„Über die Endometriose habe ich meine wahre Berufung gefunden“

Interview mit Endometriose Patientin Biby Misch

Viele Endometriose Patientinnen kämpfen jeden Tag damit, die Erkrankung zu akzeptieren und ihren Alltag möglicherweise umgestalten zu müssen. Für Biby ist die Endometriose jedoch ein Fluch und zugleich ein Segen, denn trotz all der Herausforderungen, denen sie sich stellen musste, hat sie darüber ihre Berufung gefunden und erlebt heute Heilung und Befreiung in ihrer Spiritualität. Wir haben mit ihr gesprochen.

Hallo Biby, Dankeschön, dass du dir die Zeit genommen hast, heute mit uns zu sprechen und ein Interview über die Endometriose zu führen. Würdest du dich einmal vorstellen, bitte?
Biby: Mein Name ist Bianca Misch und ich bin 42 Jahre alt, bin noch Vollzeit beschäftigt. Das „noch“ ist nicht ganz so selbstverständlich mit der Krankheit und ich habe auch noch ein paar Nebenjobs. Ich weiß schon ziemlich lange von meiner Krankheit, sodass ich mich damit auch schon viel auseinandersetzen konnte – in guten wie in schlechten Zeiten.

Was bedeutet denn Endometriose für dich?
Biby: Da kann man lange drüber nachdenken, denn es kommt immer darauf an, wie man gerade mit der Endometriose so „befreundet“ ist. Heute weiß ich, dass die Krankheit ist ein Fluch, aber auch ein Segen, weil ich durch die Krankheit meine Berufung gefunden habe und sehr in meine Spiritualität gekommen bin. Deswegen ist Endometriose für mich ein Lehrer oder eine Lehrerin.

Also hast du darüber eigentlich mehr zu dir selbst gefunden?
Biby: Definitiv. Ich glaube, ich hätte sonst nie so sehr auf mich gehört. Man wird schon so ein bisschen dazu gezwungen auf sich zu hören. Man kann natürlich weghören, aber das macht es nicht besser. Die Endometriose gehört zu mir und das muss ich ganz einfach akzeptieren. Mit der Krankheit lernt man auch Akzeptanz.

Definitiv. Wie verlief denn deine Krankheitsgeschichte bis zur endgültigen Diagnose und was war in dieser Zeit so das Schlimmste für dich?
Biby: Das Schlimmste am Anfang war natürlich nicht zu wissen, was ich habe, weil ich wirklich von meiner ersten Periode an Probleme hatte. Ich bin regelrecht ausgelaufen. Das fing schon in der Schule an. An einem Tag fühlte ich mich schlecht, bin aufgestanden und das Blut stand mir regelrecht in den Schuhen. Ich habe immer Schmerzen gehabt, nicht nur während der Periode, sondern auch außerhalb der Periode. Ich bin sehr oft beim Gynäkologen gewesen, der mir immer wieder gesagt hat, er könne nichts finden. Ich habe irgendwann auch Zysten gehabt, die geplatzt sind, wo ich dachte „Okay, vielleicht habe ich dann immer Zysten“ oder so. Irgendwann konnte ich auch nicht mehr zur Schule gehen konnte und hatte dann mit 18 meine erste Operation. Damals hat man mir gesagt, dass da etwas entfernt wurde und dies normalerweise mit der Periode weggeht. Man hat dem Kind aber keinen Namen gegeben. Ich bin 42, war damals 18. Da kam Endometriose noch gar nicht zur Geltung. Den Begriff allein habe ich tatsächlich erst Jahre später gehört.

Nach der OP hatte ich weiterhin Schwierigkeiten und habe dann die Pille genommen. Mit 30 habe ich die Pille abgesetzt, weil ich ein Baby haben wollte. Nach einem Jahr war ich immer noch nicht schwanger und meine Frauenärztin hat gesagt, dass wir nun doch mal die Hormone kontrollieren sollten. Mein Hormonspiegel war aber gut und nach 1,5 Jahren wurde ich dann in die Kinderwunschklinik geschickt. Die haben mich dann zuerst ins Krankenhaus geschickt, wollten wissen, ob die Eileiter durchlässig sind. Dort wurde mir zum ersten Mal gesagt, dass ich Endometriose habe. Meine Eileiter waren komplett dicht, die Linke war wohl so leicht durchlässig. Die Ärzte haben mir aber gesagt, dass die Chance ein Baby auf natürlichem Wege zu bekommen unmöglich ist. Dann versteht man die Welt wieder nicht. Ich habe mich damals dann von meinem Mann getrennt, weil das auch für die Beziehung nicht einfach war und das Verständnis auf seiner Seite gefehlt hat. Ich musste erst mal wieder auf die Beine kommen, bevor man an eine künstliche Befruchtung denkt.

