Diagnose Endometriose – eine Herausforderung im Berufsleben

Gehörst du auch zu den 8 bis 15 Prozent aller Frauen, die sich zwischen der Pubertät und den Wechseljahren immer mit wiederkehrenden Schmerzen am ganzen Körper, sowie starken zyklischen Blutungen und einer ausgeprägten Erschöpfung herumschlagen müssen? Endometriose, die all diese Symptome verursacht, ist eine gebärmutterschleimhautähnliche Wucherung im und manchmal auch außerhalb des Bauchraums, die oft zu immer wiederkehrender Arbeitsunfähigkeit und damit auch zu Schwierigkeiten im beruflichen Umfeld führt.

Im Folgenden erhältst du einen Überblick über deine Rechte und Pflichten im Krankenstand.

Krankheit bekannt machen oder nicht? Und wenn ja, wann?

Da Endometriose zu den chronischen Erkrankungen gehört, stehen Patientinnen im Arbeitsleben diverse Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung. Zu überlegen ist im Vorfeld, ob die Erkrankung überhaupt kommuniziert werden soll und wenn ja, wann. Wenn du dich dazu entschlossen hast, deine Endometriose- Erkrankung offen zu legen, können sowohl deine KollegInnen und die dir vorgesetzten Personen wie auch die Schwerbehindertenvertretung aus dem Betriebsrat zu einem wichtigen Netzwerk für dich werden. Beratend zur Seite stehen außerdem BetriebsärztInnen, welche der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Ebenfalls unterstützend kann für dich die betriebliche Eingliederungsmaßnahme, also das BEM, wirken. Diese greift, wenn du länger als 6 Wochen krank gewesen bist. Sie ist in § 167 SGB IX geregelt und hat das primäre Ziel die Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin zu überwinden, zukünftige Arbeitsunfähigkeit zu verhindern und den Arbeitsplatz zu erhalten. Es kann also eine echte Chance sein, daran teilzunehmen.

Arbeitsunfähigkeit: wann, wer stellt sie fest und was hat es mit der AU auf sich?

Die Arbeitsunfähigkeit ist dann gegeben, wenn Schmerzen, Heilbehandlungen oder Folgen von durch Endometriose verursachte Operationen die Ausübung der beruflichen Tätigkeit nicht erlauben. Wenn du dich krankheitsbedingt nicht in der Lage fühlst zu arbeiten, besteht die Verpflichtung deine ArbeitgeberIn unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit und den voraussichtlichen Zeitpunkt der Genesung zu informieren. Grundsätzlich genügt hier eine telefonische Nachricht, zu empfehlen ist jedoch eine kurze Mail, so kannst du nachweisen, dass du deiner Informationspflicht tatsächlich nachgekommen bist. Das Gleiche gilt, wenn du aufgrund einer geplanten Operation nicht arbeiten können wirst. Details zu deiner Erkrankung musst du jedoch nicht preisgeben. Geht deine Arbeitsunfähigkeit über drei Kalendertage hinaus, ist am darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit, kurz AU, vorzulegen. Zu beachten ist, dass deiner ArbeitgeberIn die Möglichkeit obliegt, eine AU ab dem ersten Krankheitstag zu verlangen. Das ist auch dann rechtens, wenn es kein Verdachtsmoment bezüglich eines Betrugs gibt. Die AU wird von deiner ÄrztIn in vierfacher Ausfertigung ausgestellt: einmal mit verschlüsselter Diagnose zum Einreichen bei deiner Krankenkasse, einmal ohne Diagnose für die ArbeitgeberIn, eine Ausfertigung für dich als Patientin und eine verbleibt in der ausstellenden Arztpraxis. Ab Oktober 2021 steht mit der schrittweisen Einführung der elektronischen AU eine Neuerung ins Haus: die Datenübertragung zwischen Arztpraxis, Krankenkasse und ArbeitgeberIn erfolgt elektronisch und du bekommst nur noch ein einzelnes Exemplar ausgehändigt.

Bekommst du mehrere, aufeinanderfolgende AUs ausgestellt, ist darauf zu achten, dass deren Ausstellung lückenlos erfolgt. Eine Rückdatierung der AU kann nur in Ausnahmefällen und nur für maximal drei Tage erfolgen und auch wenn du einen Monat Zeit hast die Krankmeldung einzureichen, ruht dein Krankengeld bis die AU bei der Krankenkasse eingeht. Also lieber nicht schludern.

Übrigens: bei Beschwerden während des Urlaubs, welche dich arbeitsunfähig machen würden, gilt dein Urlaub nach § 9 Bundesurlaubsgesetz als nicht angetreten, wenn du dein Kranksein bereits am ersten Tag an deine ArbeitgeberIn meldest, von einer ÄrztIn dokumentieren lässt und die Arbeitsunfähigkeit im Attest erwähnt wird. Trotz bestehender AU steht deinem Weg an den Arbeitsplatz nichts im Wege, ja, es ist sogar deine Pflicht, sofern du dich deinem Arbeitsalltag im Ganzen gewachsen fühlst. Eine Teilarbeitsfähigkeit gibt es in Deutschland nämlich nicht.

Wenn die ArbeitgeberIn mit der Krankschreibung nicht einverstanden ist

Ich hoffe, du musstest dich noch nicht fragen, welche Rechte dir zustehen, wenn deine AU durch deine ArbeitgeberIn angezweifelt wird, jemand auf die Idee kommt anstelle einer Krankschreibung einen Urlaub erzwingen zu wollen oder gar die krankheitsbedingte Kündigung im Raum steht.

