Endometriose und die Wechseljahre

Für viele Frauen sind die Wechseljahre ein Schreckgespenst. Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und eine trockene Schleimhaut im Intimbereich sind besonders bekannte Begleiterscheinungen. Für Endometriose-Patientinnen könnten die Wechseljahre aber die langersehnte Ruhe bringen. Schließlich fährt der weibliche Organismus die Hormonproduktion im Alter zurück. Davon ist auch das weibliche Sexualhormon Östrogen betroffen, das Endometrioseherde triggert. Aber nicht bei jeder Frau führt der „Hormonpauseknopf“ zu der erhofften Wirkung. Ich verrate Dir heute, was Wechseljahre überhaupt sind und welche Beschwerden sie hervorrufen können. Außerdem erkläre ich Dir, warum nicht alle Patientinnen in und nach den Wechseljahren frei von Endometriose-Symptomen sind.

Was sind die Wechseljahre?

Schlagen wir einmal das Medizinbuch auf und schauen uns die Definition zum Thema Wechseljahre an. Die Wechseljahre werden von Medizinern auch Klimakterium genannt. Definitionsgemäß handelt es sich dabei um die Übergangsphase von der fruchtbaren in die unfruchtbare Zeit. Etwa zwischen dem 45. und 50. Lebensjahr stellt sich Dein Körper um. Deine Eierstöcke sind nun nicht mehr so fleißig. Die letzte Regelblutung, die Menopause, findet durchschnittlich zwischen dem 51. und 52. Geburtstag statt. Du weißt allerdings erst etwa ein Jahr später, ob das tatsächlich Deine letzte Regelblutung war. Ärzte beobachten nach der möglichen Menopause nämlich ein Ausbleiben der Regelblutung über ein Jahr hinweg. Passen das Alter, die Funktionstüchtigkeit der Eierstöcke und der Menstruationsstopp, kann die Menopause bestimmt werden. Nun ist es aber nicht so, dass Deine Geschlechtsorgane klammheimlich ihre Funktion zurückschrauben und dann Dein Körper mit der letzten Regelblutung einen Schlussstrich zieht. Vielmehr handelt es sich um einen Stufenplan, bei dem die Hormone neu geordnet werden. Er wird vor, während und über die Menopause hinaus verfolgt. Dieser Zeitabschnitt, der mehrere Jahre andauert, wird als Wechseljahre bezeichnet [1].

Schlaufuchs to-go

In einer Studie wurde nicht nur festgestellt, dass Frauen auch nach der Menopause an Endometriose leiden können, sondern auch, dass nun andere Formen in den Vordergrund rücken. Forscher widmeten sich 1100 Patientinnen mit diagnostizierter Endometriose. Genau 184 von ihnen befanden sich vor der Menopause, 46 weitere danach. Diejenigen Studienteilnehmerinnen, die sich in der sogenannten Perimenopause (Übergang von der fruchtbaren Zeit in die Menopause) befanden, besaßen aggressivere Endometrioseherde. Neben Endometriose an den Eierstöcken litten sie auch häufig an Wucherungen (Myomen) in der Gebärmutter. Die Studienteilnehmerinnen, die bereits ihre letzte Regelblutung hatten, waren hingegen häufiger mit Adenomyose konfrontiert [10]. Hier wachsen die Endometrioseherde in der Gebärmutterwand.

Wechseljahre: von Stimmungsschwankungen und Hitzewallungen

Die Wechseljahre klingen wenig einladend. Tatsächlich kann die hormonelle Umstellung zahlreiche psychische und physische Beschwerden hervorrufen. Nachdem Dein Körper über viele Jahrzehnte immer wieder Hormonschwankungen erlebt hat, kündigt sich nun die größte Veränderung an. Das geht auch an Deinem Wohlbefinden nicht spurlos vorbei. Zu den Klassikern gehören Hitzewallungen und Schweißausbrüche. In der Regel halten diese über 4-5 Jahre an und verschwinden von alleine wieder. In der Zeit, in der sie bestehen, können sie aber nachhaltig den Schlaf und den Alltag stören. Als belastend empfinden Frauen auch die Umstellung im Intimbereich. Im Anschluss an die Menopause ist die Schleimhaut in der Scheide häufig dünner und bildet weniger Feuchtigkeit [2]. Das kann insbesondere beim Geschlechtsverkehr zum Problem werden. In dem Fall ist ein Gleitgel empfehlenswert.

