„Niemand bildet sich Schmerzen ein!“
Interview mit Endometriose-Patientin Caro
Hallo Caro, schön, dass du dir heute die Zeit genommen hast, mit uns über deine Endometriose zu sprechen. Erzähl uns bitte etwas über dich.
Caro: Ich bin Caro, komme aus der Nähe von Frankfurt und habe im März 2020 nach einer Laparoskopie meine Diagnose erhalten, hatte aber etwa 10 Jahre lang Probleme. Der Klassiker: man wird nicht ernst genommen und irgendwann kommt man von selbst darauf, dass es Endometriose sein könnte. Ich bin jetzt medikamentös halbwegs gut eingestellt und komme auch mit der Ernährung ganz gut zurecht. Es gibt mal bessere und mal schlechtere Tage.
Was bedeutet denn Endometriose für dich?
Caro: Für mich persönlich heißt das, dass ich vor OP und dem Medikament teilweise alle zwei Wochen den ganzen Tag, teilweise zwei Tage lang mit Schmerzen und Schmerzmitteln bis zum Anschlag und mit der Wärmflasche auf dem Sofa verbracht habe und mich trotzdem kaum bewegen konnte. Jetzt heißt es für mich, einfach mehr auf meinen Körper zu hören. Das muss ich auch erst mal lernen. Wenn ich weiß, ich habe heute relativ viel aktiv gemacht, z.B. Sportprogramm, Haushalt und Garten, muss ich morgen weniger machen, sonst rächt es sich.
Du hast gesagt, es habe recht lange gedauert, bis die Endometriose diagnostiziert wurde. Wie verlief deine Krankheitsgeschichte bis zur endgültigen Diagnose?
Caro: Das fing mit 16, 17 Jahren an, dass ich merkte, dass ich immer massive Unterleibsschmerzen hatte, die auch zyklusunabhängig aufgetreten sind. In dem Alter ist man noch relativ naiv und denkt, das sei normal. In den letzten fünf Jahren wurde es dann immer schlimmer. Ich habe eine Weile die Pille durchgenommen, weil ich dachte, wenn ich meine Periode nicht bekomme, habe ich auch keinen Stress, habe die Pille aber irgendwann nicht mehr vertragen. Ein Freund von mir hat einen irreparablen Hirntumor und der hat mir dann gesagt, ich solle mal CBD-Öl probieren. Er nimmt das auch und ist total happy damit. Dann habe ich angefangen zu googeln und irgendwann „CBD bei Unterleibsschmerzen“ gegoogelt und kam über Umwege darauf, dass es vielleicht auch Endometriose sein könnte. Ich habe das bei meiner damaligen Frauenärztin angesprochen, die das auch nur abwinkte, mir ein homöopathisches Mittel anbot und dann von anderen Medikamenten sprach. Dann habe ich mich dazu entschieden, diese Praxis nicht mehr aufzusuchen und bin dann auf das Endometriosezentrum in Frankfurt gestoßen. Dort hab ich direkt einen Termin vereinbart und die stimmten zu, dass es sich um Endometriose handeln könnte und zwei Wochen später wurde ich schon operiert.
Wie ging es dir danach?
Caro: Ich hatte gehofft, dass es mir nach der OP deutlich besser geht, weil die Herde entfernt wurden, aber es war leider gar nicht so. Die Beschwerden wurden viel schlimmer und es ging dann relativ schnell an die medikamentöse Einstellung. Das hat mich ziemlich runtergezogen, da ich eine Pille verschrieben bekommen habe, die ich überhaupt nicht vertragen habe. Ich hatte nach wenigen Tagen Angststörungen und wurde depressiv. Wir probierten dann noch andere Pillen, die auch nicht den gewünschten Effekt hatten, die Spirale wollte ich nicht haben. Ich nehme jetzt das Dienogest und komme jetzt wieder halbwegs klar. Ich kann endlich wieder mein Krafttraining machen, was ich auch über 2 Jahre nicht machen konnte, weil ein Endometrioseherd auch auf einen Nerv gedrückt hat und ich beim Training dann Schmerzen hatte. Jetzt kann ich wieder Gewichte erhöhen und es macht einfach mehr Spaß.
