Mit Schmerzkalender und Ruhe durch den Alltag

Interview mit Endometriose Patientin Sandra

Sandra hat mit 23 Jahren die Diagnose Endometriose erhalten – nach einem 13-jährigen Leidensweg, denn dieser begann für sie schon mit der ersten Periode. Wir haben mit ihr über ihre Diagnose, ihren Alltag und ihre Wünsche gesprochen.

Hallo Sandra, schön, dass du dir die Zeit genommen hast, heute mit uns über deine Endometriose zu sprechen. Kannst du dich bitte einfach mal vorstellen?
Sandra: Ich bin Sandra, bin 40 Jahre alt, komme aus München und habe Endometriose Grad 4.

Was bedeutet Endometriose für dich?
Sandra: Für mich ist es eigentlich so ein Ausfall vom Leben, weil ich permanente Schmerzen habe, treffe auf Unverständnis, keiner kann das nachvollziehen. Manchmal denke ich mir, es wäre besser gewesen, keine Frau zu werden.

Wie verlief denn so deine Krankheitsgeschichte bis zu der endgültigen Diagnose und was war in der Zeit das Schlimmste für dich?
Sandra: Es hat sehr lange gedauert bis ich die Diagnose bekommen habe. Ich hab meine Periode mit 10 Jahren bekommen und hatte schon zu Beginn starke Blutungen und Schmerzen. Es war teilweise so, dass ich gar nicht mehr aufrecht laufen konnte und wurde dann mit Morphin behandelt. Jeder sagte, dass da nichts sei und ich mir einfach nur alles einbilde. Ich ging dann von einem Frauenarzt zum anderen, bis mich ein Arzt nach Pasing zu einem anderen Arzt geschickt hat, der sich mit Endometriose auskennt. Da haben wir dann die erste Laparoskopie gemacht und es dann festgestellt. Dann war zumindest eine Erleichterung da, dass eine Diagnose gestellt wurde und dass ich mir das alles nicht einbilde. Da war ich 23. Es hat schon sehr lange gedauert bis ich endlich wusste, was mit mir los ist.

Was war in dieser Zeit das Schlimmste für dich? Wurdest du von deinen Mitmenschen ernst genommen oder wurdest du eigentlich belächelt?
Sandra: Ich wurde eigentlich nur belächelt. Dann hieß es, dass jeder ja Periodenschmerzen hätte und ich mich nicht so anstellen solle. Aber es sind bei mir ja nicht nur die Schmerzen während der Periode. Ich habe starke Kopfschmerzen bis hin zu Migräne. Ich muss mich dann übergeben. Das geht dann zwei, drei Tage lang. Schulter- und Nackenschmerzen, sodass ich meine Arme kaum hochheben kann. Ich habe einen Schmerzkalender und es gibt vielleicht zwei, drei Tage im Monat, an denen es einigermaßen geht und der Rest besteht einfach nur aus Schmerzen. Das versteht keiner. Ich mache dann Treffen aus, die ich dann doch wieder absagen muss, weil ich mich nicht gut fühle und dann heißt es: „Dann sag doch gleich, wenn du keine Lust hast.“ Aber so ist es ja gar nicht.

Schade, wenn die Menschen im Umfeld das auch nicht verstehen. Selbst wenn man es ihnen erklärt, können sie nicht nachvollziehen, dass es wirklich so schlimm ist, dass man einfach nicht kann. Man hat vielleicht einen langen Arbeitstag hinter sich und ist am Ende so erschöpft, weil man als Endometriose Patientin alles einfach auch viel intensiver erlebt. Neben dem, was du im Alltag machst, ist dein Körper konsequent mit dieser Krankheit beschäftigt und das schwächt.
Sandra: In der Familie geht es. Meine Schwestern haben auch Endometriose, die können es nachvollziehen. Ich habe jetzt auch einen Partner, der das auch versteht, sehr einfühlsam ist und das alles mitmacht, was auch nicht leicht ist – gerade was die Sexualität angeht. Manchmal hat man währenddessen extreme Schmerzen hat, sodass man währenddessen aufhören muss.