Außerdem gibt es unter anderem folgende Wechseljahres-Beschwerden[1]:

Endometriose in/nach den Wechseljahren – die Wogen glätten sich

Alles ist in Aufruhr, die Wellen toben und nur zeitweise kehrt Ruhe ein – fühlt sich die Endometriose für Dich so an? So geht es vielen Frauen. Wie viele Frauen genau betroffen sind, lässt sich nicht sagen. Allerdings gibt es Schätzungen. Liegen schmerzhafte Menstruationsblutungen vor, gehen Mediziner in 40-60 % der Fälle davon aus, dass die Endometriose daran schuld ist. Bleibt ein Kinderwunsch unerfüllt, sind es 20-30 % [3].Wagen wir einen weiteren Blick in die Statistik, erkennen wir, dass vor allem Frauen zwischen 35 und 44 Jahren bzw. zwischen 40 und 45 Jahren von einer Endometriose betroffen sind [4]. Genau in dieser Zeit wird Dein Körper praktisch von Hormonen durchflutet. Die bekanntesten Kandidaten sind Östrogen und Progesteron. Beide haben das Ziel, Deinen Organismus auf eine Schwangerschaft vorzubereiten [2]. Während Progesteron sich hemmend auf eine Endometriose auswirken kann, setzt Östrogen einen Wachstumsreiz und unterhält somit die Erkrankung. Deshalb kommt laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe zur Diagnostik und Therapie der Endometriose ein Gestagen (synthetisches Progesteron) als Erstliniensubstanz bei der medikamentösen Behandlung infrage [5]. Dadurch, dass die Östrogen-Konzentration in Deinem Körper in den Wechseljahren abnimmt, können sich auch die Endometriose-Beschwerden verringern.

Gibt es Endometriose in den Wechseljahren?

An dieser Stelle gibt es ein eindeutiges „Ja“ von mir. Schließlich verschwinden die Endometrioseherde nicht einfach, wenn Du Dich in den Wechseljahren befindest, vielmehr schlummern sie. Allerdings kann der gesenkte Östrogen-Spiegel das Endometriose-Wachstum ausbremsen, da das Sexualhormon auf natürliche Weise den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut regelt. Viele Frauen haben nach den Wechseljahren daher weniger mit den klassischen Beschwerden einer Endometriose zu kämpfen, viele sind nach den Wechseljahren sogar nahezu beschwerdefrei. Im Umkehrschluss bedeutet das aber nicht, dass es keine Endometriose mehr im Alter gibt. Eine Studie zeigte auf, dass von rund 42.000 Frauen etwa 2,55 % unter einer Endometriose nach ihrer letzten Regelblutung litten [6]. Eine andere Studie gibt an, dass es sich bei Endometriose um eine östrogenabhängige Erkrankung handelt, die sich zwar tendenziell im Anschluss an die letzte Regelblutung zurückbildet, aber immer noch bis zu 2,2 % dieser Personengruppe zu schaffen macht [7].

Das kann Endometriose-Patientinnen in den Wechseljahren plagen

Die Endometriose kann Dich auch durch die Wechseljahre oder darüber hinaus begleiten. So gibt es Probleme, die sich nicht mit der Zeit von alleine lösen. Nehmen wir zum Beispiel Verwachsungsbeschwerden nach operativen Eingriffen oder Komplikationen, die sich durch solche ergeben haben. Auch einschlägige Endometriosebefunde, wie am Ischiasnerv, können weitreichende Folgen haben. Sie gehen häufig mit einer tief infiltrierenden Form einher, die den größten Nerv im schlimmsten Fall zerstören kann [8]. Dadurch können sich Missempfindungen ergeben, die auch in den Wechseljahren nicht verschwinden. Eine interstitielle Zystitis ist eine häufige Begleiterscheinung bei Endometriose [9]. Sie kann auch nach den Wechseljahren noch auftreten. Dadurch, dass es in den Wechseljahren zu einer Abnahme von Östrogen kommt, treten vielfach die klassischen Symptome wie psychische Probleme oder Schlaflosigkeit in Verbindung mit Endometriose auf.

