„Man muss sich selbst zur Ruhe zwingen!“

Interview mit Endometriose Patientin Melena

Melena leidet bereits seit ihrer ersten Periode unter höllischen Schmerzen. Was erst als Hormonschwankungen im Teenageralter abgetan wird, entpuppt sich sieben Jahre später als Endometriose. Heute erzählt sie uns ihren Werdegang und spricht darüber, welche Herausforderung die Erkrankung auch in ihrem Berufsleben ist.

Hallo Melena, schön, dass du heute deine Geschichte mit uns teilen möchtest. Stell dich bitte einmal vor.

Melena: Ich bin Melena Milde, ich bin 26 Jahre alt, komme aus dem schönen Nordfriesland, kurz vor Sylt und bin hauptberuflich Raumausstatterin. Nebenher mache ich außerdem auch Restaurationen von antiken Möbeln.

Was bedeutet Endometriose für dich? 

Melena: Es ist eine wahnsinnig große Herausforderung fürs Leben.

Wie verlief denn deine Krankheitsgeschichte bis zur endgültigen Diagnose? Und was war so in der Zeit? Das Schlimmste für dich. 

Melena: Es wird geschätzt, dass ich bereits seit 13 Jahren Endometriose habe, ich weiß es aber erst seit sieben Jahren. Es ging mit der ersten Periode los, bei der ich unendliche Schmerzen hatte. Es ging aber ein Jahr ziemlich gut, hatte aber ganz komische Blutungen. Ich habe mit meinen Eltern darüber gesprochen und wir sind davon ausgegangen, dass sich das zu Beginn der Regel alles noch einpendeln müsste. Dann habe ich fast durchgehend ein ganzes Jahr lang meine Regel. Ich bin dann zum Frauenarzt, habe ihm alles erklärt und er fand das schon sehr seltsam. Er wollte mich dann erstmal mit einer Pille einstellen. Das war für mich der reinste Horror. Ich habe trotz allem meine Periode von einem auf den nächsten Tag bekommen. Ich konnte mir nie sicher sein, dass nichts kommt und musste immer Angst haben, plötzlich meine Tage zu bekommen.

Vor 7 Jahren habe ich mit meiner Ausbildung zur Raumausstatterin in Rendsburg angefangen. An einem Tag in der Schule wurde mir so komisch, ich hatte starke Unterleibsschmerzen und wollte auf die Toilette gehen. Da hatte ich aber schon durchgeblutet, was mir super unangenehm war.  Ich wusste gar nicht mehr wohin mit mir. Es war so viel Blut, dass ich wirklich Panik bekommen habe. Ich bin dann sofort zur Frauenärztin, hab ihr alles geschildert und sie hat dann den Verdacht der Endometriose gestellt. Ich bin dann nach Hause gefahren. Danach bin ich eigentlich bei jedem Frauenarzt in Nordfriesland, von Dänemark bis Rendsburg gewesen und keiner hat mir geglaubt. Das Schlimme war auch, dass ich immer, wenn ich zum Frauenarzt gegangen bin, plötzlich keine Blutungen mehr hatte. Nachdem ich in Rendsburg war, bin ich zu dann nach Kiel zu Herrn Dr. Dreyer in die Klinik gegangen, der eine Bauchspiegelung machen wollte. Nach der OP hat er mir und meinen Eltern dann gesagt, dass ich auf jeden Fall Endometriose habe. Das war wirklich ein riesiger Schreck für mich. Ich habe auch furchtbar geweint. Wenn ich das Freunden erzählen, können sie sich das gar nicht vorstellen. Den Satz, ich würde gar nicht krank aussehen, habe ich super oft gehört. Jetzt erkläre ich mich nicht mehr. Ich habe mich so oft gerechtfertigt. Es gibt ja auch Momente, die schön sind. Es gibt auch Tage, Wochen, Monate, wo es einem gut geht. Es gibt aber dann auch wieder so ein richtiges Tief, wo man einfach niemanden um sich rum haben möchte. Man möchte einfach nur alleine sein und das mit sich selber ausmachen. Das verstehen viele nicht und es heißt dann gleich: „Oh, dann bist du ja psychisch krank.“ Es ist nicht immer Kopfsache.

Wie hast du das in deinem Freundeskreis erlebt, wenn du dann auch mal absagen musstest?

