Wie können wir unsere Beziehung stärken?
In diesem Artikel möchte ich dir konkrete Tipps geben, wie du beziehungsweise ihr eure Beziehung stärken könnt. Für viele Endometriose-Betroffene ist es eine große Herausforderung, eine ausgeglichene Beziehung zu leben. Während andere Paare scheinbar einen normalen und schmerzfreien Beziehungsalltag haben, ist die Realität für Endometriose-Betroffene eine andere. Darum ist es ganz besonders wichtig, die Beziehung bewusst zu stärken und einen guten und gesunden Umgang mit der Endometriose zu finden. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, die ihr als Paar gemeinsam umsetzen könnt. Es ist immer schön und wichtig, sich bewusst mit der Beziehung zu beschäftigen und zwischendurch zu erfragen, was der/die andere aktuell braucht. Auch unabhängig von der Endometriose.
Kommunikation ist ein wichtiger Schlüssel.
Kommunikation ist generell in Beziehungen ein wichtiger Schlüssel für Vertrauen und gemeinsames Wachstum. Dabei geht es aber nicht darum, einfach allgemein immer wieder über banale Alltagsdinge zu sprechen. Sondern es ist besonders wichtig, dass ihr als Paar regelmäßig Gespräche führt, in denen ihr euch aufmerksam, respektvoll und wertschätzend zuhört. Dazu gehört auch, beim Sprechen oder Erzählen auf die Ich-Perspektive zu achten. Ein Beispiel kann sein: „Ich würde so gerne mit dir über unsere Zukunftspläne sprechen. Ich bin neugierig zu hören, was du dir für uns vorstellen kannst und würde dir gerne von meinen Ideen und Wünschen erzählen.“ – diese Formulierung ist einladend und vorwurfsfrei. „Du fragst mich nie, wie wir unsere Zukunft gestalten.“ – ist hingegen abwertend und lädt nicht unbedingt zu einem Gespräch auf Augenhöhe ein.
Für Gespräche zu zweit, die euch als Paar noch mehr verbinden, kann es schön sein, sich gegenseitig ganz neue Fragen zu stellen, die nichts mit eurem Alltag oder konkret und ausschließlich mit der Erkrankung Endometriose zu tun haben. Ihr könntet euch diese Fragen auf kleinen Kärtchen notieren und bei einem Spaziergang dabeihaben, zum Essen bereitlegen oder auf gemeinsamen Autofahrten nutzen. Es gibt zusätzlich auch großartige fertige Kartensets mit Fragen, die ihr kaufen und direkt nutzen könnt.
Ein paar Beispielfragen für euch als Paar könnten sein:
- Wie stellst du dir unsere gemeinsame Zukunft in 10 Jahren vor?
- Was inspiriert oder begeistert dich in deinem Leben?
- Was glaubst du, sind meine größten Stärken? Wie könnte ich sie
noch besser für mich nutzen? - In welchen Situationen fühlst du dich besonders geliebt von mir?
- Wann beginnt für dich Sex? (Im Kopf, in der Fantasie, bei konkreten Berührungen, …)
Der Endo-Check-in
Es kann durchaus vorkommen, dass Endometriose ein Hauptthema in der Beziehung wird und dies euch beide oder eine Person überfordert. Vielleicht sogar nervt. Das ist erstmal okay und auch menschlich. Hier ist es gut, sich noch einmal zu überlegen, wie bewusst ihr über die Endometriose kommuniziert. Damit meine ich, ob ihr von morgens bis abends immer mal wieder über die Erkrankung und die Symptome sprecht oder ob ihr euch Zeit nehmt für konkrete Gespräche darüber?
Manchmal kann es entlastend sein, sich für Gespräche über die Endometriose zu verabreden, anstatt im Alltag nebenbei immer wieder darüber zu sprechen. Eine Idee ist der Endo-Check-in. Ihr verabredet euch zum Beispiel einmal die Woche für 20-30 Minuten. Wichtig ist, dass ihr diesem Gespräch erstmal einen zeitlichen Rahmen gebt.