Generell gilt: Endometriose-Patientinnen können grundsätzlich die gleichen Wechseljahresbeschwerden wie andere Frauen entwickeln. Eine hormonelle Therapie kann die Begleiterscheinungen der Wechseljahre lindern. Wird jedoch Östrogen hierzu verabreicht, können die Endometrioseherde wieder „zum Leben erwachen“ und Beschwerden hervorrufen.

Künstliche Wechseljahre – (k)ein Weg aus der Endometriose

Wenn die Wechseljahre die Wogen glätten können, ist es dann nicht eine Möglichkeit, jüngere Frauen in die künstlichen Wechseljahre zu befördern? Tatsächlich gibt es systemische Therapieansätze, bei denen mit Gestagenen oder GnRH Analoga gearbeitet wird. Sie wirken über die Hypothalamus-Hypophysen- Achse im Gehirn und leiten so künstlich einen Östrogenmangel ein. Das kann die

Endometrioseläsionen verkleinern und sie inaktiver gestalten [11]. Wenn es um das Thema „künstliche Wechseljahre“ geht, sind die GnRH-Analoga interessant. Dabei handelt es sich um Wirkstoffe, die den natürlich im Körper vorkommenden Gonadotropin-Releasing-Hormonen (abgekürzt GnRH) nachempfunden sind. Allerdings wirken sie stärker und über einen längeren Zeitraum. Dadurch, dass sie viel massiver als die „Antibaby-Pille“ in den Hormonhaushalt eingreifen, sollten sie nur in einem begrenzten Zeitintervall angewendet werden. In der Regel wird hier zu sechs Monaten geraten [3, 12]. Bei der Anwendung von GnRH-Analoga kann es zu unerwünschten Begleiterscheinungen kommen. Dazu musst Du wissen, dass das Arzneimittel die Bildung der weiblichen Hormone so stark zurückfährt, dass typische Östrogenmangel-Symptome auftreten können. Diese ähneln jenen, die auch in den Wechseljahren beobachtet werden. Schlafstörungen, trockene Schleimhäute im Intimbereich, Stimmungsschwankungen oder Hitzewallungen sind möglich. Deswegen wird häufig etwas Östrogen als sogenannte „Add-Back“ Therapie gleichzeitig als Medikament verschrieben. Zudem kann sich die Knochendichte verringern, wenn die GnRH Analoga über lange Zeit angewendet werden. Laut einiger Studien könnte dieser unerwünschte Effekt aber umkehrbar sein [13].

Gut zu wissen!

Aufgrund des Nebenwirkungsprofils sollte Dein Arzt genau abwägen, ob eine Behandlung mit GnRH-Analoga in Deinem Fall infrage kommt. Soll die Behandlung über mehrere Monate erfolgen, bietet sich eine zeitgleiche Hormonersatztherapie an. Die sogenannte Add back-Therapie hat das Ziel, die unerwünschten Begleiterscheinungen durch den Hormonmangel abzuschwächen. Hierfür wird eine kleine Dosis Östrogen verabreicht [14].

Kurz und knapp

Die Wechseljahre dauern mehrere Jahre an. In dieser Zeit werden die Hormone im weiblichen Körper zurückgefahren. Darunter auch Östrogen, dass die Endometriose nachweislich unterstützt. Aus diesem Grund berichten viele Endometriose-Patientinnen über eine Besserung ihrer Symptome in und nach den Wechseljahren. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Endometriose im Alter gibt. Studien legen den Schluss nahe, dass etwas mehr als 2 % immer noch mit der Erkrankung konfrontiert werden. Selbst wenn die klassischen Endometriose-Symptome nachlassen, können die Folgen der Endometriose weiterhin bestehen. Verwachsungen oder eine interstitielle Zystitis, die Patientinnen besonders oft betrifft, sind nur wenige Beispiele. Vielleicht hast Du Dich auch schon einmal mit dem Thema „künstliche Wechseljahre“ beschäftigt. Hier werden Wirkstoffe gegeben, die Deinem Körper vorgaukeln, dass er sich in den Wechseljahren befindet. Durch den stark herabgesetzten Östrogen-Spiegel können sich jedoch unerwünschte Begleiterscheinungen wie Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und Co. ergeben. Gemeinsam mit Deinem Arzt kannst Du herausfinden, wie es um Deinen hormonellen Status besteht und welche Behandlungsoptionen infrage kommen.