Melena: Zu der Zeit, wo sie noch nicht richtig darüber Bescheid wussten, wurde immer gefragt, was ich denn hätte. Ich habe in den Momenten immer angeboten, das gerne zu einem anderen Zeitpunkt zu erklären, aber nicht zu dem aktuellen Zeitpunkt, weil ich erst einmal selbst damit klarkommen musste. Vor etwa vier Jahren habe ich wieder einmal eine Verabredung absagen müssen und plötzlich haben sich ganz viele nicht mehr gemeldet. Ich habe dann irgendwann mal gefragt, ob alles in Ordnung wäre, weil ich von niemandem mehr gehört habe und wurde dann um eine Klärung und Erklärung gebeten. Ich bin dann auch hingefahren, saß dort wie auf dem Präsentierteller und erklärte, dass ich wirklich Lust habe, etwas mit ihnen zu unternehmen, aber manchmal einfach nicht kann. Danach habe ich da ganz entspannt gesessen und habe alle angeguckt und auf die Reaktion gewartet. Eine Freundin von mir hat so furchtbar angefangen zu weinen und mich gefragt: „Wie machst du das? Wie schaffst du das jeden Tag?“ Ich habe lange wegen des Themas keine Emotionen zugelassen, weil mich das immer total aus der Bahn geworfen hat.  Immer wenn die Endometriose wieder da war, hatte ich starke Rückenschmerzen. Mein Beruf ist mit viel körperlicher Arbeit verbunden. Ich verlege Fußböden, spachtel und polster. Ich brauche einfach viel Kraft für diese Arbeit und habe mir meine Beschwerden auch oft nicht anmerken lassen, aus Angst meinen Job zu verlieren.

Wie sind deine Eltern und andere Mitmenschen damit umgegangen?

Melena: Dadurch, dass meine Eltern vom Fach kommen und mein Vater viel medizinisch Wissen hat, haben sich beide über die Krankheit informiert. Sie haben nächtelang dagesessen, alles durchgewälzt und haben mich vor meinem Termin in Rendsburg auch darauf hingewiesen, zu fragen, ob ich möglicherweise Endometriose haben könnte. Ich habe bis vor ein paar Monaten auch lange einen Partner gehabt. Wir waren ein halbes Jahr zusammen und dann habe ich die Diagnose erhalten. Nach der OP wurde dann aber gleich eine Schwangerschaft angesprochen. Herr Dr. Dreyer meinte das wirklich nicht böse. Zuvor hatte das ein Frauenarzt schon einmal angesprochen. Ich war gerade erst 19. Das war noch gar kein Thema. Ich bin nach einem weiteren Termin bei Herrn Dr. Dreyer dann zu einem mir neuen Frauenarzt gegangen, der sich auch mit Endometriose auskannte. Kaum war ich da, sagte er auch gleich, ich müsste jetzt schwanger werden, sonst hätte ich Pech gehabt. Ich habe da gesessen und wusste nicht, ob ich darüber lachen sollte oder ob ich ihn rund mache. Dieses Thema Kinder hat sich bei mir und meinem Ex-Partner dann die ganze Zeit durchgezogen. In den letzten drei Jahre haben wir beide gesagt haben, es könne mit der Kinderplanung losgehen und jedes Mal hat es nicht funktioniert. Nach jedem Test haben wir gesessen und versucht es herunterspielen, damit man nicht wieder so emotional wird. Und wenn mein Partner beim Test nicht dabei war, bin ich zusammengebrochen. Irgendwann gibt man auf. Das wurde irgendwann auch ganz schwieriges Thema im Freundeskreis. Wenn Freundinnen schwanger wurden, hatten sie teilweise Angst mir das zu erzählen, weil sie das Gefühl hatten, dass sie mich mit ihrem Glück verletzen könnten. Ich freue mich so sehr für die, aber natürlich hat man schon mal so ganz kurze Momente, wo man sich denkt: „Ja, toll.“ Man weiß aber, dass man so nicht denken darf, weil man so auch nicht ist. Es ist dann nur die Verzweiflung, weil man es sich selbst so sehr wünscht. 

Es ist auch kein Neid in dem Moment. Ich kann das nachvollziehen. Eine Freundin von mir aus Schulzeiten hat jetzt das zweite Baby bekommen. Bei dem zweiten Kind hat sie gar nicht mehr groß kommuniziert, es war auf einmal da. Ich habe jedes Mal direkt angefangen zu weinen, wenn sie sagte, sie sei schwanger oder beim zweiten Kind Bescheid sagte, dass sie nochmal Mama geworden ist. Dann habe ich geweint und hab mich so für sie gefreut. Und gleichzeitig habe ich immer so gedacht: „Du hattest sowieso schon immer alles.“ Das war so eine Freundin, wo man das Gefühl hatte, dass sie keine Probleme in der Familie hatte, ihr immer alles zugefallen ist, die Familie finanziell gut dastand und sie alle Möglichkeiten hatte. Da dachte ich schon: „Und jetzt hast du zwei Babys.“ Ich freute mich total und gleichzeitig dachte ich daran, was ich schon alles in meinem Leben erleben musste. Und dann hab ich auch noch Endometriose. Es kommen immer wieder diese Fragen auf: „Warum ich? Warum habe ich jetzt das Nächste? Warum kann ich nicht einmal Glück haben und was Schönes erleben, wie alle anderen auch?“

Melena: Einmal war der Test positiv und ich habe mir selbst gesagt, ich müsste cool bleiben und nicht super emotional werden. Ich bin dann zum Frauenarzt gegangen, damit er mir die Schwangerschaft bestätigen. Und dann war es wieder fehlgeschlagen.  

