Sie denn, wie vorsichtig man als Patientin mit Informationen auf Social Media Kanälen umgehen muss?
Prof. Juhasz-Böss: An sich denke ich, dass Social Media ein ideales Tool sind, um Wissen zu verteilen. Ich wäre jedoch sehr vorsichtig, eigene Informationen zur Erkrankung zu teilen. Ebenso sollte man die Informationen von Fremden (also Profilen von Privatpersonen) kritisch betrachten. Als einzige Informationsquelle würde ich diese Kanäle nicht nutzen.
Ich denke auch, dass man hier erstmal eine Aufmerksamkeit für die Krankheit schaffen und möglicherweise auch Tabuthemen ansprechen kann.
Prof. Juhasz-Böss: Das ist richtig. In diesem anonymeren Rahmen spricht man vielleicht auch eher darüber, als in einem anderen Kreis.
Wie schätzen Sie die psychische Belastung ein, die Frauen erleiden, wenn sie lange nicht ernst genommen werden?
Prof. Juhasz-Böss: Aus eigener beruflicher Erfahrung kann ich sagen, dass dies zum Teil mit einer deutlichen Belastung assoziiert ist. Ich habe es immer wieder erlebt, dass es Frauen sehr belastet hat, wenn sie einfach nicht ernst genommen werden. Auch dies ist ein Grund, das Verständnis für diese Erkrankung weiter auszubauen.
Wie gehen Sie mit der Individualität dieser Krankheit um?
Prof. Juhasz-Böss: Wir haben ja schon darüber gesprochen, dass Symptome sehr unterschiedlich sein können. In der Tat muss man hier individuell „reagieren“. Nicht jede Endometriose ist gleich. Ich sehe im Klinikalltag, dass sowohl die Beschwerden, als auch die intraoperativen Befunde sehr variieren können. Hier muss man sicherlich auf die jeweilige Patientin ein abgestimmtes Therapiekonzept besprechen und planen.
Was raten Sie Patientinnen im Umgang mit der Endometriose besonders?
Prof. Juhasz-Böss: Wichtig ist, dass man ein gutes Netzwerk hat, zu dem nicht nur die Ärzte gehören, sondern auch Freundinnen, Informationsquellen und auch Gruppen im Internet. Auch das Endometriosezentrum, bei dem sie in Behandlung ist, ist sehr wichtig. Ich würde hier den multimodalen Ansatz wählen.
Worauf kommt es bei einer passenden Endometriose-Behandlung an?
Prof. Juhasz-Böss: Das hängt in erster Linie von den Beschwerden der Patientin ab. Hier als Beispiel die Schmerzsymptomatik oder der unerfüllte Kinderwunsch oder sonstige Belastungen. Diese stehen im Vordergrund, davon abhängig ist die weitere Therapie zu planen.
Bieten Sie Ihren Patientinnen besondere Angebote im Zusammenhang mit der Endometriose? Wenn ja, welche?
Prof. Juhasz-Böss: Ja. Wir bieten natürlich einmal die klassischen schulmedizinischen diagnostischen und therapeutischen Verfahren an. Wir bieten aber auch die Kinderwunschbehandlungen und die operativen Verfahren an. Zusätzlich haben wir eine exzellente Kooperation mit der Klinik für Naturheilkunde, die an unserem Endometriosezentrum partizipiert. Hier können zusätzlich, neben den klassischen medikamentösen und operativen Schritten auch Naturheilkundeverfahren angeboten werden.
Unterstützen Sie Patientinnen mit Kinderwunsch auf besondere Weise?
Prof. Juhasz-Böss: Auf jeden Fall! Wir haben an unserem Endometriosezentrum auch eine Kinderwunschambulanz. Hier werden die Patientinnen auch entsprechend beraten und ggf. auch behandelt. Hier werden auch andere Punkte wie hormonelle Aspekte oder anatomische Besonderheiten betrachtet.
Gibt es bestimmte Therapieformen, die Sie besonders empfehlen?
Prof. Juhasz-Böss: Nein, ich denke, dass die Beschwerden im Vordergrund stehen und dass die Therapie abgestimmt auf diese Beschwerden geplant werden soll. Das sollte dann idealerweise individuell mit der Patientin abgestimmt werden.
Wie viele Endometriose-Patientinnen betreuen Sie im Jahr ungefähr?
Prof. Juhasz-Böss: Pro Woche haben wir etwa 30 Patientinnen ambulant und etwa zehn Operationen pro Woche, wobei diese Zahl in den letzten zwei Jahren, seit ich in Freiburg bin, noch deutlich zugenommen hat. Der Bedarf ist wirklich enorm und wir werden nahezu überrannt und haben die Sprechstunde schon ausgeweitet.
Welche Ziele verfolgen Sie mit ihren Behandlungsmöglichkeiten besonders? Sie haben die individuellen Behandlungen ja bereits genannt. Setzen Sie hier jedoch auch mit Forschungsansätzen an?
Prof. Juhasz-Böss: Ja, wir haben in diesem Jahr begonnen, eine sogenannte Biobank aufzubauen. Freiwillige Patientinnen spenden Endometriosegewebe, das dann in dieser Biobank gesammelt wird, inklusive den klinischen Angaben, und dieses Gewebe untersuchen wir dann mit gezielten Fragestellungen. Diese Biobank möchten wir gerne weiter ausbauen. Dann sind wir bei den Operationen auch daran interessiert, neue Entwicklungen mit einzubeziehen, z.B. testen wir derzeit neue Laserverfahren. Da gibt es mehrere Ansätze, wo wir versuchen, die Endometriose wissenschaftlich auch weiterzubringen. Selbstverständlich steht der Organerhalt bei Kinderwunschpatientinnen ganz klar im Vordergrund. Bezüglich der Behandlungsmöglichkeiten sehe ich zudem den großen Vorteil in der minimal invasiven Diagnostik und Therapie. Als Beispiel sei hier die Schlüssellochchirurgie genannt, wo ein ausgeprägter Endometriosebefall (zum Beispiel tief infiltrierend mit verschiedenen Organen befallen, wie Blase oder Darm) auch organerhaltend und durch Schlüssellochchirurgie operiert werden kann.
Wann und warum sollten sich Frauen mit Endometriose in einem Endometriosezentrum behandeln lassen?
Prof. Juhasz-Böss: In einem Endometriosezentrum arbeiten sehr gut ausgebildete Endometrioseexperten. Man bekommt immer da die beste Diagnostik und Therapie wo die meiste Expertise ist. Hier ist sowohl die Diagnostik, als auch die Therapie abgestimmt. Dieses Netzwerk funktioniert in enger Kooperation mit den niedergelassenen Frauenärzten. Nach einem Kontakt mit dem Frauenarzt, persistierenden Beschwerden sowie einem unerfüllten Kinderwunsch sollte eine Vorstellung im Endometriosezentrum erwogen werden.
Denken Sie, dass es eines Tages eine Heilung der Endometriose geben könnte?
Prof. Juhasz-Böss: Die Hoffnung geben wir nie auf und daran arbeiten wir jeden Tag! Endometriose ist leider eine chronische Erkrankung, aber wir sind ja auch schon glücklich, wenn wir eine Linderung der Beschwerden erreichen können.
Vermutlich muss man auch weiterhin erst die Ursachen erforschen, um auch eine Heilung voranzubringen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um mit uns zu sprechen.
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