Zöliakie und Endometriose – auf ein Übel folgte das Nächste
Interview mit Endometriose Patientin Lena
Für Lena war es ganz normal, während der Periode starke Schmerzen zu haben und das Bett nicht verlassen zu können. Mit 26 Jahren wird sie aufgrund ihrer Symptome operiert. Doch auch danach und trotz der gesicherten Diagnose steht Lena alleine da und selbst ihr Gynäkologe sagt ihr, sie habe keine Endometriose. Wir haben mit ihr gesprochen.
Hallo Lena, vielen Dank, dass du heute mit uns über deine Endometriose sprichst. Würdest du dich bitte einmal ganz kurz vorstellen und was über dich erzählen.
Lena: Ich bin Lena, 26 Jahre alt und habe die Diagnose Endometriose seit Februar dieses Jahres.
Was bedeutet die Endometriose für dich?
Lena: Das habe ich selber noch nicht so genau rausgefunden. Es ist sehr undurchsichtig. Was das jetzt genau für mich bedeutet, weiß ich nicht. Ich habe leider auch nicht sehr viele Informationen bekommen. Ich habe sehr viel im Internet darüber gelesen, aber viel weiter bin ich noch nicht gekommen. Die perfekte Lösung, die es vielleicht auch gar nicht gibt, habe ich noch nicht gefunden.
Wie verlief denn deine Krankheitsgeschichte bis du im Februar diese Diagnose bekommen hast und war diese Zeit besonders schlimm für dich?
Lena: Ich hatte schon immer starke Schmerzen während meiner Periode, aber ich habe mir gar keine Gedanken darüber gemacht. Meine Mama hat immer gesagt, das sei alles ganz normal und dass es ihr auch so ergangen sei. Ich habe da auch nie mit einem Arzt drüber gesprochen. Ich dachte, es sei normal tagelang im Bett zu legen, Schmerztabletten zu nehmen und zu hoffen, dass es bald wieder vorbei ist. Inzwischen weiß ich das natürlich, dass es nicht normal ist, aber das war ein langer Weg. Ich habe zwischenzeitlich auch verschiedene Pillen ausprobiert, habe aber keine gut vertragen und diese dann wieder abgesetzt. Irgendwann hatte ich nicht nur diese starken Periodenschmerzen, sondern auch außerhalb der Periode und vor allem beim Eisprung. Ich war ganz oft beim Arzt, weil ich nicht mal mehr laufen konnte und er hat dann den Verdacht auf Endometriose geäußert. Ich habe davor nie davon gehört und habe gesagt, dass es so schlimm gar nicht sei und habe versucht, das zu relativieren. Ich wurde erstmal nicht operiert und mein Arzt sagte auch, dass ich mir keine Gedanken darüber machen müsste, mal nicht schwanger zu werden. Ich hatte also eine Verdachtsdiagnose, aber keine Lösung.
Es wurde dann jedoch immer schlimmer, bis zu dem Punkt, an dem ich Darmblutungen hatte und gar nicht mehr laufen konnte. Dann wurde ich operiert. Nach der OP habe ich allerdings keine richtigen Informationen bekommen, außer dass Endometrioseherde gefunden wurden. Bei der Nachbesprechung sagte mein Gynäkologe, ich hätte keine Endometriose, obwohl mir im Krankenhaus etwas anderes gesagt wurde. Bis heute weiß ich nicht, was in der OP genau gemacht wurde.
Es macht mich sauer, dass du damit so allein gelassen wurdest. Ich hatte das komischerweise auch nach meiner allerersten Endometriose-OP. Ich bin damals zu meiner Gynäkologin gegangen, die mich auch jahrelang nicht ernst genommen hat. Sie hatte den OP-Bericht vor sich liegen, der bestätigte, dass mein gesamter Bauchraum voll mit Endometriose war und sie sagte nur, dass alles wunderbar gelaufen sei und alle Endometrioseherde entfernt werden konnte, obwohl nichts entfernt wurde und ich für eine große OP wiederkommen sollte. Sie entschuldigte ihre Fehlauskunft damit, dass OP-Berichte ja oft sehr undurchsichtig seien. Ich kannte den Bericht und der hat eine sehr deutliche Aussage getroffen. Solche Gynäkologen machen mich deshalb unglaublich sauer. Was hast du jetzt vor? Warst du in einem Endometriosezentrum oder in einem normalen Krankenhaus?
