Endometriose am Harnleiter
Wenn sich gebärmutterschleimhautartiges Gewebe außerhalb der Gebärmutter ansiedelt, nennen das Mediziner Endometriose [1]. Die gutartigen Wucherungen können sich an vielen Stellen im Körper niederlassen und starke Beschwerden verursachen. Besonders häufig werden sie im Becken beobachtet. Endometrioseherde können aber auch im Darm, Gehirn und sogar Lunge auftreten. Eine seltene Form, die bei etwa einem Prozent der Patientinnen vorkommt, ist die sogenannte Ureterendometriose [2]. Hierbei sind die Harnleiter betroffen. Ich verrate Dir heute, welche Beschwerden die Knötchen an dieser Stelle auslösen können und wie sie behandelt werden.
Was ist eine Ureterendometriose?
Eine Harnleiter-Endometriose lässt sich in zwei verschiedene Formen einteilen:
- Extrinsische Ureterendometriose: Hierbei umschließt Endometriosegewebe den Harnleiter und dringt von außen ein. Diese Form dominiert im medizinischen Alltag, wenn es um Harnleiter-Endometriose geht [2].
- Intrinsische Ureterendometriose: Bei dieser Form stößt die Endometriose direkt durch die Muskelschicht oder die oberste Zellschicht der Harnröhre [2].
Diese Form ist eher selten.
Häufig ist nur ein Harnleiter betroffen. Interessant ist, dass es weitaus öfter am linkenUreter (Harnleiter) zu Endometriose kommt als am rechten.[3] Die Wissenschaft hat auch eine Antwort darauf, an welcher Stelle genau die Endometriose am Harnleiter am meisten auftritt. So können die Endometrioseläsionen vor allem im unteren Drittel des Ureters ausgemacht werden, also schon recht nah an der Harnblase, im Bereich des Beckens. Patientinnen mit einer Harnleiter-Endometriose haben in der Regel auch Endometrioseherde an anderen Körperregionen [3, 4, 5].
Gut zu wissen!
In der Regel hat jeder Mensch zwei Nieren. Die Harnleiter schließen direkt daran an und haben die Aufgabe, den Urin in der Beckenwand zur Blase zu geleiten [6]. Zwar sind Endometrioseherde am Harnleiter vergleichsweise selten, allerdings kommen sie bei Frauen mit tief infiltrierender Endometriose weitaus häufiger vor [4, 7, 3, 8].
Endometriose am Harnleiter: Symptome
Mit Sicherheit interessierst Du Dich dafür, wie Du eine Endometriose am Harnleiter bemerkst. Eine Endometriose kann, wie Du vielleicht weißt, zu ganz unterschiedlichen Symptomen führen. Zu den Leitsymptomen zählen Schmerzen während der Periode, eine verlängerte Blutungszeit, ein verkürzter Menstruationszyklus und Probleme mit dem Stuhlgang. Auch Schmerzen beim Wasserlassen oder beim Geschlechtsverkehr sind möglich. Darüber hinaus leiden einige Frauen unter einem nicht erfüllten Kinderwunsch [9]. Wenn sich Endometriosegewebe am Harnleiter befindet, löst das nicht zwangsweise direkt Symptome aus. Oft kommt es in diesem Zusammenhang zu einer sogenannten asymptomatischen Harnstauungsniere, die im weiteren Verlauf zu einem Verlust der Nierenfunktion führen kann [8, 4]. Asymptomatisch bedeutet, dass keine Beschwerden auf die Komplikation hindeuten. Eine Harnstauungsniere kann sich ergeben, wenn Urin aus den Harnwegen zurück in die Niere fließt oder der Urinabfluss behindert ist [10]. Ein Harnleiter kann tatsächlich von der Endometriose so verändert sein, dass es Probleme beim Ablaufen des Urins geben kann. Meist drückt dabei die Endometriose von außen auf den Harnleiter und erschwert so den Fluss des Urins durch den Harnleiter. Es kommt zu einem Rückstau, wie bei einem Staudamm, sodass auch in der Niere irgendwann der Urin staut und nicht abtransportiert werden kann. Liegt eine Harnstauungsniere vor, merkst Du das womöglich an Schmerzen im Kreuz oder an der seitlichen Bauchpartie [10].
