Interview mit Kinderwunsch-Expertin Silvia Hecher von LEVY

Heute geht es um das Thema Kinderwunsch und Endometriose. Das beschäftigt ja tatsächlich viele Frauen, denn der unerfüllte Kinderwunsch ist ja leider ein häufiges Symptom von Endometriose.

Heute besprechen wir aber auch das Thema Kinderwunsch außerhalb der Endometriose und ich bin ganz froh, dass Silvia Hecher heute hier ist, denn sie ist wirklich eine Expertin für Kinderwunsch in vielerlei Hinsicht.

Sie ist auch Co-Gründerin eines großartigen Start-ups, welches die Kinderwunsch-Diagnostik einfacher und zugänglicher für alle machen möchte. Das ist, finde ich, eine richtig schöne Mission.

Interview mit Kinderwunsch-Expertin Silvia Hecher, Co-Gründerin von LEVY

Dr. med. Nadine Rohloff: Herzlich willkommen, Silvia!

Silvia Hecher: Hallo Nadine, danke für die Einladung. Es freut mich, dass ich da bin.

Dr. med. Nadine Rohloff: Magst du dich vielleicht einmal kurz vorstellen? Du hast ja eine längere Werdensgeschichte; wie kommst du zum Thema Kinderwunsch?

Silvia Hecher: Eigentlich bin ich durch einen Zufall zu diesem Thema gekommen, das war nicht geplant: Ich habe in den USA Public Health studiert und bin dann zurück nach Österreich und wollte hier Gesundheitsförderungskampagnen machen, habe in dem Bereich aber keinen Job gefunden und bin dann eigentlich aus der Verlegenheit heraus Medizinjournalistin geworden.

Ich habe dann einen Job als Chefredakteurin für ein gynäkologisches Fachmagazin angeboten bekommen und bin so eigentlich in dieses Kinderwunschmetier, Endokrinologie – also die Lehre der Hormone – hereingerutscht. Ich fand das wahnsinnig spannend, weil es mir da ähnlich wie vielen anderen Frauen gegangen ist, weil man zuerst einmal herausfindet, was man selber alles nicht über den weiblichen Körper weiß.

Der LEVY Fertility Code ist ein zertifiziertes Medizinprodukt, welches dir Aufschluss über die Ursachen deines unerfüllten Kinderwunschs gibt.

Dieses umfasst eine medizinische Fruchtbarkeitsanalyse, die individuelle Blutdiagnostik sowie einen Behandlungsplan.

Ich kann mich erinnern, ich habe mit 24 oder 25 das erste Mal etwas von einer Eizellenreserve gelesen und dachte mir: „What, wieso weiß ich nicht, dass ich das habe?“. Ich habe dann längere Zeit bei NetDoctor gearbeitet, wo Kinderwunsch und alles um dieses Thema – Schwangerschaft, sexuell übertragbare Erkrankungen – ein Riesenthema war und das von 2005 bis 2010 auch die Zeit war, wo die künstliche Befruchtung/IVF, das erste Mal ein Thema war, über das man auch zumindest unter der Hand gesprochen hat.

Da habe ich gemerkt, dass dies ein Thema ist, das uns noch lange beschäftigen wird, und ich finde es bis heute einfach wahnsinnig spannend.

Dr. med. Nadine Rohloff: Das stimmt! Jetzt habt ihr ja mit LEVY ein Start-up gegründet, das sozusagen den Frauen umfassend dabei helfen soll. Magst du kurz noch etwas dazu sagen?

Silvia Hecher: Ich bin bei LEVY eine der drei Gründerinnen. Wir sind ein Berliner Start-up, das die Lücke im Versorgungssystem – vor allem, was die Diagnostik des unerfüllten Kinderwunschs angeht – schließen möchte. Es gibt eine Lücke zwischen dem, was in der gynäkologischen Praxis und in der Kinderwunschklinik angeboten wird. Wir machen das digital und man kann sich das so vorstellen, wie eine digitale Kinderwunschklinik, jetzt hauptsächlich für Diagnostik, aber immer mehr auch in Richtung Therapie. Was wir machen, nennt man in der Medizin Präzisionsdiagnostik. Wir haben eine Software entwickelt, mit der wir die Diagnostik des unerfüllten Kinderwunsches auf die jeweilige Situation der Frau anpassen können.