Ich finde auch, Sport hilft sehr und fand es sehr anstrengend, während Corona nicht mehr ins Fitnessstudio gehen zu können. Ich stelle es mir sehr schwer vor, keinen Sport machen zu können, weil man so starke Beschwerden hat, dass es nicht geht.
Caro: Ja, das war schon heftig. Ich habe zu Hause bei mir meine eigene Physio-Praxis und hab meine Trainingsgeräte hier, d. h. ich konnte und kann die ganze Zeit trainieren. Das ist ein kleiner Luxus. Das kann halt nicht jeder und nicht jeder hat irgendwie Platz, in einer kleinen Wohnung Sport zu machen.
Wie haben denn deine Mitmenschen bis zum Zeitpunkt der Diagnose auf deine Beschwerden reagiert? Hast du die Beschwerden überhaupt mit anderen kommuniziert?
Caro: Irgendwann bin ich relativ offen geworden. Da wusste ich noch gar nichts von der Endometriose. Die größten Probleme hatte ich tatsächlich bei meinen Arbeitskollegen, weil sie alles abfangen mussten, wenn ich krank war und die waren dann irgendwann natürlich genervt. Ich habe ihnen dann aber auch alles erzählt. Ich sagte, ich hätte so massive Unterleibsschmerzen, dass ich mich nicht mehr aufrecht halten könne und das nicht mit Absicht machen würde. Auch nach der OP ging es mit den Schmerzen leider trotzdem erst mal weiter. Ich bin leider nicht auf so viel Verständnis gestoßen. Es ist eher so, dass die Männer in meinem Freundeskreis auch sagen: „Oh Gott, du Arme, das tut mir total leid!“ Einer sagte auch letztens so: „Caro, ich möchte jetzt nicht zu nahe treten, aber ich habe mich informiert und gelesen, dass es sein kann, dass du keine Kinder mehr kriegen kannst.“ Ich war wirklich gerührt. Frauen winken die Unterleibsbeschwerden eher ab, denn die haben ja „alle“. Von Männern kommt eher mal Mitgefühl kommt als von Frauen. Die Endometriose hat das Arbeiten irgendwann stark beeinträchtigt, sodass ich diese Praxis auch verlasse hab und jetzt mehr in meiner eigenen Privatpraxis mache. Dadurch, dass ich jetzt gut eingestellt bin, geht das relativ gut, ich habe meinen neuen Arbeitskollegen aber auch davon erzählt und treffe jetzt auf mehr Verständnis.
Planst du denn für die Zukunft, vollständig in deiner Privatpraxis zu arbeiten?
Caro: Erst mal nicht. Ich möchte weiterhin in einem Team arbeiten und mich auch mal mit Kollegen austauschen.
Was denkst du denn, warum Endometriose immer noch so unterschätzt wird?
Caro: Ich glaube, weil viele nicht nachvollziehen können, was es heißt, unter solchen Schmerzen zu leiden. Auch, dass andere Frauen Unterleibsschmerzen nicht so ernst nehmen, trägt sicher dazu bei. Und Ärzte sind ja auch oft gar nicht darüber aufgeklärt. Ich glaube, mein Hausarzt wusste bis zu meinem Fall auch nicht, dass es Endometriose gibt, wobei der aber sehr gut reagiert hat. Er hatte erstmal nicht so den Plan, wovon ich rede, aber beim nächsten Termin wusste er genau, um was es geht, weil er sich auch wirklich informiert hatte. So sollte es immer sein, aber solange das nicht der Fall ist, ist das schwierig.
Stimmt, da muss definitiv auch unter den Hausärzten mehr Aufklärung stattfinden, denn es gibt so viele Symptome bei der Endometriose, die man erst mal gar nicht in der Gynäkologie sehen würde. Wenn etwas im Magen-Darm-Trakt nicht stimmt, geht man erst mal zum Hausarzt. Wenn dieser nicht wenigstens schon mal davon gehört hat, vermutet er auch nicht, dass da vielleicht eine Endometriose hinterstecken könnte, obwohl es nachher genau das ist.
Caro: Ich fand es auch sehr erschreckend, als ich meiner Familie davon erzählt habe, dass meine Oma, meine Mutter und meine Tante auch immer schon sehr starke Beschwerden hatten und da aber nie so viel drüber gesprochen wurde. Ich habe dann auch gelesen, dass die Endometriose teilweise auch erblich sein kann. Im Nachhinein dachte ich dann, ob die vielleicht auch Endometriose hatten.