Ich glaube, das können Frauen, die damit keine Probleme mit dem Kinderwunsch haben schon nicht nachvollziehen und Männer eben noch weniger. Denen fehlt das Verständnis dafür, dass es eben doch auch wichtig ist, dieses Gefühl zu haben, ganz normal schwanger werden zu können, wie andere auch.
Biby: Ich habe mich schon damit angefreundet, zu sagen, wenn es nicht funktioniert oder wenn der Arzt sagt, es geht nicht, dann würde ich das auch eine künstliche Befruchtung in Betracht gekommen. Aber es wurde danach immer schlimmer und 2017 war es so weit, dass ich nach der Arbeit nur lag. Ich habe mich irgendwie zur Arbeit geschleppt. Also ich habe nicht nur während der Periode geblutet, sondern immer wieder. Ich habe teilweise drei Wochen lang geblutet. Ich hatte es nicht weit zur Arbeit und ich habe morgens einen Tampon benutzt, kam bei der Arbeit an und war durch geblutet. Ich war dann wieder beim Arzt und habe gesagt: „Ich kann nicht mehr. Ich weiß nicht mehr weiter.“ Meine Gynäkologin sagte dann: „Dann müssen wir sie überweisen und eine totale Operation machen lassen.“ Daraufhin bin ich dann in eine Endoklinik gegangen, weil es mir wichtig war, dass ich von jemandem operiert werde, der wirklich Ahnung von hat. Ich wurde dann knapp fünf Stunden operiert und ich hatte irgendwie überall Endometriose. Im linken Becken, im Bauchraum, die Gebärmutter war mit meinem Darm verwachsen, an der Blase. Es war alles voll mit Endometriose. Mir ging es wirklich nicht gut nach der Operation. Morphium habe ich überhaupt nicht vertragen.

Da kann ich mitfühlen, da ich 2016 eine große OP hatte. Ich hatte auch Darmendometriose und hätte das ohne das Morphium nicht ausgehalten.
Biby: Ich wollte nach der Operation keine Hormone mehr nehmen, da ich damals wirklich Entzugserscheinungen davon hatte. Ich hatte Haarausfall und ein total fettiges Gesicht. Als es aber noch schlimmer wurde, habe ich zugestimmt wieder Hormone zu nehmen. Ich habe es als einen Funken Hoffnung gesehen. Mir ging es aber weiterhin schlecht. Ich habe wieder angefangen durchgängig zu bluten. Ich hatte Angst, dass ich meinen Job aufgeben muss.

Wenn man so eingeschränkt ist, dann fragt man sich ja auch nur, was soll ich denn jetzt noch machen? Man kann vielleicht nicht mehr arbeiten gehen. Man kann am sozialen Leben nicht mehr teilnehmen und nur zu Hause sitzen ist auch nicht das, was man sich für sein Leben vorstellt.
Biby: Hinzu kommt, dass der Partner auch damit klarkommen muss. Er hat mich zwar mit der Endometriose kennengelernt, aber ich glaube der hat sich gar kein Bild davon gemacht, was das ist und wie schlimm das sein kann. Und unsere Beziehung stand natürlich da auch ein paar Mal auf der Kippe. Nach der Operation hat er gesehen, wie schlecht es mir geht und ich glaube, da hat es doch Klick bei ihm gemacht. Seitdem stand die Beziehung nicht mehr auf der Kippe und schon mal gar nicht wegen Endometriose. 2017 sagte ein Arzt auch, dass die Gebärmutter nicht so gut aussieht und es wurde auch eine Adenomyose vermutet. Ich wollte dann auch nicht wieder andere Möglichkeiten ausprobieren, ich bin ja kein Versuchskaninchen.

Wie erlebst du die Endometriose denn jetzt im Alltag?
Biby: Ich habe phasenweise eine Fatigue. Das ist auch etwas, was ich dann mit meiner Chefin auch besprochen habe. Ich rede auch ganz offen über meine Krankheit, denn nur dann kann man mich verstehen und mir helfen. Und ich meiner Chefin auch gesagt, dass ich mit der Fatigue Probleme habe und es haut mich einfach manchmal weg.