Macht euch gemeinsam einen Kaffee, kauft euch ein Stück Lieblingskuchen oder geht einen schönen kleinen Weg spazieren. Gestaltet euch diese Zeit als ein bewusstes Ritual. In dieser Zeit bekommt jede:r von euch ganz bewusst Redezeit. Ihr sprecht nicht nur offen darüber, wie es dir als Endometriose-Betroffene mit der Erkrankung geht, sondern auch, wie es der anderen Person geht. Zum Beispiel als pflegende Person oder einfach als Partner:in in einer Beziehung mit dem Thema Endometriose. Nehmt euch Zeit, einander aufmerksam zuzuhören und bleibt bei der Ich-Perspektive. Der Endo-Check-in kann ein sehr schönes Ritual sein, um eure Beziehung zu stärken. Es geht nicht unbedingt darum, immer über die Probleme der Erkrankung zu sprechen. Manchmal kann es auch sein, dass ihr neue Studien gelesen habt oder einen interessanten TV-Beitrag. Vielleicht stellt ihr auch bei einem Endo-Check-in fest, dass die Erkrankung in dieser aktuellen Woche gar kein Thema war, weil sie euch beide nicht oder kaum belastet hat.
Was stärkt euch als Paar?
Eine Beziehung mit Endometriose zu leben kann sehr herausfordernd sein. Um so wichtiger ist es, euch als Paar immer wieder zu stärken und daran zu erinnern, was eure Verbundenheit und Stärke als Paar ausmacht. Hierfür habe ich eine sehr schöne Übung für euch. Für diese Übung braucht ihr Stifte und mehrere weiße A4-Zettel.
Überlegt euch einmal ganz genau, was eure Beziehung stärkt und euch als Paar verbindet. Dies können Gefühle füreinander sein (Liebe, Dankbarkeit, Vertrauen, …), persönliche Eigenschaften (Mut, Humor, Neugierde, …) die jede:r einzelne von euch in die Beziehung mit einbringt. So etwas wie gemeinsame Projekte/Hobbies könnten euch als Paar auch verbinden. Auf jeden Zettel schreibt ihr jeweils ganz groß ein Schlagwort oder einen kurzen Satz. Wenn ihr alle Dinge aufgeschrieben habt, dann legt doch mal einen Kreis aus diesen Zetteln auf den Boden. Jetzt könnt ihr euch als Paar gemeinsam in diesen Kreis stellen und einmal schauen, was euch da alles stärkend umgibt. Lest euch die Zettel gerne abwechselnd vor oder sprecht darüber, was die jeweiligen Begriffe euch bedeuten.
Mit dieser Übung könnt ihr als Paar ganz bewusst wahrnehmen, wie viel Stärke und Verbundenheit in eurer Beziehung liegt. Dies lässt sich noch besser verstehen, wenn ihr nicht einfach nur darüber sprecht, sondern es tatsächlich einmal, anhand der Zettel, sehen könnt.
Beziehungsinseln. Kleine Pausen, wenn Endometriose als Beziehungsthema zu viel wird.
Manchmal kann es sein, dass für euch beide die Endometriose als Thema zu viel wird. Erstmal ist es wichtig zu wissen, dass dies mit einer solchen Erkrankung völlig normal ist. Es geht vielen anderen Paaren auch so, die die gleiche oder eine ähnliche Herausforderung haben. Zum einen ist da möglicherweise deine eigene Hilflosigkeit , die Symptome und Schmerzen, mit denen du leben musst und dann ist da möglicherweise auch die Hilflosigkeit deiner Beziehungsperson, vielleicht mit dem Wunsch dir noch mehr helfen zu können. Schafft euch kleine Beziehungsinseln, also Momente, in denen ihr beide einen kurzen Moment der Verbundenheit erlebt und das Thema Endometriose sich nicht so sehr in den Vordergrund bringt.
Es geht bei diesen kleinen Beziehungsinseln nicht darum, extra ganz verrückte neue Dinge zu erleben. Sondern euch ganz aktiv kleine Pausen zu erschaffen, in denen ihr beide bewusst erlebt , dass die Belastung der Endometriose pausiert. Natürlich könntest du jetzt denken, dass es ja viele Alltagssituationen gibt, in denen es eh nicht um die Endometriose geht. Vielleicht, wenn ihr einen Film guckt oder etwas kocht. Aber es geht eben um die bewusste Entscheidung. Wenn ihr merkt, Endometriose ist gerade sehr viel Thema und belastend. Dann kann eine bewusste Entscheidung für eine kleine gemeinsame Pause davon, sehr entlastend wirken. Was diese Beziehungsinseln ausmacht, in Bezug auf Endometriose, ist die Kommunikation über diese Pausen. Also ein aussprechen von „Endometriose ist gerade viel Thema oder belastend für uns. Lass uns bewusst eine kleine Pause gestalten und uns nah sein.“.
