5 Min. Lesezeit
Viele Endometriose-Betroffene fühlen sich vor allem von ärztlichem Personal oft nicht ernst genommen oder missverstanden. Das kann zu viel Frust und Hilflosigkeit führen. Auch innerhalb der Familie kann es vorkommen, dass man sich mit seinen (möglicherweise speziellen) Bedürfnissen nicht richtig wahrgenommen fühlt. Wie du dich den verschiedenen Mitgliedern deiner Familie erklären kannst, erklären wir dir in diesem Text.
Wenn wir in unseren Texten von „Familie“ sprechen, meinen wir damit alle Formen von Familie. Das kann die biologische oder die selbstgewählte Familie sein, das kann eine Familie ohne oder mit Kindern sein. Wie man Familie als Netzwerk begreifen kann, kannst du hier nachlesen.
Eine gute Kommunikation kann zu mehr gegenseitigem Verständnis führen und Konflikte auflösen. Eine Methode ist die sogenannte gewaltfreie Kommunikation. Das Konzept der gewaltfreien Kommunikation wurde vom amerikanischen Psychologen Marshall Rosenberg entwickelt [1]. Er plädiert für mehr Empathie für das Gegenüber und weniger Gewalt in der Kommunikation. Gewalt meint dabei jede Form des Denkens und Sprechens, das moralische Bewertungen enthält. Zum Beispiel: „Das ist gut, böse, richtig oder falsch.“ Darunter fällt auch, wenn keine Rücksicht auf die Bedürfnisse und Gefühle der anderen Person genommen wird. Das ist zum Beispiel bei Beleidigungen, Kränkungen und Bedrohungen der Fall.
Die Empathie zu anderen und auch zu dir selbst ist eine Grundvoraussetzung für eine gelungene Kommunikation. Nur durch Empathie kann es verständliche Gespräche und ein friedliches Miteinander geben. Das wichtigste Ziel ist es, die eigenen Bedürfnisse auszudrücken, ohne dabei anderen die Schuld zuzuweisen. Denn wenn dein Gegenüber sich von dir missverstanden fühlt oder dich als aggressiv wahrnimmt, wird er selbst nicht mehr positiv und konstruktiv mit dir sprechen wollen. Dann kann ein Teufelskreis aus fehlgeschlagener Kommunikation entstehen. Vermittele ich meinem Gegenüber jedoch Empathie und Verständnis, kann die Kommunikation gelingen und eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Wenn alle Beteiligten ihre eigenen Bedürfnisse äußern und Verständnis für die Bedürfnisse der anderen aufbringen, kann man gemeinsam einen Kompromiss finden, um den Bedürfnissen aller gerecht zu werden.
Wenn du dich aufgrund vorangegangener (negativer) Erfahrungen im ärztlichen Gespräch unsicher und eingeschüchtert fühlst, dann schau doch mal hier vorbei. Denn: Je sicherer du deine Anliegen vorbringen kannst, desto besser stehst du für dich selber ein.
Die wichtigste generelle Regel bei der gewaltfreien Kommunikation lautet, Äußerungen in sogenannten Ich-Botschaften zu vermitteln. Bei Ich-Botschaften geht es um die eigenen Gefühle. Ziel ist es, dass sich das Gegenüber in die andere Person hineinversetzen kann. Durch Du-Botschaften wie „Du hast…“, „Du bist…“, können nämlich laut Rosenberg Konflikte entstehen. Denn sie lösen das Gefühl aus, angegriffen oder abgewertet zu werden. Dies kann durch gewaltfreie Kommunikation vermieden werden, sodass der Blick stattdessen auf gemeinsame Lösungen gerichtet werden kann.
Für eine erfolgreiche gewaltfreie Kommunikation empfiehlt Marshall Rosenberg, Äußerungen in vier Schritten zu vollziehen:
Das Konzept der gewaltfreien Kommunikation kann man nicht von einem auf den anderen Tag erlernen. Sei geduldig mit dir und deinem Gegenüber. Manchmal wird es besser funktionieren als ein anderes Mal. Gerade bei sehr emotionalen Themen ist es manchmal schwierig nicht in alte Muster zurückzufallen. Versuche es einfach immer wieder und mit der Zeit wirst du immer besser darin werden.