Einer der Gründe, warum wir diese Software überhaupt entwickelt haben, ist, dass so viele Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch so viele Jahre benötigen, um herauszufinden, woran es liegt oder woran es gelegen hat und dann eigentlich sehr spät – wenn überhaupt – in die Kinderwunschklinik kommen, wo dann die Möglichkeiten schon recht eingeschränkt sind und es in vielen Fällen auf eine In-Vitro-Fertilisation – also eine künstliche Befruchtung – hinausläuft, die man hätte verhindern können, wenn man früher diagnostiziert hätte.

Unsere Mission ist eigentlich, Frauen und Paaren möglichst früh und schnell zu verhelfen, zu erkennen, warum es mit dem Kinderkriegen nicht klappt und dabei eine ganz individuelle Lösung anzubieten.

Dr. med. Nadine Rohloff: Sehr cool! Du sagst, viele Frauen bekommen beispielsweise bei der Diagnostik viel zu spät Hilfe. Das ist ja für viele auch immer ziemlich schwierig einzuschätzen. Ab wann sollte man sich denn Hilfe holen – ob jetzt von euch oder sonst?

Silvia Hecher: Wir halten uns da auch eigentlich ganz klar an die medizinischen Leitlinien, die von den Europäischen und Amerikanischen Gesellschaften für Reproduktionsmedizin herausgegeben worden sind. Diese besagen, dass, wenn du bis zu einem Alter von 35 Jahren länger als zwölf Monate erfolglos versucht hast, schwanger zu werden, du dich an einen Spezialisten wenden solltest. Wenn du über 35 Jahre alt bist, trifft dies schon ab sechs Monaten zu.

In der Realität ist es so, wenn man sich die Studien und die Statistik einmal anschaut, sieht man ja immer nur Durchschnittswerte. Man sieht dort, dass sehr viele Frauen, sehr viele Paare eigentlich relativ schnell – innerhalb der ersten drei bis vier Zyklen – schwanger werden. Umgekehrt struggeln aber viele Paare jahrelang. Daraus ergeben sich eben auch diese Durchschnittswerte.

Gerade bei Endometriose gibt es Studien aus den USA, die zeigen, dass bis zu sieben Ärzte notwendig sind, bis die Diagnose Endometriose gestellt wird. Wenn du deine Kinderwunschreise mit Anfang 30 beginnst und dann dauert es noch sieben Jahre, bis du weißt, dass du Endometriose hast, bist du eigentlich von der Eizellenqualität her die beste Zeit verpasst.

Dr. med. Nadine Rohloff: Absolut! Gerade die Endometriose ist natürlich ein riesiges Beispiel. Viele kommen ja auch erst darauf über die Kinderwunschklinik, weil es vorher übersehen wurde. Das ist natürlich bitter.

Silvia Hecher: Diese Zeit dazwischen nennt man in der Start-up-Branche USP – Unique Selling Proposition – und diese Zeit wollen wir sparen. Man kann mit unserer Diagnostik innerhalb von weniger Wochen herausfinden, woran es tatsächlich liegt. Was ich auch super spannend finde, denn ich beschäftige mich schon so lange mit Kinderwunsch, ist, dass die Behandlung oft gar nicht das Komplizierte ist, sondern dass die Diagnostik – gerade bei der Frau – viel komplizierter ist. Deshalb macht es auch Sinn, diese eben erwähnte sechs bis zwölf-Monate-Regel auszunutzen. Wenn man es acht oder neun Monate versucht und es klappt nicht, kann man schon einmal beginnen, zu schauen, woran es denn liegen könnte. Dieser diagnostische Weg ist recht komplex.

