Endometriosezentrum der Universitätsfrauenklinik Würzburg

Fakten zum Endometriosezentrum

Ort: Würzburg
Stufe: 3
Anzahl Patientinnen Ambulanz: 400
Anzahl OPs: 140
Leitung: Frau Dr. med. Anastasia Altides

Interview mit Frau Dr. med. Anastasia Altides, Oberärztin und Leiterin des Endometriosezentrums

Vielen Dank, Frau Dr. Altides, dass Sie heute mit uns über Endometriose sprechen. Stellen Sie sich bitte einmal vor?

Dr. Altides: Mein Name ist Anastasia Altides. Ich bin Oberärztin in der Universitätsfrauenklinik in Würzburg und seit vier Jahren Leiterin des seit sechs Jahren zertifizierten Endometriosezentrums.

Was hat Sie zu dieser Spezialisierung auf Endometriose bewegt? 

Dr. Altides: Ich bin eher zufällig auf diese Spezialisierung gekommen und mittlerweile ist sie mir extrem wichtig. Der hormonelle Aspekt ist bei der Endometriose ja sehr bedeutend. Durch meine gynäkologischen Schwerpunkte in der gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin habe ich mich für die Stelle der Vertretung des ursprünglichen Leiters des Endometriosezentrums qualifiziert und habe dann auch die Leitung übernommen.  Das Thema liegt mir wirklich sehr am Herzen, weil es sehr komplex ist, aber auch sehr unterschätzt wird.

Finden Sie denn, dass die Endometriose ausreichend erforscht wird?

Dr. Altides: Nein, aber ich glaube, dass es viele Themen gibt, die sich mehr Forschung wünschen. Ich denke, dass das Maß an Forschung, wenn man die Endometriose mit dem Mammakarzinom vergleicht, sicher unterrepräsentiert ist und mehr Forschung immer gut sein würde. Für die Endometriose hat man leider weiterhin sehr wenig Therapiemöglichkeiten und es wäre schön, wenn man in Zukunft die Möglichkeiten hätte, mehr Forschung zu betreiben, um mehr Therapieansätze anbieten zu können. Es wird zwar schon viel geforscht, aber es gibt sehr wenige klinische Studien, von denen sich viele noch im Tierversuch befinden.

Schön wäre es, wenn es die finanziellen Mittel und auch das Personal geben würde, um zu forschen. In Kliniken findet am Tag ja auch der ganz normale Betrieb statt. Wenn man zusätzlich zu denen, die dort im Einsatz sind, ein Team nur mit der Forschung beauftragen könnte, würde man sicher weiterkommen.

Forschen Sie denn auch selbst?

Dr. Altides: In kleinerem Maße, ja. Wir forschen in Bezug auf Kinderwunsch, Eizellenqualität und Lebensqualität der Patientinnen.

Wir konnten z. B. nachweisen, dass die Eizellenqualität bei Endometriose Patientinnen reduziert ist. Jedoch ist keine Endometriose Patientin wie die andere und so können wir noch keine Unterscheidungen zu treffen, z. B. ob nur bestimmte Patientinnen betroffen sind oder was weitere Faktoren sind, die sich hier auswirken. Das Alter spielt immer eine große Rolle und das schlägt auch immer die Endometrioseerkrankung.

Ich hatte dazu auch bereits ein interessantes Gespräch, weil das Alter bei Endometriose Patientinnen mit Kinderwunsch einfach oft außer Acht gelassen wird, obwohl gerade dieses der Risikofaktor ist. 

Dr. Altides: Man weiß, je älter die Patientin ist und je ausgeprägter die Endometriose ist, desto schwieriger wird es schwanger zu werden, desto großzügiger induziert man die künstliche Befruchtung, weil man damit die schnellsten und besten Ergebnisse hat. Dennoch muss man sagen, dass es natürlich keine gute Idee ist, eine Patientin mit Anfang 30, die gerade die Diagnose Endometriose erhalten hat, gleich mit dem Thema der künstlichen Befruchtung zu konfrontieren. Hier muss man schrittweise an die Sache rangehen, man kann es aber auch nicht verschweigen. Es ist ja eine individuelle Entscheidung schwanger zu werden und da spielen auch äußere Umstände, wie ob die Patientin den richtigen Partner hat eine wichtige Rolle. Man würde als Frauenarzt seinen Job nicht richtig machen, wenn man es nicht thematisieren würde.