Diese kleinen Beziehungsinseln sind für euren Alltag sehr wichtig. Achtet darauf, sie euch bewusst und realistisch zu gestalten. Im Prinzip sind es mini-Dates, die so gut wie immer möglich sind, auch dann, wenn die Endometriose-Schmerzen besonders stark sind.
Wenn du aktuelle starke Schmerzen hast, kann eine schöne Beziehungsinsel sein:
Ihr kuschelt euch als Paar zusammen, genießt Körpernähe (in diesem Fall nicht Sex) und hört gemeinsam einen Podcast oder ein Hörbuch. Die körperliche Nähe als Paar zu pflegen, ist immer wichtig, solange beiden danach ist. Das bewusste Hören von zum Beispiel einer Geschichte lenkt den Kopf einen Moment ab von dem Thema Endometriose und schenkt euch zusätzlich neue Gesprächsthemen. Ihr könnt hinterher über das Gehörte sprechen oder euch gegenseitig Fragen dazu stellen.
Wenn du aktuell mit deinen Endometriose-Symptomen gut zurechtkommst, kann eine schöne Beziehungsinsel sein:
Geht gemeinsam spazieren oder sucht euch ein schönes Plätzchen an der frischen Luft und sprecht ganz bewusst über eure Beziehungs-Highlights. Dabei geht es darum, die Beziehung positiv wertzuschätzen und vielleicht auch festzustellen, dass ihr etwas vermisst und wieder häufiger miteinander erleben möchtet. Hilfreich können dafür folgende Fragen sein:
- Erinnerst du dich an Momente, in denen wir zusammen gelacht haben?
- Würdest du sagen, wir haben schon Abenteuer zusammen erlebt? Welche?
- Welche Projekte/Hobbies haben wir schon gemeinsam umgesetzt? Hast du vielleicht auch Lust auf Neue? (Oder: Wollen wir gemeinsame Hobbies finden?)
- Welche Musik verbindest du mit mir und unserer Liebe?
Wenn es schwierig ist, über die Endometriose zu sprechen.
Wenn du merkst, dass es für euch schwierig ist, über die Endometriose zu sprechen, dann kann es hilfreich sein, an eurer Formulierung zu arbeiten.
Ein Beispiel könnte hier sein: „Ich fühle mich mit der Erkrankung manchmal überfordert, das macht mich häufig traurig und ich merke, dass ich mehr Unterstützung brauche. Es wäre schön, wenn ich von dir mehr Unterstützung bekommen könnte. Kannst du dir das vorstellen? Ich würde dir gerne Beispiele nennen, in denen ich dich gerne mehr an meiner Seite hätte.“. Diese Formulierung lädt vorwurfsfrei ein, es wird offen über die eigenen Gefühle (Überforderung und Traurigkeit) gesprochen und die andere Person bekommt die Entscheidungsfreiheit, ob dieses Gesprächsthema gerade passt. Wenn dein Gegenüber dieses Thema gerade nicht besprechen möchte, kannst du um eine Verabredung beziehungsweise einen anderen Zeitpunkt dafür fragen, um nicht alleine zu bleiben. Ein Beispiel kann sein: „Es ist okay, wenn du jetzt gerade nicht darüber sprechen möchtest. Wann hast du Zeit und einen freien Kopf dafür? Das Thema ist für mich sehr wichtig.“
So habt ihr die Möglichkeit euch zum Beispiel für einen Endo-Check-in (siehe oben) zu verabreden oder für ein Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt. Ihr habt dann beide genügend Zeit und Ruhe euch auf ein Gespräch vorzubereiten und vorab vielleicht auch noch andere Themen abzuschließen.