Dr. med. Nadine Rohloff: Und weil es viele Möglichkeiten gibt, woran es liegen kann, und manche Sachen ja auch von der Diagnostik her nicht so invasiv sind, wie man es von der Endometriose kennt.

Silvia Hecher: Ganz genau.

Einer der Gründe, warum wir diese Software überhaupt entwickelt haben, ist, dass viele Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch so viele Jahre benötigen, um herauszufinden, woran es liegt oder woran es gelegen hat und dann eigentlich sehr spät – wenn überhaupt – in die Kinderwunschklinik kommen.

Silvia Hecher

Dr. med. Nadine Rohloff: Wir reden ja hier eigentlich über das Thema Endometriose und Kinderwunsch, aber wie du schon sagst, das Ganze ist so komplex und nur weil man Endometriose hat, können ja auch andere Probleme vorliegen. Kinderwunschproblematiken können ja auch viele Gründe außerhalb der Endometriose haben. Vielleicht magst du einmal kurz einen groben Überblick geben, welche Gründe gibt es sonst noch, warum es nicht klappen kann.

Silvia Hecher: Ich beginne immer mit dem Mann, weil es bei ihm einfacher abzuklären ist. In 30 bis 40 % der Fälle liegt es am oder unter anderem am Mann, wenn ein paar einfach nicht schwanger wird. In vielen Fällen liegt es auch an beiden. Wir sehen, dass nicht nur die Eizellenqualität mit dem Alter sinkt, sondern auch die Spermaqualität. Man kann mit einem einfachen Spermiogram herausfinden, ob es passt oder ob es nicht passt, ob genügend Samenzellen vorhanden sind, ob die Beweglichkeit passt oder nicht. Das ist ein Faktor. Und wenn es nach sechs Monaten einfach nicht geklappt hat, würde ich empfehlen, dass man da mal drauf schaut und dann ist der Mann schon einmal abgehakt und abgeklärt.

Bei der Frau – und wir sind als Frauen leider komplizierter – können es viele verschiedene Ursachen sein: In sehr vielen Fällen liegt es an dem Zusammenspiel der Hormone und dem Zyklus, sodass der Eisprung in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt ist, nicht regelmäßig stattfindet oder die Eizelle nicht ausgereift ist. Es kann damit zusammenhängen, dass von bestimmten Hormonen zu wenig vorhanden sind; also beispielsweise kann eine Gelbkörperhormonschwäche vorliegen oder auch die Eizellenreserve schon eingeschränkt ist, was wir oft schon bei Frauen über 35 sehen, obwohl man eigentlich noch nicht damit gerechnet hat, dass dies überhaupt der Fall sein kann.

Die Ursachen für einen unerfüllten Kinderwunsch sind vielfältig und treten oft in Kombination auf:

  • niedrige Eizellen- und Spermaqualität
  • Gelbkörperhormonschwäche
  • eingeschränkte Eizellenreserve
  • polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS), hormonelle Dysbalance
  • Schilddrüsenstörungen
  • überaktives Immunsystem
  • Insulinresistenz
  • anatomische Ursachen, wie Verklebungen oder Verwachsungen an den Eileitern; Myome, Chlamydieninfektion, Eierstockentzündung, uvm.
  • Endometriose

Das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) ist eigentlich der häufigste Grund bei Frauen für Unfruchtbarkeit und betrifft 30 % aller Frauen mit Unfruchtbarkeit, wo eine hormonelle Dysbalance vorliegt und der Eisprung sehr oft nicht oder nur sehr unregelmäßig stattfindet. Das ist natürlich mit dem Timing sehr schwierig.

Andere Gründe für Unfruchtbarkeit bei der Frau können Schilddrüsenstörungen sein – eine Überaktivität, Unteraktivität oder eine Entzündung der Schilddrüse. Was wir auch häufig sehen und was in der Gynäkologie und auch in der Kinderwunschmedizin immer noch ein bisschen unterschätzt wird und auch noch in vielen Bereichen nicht erforscht ist, ist die Immunologie: Also wie unser Körper und das Immunsystem auch in der Schwangerschaft reagiert. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass, wenn eine Eizelle befruchtet wird und ein Embryo wächst, zur Hälfte körperfremdes Erbmaterial – nämlich das Erbgut vom Mann – in deinem Körper ist. Wenn das Immunsystem überaktiv ist, bekämpft es den Embryo als Fremdkörper.

