Wunderwaffe Pausen – trotz Schmerzen in Balance leben

Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran als eine Pause – Elizabeth Barrett Browning

Wir alle wollen bei der Arbeit oder beim Sport leistungsfähig sein. Für Menschen mit häufigen Schmerzen stellt das eine besondere Herausforderung dar. Hat ein Mensch öfter Schmerzen, gerät er manchmal in einen Teufelskreis, der Schmerzen und Erschöpfung langfristig schlimmer macht. Drei (fiktive) Beispiele [3]:

    1. Zu wenig Aktivität: Lisa (23) ist Studentin und wohnt bei ihren Eltern. Sie hat große Angst vor Schmerzen und Angst, noch mehr „kaputt zu machen“. Daher ist sie sehr vorsichtig und ruht sich die meiste Zeit aus. Jedes Mal, wenn sie etwas tut, hat sie das Gefühl ihre Schmerzen werden schlimmer. Sie vermeidet immer mehr Aktivitäten, treibt keinen Sport mehr und zieht sich aus ihrem Freundeskreis zurück. Ihre Eltern sind auch eher ängstlich und vorsichtig und nehmen ihr im Alltag alles ab. Dadurch fühlt Lisa sich letztendlich erschöpft und nicht leistungsfähig.
    1. Zu viel Aktivität: Julia (44) hat ein stressiges Leben mit Familie und Vollzeitstelle. Trotz ihrer starken Schmerzen arbeitet sie ohne Pause und ist für alle anderen da, bis sie um 10 Uhr abends erschöpft ins Bett fällt. Sie hat das Gefühl, immer funktionieren zu müssen, und leidet unter Schuldgefühlen, wenn sie ihren eigenen hohen Ansprüchen nicht gerecht werden kann. In ihrem Umfeld werden ihre Beschwerden nicht ernst genommen, von ihren Eltern hörte sie früher immer nur Sätze wie „Krank ist man nicht, beiß einfach die Zähne zusammen“. Daher hat sie die Schmerzen immer ignoriert, doch mittlerweile war sie zweimal im Krankenhaus, weil sie es nicht mehr aushielt und sich nicht bewegen konnte.
    1. Wechsel aus zu viel und zu wenig Aktivität: Marie (38) arbeitet als selbstständige Künstlerin. Sie hat immer wieder richtig gute und auch richtig schlechte Tage. An guten Tagen erwacht sie morgens ohne Schmerzen, arbeitet dann 10 Stunden ohne Pause, geht anschließend eine Stunde joggen und macht abends ihren Haushalt. Wenn sie einmal etwas angefangen hat, will sie es unbedingt fertig machen und ignoriert ihre zunehmende Erschöpfung. Der nächste Tag ist dann oft ein schlechter mit starken Schmerzen. Marie muss Schmerzmittel nehmen und ruht sich die meiste Zeit des Tages aus. Mehr als einen kleinen Spaziergang schafft sie nicht. Mit der Zeit bemerkt sie, dass die schlechten Tage zunehmen und die guten Tage seltener werden. Marie ist frustriert und versucht an guten Tagen noch mehr zu tun, um die schlechten Tage auszugleichen.

Wie man an den Beispielen erkennt, ist die Balance zwischen Aktivität und Ruhe (engl.: Activity Pacing) für Menschen mit Schmerzen ein wichtiges, aber nicht so einfach zu erreichendes Ziel. Bei akuten Schmerzen kann Ausruhen natürlich absolut notwendig sein. Bei chronischen Schmerzen ist das Aktivsein aber mindestens genauso wichtig. Die positiven Effekte von Sport und Bewegung auf Schmerzen unterschiedlicher Art sind heute gut belegt [4].

Wie finde ich eine Balance zwischen Aktivität und Ruhe?

Wie du an den Beispielen erkennen kannst, ist es weder hilfreich deine starken Beschwerden komplett zu ignorieren (Beispiel Julia), als auch dich von ihnen von jeglicher Aktivität abhalten zu lassen (Beispiel Lisa). Hilfreich kann es sein, Aktivitäten in kleine Zwischenschritte aufzuteilen und Pausen zwischen den Schritten einzuplanen. Außerdem ist es wichtig, lieber regelmäßig ein bisschen aktiv zu sein, als an einem Stück sehr lang und intensiv. Teile dir deine Energie gut ein und plane deinen Tag, um langfristig deine Ziele erreichen zu können [8]. Wichtig ist ebenso das Setzen von Prioritäten, um an schlechten Tagen deine Kraft nicht mit Unwichtigem zu verschwenden. In Abbildung 1 siehst du den Teufelskreis von Marie aus Beispiel 3.