Der Arzt kann die Harnstauung im Ultraschall von der Flanke aus sehen!
Wie kommt es zu einer Ureterendometriose?
Noch ist das Rätsel rund um die Entstehung von Endometriose am Harnleiter nicht gelöst. Experten diskutieren jedoch verschiedene Entstehungsmechanismen. Zum einen wird angenommen, dass sich die Endometriosezellen wie Metastasen über die Lymphbahnen oder Blutbahnen verteilen und so in den urologischen Körperstrukturen ansetzen. Das könnte auch eine Rolle bei der Endometriose an der Blase spielen. Zum anderen gibt es die Theorie, wonach sich Stammzellen in Endometriosezellen transformieren und so die typischen Endometrioseläsionen zulassen [2].
Folgende Risikofaktoren werden angeführt:
- eine tief infiltrierende Endometriose wurde diagnostiziert [3, 4, 7, 8].
- es gibt einen Endometrioseknoten am Septum rectovaginale (Trennwand zwischen der Scheide und dem Mastdarm), der größer als 3 cm ist [4, 7].
- das Vorliegen von sogenannten „kissing Ovaries“, wobei sich die Eierstöcke in der Mittellinie berühren [11].
Endometriose am Harnleiter: Diagnose
Da Endometriosegewebe am Harnleiter längere Zeit unentdeckt bleiben kann, ist eine eingehende Diagnostik wichtig. Hierbei sollten auch die Risikofaktoren nicht außer Acht gelassen werden. Befindet sich beispielsweise ein tastbarer Endometrioseknoten an der Trennwand zwischen Scheide und Mastdarm (kann durch den Enddarm ertastet werden), ist es sinnvoll, auch eine Endometriose am Harnleiter in Betracht zu ziehen. Das Gleiche gilt, wenn die Beckenwand Endometriose aufweist oder mit einem Ultraschall den sogenannten „kissing Ovaries“ auf die Schliche gekommen wird. Selbst wenn Du mit Blick auf die Nieren keine Symptome verspürst, ist in diesen Fällen ein Nierenultraschall empfehlenswert. Die Untersuchung hilft dabei, die Nierenfunktion zu beurteilen. Im Rahmen von Kontrolluntersuchungen, kann das ein sinnvolles Vorgehen sein. Vor und nach Operationen ist ein Nierenultraschall unbedingt sinnvoll. Damit kann der vor der Operation sehen, ob ein Stau vorliegt und die Urologen zur OP-Vorbereitung hinzuziehen. Liegt der Verdacht nahe, dass der Harnleiter bei Dir in Bedrängnis gerät, sollte ein Urologe die Ureteren genau untersuchen. Unter Umständen, zum Beispiel bei gestauten Nierenbecken oder der intrinsischen Form der Ureterendometriose, ist eine Szintigraphie der Nieren oder ein MRT (Magnetresonanztomographie) angezeigt [2].
Gut zu wissen!
Mediziner nutzen verschiedene Klassifikationen, um den Grad der Endometriose einzuordnen. Während der rASRM Informationen zum Ausbreitungsgrad der Endometriose gibt, wird die ENZIAN-Klassifikation herangezogen, um eine tief infiltrierende Endometriose zu beschreiben. Wenn bei Dir eine Ureterendometriose festgestellt wurde, ist die ENZIAN-Klassifikation sehr hilfreich und sollte unbedingt auf dem OP Bericht und dem Arztbrief angegeben werden.