Es sind so viele Dinge, die wir aber noch nicht wissen, wo uns aber beispielsweise auffällt, dass es sehr schwierig zu diagnostizieren, aber dann relativ einfach zu behandeln ist. Ich glaube, damit habe ich die allerwichtigsten Dinge abgedeckt. Wir haben noch die Insulinresistenz, also eine Vorstufe von Diabetes; es gibt anatomische Gründe, wenn die Eileiter verwachsen oder nicht durchgängig sind zum Beispiel aufgrund einer lange vorliegenden Chlamydieninfektion oder Eierstockentzündungen, oder wenn es Verwachsungen und Myome in der Gebärmutter gibt oder ein Septum – das ist eine Scheidewand in der Gebärmutter – wo sich dann der Embryo an einer schlechten Stelle einnisten kann.

Das sind die wichtigsten Dinge, es gibt noch viele weitere; ich gehe jetzt auf die ganzen genetischen Gründe gar nicht ein. Aber ich glaube, man sieht schon, dass es bei der Frau eine Vielzahl an Gründen gibt und es einfach Sinn macht, das umfassend diagnostisch abzuklären, damit man weiß, woran es liegt und dann eben auch zielgerichtet behandeln kann.

Dr. med. Nadine Rohloff: Das finde ich auch ganz wichtig, dies immer bei der Endometriose zu sagen, weil die Endometriose das Schwangerwerden natürlich erschweren kann. Aber das heißt nicht, dass es immer der einzige oder eigentliche Grund dafür ist. Das Thema muss man umfassend mit Spezialisten angehen. Welche dieser Faktoren deckt ihr denn mit LEVY ab bzw. wo fängt man an, an welche Leute wendet man sich und wann kommt LEVY ins Spiel?

Silvia Hecher: Das ist eine gute Frage, weil ich eigentlich sagen würde, dass wir relativ am Anfang dieser Reise stehen. Dadurch, dass die Diagnostik ja eigentlich am Anfang stehen sollte, damit man weiß, wie es weitergeht, kommen wir da recht früh ins Spiel. Insgesamt können wir 24 Diagnosen bzw. Verdachtsdiagnosen stellen. Endometriose ist bei uns eine Verdachtsdiagnose, die wir aufgrund eines interaktiven Fragebogens, der sich ganz speziell an die Situation der Frau anpasst, stellen können. Wirklich abgeklärt und auch der Grad der Endometriose muss dann später in einer Klinik oder bei einem Arzt festgestellt werden. Ansonsten können wir eigentlich überall, wo es mit einem Zusammenspiel der Hormone zusammenhängt, all diese Diagnosen oder Verdachtsdiagnosen, wie eben bei PCS Fällen, wo man keine Ultraschalldiagnostik braucht, können wir stellen und ganz zielgerichtet Empfehlungen aussprechen, welche weitere Diagnostik es braucht, um eine Diagnose – und es ist in vielen Fällen, wie du eben schon gesagt hast – nicht nur eine, sondern mehrere Diagnosen stellen zu können. Sodass man innerhalb von einem, spätestens zwei Monaten weiß, woran es denn tatsächlich liegt.

Dr. med. Nadine Rohloff: Arbeitet ihr mit Kinderwunschkliniken und Frauenärzten zusammen oder ist das etwas, wo man sich als Patientin auch selber mit beschäftigen kann?

Silvia Hecher: Wir richten uns momentan in erster Linie an Frauen, die online Hilfe suchen, und das sind sehr, sehr viele. Wir bauen aber gerade ein Netzwerk an gynäkologischen Praxen und Kinderwunschkliniken auf, mit denen wir zusammenarbeiten.

Dr. med. Nadine Rohloff: Weil es denen ja eigentlich auch Arbeit abnimmt.