Abbildung 1: Schmerzkreislauf

In Abbildung 2 ist die Alternative dargestellt. Kürzere Phasen von Aktivität, die sich mit regelmäßigen Phasen der Ruhe abwechseln. Für unsere Julia würde es bedeuten, mehr Pausen einzubauen. Unsere Lisa sollte versuchen, in kleinen Schritten aktiver am Leben teilzuhaben. Und für Marie ist wichtig, sich an guten Tagen nicht zu viel zuzumuten, um an schlechten Tagen ein bisschen mehr tun zu können. Die Balance zwischen Aktivität und Ruhe sollte also im besten Fall individuell gestaltet werden [7].

Abbildung 2: Wechsel zwischen Aktivität und Ruhe

Leider gibt es bisher keine Studie, die diesen Teufelskreis der Schmerzen speziell bei Endometriose untersucht hat. Aber es gibt einige Studien zum Effekt auf Schmerzen allgemein. In einer Studie mit 68 Personen mit chronischen Schmerzen konnte ein Zusammenhang gezeigt werden zwischen Schmerzen und zu viel oder zu wenig Aktivität. Es zeigte sich, dass sowohl zu viel Aktivität als auch die Vermeidung von Aktivität mit mehr Schmerzen verbunden waren. Zu viel Aktivität ging ebenso mit sehr guten und sehr schlechten Tagen einher, so ähnlich wie bei Marie [1]. Ein Teufelskreis aus zu viel oder zu wenig Aktivität kann zudem depressive Symptome und Alltagseinschränkungen [6] sowie einen höheren Verbrauch an Schmerzmitteln [2] begünstigen. Eine gute Balance aus Aktivität und Ruhe geht dagegen mit einem besseren psychologischen Wohlbefinden einher [5]. Und wahrscheinlich hast du selbst schon die Erfahrung gemacht, dass du letztendlich in kleinen Schritten mehr schaffst als in einer großen „Hau-Ruck-Aktion“.

Schlaf ist wichtig

Übung

  1. Schreibe einerseits eine Liste mit den Aktivitäten, bei denen du häufig zu viel tust und über deine Grenze gehst. Notiere dir andererseits, welche Aktivitäten dir selbst an schlechten Tagen wichtig sind und guttun.
  2. Setz dir ein Zeitlimit für diese Aktivität und mach dann eine geplante Pause
  3. Notiere dir regelmäßig deine Aktivitäten, deine Pausen, dein Befinden und deine Fortschritte

Die Kunst des Ausruhens ist ein Teil der Kunst des Arbeitens – John Steinbeck

Referenzen

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Andrews NE, Strong J, Meredith PJ. Overactivity in chronic pain: is it a valid construct? Pain [Internet]. 2015 [cited 2021 Jul 20];156(10):1991–2000. Available from: https://journals.lww.com/00006396-201510000-00018
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Andrews NE, Strong J, Meredith PJ, Fleming JA. The relationship between overactivity and opioid use in chronic pain: a 5-day observational study. Pain [Internet]. 2016 [cited 2021 Jul 20];157(2):466–74. Available from: https://journals.lww.com/00006396-201602000-00022
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Birkholtz M, Aylwin L, Harman RM. Activity Pacing in Chronic Pain Management: One Aim, but Which Method? Part One: Introduction and Literature Review. British Journal of Occupational Therapy [Internet]. 2004 [cited 2021 Jul 20];67(10):447–52. Available from: http://journals.sagepub.com/doi/10.1177/030802260406701005
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Hadzic R, Sharpe L, Wood B, MacCann C. The Non-Avoidant Pacing Scale: Development and Preliminary Validation. The Journal of Pain [Internet]. 2019 [cited 2021 Jul 20];20(2):224–34. Available from: https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S1526590018306473
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Kindermans HPJ, Roelofs J, Goossens MEJB, Huijnen IPJ, Verbunt JA, Vlaeyen JWS. Activity Patterns in Chronic Pain: Underlying Dimensions and Associations With Disability and Depressed Mood. The Journal of Pain [Internet]. 2011 [cited 2021 Jul 20];12(10):1049–58. Available from: https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S1526590011005888
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Murphy SL, Smith DM, Lyden AK. Type of Activity Pacing Instruction Affects Physical Activity Variability in Adults With Symptomatic Knee or Hip Osteoarthritis. Journal of Physical Activity and Health [Internet]. 2012 [cited 2021 Jul 20];9(3):360–6. Available from: https://journals.humankinetics.com/view/journals/jpah/9/3/article-p360.xml
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Nielson WR, Jensen MP, Karsdorp PA, Vlaeyen JWS. Activity Pacing in Chronic Pain: Concepts, Evidence, and Future Directions. The Clinical Journal of Pain [Internet]. 2013 [cited 2021 Jul 20];29(5):461–8. Available from: https://journals.lww.com/00002508-201305000-00011
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Teresa Götz