Lena: Ich war in einem normalen Krankenhaus, weil mein Arzt sagte, dass wegen Corona alle Operationen verschoben werden. In einem Endometriosezentrum hätte ich vermutlich erst später einen Termin bekommen. Da es aber nun doch sehr dringend war, sollte ich erstmal in ein normales Krankenhaus. Mein Arzt sagte auch, dass ich wohl zwei Operationen bräuchte. Ich weiß aber nach wie vor nicht, was gemacht wurde. Mit der Histologie stimmt ja auch etwas nicht, wenn etwas Falsches eingeschickt wurde. Ich habe den OP-Bericht gelesen und verstehe den auch, aber ich wüsste gern, was das jetzt bedeutet. Das kann mir bis jetzt jedoch niemand erklärt.
Ich würde dir raten, dich direkt an ein Endometriosezentrum zu wenden. Dann soll dein Arzt dir einfach nochmal eine Überweisung dafür ausstellen, damit die noch mal genauer darauf schauen. Wenn es wirklich dringend ist, dann schickt dich ein Endometriosezentrum nicht weg. Vor allem wissen die Ärzte dort, was sie tun, kennen die Endometriose und die Darmendometriose.
Lena: Ich versuche, eine Lösung zu finden, weil ich einfach fast täglich Schmerzen habe. Ja, ich habe auch bei meinem Frauenarzt angerufen und die Sprechstundenhilfe hat mich nur gemeint, es sei normal, dass ich Schmerzen habe, ich hätte ja Endometriose. Ich werde einfach nicht ernst genommen.
Welche Einschränkungen hast du denn auch vor deiner Diagnose im Alltag erlebt?
Lena: Ich habe unglaubliche Schmerzen beim Gehen, beim Liegen, beim Sitzen und auch nach dem Sport. Ich versuche irgendwie mein Leben normal zu gestalten, aber das ist sehr schwierig, weil ich keine Medikamente oder andere Formen von Therapie erhalte, die mir helfen könnten.
Sprichst du denn offen mit deiner Familie und Freundinnen über deine Beschwerden?
Lena: Ja, das mache ich. Auch mit meinen Arbeitskollegen spreche ich darüber und treffe auch auf Verständnis, aber teilweise eben auch nicht, weil man die Krankheit ja nicht sieht. Menschen verstehen nicht, dass ich auch nach der Operation noch Schmerzen habe, weil es nun mal eine chronische Krankheit ist.
Und jetzt liest du dich online in das Thema Endometriose ein und bist auf Instagram und Facebook unterwegs, um dir da Informationen zu holen und um dich mit anderen Patientinnen auszutauschen?
Lena: Ja, das mache ich. Ich habe im Internet und vor allem auf Instagram ganz viele Informationen bekommen, die ich so nie bekommen hätte.
Schenkt dir das denn ein bisschen Ruhe, zu wissen, dass du nicht alleine bist und dass es da noch andere Patientinnen gibt?
Lena: Ja, auf jeden Fall. Vor allem sind da ganz viele wertvolle Tipps dabei, die man für sich ausprobieren kann. Man muss ein bisschen rausfinden, was für einen das Richtige ist, weil man das natürlich nicht pauschalisieren kann. Ich habe auch mit der Endometriose Vereinigung telefoniert, was super hilfreich und viel hilfreicher als jedes Arztgespräch war.
Immerhin findest du Stellen, an die du dich wenden kannst. Hast du dich denn auch schon damit beschäftigt, was du selber tun kannst, damit es dir vielleicht ein bisschen besser geht?
Lena: Ja, das ist auf jeden Fall. Ich hatte tatsächlich eine Ernährungsberatung, weil ich auch Zöliakie, eine entzündliche Darmerkrankung habe und habe dort auch nach Tipps bei Endometriose gefragt. Mir wurde gesagt, so viel könnte man nicht machen, aber natürlich anti-entzündlich essen. Gluten esse ich sowieso seit 4 Jahren nicht mehr.
Wie gehst du denn mit Informationen um, die du im Internet findest und durchaus auch angsteinflößend sein können, insbesondere wenn du gar nicht weißt, ob das für dich gilt oder nicht?