Silvia Hecher: Absolut, und weil wir als Online-Kinderwunschklinik ja Ultraschalluntersuchungen und weitere bildgebende Verfahren nicht abdecken, was gerade auch bei der Endometriose wichtig ist.

Dr. med. Nadine Rohloff: Genau, und auch die OP. Das kann man online nicht machen.

Silvia Hecher: Das ist aber auch noch ein guter Punkt, weil wir gerade Frauen beraten, die eine Verdachtsdiagnose mit Endometriose bekommen oder auch schon wissen, dass sie Endometriose haben. Da stellt sich ja bei Kinderwunsch dann die Frage, wie lange man es auf natürlichem Wege probiert, wann gehe ich in eine andere Behandlung, bringt bei mir eine Operation etwas.

Dr. med. Nadine Rohloff: Das muss man ja immer individuell abstecken. Was sind denn die symptomatischen Probleme, die Frauen mit Kinderwunsch bei Endometriose haben?

Silvia Hecher: Vom Kinderwunsch her sind die Schmerzen nicht mehr so im Vordergrund, sondern tatsächlich, warum es mit dem Schwangerwerden nicht klappt. Ich erzähle euch da eh nichts Neues, aber in der Endometriose ist einfach so viel noch nicht erforscht. Was man weiß, ist, dass die Endometioseherde zum einen natürlich physisch die Fortpflanzungsorgane beeinträchtigen. Je nachdem, welchen Grad der Endometriose man hat und wie groß die Endometrioseherde sind, sitzen sie auf der Gebärmutter, auf den Eileitern, auf den Eierstöcken und können verhindern, dass die reife Eizelle aus dem Eierstock freigegeben wird bzw., wenn sie freigegeben wird, nicht in den Eileiter kommt – dieser fängt das freie Ei eigentlich auf und transportiert es weiter.

Und wenn an dieser Stelle ein Endometrioseherd ist, wird dies verhindert und da kann das Ei nicht befruchtet werden. Wenn das Ei dann in den Eileiter gelangt, kann es passieren, dass das Ei nicht weiter transportiert wird bzw. dass die Samenzellen durch die fehlenden Bewegungen des Eileiters es nicht zur Eizelle schaffen.

Wenn denn dann das Ei befruchtet worden ist – du siehst, es gibt so viele Dinge, woran es scheitern kann – und der Embryo entwickelt sich weiter, kann es sein, dass durch die Endometriose der Embryo sich nicht einnistet und nicht gut weiter wächst. Und das alles ist zum einen durch das physische Vorhandensein der Endometrioseherde und zum anderen, weil Endometriose auch mit dem Immunsystem und Entzündungsprozessen zusammenhängen dürfte – da ist man in der Medizin eben auch noch an einem Punkt, wo man nicht genau weiß, wie dies funktioniert und zusammenhängt.

Wir sehen ja im Kinderwunsch-Coaching und in der Fortpflanzungsmedizin, dass, wenn es mit dem Schwangerwerden nicht klappt, es selten nur einen Grund gibt, warum es nicht funktioniert. Es ist sehr oft ein Zusammenspiel von verschiedenen Dingen, warum es nicht klappt.

Ich kann nur empfehlen, wirklich zu einem Spezialisten zu gehen, der sich mit Endometriose auskennt, der dich dann auch wirklich gut beraten kann. Da gibt es einfach keine Lösung, die für alle Paare passt, sondern es ist bei jeder Frau einfach anders.

Silvia Hecher

Dr. med. Nadine Rohloff: Und es ist auch wichtig, sich einmal damit zu beschäftigen. Einmal erschwert es das Schwangerwerden aufgrund dieser ganzen immunologischen Faktoren und Entzündungsprozessen, aber auch wenn Endometriose an anderen Stellen wächst. Das finde ich auch immer ganz wichtig zu sagen: Nicht nur Endometriose am Eierstock kann Probleme machen, sondern auch am Bauchfell. Das heißt, manchmal hilft es tatsächlich auch, die Herde zu entfernen.