So wird Ureterendometriose behandelt
Grundsätzlich ist es wichtig, die Endometriose im gesamten zu behandeln. Eine Therapie der tief infiltrierenden Endometriose des Beckens und der Endometrioseläsionen an den Eierstöcken ist sinnvoll, sodass die Harnleiter nicht weiter in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch Rückfälle im Bereich der Harnleiter können so vermieden werden [12]. Durch drei bis vier kleine Schnitte wird mit einer Kamera im Bauch operiert. Mediziner nennen das einen laparoskopischen Eingriff und die meisten Endometriose-Operationen können so durchgeführt werden. Auf diese Weise kann der Harnleiter von dem umliegenden Gewebeschichten freigelegt und von unerwünschtem Gewebe befreit werden (Ureterolyse). Womöglich bietet sich vor der Operation die Anbringung eines Katheters oder von Harnleiterschienen an [4, 5, 13]. Dies würde aber im Vorfeld mit dir besprochen werden.
Bei vielen Frauen kann die Endometriose äußerlich am Harnleiter entfernt werden und der Harnleiter erholt sich von der Verengung, die das Endometriosegewebe verursacht hat.
Unter Umständen wird in der Operation festgestellt, dass ein Teil des Harnleiters entfernt werden muss [13]. Dann wird der Harnleiter durch einen Urologen wieder verbunden. Auch eine Neuimplantation des Harnleiters (Ureterozystoneostomie) in die Harnblase kann nötig sein [14]. Das ist aber nur selten der Fall, zum Beispiel, wenn der Harnleiter durch die intrinsische Ureterendometriose stark infiltriert wurde. In der Regel wird zunächst versucht, den Harnleiter wieder durchgängig zu machen, indem er von unerwünschtem Gewebe befreit wird. Im Anschluss wird beobachtet, wie gut sich der Ureter nach dem Eingriff erholt. Meistens wird erst nach einem Misserfolg versucht, Teile des Harnleiters zu entfernen oder neu zu implantieren [2].
Wichtig ist es, nach der Operation an der Beckenwand, in der Nähe des Harnleiters oder natürlich bei einer Operation bei Endometriose am Harnleiter nach der Operation einen Nierenultraschall vor der Entlassung durchzuführen. So kann nicht nur eine Verbesserung des vorher bestehenden Harnstaus gesehen werden, sondern auch ein neuer Harnstau oder eine Verschlechterung, beispielsweise aufgrund einer Operationskomplikation.
Kurz und knapp
Endometriose am Harnleiter ist vergleichsweise selten. Besonders tückisch ist, dass Patientinnen mit einer solchen Diagnose nicht zwangsweise Beschwerden haben müssen. Kommt es zu einer Harnstauungsniere können Kreuz- oder Flankenschmerzen auftreten. Diese treten aber recht spät auf. Über die Entstehungsmechanismen wird noch diskutiert. Experten halten es für möglich, dass sich Endometriosegewebe über die Blutbahn oder Lymphbahn verteilt. Auch die Theorie, wonach es zu einer Umwandlung von Stammzellen in Endometriosezellen kommt, wird von einigen Experten vertreten. Es scheint verschiedene Risikofaktoren zu geben. Frauen mit sich berührenden Eierstöcken, einer tief infiltrierenden Endometriose oder Endometrioseknoten an der Trennwand zwischen der Scheide und dem Mastdarm könnten besonders von Harnleiter-Endometriose betroffen sein. Bei der Diagnose können Ultraschall, MRT und Szintigraphie hilfreich sein. Die Behandlung erfolgt in der Regel operativ, indem der Harnleiter von dem Gewebe befreit wird. Bei schweren Verläufen kann es nötig sein, denn Harnleiter neu zu implantieren oder ein Stück zu entfernen.
Referenzen
- Dietrich, Klaus: Gynäkologie und Geburtshilfe (Springer-Lehrbuch) 2. Auflage, Springer Verlag
- Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Leitlinienprogramm. Diagnostik und Therapie der Endometriose. August 2020.
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