Nadine Rohloff: Du hast angesprochen, dass die Blasenfunktion durch Endometriose beeinflusst werden kann: Welche Therapiemöglichkeiten gibt es dagegen?
Annika Cost: Eine hohe Anspannung im Beckenboden kann Mitursache für die Reizung des Blasenbodens sein. Dies löst möglicherweise einen verfrühten Harndrang aus. Daher ist es sinnvoll eine Tabelle anzulegen in die an zwei Tagen eintragen werden soll, welche und wieviel Flüssigkeit man zu sich nimmt. Außerdem wird die Urinmenge mithilfe eines Messbechers dokumentiert.
Es wichtig dies sowohl für einen Wochentag, als auch am Wochenende durchzuführen, da sich die Routinen deutlich unterscheiden können. Weiterhin notiert man Auffälligkeiten wie extremen Harndrang ohne mehr als ein paar Tropfen ausscheiden zu können, Situationen in denen der Drang so groß war, dass man es nicht mehr rechtzeitig geschafft hat auf Toilette zu gehen oder Schmerzen und ihren Kontext. Das Ganze wird hinterher gemeinsam analysiert. So können bereits Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert werden.
Es kann sein, dass Patientinnen zu wenig oder nicht das Richtige trinken. Es ist wichtig genug Wasser oder ungesüßten Tee zu sich zu nehmen und die Flüssigkeitsaufnahme sollte möglichst über den Tag verteilt erfolgen. Kleine Veränderungen können schon deutliche Verbesserungen bewirken.
Nadine Rohloff: Entleerungsschmerzen oder Schmerzen beim Füllen entstehen bestimmt oft in den umliegenden Bereichen, sodass man quasi Beckenbodenverwachsungen und die Muskeln außen herum bearbeitet?
Annika Cost: Zum Einen das, zum Anderen kommt es häufig vor, dass aus einem Schmerz heraus ein Dranggefühl erwächst, obwohl es aufgrund der Blasenfüllung nicht nötig wäre. Die Blase fasst etwa 600ml, macht sich aber das erste Mal schon bei circa 150ml bemerkbar. Ein wirklicher Drang entsteht bei rund 300-400ml.
Wenn ich auf die Toilette muss, lediglich 80ml ausscheide und zudem vorher ein Schmerzschub hatte, liegt es oft daran, dass der Beckenboden sich vorher verspannt hat. Die Blase wird wurde gereizt, wodurch der Drang ausgelöst wurde. An verfrühtes zur Toilette gehen wie wenn man vorm Verlassen des Hauses nochmal geht, um unterwegs nicht zu müssen, kann sich die Blase gewöhnen. Solche Angewohnheiten lassen sich oft durch Drangaufschubstrategien beheben.
Nadine Rohloff: Physiotherapie kennt man vor allem als Bewegungstherapie, die mit Bewegungsübungen verbunden ist. Viele Frauen mit Endometriose haben allerdings Beschwerden, nachdem sie Sport gemacht haben. Welche Bewegungen und welche Sportarten sind bei Endometriose sinnvoll und auf welche sollte lieber verzichtet werden, weil sie die Probleme und Schmerzen eher verschlimmern?
Annika Cost: Am Wichtigsten ist es Spaß an Bewegung zu haben. Ich frage immer zuerst welche Sportart die Patientinnen gerne ausüben. Ich frage nicht wieviel Sport sie machen, da sich viele vor dieser Frage fürchten. Das erste Ziel sollte sein, dass sie wieder Spaß an Bewegung haben können. Es kann eine Weile dauern bis es wieder Freude bereitet, aber ich tue mir schwer damit pauschal Bewegungsverbote auszusprechen.
Man kann selbstverständlich sagen, dass es temporär, aufgrund starker Schmerzen oder akuter Erschöpfung, nicht ratsam ist den Körper voll zu verausgaben. Es gibt aber keine Sportarten, die ich per se wegen Endometriose ausschließen würde. Grundsätzlich sollte man aber auf seinen Körper hören: was den Körper überlastet ist nichtempfehlenswert, weil Immunsystem und Entzündung eine gewichtige Rolle spielen.
Ein gesundes Maß an Sport ist dem absolut zuträglich, da es den Schmerz lindert, die Entzündung senkt und das Wohlbefinden fördert. Verausgabung kann das Gegenteil bewirken und negative Prozesse befeuern. Es ist nicht so sehr die Sportart selbst, sondern ein gesundes Maß, das zu beachten ist. Grundsätzlich ist das erlaubt was Spaß macht.
Nadine Rohloff: Sportarten, bei denen der Körper häufig erschüttert wird, können bei Endometriose teilweise Probleme bereiten. Ein Beispiel dafür wäre Zumba, eine Sportart, die viele Frauen gerne betreiben, aber ich höre immer wieder, dass Frauen von Problemen danach berichten. Das heißt man muss letztlich für sich selbst herausfinden was möglich ist. Du sagst man sollte nicht von vornherein auf etwas verzichten, weil es gewisse Elemente wie etwa Erschütterung enthält, sondern nur auf das Verzichten was tatsächlich Schmerzen bereitet oder Beschwerden verschlimmert?
Annika Cost: Genau so würde ich es zusammenfassen. Beim Zumba und anderen Erschütterungssportarten wie Seilspringen oder Joggen wird der Beckenboden belastet. Ein verspannter Beckenboden, der erschüttert wird und mehr Spannung abbekommt bereitet mehr Schmerzen. Wenn man aber gut therapiert und bewusst gelockert ist, ist es gut möglich, dass man so etwas vorsichtig machen kann.
So könnte man das zum Beispiel aufteilen in eine halbe Stunde Belastung und eine weitere halbe Stunde bewusste Entspannung und Lockerung des Beckenbodens. Das hat schon vielen Patientinnen ermöglicht den Sport in Maßen auszuüben, den sie gerne mögen.