Trotzdem muss man natürlich immer individuell abklären, ob eine OP Sinn macht. Aber manchmal ist es tatsächlich auch so, dass durch Verklebungen oder Verwachsungen beispielsweise der Eileiter verklebt ist und dann das Risiko für Eileiterschwangerschaften auch steigt. Das heißt, man hat so ein bisschen – wenn man dann schwanger ist – ein kleines Komplikationsrisiko und muss einfach darauf achten, wenn man jetzt starke Schmerzen im linken oder rechten Unterbauch bekommt, dass man dann auch wirklich recht fix zum Arzt geht.

Silvia Hecher: Ganz genau. Es hängt ja auch sehr viel von der Aktivität der Endometriose ab – wie viel sich da in einem kurzen Zeitraum tut. Ich kann nur empfehlen, wirklich zu einem Spezialisten zu gehen, der sich mit Endometriose auskennt, der dich dann auch wirklich gut beraten kann, ob in deinem speziellen Fall jetzt gerade eine Operation Sinn macht und ob es danach auch noch Sinn macht, eine künstliche Befruchtung zu machen oder ob nicht eine natürliche Schwangerschaft eine Möglichkeit wäre. Da gibt es einfach keine Lösung, die für alle Paare passt, sondern es ist bei jeder Frau einfach anders.

Die Gründerinnen von LEVY:
Caroline Mitterdorfer, Silvia Hecher und Theresa Vilsmaier (v.l.n.r)

© LEVY Health

Dr. med. Nadine Rohloff: Absolut. Da gibt es natürlich Kinderwunschzentren, die auch ein Endometriosezentrum haben. Da sollte man sozusagen in das „Kombi-Zentrum“ gehen, weil die natürlich zusammenarbeiten. Das ist ganz spannend, weil du ja auch sagst, dass auch viele immunologische Faktoren insgesamt zum Kinderwunsch noch nicht ganz erforscht sind. Dann gibt es auch immunologische Faktoren bei der Endometriose, die noch nicht ganz erforscht sind. Das ist es auch spannend, was die nächsten Jahre an Erkenntnissen über die Zusammenhänge vielleicht bringen.

Silvia Hecher: Das ist jetzt vielleicht ein bisschen gemein von mir, aber ich glaube, zwei der Gründe, warum die immunologischen Faktoren noch nicht so gut erforscht sind, ist zum einen, dass das Immunsystem wahnsinnig komplex ist. Zum anderen ist ein überaktives Immunsystem bei Kinderwunsch relativ einfach und auch sehr günstig zu behandeln. Wenn es dazu eben auch Therapien gibt, mit denen sich viel Geld verdienen lässt, ist die Forschung eingeschränkt.

Dr. med. Nadine Rohloff: Das ist leider so! Vielleicht kannst du noch einmal ganz kurz erzählen, wie die Diagnostik bei immunologischen Faktoren abläuft? Das ist ja auch etwas, was ihr mit anbietet, nicht wahr?

Silvia Hecher: Ja, bei uns arbeitet ja jede Frau einen interaktiven Fragebogen vorher durch und wir erstellen dann Risikoprofile. Je nachdem, was herauskommt, werden Biomarker zusammengestellt und für die Labordiagnostik empfohlen. Bei Frauen mit einem speziellen Risikoprofil, zum Beispiel wenn eine Frau schon zwei Fehlgeburten hatte, empfehlen wir eine immunologische Diagnostik, wo wir uns die gängigsten und wichtigsten Biomarker im Blut anschauen.

Dr. med. Nadine Rohloff: Wenn das dann tatsächlich recht einfach behoben werden kann, ist dies natürlich für die Frauen besonders gut. Gibt es noch etwas, was du speziell Frauen mit Endometriose und unerfülltem Kinderwunsch empfehlen würdest?