Was sind Ihrer Meinung nach weitere wichtige Erkenntnisse,  die bisher über die Endometriose gewonnen werden konnten?

Dr. Altides: Die hormonelle Abhängigkeit der Erkrankung ist definitiv ein großer Punkt und auch, dass die konservative Behandlung der Endometriose in den Vordergrund tritt, halte ich für bedeutend. Bisher war die Behandlung sehr auf die Operationen fokussiert und der Kinderwunsch erfüllt sich nach einer Sanierung auch deutlich eher, aber natürlich kommt die Endometriose auch nach der OP wieder. Es muss nicht immer operiert werden. Wenn z. B. der Kinderwunsch abgeschlossen ist und die Beschwerden nicht sehr stark sind, kann man es auch erstmal dabei belassen und regelmäßig kontrollieren, wie es der Patientin geht. Bei Patientinnen mit Schmerzen trotz Hormontherapie (Schmerzpatientinnen) muss man natürlich operieren. Das Wichtigste ist immer, die Lebensqualität der Patientin in den Vordergrund zu stellen. Das Komplexe an der Erkrankung ist, dass man wirklich alles auf die Waagschale legen muss.

Die Individualität der Krankheit ist tatsächlich interessant. Manchmal haben Patientinnen mit wenigen Herden starke Schmerzen, Patientinnen mit vielen Herden dagegen weniger. Da ist der Patientin natürlich mit einer OP geholfen.  Was denken sie denn, warum es noch so lange dauert, bis es zur Diagnose kommt?

Dr. Altides: Die Frage stellen wir uns auch. Die Awareness über die Erkrankung wurde erst in den letzten Jahren wieder aufgegriffen – auch unter den Frauenärzten selber. Ich habe mein Studium vor etwa 13 Jahren abgeschlossen und ich erinnere mich, dass es damals kein großes Thema im Studium war. Es wurde erwähnt, aber es hatte keinen besonderen Stellenwert. In den letzten Jahren gibt es dagegen auch eigene Vorlesungen zu dem Thema, d. h. erst in den letzten 10 Jahren ist das Thema wieder aufgekommen. Wir kämpfen dafür, dass es so bleibt. Es gibt immer mehr Interviews und Zeitungsartikel über die Endometriose, sodass auch Hausärzte und Chirurgen Kontakt zu dem Thema bekommen.

Ein weiterer Punkt, dass es häufig so lange bis zur Diagnose dauert, ist, dass Dinge wie Periodenblutungen weiterhin ein Tabuthema sind. Wenn die Mutter oder Oma auch schmerzhafte Perioden hatte, wird gesagt, dass es ihnen auch so ging. Die Schmerzen werden auf diese Weise bagatellisiert und sie werden dann auch beim Frauenarzt nicht angesprochen.

Das Thema, dass Hausärzte aufmerksam auf die Erkrankung werden, ist natürlich wichtig. Wenn man Magen-Darm-Beschwerden oder Rückenbeschwerden hat, geht man zuerst zum Hausarzt und dieser ist dann gar nicht über alle möglichen Ursachen informiert, sodass der Gedanke an Endometriose häufig ausbleibt. Denken Sie, man muss da intensiver auf Ärzte anderer Fachrichtungen oder auch auf Frauenärzte, die über viele Jahre vielleicht in eine Art Betriebsblindheit gefallen sind, zugehen?

Dr. Altides:  Ich denke, da passiert schon einiges. Wir organisieren zu dem Thema auch immer wieder Kongresse und klären die lokalen Kolleginnen und Kollegen auf. Im Studium muss das Thema weiterhin erwähnt werden, sodass jeder den Begriff schon mal gehört hat.

Sie haben auch Tabuthemen wie die Periode, die Schmerzen, die Stärke der Blutungen angesprochen und dass Frauen oft gesagt wird, dass das alles normal sei. Es gibt zusätzlich aber ja auch viele weitere Schmerzen bei der Endometriose, die man dann noch weniger anspricht: Schmerzen beim Stuhlgang oder Geschlechtsverkehr z. B. Was denken Sie, was gute Wege sind, die Patientinnen zu motivieren, dennoch darüber zu sprechen?