Körperliche Nähe mit mehr Bewusstsein
Ist das Bedürfnis nach körperlicher Nähe (in diesem Fall nicht Sex) in eurer Beziehung und für euch beide erfüllt? Körpernähe mit mehr Bewusstsein ist für eine Beziehung etwas sehr Wichtiges. Sich kurz einen Kuss oder eine kleine Berührung nebenbei zu schenken ist immer schön und ein wichtiger Kontakt. Kuscheln und auch Sex sind für eine Beziehung wichtig und sehr nahrhaft. Aber was ist eigentlich mit all dem, was zwischen einer flüchtigen Berührung und konkret Sex haben liegt? Wie bewusst baut ihr als Paar körperliche Nähe in eure Beziehung ein? Ich habe hier einmal zwei Beispiele:
Der 6-Sekunden-Kuss
Hierbei geht es darum, dass ein reguläres Küssen auf die Lippen, mindestens sechs Sekunden dauern sollte. Ihr kultiviert also als Paar, dass es keine schnellen kurzen Küsse nebenbei mehr gibt. Sondern wenn ihr euch küsst, auch wenn es nur auf die Lippen und ohne Zunge ist, dann küsst ihr euch für mindestens sechs Sekunden. So kommt ihr in ein ganz bewusstes Spüren von dem Kuss und der Nähe in der Beziehung. (Diese Idee stammt im Ursprung von John Gottmann, einem US-amerikanischen Psychologen der unter anderem sehr viel darüber geforscht hat, wo der Unterschied zwischen glücklichen und unglücklichen Paaren liegt. Hierbei fand er unter anderem raus, dass körperliche Nähe im Alltag ein entscheidender Faktor für eine glückliche Beziehung ist.)
Mit bewusster Umarmung in den Tag starten
Wenn ihr an Arbeitstagen morgens zur gleichen Zeit wach seid, dann nehmt euch als festes Ritual vor, mit einer bewussten Umarmung in den Tag zu starten. Natürlich lässt sich dieses Ritual auch zu anderen Tageszeiten fest einplanen. Stellt euch voreinander und umarmt euch. Das klingt erstmal nicht anders als eine reguläre Umarmung, richtig? Der Unterschied ist, dass ihr euch hierfür Zeit nehmt und es fest einplant. Bei dieser Umarmung geht es darum, wirklich mal für 4-5 Minuten beieinander zu bleiben. Vielleicht auszuprobieren, wie es sich anfühlt, die Arme noch fester umeinander zu legen. Bleibt ganz nah in dieser Umarmung und genießt die gegenseitige Nähe und auch Ruhe miteinander. Und die Sicherheit, dass ihr euch diesen Moment der körperlichen Nähe regelmäßig schenkt, was auch immer sonst noch in eurem Alltag los ist.
An diesen beiden Beispielen kannst du nun verstehen, was genau ich mit bewusster körperlicher Nähe meine. Dies lässt sich noch auf viele andere wunderbare Arten in eine Beziehung einbauen. Überlegt doch einmal gemeinsam als Paar, welche Form von Berührungen oder körperlicher Nähe ihr noch mehr genießen möchtet.
Beziehung ist immer Arbeit. Besonders mit Endometriose.
Eine Beziehung zu führen, ist immer Arbeit. Das ist völlig normal. Unsere Lebensumstände, eigenen Bedürfnisse und Lebenspläne ändern sich stetig. Dazu kommen äußere Faktoren, wie gesundheitliche und berufliche Situationen, die eine Beziehung individuell herausfordern. Endometriose ist ein großer Faktor in einer Beziehung. Es ist sehr wichtig dies wertzuschätzen und als Paar zu verstehen, dass es niemals um Schuld geht, in Bezug auf die Endometriose. Es geht vielmehr darum, euch immer wieder zu stärken und bewusst zu machen, dass diese Herausforderung eure Beziehung besonders macht. Ihr dadurch vielleicht häufiger zusätzliche positive Impulse für eure Beziehung benötigt. Oder auch Hilfe von weiteren Personen. Sich als Paar mit einer Paarberatung oder einer Paartherapie zu stärken ist etwas völlig Normales, nicht erst dann, wenn ihr in einer Krise steckt. Sondern auch dann, wenn ihr Unterstützung benötigt, um eure Beziehung in Bezug auf die Endometriose oder andere Themen zu sortieren oder zu stärken.
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