Wie war denn die Reaktion deiner Chefin und wie reagieren anderer Mitmenschen darauf? Dein Freund hat sich jetzt daran gewöhnt. Aber wie geht deine Chefin jetzt damit um? Wie gehen andere Menschen in deinem Umfeld damit um? Man sagt ja dann auch ständig irgendetwas ab, weil man einfach nicht die Kraft hat.
Biby: Meine damalige Chefin hatte nicht so viel mit Empathie zu tun. Und ich wurde etwa anderthalb Jahre vorher wieder ins Großraumbüro gesteckt und das war im Zusammenhang mit der Krankheit sehr schwierig. Ich war völlig überfordert und wollte deswegen zwei Homeoffice Tage haben. Ich habe zum Glück auch einen Schwerbehindertenausweis bekommen, unbefristet. Und das auch die Information, die ihr fehlte, um mal über das Thema nachzudenken. Statt zwei Tage im Home arbeiten zu können, bin ich dann wieder in ein Einzelbüro gekommen. Das war auch okay für mich. Da konnte ich dann auch mal mit meinen Schmerzen allein sein.

Ja, es ist wichtig, dass man sich wenigstens zurückziehen kann. Man krümmt sich vor Schmerz, aber keiner fragt, was los ist. Manche Leute denken, man stelle sich einfach an. Das sind ja auch so sehr typische Reaktion. Es kann nicht nachvollzogen werden. Du kannst bleich vor Schmerz sein und kurz vor der Ohnmacht stehen und wirst trotzdem nicht ernst genommen. Geht es dir denn in deinem jetzigen Beruf besser?
Biby: Ich mache im Prinzip noch das gleiche und habe intern die Stelle gewechselt. Ich habe dann auch eine andere Chefin bekommen, die empathisch sehr weit vorn ist. Ich habe ihr damals von der Krankheit erzählt und sie hat mich in den Arm genommen und hat sehr viel Verständnis gezeigt.

Gibt es denn alltägliche Gewohnheiten, die dir helfen, besser mit der Krankheit umgehen zu können oder dich besser zu fühlen?
Biby: Ja, auf jeden Fall. In einer Reha wurde mir mal Klangmassage ans Herz gelegt. Ich habe mich dann sogar selbst ausbilden lassen. Außerdem bin ich jetzt auch Entspannungstrainerin für Fantasie und Klangreisen und in Ausbildung zur psychologischen Beraterin. Ich helfe mir selbst natürlich auch damit. Die Klänge tun mir wirklich sehr gut. Dieser Beruf, der Klangmassagen Praktikerin ist für mich tatsächlich eine Berufung. Das ist das, was ich machen möchte. Ich bin auch gerade dabei, mich so ein bisschen aufzustellen und selbstständig in dem Bereich zu sein und somit meiner Berufung nachgehen und das tun, wo mein Herz und meine Seele drin aufgeht. Und ich mache Yoga, was mir auch sehr hilft. Seit letztem Jahr November beschäftige ich mich zusätzlich mit ätherischen Ölen. Die wende ich täglich bei mir selbst an.

Und all diese heilenden Praktiken schenken dir jetzt auch wieder ein positiveres Körpergefühl?
Biby: Ja. Ich kann das wirklich nur jedem empfehlen, zu schauen, was einem selbst guttut und wo das Herz drin aufgeht. Das ist das A und O. Ich sage auch immer, dass ich nicht nach etwas gesucht habe. Es ist zu mir gekommen.

Es freut mich sehr, dass du da diesen Weg für dich gefunden hast und dass du gelernt hast, mit der Krankheit umzugehen. Ich glaube, Akzeptanz ist wirklich sehr wichtig, weil die Endometriose halt einfach nicht heilbar. Man hat damit noch lange zu tun. Du bist erst zweiundvierzig, du wirst damit auch noch eine Weile zu tun haben. Von daher ist es einfach gut da und so viel wie möglich auch für sich selbst zu tun.
Biby: Ich schaue in meinen Kursen auch, dass die Leute ihren Weg finden und es macht mir total viel Freude, wenn ich sehe, dass da Menschen auf einmal wieder strahlen und positive Gedanken haben. Da geht mein Herz dran auf. Positivität ist ein tolles Medikament.

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Mona Briese