Hattest du denn in dieser Zeit, wo du versucht hast schwanger zu werden, Unterstützung von der Klinik oder hast du das einfach erst mal so versucht?

Melena: Jedes Mal, wenn eine OP stattgefunden hat und ich zur Nachuntersuchung war, habe ich immer wieder auf das Go gewartet.  Irgendwann habe ich gefragt, was ich zusätzlich noch machen oder nehmen könnte. Man versucht ja doch alles dafür. Dann wurde gesagt: „Versuchen Sie es bitte auf dem natürlichen Weg.“ Dann hieß es nach der OP, ich solle es so lange versuchen, bis es klappt und wenn irgendwie was ist, solle ich mich melden. Ich habe dann Folsäure eingenommen. Das war das Einzige, was ich gemacht habe. Aber es hat halt nie funktioniert. Man wird müde über diese Zeit. Man hat schon gar keine Lust mehr, es überhaupt zu versuchen. Man denkt immer wieder, dass es irgendwann schon klappen wird, aber man darf natürlich nicht negativ an diese Sache rangehen, dann wird es sowieso nichts.

Ich hoffe, dass du deinen Kinderwunsch nicht gleich aufgegeben hast, weil es jetzt nicht funktioniert hat. Oder hast du dich damit jetzt schon arrangiert?

Melena: Dadurch, dass ich keinen Partner mehr habe, ist es erst mal kein Thema mehr. Ich mache das Hin und Her, die Schmerzen vor und nach der OP schon so lange mit, dass es irgendwann mal einen Zeitpunkt gab, wo ich dachte, warum man mir das alles nicht einfach entfernen kann. 

Welche alltäglichen Gewohnheiten hast du, die dir helfen, ein besseres Leben zu führen?

Melena: Ich mache Yoga und versuche allgemein das Stresslevel runterzufahren. Es muss nicht mal unbedingt Endometriose da sein, aber dieses Stresslevel muss ich runterfahren und zur Ruhe kommen. Ich nehme mir jeden Tag ein bis zwei Stunden nur für mich Zeit. Ohne Handy. Alles andere geht nicht lange gut. Man muss sich wirklich zwingen, zur Ruhe zu kommen.

Das ist so gut, dass du das sagst, denn manchmal überrennt uns der Alltag einfach so ein bisschen.

Melena: Man muss es wirklich lernen. Ich habe mir wirklich lange genug einen Kopf gemacht, Stress gemacht und irgendwann schaltet der Körper auch mal ab und dann ist einfach Schluss. Es machen genügend Leute, Ärzte etc. Stress und Druck und ich musste tatsächlich lernen, auch die Entscheidungen selber zu treffen. Man ist immer noch sein eigener Herr über sich selbst und das vergessen viele. Man muss sich auch Grenzen setzen, auch beispielsweise auf der Arbeit. Natürlich schleppe ich noch viel Schweres auf der Arbeit, aber wenn ich merke, dass es Tage gibt, wo ich es nicht kann, sage ich meinem Arbeitgeber Bescheid. Er weiß von der Erkrankung und bremst mich auch mal, wenn ich wieder einen 25 Kilo Sack Spachtelmasse in den 3. Stock tragen will.  

Gibt es ein Non-Plus-Ultra, was du anderen Frauen unbedingt mitteilen möchtest? 

Melena: Ich würde immer in ein Endometriose Zentrum gehen, egal, ob man die Diagnose schon erhalten hat oder bisher nur der Verdacht auf Endometriose besteht. Ich würde immer zu einem Spezialisten gehen. Was auch wichtig ist, ist sich wirklich die Zeit nehmen, wenn es einem nicht gut geht. Man muss viel mehr auf seinen eigenen Körper hören, wann eine Grenze erreicht ist und wann diese Grenze schon überschritten ist. Wenn man z.B. ohnmächtig wird, ist dies ein klares “Stop!” vom Körper. Es ist eine Warnung vom Körper. Hier ist Schluss. Viele nehmen das einfach nicht ernst, aber man muss den Körper wirklich richtig wahrnehmen und ihm wirklich diese Ruhe gönnen. Ein weiterer Punkt ist, dass man sich für diese Krankheit wirklich nicht rechtfertigen muss. Wir suchen uns das nicht aus. Niemand sucht sich irgendeine Krankheit aus.

Mona Briese