Wie ist es für dich weitergegangen, nachdem du herausgefunden hast, dass du Endometriose hast? Wie bist du damit emotional umgegangen? Hattest du schon viele Operationen und welche Endometriose wurde bei dir gefunden?
Sandra: Ich hatte schon einige OPs. Die letzte war jetzt im Februar, die davor im Dezember mit einer Teil-Darmresektion. Die ist überall besiedelt: an der Gebärmutter, an den Eierstöcken, an den Bauchwänden. Ich habe eine Zeit lang die Pille durchgenommen, was ich emotional leider gar nicht gepackt habe. Ich bin dadurch in eine leichte Depression gefallen. Deshalb nehme ich die Pille nicht mehr und habe lieber meine Regel. Es ist schade, dass es bisher nichts gibt, sodass man sagen kann, dass es besser wird. Früher hatte ich alle 5 Jahre eine OP, dann alle 2 Jahre. Jetzt habe ich eigentlich jedes Jahr eine OP habe und es wird dadurch ja einfach nicht besser.

Es gibt eben nicht diese eine Lösung, diese eine Lösung für alle. Die Krankheit ist so individuell. Die einen Frauen erleben die Schmerzen mit wenigen Herden auch als extrem stark und Frauen mit vielen Herden haben manchmal so viele Beschwerden.
Sandra: Ich hab schon vieles ausprobiert, wie auch homöopathische Sachen. Die haben ein bisschen etwas gebracht, aber auch nicht wirklich. Für meine Migräne bin ich jetzt in einem Schmerzzentrum, um zu schauen, ob mir hier geholfen werden kann. Es ist so mühselig, weil ich immer von einem Arzt zum anderen anderem renne, von einer Klinik in die nächste Klinik und es wird einfach nicht besser. Man hat irgendwann keine Lust mehr.

Was denkst du denn, warum Endometriose als Krankheit so oft noch unterschätzt wird?
Sandra: Ich glaube, das liegt daran, dass die Leute nicht aufgeklärt sind und dass man da zu wenig drüber spricht und dass man einfach nicht weiß, was das ist. Wenn du es jemandem sagst: „Ich bin HIV-positiv“, können die Leute etwas damit anfangen. Aber bei Endometriose heißt es: „Endo was? Was ist das?“ Die Aufklärung auch unter Ärzten fehlt.

Wie hast du gelernt, mit der Krankheit zu leben und was hilft dir im Alltag, um mit der Endometriose irgendwie zurechtzukommen?
Sandra: Ich habe mir gedacht, ich muss lernen damit umzugehen und versuche für mich eine Auszeit zu nehmen. Wenn ich in der Früh merke, es geht nicht, dann melde ich mich krank. Früher bin ich trotzdem auf die Arbeit gegangen. Jetzt bleibe ich zu Hause, gehe in die warme Badewanne und gönne mir eine Wärmflasche im Bett, um wieder meinem Körper ein bisschen Energie zu geben. Mich einfach aus dem Alltag rauszuziehen, hilft ganz gut.

Welchen Rat würdest du anderen Frauen geben, die unsicher sind, ob sie Endometriose haben?
Sandra: Sich nicht von den Ärzten unterkriegen zu lassen, zu schauen, ob es irgendwo einen Spezialisten gibt, Fachpersonal aufsuchen und sich nicht einreden lassen, dass das Einbildung oder psychisch bedingt ist. Man muss einfach dranbleiben.

Was würdest du dir denn für die Zukunft wünschen? Was muss passieren?
Sandra: Man muss offener damit umgehen und es muss dafür gesorgt werden, dass das kein Tabuthema mehr ist. Frauen müssen einfach auch mal dafür akzeptiert werden, dass sie die Periode bekommen. Auch von den Krankenkassen aus muss mehr passieren. Man sollte als Frau auch mehr Urlaubstage bekommen.

Und jetzt ist es so, dass du arbeiten gehst, dich aber krankschreiben lässt, wenn du dich nicht gut fühlst. Wie kommt das auf der Arbeit an? Wie geht dein Chef und wie gehen deine Arbeitskollegen damit um, wenn du fehlst?
Sandra: Die wissen, dass ich nur mich krankmelde, wenn es wirklich gar nicht geht und es sind meistens auch nur ein, zwei Tage. Da sind sie echt sehr kollegial und verständnisvoll.

Kommunizierst du auf der Arbeit offen, was du hast?
Sandra: Beim neuen Arbeitgeber nicht. Ich habe das bei meiner vorherigen Stelle gemacht und da wurde es dann so verkauft, dass ich meine Periode habe und nur keine Lust habe, zu arbeiten. Beim neuen Arbeitgeber mache ich das nicht. Die wissen, dass ich in einen Behindertengrad eingestuft wurde, aber warum das so ist, möchte ich nicht erwähnen, weil ich so schlechte Erfahrungen gemacht habe. Da wird aber auch nicht großartig nachgefragt.

Sandra, vielen Dank, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast.

Mona Briese