Dr. Altides: Ich denke, Artikel in den Medien sind hilfreich, sodass sich Patientinnen möglicherweise in diesen Geschichten wiederfinden. Wenn die Patientin das Thema dann beim Arzt anspricht und fragt, ob es sich bei ihren Beschwerden auch um Endometriose  handeln könnte, wird sie direkt in eine andere Richtung beraten und weitergeleitet, damit diese Frage auch geklärt werden kann. Auch Influencerinnen können darüber sprechen. Hier muss man aber darauf achten, dass nicht alle Geschichten in einen Topf geworfen werden, weil die Krankheit sehr individuell ist. Leider liest man immer von den ganz schlimmen Verläufen und das gibt ein falsches Bild, weil man dadurch beispielsweise beim Thema “Kinderwunsch” die Gedanken wecken kann, dass alle Endometriose Patientinnen nicht schwanger werden. Influencerinnen können nicht immer objektiv genug darüber berichten.

Man achtet als Patientin oft auch erst auf die negativen Sachen. Da gibt es nicht den großen Artikel mit dem Titel: “Ich habe Endometriose und 3 Kinder”, sondern man liest immer von den negativen Geschichten. 

Dr. Altides: Genau das ist die Gefahr. Ich denke, wenn man Persönlichkeiten dazu bringt, darüber zu sprechen, bringt man Frauen schon in die Richtung, etwas darüber zu erfahren, aber es gibt bedauerlicherweise keine Kontrolle des Inhalts. Deshalb denke ich, dass diese App auch eine tolle Idee ist, denn die Inhalte sind geprüft und die Krankheit muss bekannter gemacht werden. Sie ist noch nicht genug Thema und es ist auch wenig bekannt, dass die Endometriose eine schwerwiegende Erkrankung sein kann und dass sie viele Frauen betrifft. Sie ist ganz und gar nicht selten, sondern etwas unterdiagnostiziert und unterbeachtet.

Wie schätzen sie die psychische Belastung für Patientinnen ein, wenn sie so lange nicht ernst genommen werden?

Dr. Altides: Die ist natürlich sehr hoch, das ist nachvollziehbar und bekannt. Es dauert ja sechs, sieben Jahre bis die Diagnose gestellt wird. Es sind Schmerzen, die schon chronifiziert sind und auch außerhalb der Periode auftauchen und die Lebensqualität extrem einschränken. Das geht vielen natürlich an die Psyche.

Was raten Sie Patientinnen im Umgang mit der Endometriose?

Dr. Altides: Die Ernährung ist ein erster Schritt. Es gibt keine Ernährung, die Endometriose behandeln kann, aber sie ist immer ein Punkt, dem man nachgehen sollte. Es gibt auch nicht die eine Endometriose Diät und man muss herausfinden, was einem guttut und was nicht und wenn die Darmbelastung durch die Ernährungsumstellung reduziert wird, werden auch die Beschwerden etwas besser.

Andere Möglichkeiten sind auch Atemtechniken, Konzentrationstechniken, Schmerzbewältigungstechniken und Mind-Body-Medizin. Auch hier ist es so, dass nicht für jeden alles sinnvoll ist. Yoga und Qigong können auch helfen. Es ist wichtig, auf sich zu achten, aber sich nicht nur noch auf die Krankheit zu konzentrieren und sich auch mit anderen Sachen zu beschäftigen. Ablenkung hilft dann eben doch. Man kann auch in die Komplementärmedizin, wie die traditionelle chinesische Medizin, gehen.

Im Austausch mit Patientinnen hört man auch, dass es natürlich einige gibt, die auf die Ernährung achten und dann gibt es Patientinnen, die sagen, sie leiden mit der Endometriose schon genug, warum sollten sie auf noch mehr verzichten. Wenn man aber die Ernährung umstellt, merkt man vielleicht doch, dass es einem besser geht. Das muss aber jeder persönlich entscheiden. 

Genau und es ist von Frau zu Frau unterschiedlich, welcher Verzicht wirklich einen gewünschten Effekt hat, der so nachtragend ist, dass man gerne auf die Sachen verzichtet, aber das muss man rausfinden. Die Motivation kommt von einem selber und ich kann beide Seiten wirklich gut verstehen.

Worauf kommt es denn grundsätzlich bei einer passenden Behandlung an? 