Und sie waren dann einfach in einer Generation, wo man das sowieso nicht so mitbekommen hat. Meine Mutter hat mir auch immer erzählt, dass sie auch immer so starke, wehenartige Schmerzen hatte. Dadurch war das für mich auch einfach normal. Nach meiner Diagnose hatte ich dann auch die Sorge, ob ich mal ganz normal schwanger werden kann. Da sagte sie dann auch, es habe anderthalb Jahre gedauert, bis sie mit mir schwanger geworden ist. Bei all den Schilderungen habe ich auch vermutet, dass sie schon vorher Probleme hatte. Welche Einschränkung erlebst du zurzeit in deinem Alltag?
Caro: Was weniger geworden ist, ich aber ab und zu noch habe, ist eine ganz klassisch Fatigue. Dann gehe einkaufen, gehe noch eine kleine Runde Gassi, damit der Hund noch mal rauskommt und dann geht erstmal nichts mehr. Ich habe bei meinem alten Arbeitgeber irgendwann die Stunden reduziert, sodass ich nur noch vier Tage die Woche arbeite, weil ich gemerkt habe, dass ich es körperlich nicht mehr schaffe. Ich brauche wirklich drei Tage, um mich zu erholen. Derzeit arbeite ich aktuell wieder fünf Tage wegen meiner Privatpraxis, aber ich hoffe, dass ich das bald wieder reduzieren kann, weil ich am Wochenende richtig k.o. bin. Ich brauche viel längere Erholungsphasen. Die Schmerzen schränken mich immer mal wieder ein, sodass ich mal etwas absagen muss. Die Ernährung schränkt zusätzlich ein. Ich habe eine Magen- und Darmspiegelung machen lassen und dort wurde festgestellt, dass ich auf Gluten, Laktose und Soja reagiere. Aufgrund der Endometriose esse ich kein Fleisch. Fisch mag ich auch nicht. Mit mir essen gehen macht keinen Spaß. Ich habe keinen Spaß, meine Freunde haben keinen Spaß und da schränkt die Endometriose tatsächlich ein. Bei mir hat die Ernährung einen riesigen Einfluss, sodass ich gern sage, dass ich mich dann eben nur von Gemüse oder veganen Alternativprodukten ohne Soja ernähre.
Ich finde, es wird einem mittlerweile einfach leichter gemacht, ein bisschen mehr darauf zu achten, was man isst, ohne zu Hause zu sitzen und zu denken: „Ach, jetzt kann ich das auch essen.“
Caro: Einen Vorteil hatte die Geschichte auch. Ich habe bestimmt fünf, sechs Kilo abgenommen, die ich ohnehin abnehmen wollte. Was ich wirklich vermisse, ist mal so und so ein Stückchen Schokolade. Das würde ich gern mal wieder essen, aber egal wo ich auf die Verpackung gucke, da steht dann immer: „Kann Spuren von Gluten, Sojamilch etc. enthalten.“ Das kann ich aktuell nicht essen. Der Arzt hat gesagt, ich müsste jetzt ein Jahr komplett auf diese Sachen verzichten und dann gucken, dass ich es vielleicht langsam wieder aufbauen kann.
Welche Tipps würdest du anderen Frauen geben?
Caro: Zunächst, dass sie sehr auf ihren Körper hören sollen. Der Körper sagt einem oft schon irgendwie, ob es in die richtige Richtung geht oder nicht. Ich habe auch schon vor Jahren gemerkt, dass Gluten und Laktose nicht so gut für mich funktionieren und das hat sich ja nun auch bestätigt. Schmerzen sind immer echt. Das sage ich auch immer meinen Schmerzpatienten. Man bildet sich keine Schmerzen ein. Ärzte sagen das zwar recht oft, aber Schmerzen sind immer real und darauf sollte man hören. Man kann auch mal in die Physiotherapie schauen und z.B. eine Beckenboden-Therapie ausprobieren. Ansonsten sollte man einfach dranbleiben und wenn man Beschwerden hat, sollte man diese auch wirklich hinterfragen.
Vielen Dank, dass du deine Geschichte geteilt hast.
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