Silvia Hecher: Nicht zu lange zu warten und zu einem Spezialisten zu gehen, der sich wirklich mit Endometriose auskennt. Ich habe immer Erfolg mit der Erfahrung gehabt, mit Kinderwunschärztinnen, die selbst auch Endometriose operieren. Ich weiß, von denen gibt es nicht viele. Aber gerade, wenn man ein komplexes Endometriosegeschehen hat und schon viele Dinge ausprobiert hat, die nicht funktioniert haben, dann macht es Sinn, sich so jemanden zu suchen.

Dr. med. Nadine Rohloff: Da gibt es ja Listen, auch wenn diese spezielle Kombi nicht immer überall angeboten wird, kann man sich informieren, wo man so jemanden findet.
Welchen Rat würdest du vielleicht Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch geben, die gerade zuhören, und welchen den Frauen, die gerade anfangen und vielleicht einen Kinderwunsch haben, aber noch nicht unerfüllt ist, sondern gerade einfach auf dem Weg?

Silvia Hecher: Da gibt es, ehrlich gesagt, nicht die eine Empfehlung, weil auch jedes Paar den Kinderwunsch anders angeht. Manche Paare sind super entspannt und sagen, wir schauen erstmal, was passiert, ob es überhaupt passiert. Manche Frauen schauen auch überhaupt nicht auf ihren Eisprung, sondern sagen, wir probieren es jetzt ein paar Monate; ich mache da auch gar kein Timing draus, entweder es klappt oder es klappt nicht.

Andere Frauen gehen da sehr viel geplanter heran und da wäre ein Tipp von mir, auch immer den Partner mit einzubeziehen, weil das ist etwas, was du als Paar machst. Gerade, wenn du dann beginnst, deinen Eisprung ganz genau zu tracken und die Eisprungtests jeden Monat zu machen und genau zu timen, wann denn jetzt Geschlechtsverkehr stattfinden sollte – das finden die Männer irgendwann nicht mehr so cool.

Also wäre ein Tipp von mir, sich vorher als Paar abzusprechen, wie man das denn angehen mag und ob der Mann – wenn man es wirklich geplant machen will oder manchmal auch aus beruflichen Gründen machen muss – ob das für beide in der Beziehung passt.

Für die Frauen, die es nicht so sehr dem Zufall überlassen wollen, gibt es Eisprungtests, die auf dem luteinisierenden Hormon basieren, das man im Urin messen kann. Die gibt es in jeder Drogerie zu kaufen und es gibt zahlreiche Zyklustracker, auch Wearables, die man am Körper trägt und wo man dann mit einer App relativ genau herausfinden kann, wann denn der Eisprung ist.

Was man generell allen Frauen mitgeben kann, ist, dass man natürlich auf die Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Getreide achten sollte; ganz wichtig ist eine ausreichende Zufuhr an Folsäure – das ist ein B-Vitamin, das man eigentlich über die natürliche Ernährung in dem Ausmaß, wie man es in oder vor der Schwangerschaft braucht, kaum abdecken kann. Da macht es auf alle Fälle Sinn, Nahrungsergänzungsmittel mit Folsäure einzunehmen, und das schon drei bis vier Monate, bevor man beginnt, schwanger zu werden. Die Folsäure ermöglicht so eine bessere Reifung und Entwicklung der Eizellen. Die Eizellen entwickeln sich ja nicht nur in dem jeweiligen Zyklus, in dem wir den Eisprung haben, sondern beginnen ja schon drei Monate vorher ihre Ausreifung – bis dann eine von den vielen Eizellen, die heranreifen – die meisten davon sterben – es zum Eisprung schafft. Das funktioniert mit der Folsäure besser.

Ansonsten würde ich sagen: Gute Kommunikation in der Partnerschaft, dass man weiß, was denn für beide auch wirklich passt.

Dr. med. Nadine Rohloff: Das ist doch ein schönes Schlusswort, finde ich! Es hat mich total gefreut, Silvia!

Silvia Hecher: Vielen Dank!

Hast du Fragen oder Anmerkungen zum Thema Kinderwunsch? Melde dich gerne in unserer Facebook-Gruppe „Endometriose verstehen, beobachten, austauschen“ oder aber per E-Mail. 

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