Referenzen

  1. Diedrich, Klaus. Gynäkologie und Geburtshilfe (Springer-Lehrbuch) (German Edition) (S.54). Springer Berlin Heidelberg. Kindle-Version.
  2. Wechseljahrsbeschwerden | Gesundheitsinformation.de
  3. Farquhar C. Endometriosis. BMJ. 2007 Feb 3;334(7587):249-53. doi: 10.1136/bmj.39073.736829.BE. PMID: 17272567; PMCID: PMC1790744.
  4. Eisenberg VH, Weil C, Chodick G, Shalev V. Epidemiology of endometriosis: a large population-based database study from a healthcare provider with 2 million members. BJOG. 2018 Jan;125(1):55-62. doi: 10.1111/1471-0528.14711. Epub 2017 Jun 14. PMID: 28444957.
  5. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Leitlinienprogramm. Diagnostik und Therapie der Endometriose. August 2020.
  6. Haas D, Chvatal R, Reichert B, Renner S, Shebl O, Binder H, Wurm P, Oppelt P. Endometriosis: a premenopausal disease? Age pattern in 42,079 patients with endometriosis. Arch Gynecol Obstet. 2012 Sep;286(3):667-70. doi: 10.1007/s00404-012-2361-z. Epub 2012 May 5. PMID: 22562384.
  7. Zanello M, Borghese G, Manzara F, Degli Esposti E, Moro E, Raimondo D, Abdullahi LO, Arena A, Terzano P, Meriggiola MC, Seracchioli R. Hormonal Replacement Therapy in Menopausal Women with History of Endometriosis: A Review of Literature. Medicina (Kaunas). 2019 Aug 14;55(8):477. doi: 10.3390/medicina55080477. PMID: 31416164; PMCID: PMC6723930.
  8. Prof. Dr. med. Marc Possover: Die Endometriose des Ischias-Nervs und der Sakralwurzeln
  9. S2K-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Interstitiellen Cystitis (IC/BPS), Langfassung, Auflage 1, Version 1, Stand 30.09.2018
  10. Matalliotakis M, Matalliotaki C, Trivli A, Zervou MI, Kalogiannidis I, Tzardi M, Matalliotakis I, Arici A, Goulielmos GN. Keeping an Eye on Perimenopausal and Postmenopausal Endometriosis. Diseases. 2019 Mar 12;7(1):29. doi: 10.3390/diseases7010029. PMID: 30870972; PMCID: PMC6473414.
  11. Nagandla K, Idris N, Nalliah S, Sreeramareddy CT, George SRK, Kanagasabai S. Hormonal treatment for uterine adenomyosis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 11. Art. No.: CD011372. DOI: 10.1002/14651858.CD011372
  12. Hughes E, Brown J, Collins JJ, Farquhar C, Fedorkow DM, Vandekerckhove P. Ovulation suppression for endometriosis. Cochrane Database Syst Rev. 2007 Jul 18;2007(3):CD000155. doi: 10.1002/14651858.CD000155.pub2. PMID: 17636607; PMCID: PMC7045467.
  13. Sagsveen M, Farmer JE, Prentice A, Breeze A. Gonadotrophin-releasing hormone analogues for endometriosis: bone mineral density. Cochrane Database Syst Rev. 2003;2003(4):CD001297. doi: 10.1002/14651858.CD001297. PMID: 14583930; PMCID: PMC7027701.
  14. IQWIG- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Expertise zum Thema Endometriose. Abschlussbericht 2007
Dipl.-Ges.oec. Jennifer Ann Steinort