Dr. Altides: Es kommt auf eine sehr individualisierte Behandlung an. Diese ist abhängig vom Befund und davon, wie ausgeprägt die Endometriose ist und ob andere Organe betroffen sind. Auch der Leidensdruck, das Alter und der Kinderwunsch der Patientin spielen eine Rolle bei der Behandlung. Wir müssen darauf hören, was sich die Patientin vorstellen kann und was nicht und auf dieser Grundlage schauen, was für die einzelne Patientin der richtige Weg ist.

Wie viele Patientinnen betreuen Sie denn?

Dr. Altides: Etwa (200 bis) 300 Patientinnen pro Jahr, wenn man Wiedervorstellungen mit einzieht und operativ behandeln wir etwa 130 bis 140 Frauen.

Ich hatte ein Gespräch, in dem der Arzt erwähnte, dass er erstaunlich viele Fälle von Darmendometriose beobachten konnte. Konnten Sie auch schon feststellen, dass Sie bestimmte Fälle besonders oft behandeln?

Dr. Altides: Es ist schon so, dass man als Zentrum mehr Darmendometriose sieht, weil die Patientinnen dann uns verwiesen werden. Mir fällt eher auf, dass man auch bei OPs wegen Zysten oder wegen des Kinderwunschs Endometriose findet, die bis dato für die Patientin noch gar kein Thema war.

Sind Ihre Kollegen auch schon so weit, dass jeder den Blick für die Endometriose hat, auch wenn sie nicht vermutet wurde?

Dr. Altides: Ich habe schon das Gefühl, dass das Bild der Endometriose schon jedem auffallen würde, insbesondere dadurch, dass wir die Zertifizierung haben und ein übersichtliches Team sind und wir uns austauschen. Wir haben auch in unseren Standards, dass man sich operativ einmal alles anschaut. Auch wenn nicht wegen Endometriose operiert wird, schauen wir dennoch danach. In unseren OP-Berichten steht dann ein Hinweis, wenn keine Endometriose  gefunden wurde.

Wann und warum sollte eine Patientin ein Endometriosezentrum aufsuchen?

Dr. Altides: Wenn der niedergelassene Frauenarzt damit nicht richtig umgehen kann. Wenn eine Frau Schmerzen hat, die sie in der Lebensqualität einschränken und die zyklisch sind, kommt die Frage, wie es nun weitergeht, definitiv auf. Es gibt auch Patientinnen, die ab der ersten Blutung, mit 13 oder 14, Schmerzen haben. Da ist die erste Wahl weiterhin eine Pille zu verschreiben. Dann ist es auch okay, wenn dies erstmal nicht über ein Zentrum läuft, man sollte jedoch weiterhin ein Auge darauf haben. Wenn der Verdacht einer ausgeprägten Endometriose besteht oder es einen Kinderwunsch gibt, sollte man auch ein Zentrum aufsuchen, da hier gewährleistet ist, dass Kooperationen mit anderen Fachrichtungen bestehen.

Denken Sie, dass es eines Tages eine Heilung geben könnte?

Dr. Altides: Man hofft es natürlich. Ich bin da etwas skeptisch, weil die Forschung doch noch sehr viel Luft nach oben hat. Ich würde mir wünschen, dass in den nächsten Jahren weitere Therapieoptionen auf den Markt kommen, wie nicht-hormonelle Therapieoptionen vor allem beim Kinderwunsch, wo die Hormontherapie nicht parallel laufen kann. Hier sind unsere Optionen noch limitiert. Es gibt ja auch viele Patientinnen, die keine Hormone nehmen möchten. Im Moment geht der Trend ja in die Richtung, dass man lieber keine Hormone zu sich nimmt. Da muss man auch mit den Frauen darüber sprechen, dass es hier ja hier nicht um ein Lifestyle-Produkt geht. Und dann gibt es die Patientinnen, die Hormone einfach nicht gut vertragen und der Sinn und Zweck der Wiederherstellung der Lebensqualität in diesen Fällen nicht gegeben ist. Wenn wir hier Alternativen hätten, vor allem auch welche, die man zum aktiven Kinderwunsch nehmen kann, wäre das schön. Insgesamt wäre es gut, wenn man einfacher sagen könnte, welche Patientin welche Therapie benötigt.

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Mona Briese