Lena: Das ist natürlich ein ganz schwieriges Thema. Ich versuche, mich damit gar nicht so zu beschäftigen, weil ich nicht weiß, ob es so ist oder nicht. Es ist natürlich schlimm, was die Krankheit mit sich bringen kann und dass auch eine eingeschränkte Fruchtbarkeit bestehen kann, aber ich weiß nicht, was auf mich zutrifft. Mein Gynäkologe sagte, es wäre ihm am liebsten, wenn ich sofort schwanger werden würde, ohne mich zu fragen, ob ich das überhaupt möchte. Er meinte nur, ich sei ja jetzt auch alt genug.
Das ist leider eine Aussage, die weiterhin viele Ärzte treffen, ohne sich mit den Lebensumständen der Patientin zu beschäftigen. Du solltest dich auf keinen Fall unter Druck setzen lassen. Es werden viele Frauen trotz Endometriose schwanger. Da muss man sich auch als Arzt auch mehr mit auseinandersetzen und verstehen, dass der Druck nicht unbedingt hilfreich für die Patientin ist. Wie geht deine Mutter denn jetzt wo sie weiß, dass du Endometriose hast damit um?
Lena: Als ich die Diagnose bekommen habe, habe ich ihr gesagt, sie solle mal das Buch „Nicht ohne meine Wärmflasche“ lesen. Ich habe das zu diesem Zeitpunkt gelesen und habe gedacht, dass dies vielleicht verständlicher sei als wenn ich ihr alles erkläre. Sie ist sehr geschockt gewesen. Ihr war ja selber auch nicht bewusst, dass die Beschwerden nicht normal sind, weil sie ja auch immer so starke Schmerzen hatte. Sie versucht mich zu unterstützen, wo es nur geht.
Was wünschst du dir denn für die Zukunft?
Lena: Erstmal einen Plan zu haben, wie ich mit der Endometriose gut umgehen kann und einen Weg für mich zu finden, weil ich nicht will, dass die Endometriose mein Leben bestimmt, auch wenn sie es natürlich beeinflusst. Ich will nicht, dass ich zum Beispiel nur wegen der Endometriose ein Kind kriege. Das ist für mich kein Grund und ich finde, Ärzte sollten das gar nicht erst vorschlagen. Erst einmal stehen viele Arzttermine, die möglicherweise auch frustrierend verlaufen, aber ich versuche eine Lösung für mich zu finden.
Bleib da auf jeden Fall dran. Bleib stark, lass dich nicht unterbuttern, nicht von Ärzten oder irgendwem anderes und lass dir nicht erzählen, dass das alles nicht so schlimm ist. Es ist alles schlimm. Schmerz ist nicht wirklich nachvollziehbar, insbesondere Schmerzen in sehr unangenehmen Situationen. Ich vermute, wenn du Darmbluten hattest, hat dir auch jeder Gang auf die Toilette wehgetan. Das ist leider ein Tabuthema, über das man nicht einfach so spricht.
Lena: Ja, ich habe Schmerzen, wenn ich auf die Toilette gehe. Das war auch schon beim Arzt ein Thema. Ich war auch bei einer Ärztin, die gesagt hat, da gäbe es keine medizinische Ursache für, obwohl sie wusste, dass ich Endometriose habe. Sie sagte, das müsse dann psychisch sein, indem sie mir unterstellte, dass ich so gestresst wäre, weil ich vielleicht keine Kinder bekommen könnte und deswegen hätte ich Schmerzen. Ich bin da ein bisschen am Kämpfen, Überweisungen zu Fachärzten zu bekommen, die oft einfach keine Ahnung haben und sich mit der Krankheit nicht auskennen. Das ist schon ein bisschen frustrierend.
Das kann ich mir vorstellen. Auch wenn du deinen Gynäkologen magst, ist es vielleicht besser, wenn du dir einen Frauenarzt suchst, der auch als Endometriosezentrum zertifiziert ist. Wenn jemand darauf spezialisiert ist, ist das sicher hilfreich und vor allem wirst du dort auch bei „Kleinigkeiten“ ernst genommen. Und Endometriosezentren in Kliniken beraten auch ambulant. Die operieren ja nicht zwangsläufig jeden der da rein kommt.
Lena: Na ja, wenn ich dann mal zu meinem Gynäkologen durchdringe, nimmt er mich auch ernst und ich kann kommen, aber anzurufen und zu wissen, dass die Sprechstundenhilfe mir sagt, dass das jetzt eben so sei, ist schon sehr frustrierend.
Danke, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast. Für andere Patientinnen, die auch erst kürzlich die Diagnose erhalten haben, ist es sicherlich besonders interessant, auch etwas über deinen Leidensweg zu erfahren.
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