Prinzipiell hast du mit der Vorlage einer AU bei deiner ArbeitgeberIn und der Krankenkasse deine Pflicht erfüllt. Allerdings besteht die Möglichkeit, das Vorliegen einer Krankheit durch den medizinischen Dienst überprüfen zu lassen. Das kann von der ArbeitgeberIn bei der Krankenkasse angeregt werden. Bezüglich eines Zwangsurlaubs lässt sich ebenfalls Entwarnung geben: Ein Zwangsurlaub kann nicht aufgrund von krankheitsbedingten Fehlzeiten verordnet werden.

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist zwar grundsätzlich möglich, jedoch nur unter engen Voraussetzungen. Bei Fehltagen von weniger als 30 Tagen im Jahr kann allgemeinhin nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen vorliegen. Erschwerte Kündigungsbedingungen schafft der Status „Schwerbehinderung“. Hier muss seitens des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin vor jeder Kündigung das Integrationsamt hinzugezogen werden, welches seine Zustimmung zur Kündigung erteilen muss. Darüber hinaus sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Arbeitsplatz trotz der Schwerbehinderung zu erhalten. Im Falle einer Kündigung solltest du unbedingt einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin konsultieren.

Wenn ich langfristig nicht mehr leistungsfähig bin

Wenn deutlich wird, dass mittel- bis langfristig eine geringere Leistungsfähigkeit gegeben sein wird, können verschiedene Möglichkeiten der Entlastung angedacht werden.

Eine Option besteht darin, die Wochenarbeitszeit zu verringern. Die Voraussetzungen sind nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz dann erfüllt, wenn sich die ArbeitnehmerIn bereits länger als sechs Monate in einem Arbeitsverhältnis befindet und das Unternehmen mehr als 15 MitarbeiterInnen beschäftigt. Die ArbeitnehmerIn hat ihren Wunsch die Wochenarbeitszeit zu kürzen spätestens drei Monate vor Beginn in Textform, also per SMS, E- Mail oder auch per WhatsApp, bei ihrer ArbeitgeberIn geltend zu machen. Anschließend wird der Wunsch mit der ArbeitgeberIn erörtert.

Ebenfalls entlastend können sich Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe auswirken. Zu diesen Leistungen zählen solche zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben, ergänzende Leistungen sowie Leistungen zur Teilhabe am Leben in einer Gemeinschaft. Darunter fallen konkret Maßnahmen wie Arbeitsvermittlung, Mobilitätshilfen oder die berufliche Weiterbildung. Nähere Informationen dazu finden sich in § 5 SGB IX und in §§ 49- 63 SGB IX findest du Informationen über die Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben. Die Zuständigkeit des Trägers ist vom Ziel der konkreten Reha- Maßnahme abhängig.

Kann die Erwerbsfähigkeit nicht wieder hergestellt werden, kommt die Beantragung der sogenannten Erwerbsminderungsrente in Betracht. Kann weniger als drei Stunden am Tag gearbeitet werden, spricht man von voller Erwerbsminderung, von teilweiser Erwerbsminderung ist die Rede, wenn über drei, aber unter sechs Stunden gearbeitet werden kann. Mit Vorliegen der Voraussetzungen kann beim zuständigen Rententräger der sogenannte „Antrag auf Weitergewährung“ gestellt werden, um Leistungen im Rahmen der Grundsicherung auf Grundlage des SGB XII zu erhalten.

Grundsätzlich lohnt es sich bei schweren Beeinträchtigungen durch Endometriose über einen Antrag auf Schwerbehinderung nachzudenken. Diese Möglichkeit sehen die sogenannten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ in Punkt 14.5 vor. Diese, vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin gefassten und veröffentlichte Empfehlungen, orientieren sich am aktuellen medizinisch- wissenschaftlichen Stand und dienen als Maßstab zur Bewertung des Grades der Behinderung. Hierzu bedarf es allerhand Nachweise, die zu erbringen teilweise nicht ganz einfach sind. Schon über die Beurteilung der Schweregrade von Endometriose herrscht Uneinigkeit. Am weitesten verbreitet ist die Einteilung nach sogenannten AFS – Stadien, welche durch die ENZIAN- Einteilungen ergänzt wird. Folgende Regeln aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch helfen betroffenen Frauen dabei, vollständige Befunde zu erhalten, welche nicht nur für den Antrag zum Grad der Behinderung, sondern auch für Antragsverfahren von Reha- Maßnahmen oder Rente wichtig sind: § 630 a BGB Behandlungsvertrag, § 630 b BGB Behandlungsverhältnis, § 630 c BGB Informationspflicht, § 630 d BGB Einwilligung, § § 630 e BGB Aufklärungspflichten, § 630 f BGB Dokumentation, § 630 g BGB Einsicht in Patientenakte, § 630 h BGB Beweislast.

Zu guter Letzt kann eine Berufsunfähigkeit vorliegen, sodass Berufsunfähigkeitsrente bezogen werden kann. Diese gehört in den Bereich der privaten Vorsorge und kann neben einer Lebens- oder Rentenversicherung abgeschlossen werden. Die Berufsunfähigkeit muss von der Versicherungsnehmerin nachgewiesen werden und kann sich wegen der schweren Objektivierbarkeit von Schmerzen als herausfordernd erweisen. Deswegen ist es wichtig, die eigenen Rechte zu kennen und einzufordern.

Ganz egal, ob du dich dazu entscheidest die Endometriose in deinem Arbeitsumfeld offenzulegen, deine Rechte und Pflichten solltest du in jedem Fall kennen. Nur so kannst du im Falle einer Krankschreibung Leistungskürzungen umgehen, dich zur Wehr setzen, wenn deine ArbeitgeberIn mit einer Krankschreibung nicht einverstanden ist und die Möglichkeiten ausschöpfen, welche dir zur Verfügung stehen, falls du nicht mehr so leistungsfähig bist.

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Saskia Schlossberger
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