Kommunikation mit Kindern ist ziemlich altersabhängig und natürlich ganz individuell. Wie neugierig ist das Kind? Wie sensibel ist das Kind? Das weißt du sicherlich am besten und kannst dann entscheiden, welche Tipps du hier rausziehen magst und welche eher nicht.
Was aber für alle gleichermaßen gilt und sicherlich auch dir guttut, ist, dass der Umgang mit der Krankheit kein Tabuthema sein sollte. „Gesund-sein“ ist nicht immer der Normalfall und deshalb ist es auch überhaupt nicht schlimm, wenn es einem Mal nicht so gut geht.
Ein erster wichtiger Punkt, der altersübergreifend gilt, ist Ehrlichkeit und Offenheit. Gehe gegenüber deinem Kind offen und ehrlich mit deiner Erkrankung um. Auch wenn sie es sich oft nicht anmerken lassen, merken Kinder es, wenn etwas nicht rund läuft. Wenn Kinder merken, dass ihre Bezugspersonen etwas zurückhalten, kann das Unsicherheiten und Ängste auslösen. Auch weil sie sich vielleicht etwas viel schlimmer vorstellen, als es eigentlich ist. Zum Beispiel, dass Mama oder Papa sterben. Diese Ängste werden dann häufig versteckt oder unterdrückt, da sie denken, dass das den Zustand weiter verschlechtern könnte.
Das führt direkt zum zweiten Punkt: Kommunikation. Hier kommt es natürlich sehr auf das Alter des Kindes an. Versuche, deine Worte angemessen zu wählen. Bei jüngeren Kindern solltest du dich ganz einfach formulieren – ohne großartig in die Details zu gehen. „Ich habe wieder Bauchweh. Weißt du noch letztens, hattest du doch auch Bauchweh, als du zu viel Süßkram gegessen hast.“ wäre zum Beispiel so ein Satz.
Bei älteren Kindern hingegen kannst du durchaus den Namen der Erkrankung nennen und mehr Details mit einfließen lassen. Die Krankheit sollte nämlich kein Tabuthema sein. Grundsätzlich ist dabei wichtig, dass die Kommunikation nicht einseitig bleibt. Vor allem bei größeren Kindern. Frag doch dein Kind einfach mal nach Feedback: Welche Fragen hast du noch zu meiner Erkrankung? Welche Sorgen hast du? So könnt ihr in einen richtigen Austausch kommen und dein Kind fühlt sich ernst genommen und gehört.
Wichtig dabei: Vermeide Ja/Nein-Fragen, also zum Beispiel „Hast du noch irgendwelche Fragen?“. Denn die können, ob es nun so ist oder nicht, schnell mit Nein beantwortet werden. Andersrum solltest du dich aber natürlich auch auf manche Fragen schon vorbereiten. Gerade Fragen zu vermeintlichen Tabuthemen wie Tod können einen als Erwachsenen manchmal ganz schön überfallen.
Kinder haben eine ungemeine Vorstellungskraft und ihre ganz eigenen Sorgen und Ängste: Mach dich also bereit für ungewöhnliche Fragen und versuche sie ruhig und gelassen zu beantworten. Und wenn du mal eine Antwort nicht weißt, könntest du sagen, dass du da nochmal drüber nachdenken musst. Sobald du die Antwort weißt, kannst du das Thema später noch einmal aufgreifen. Und sollte dir partout nichts einfallen, dann sei auch ruhig ehrlich.
Ein letzter Punkt, mit dem man als Eltern oder Bezugsperson eines Kindes immer wieder konfrontiert wird, ist Geduld. Sei geduldig mit deinem Kind. Je nach Alter kann dein Kind mit Zeiträumen noch nicht so viel anfangen. „Chronisch“ und „immer“ sind für sie dann noch nicht greifbar. Aus ihrer eigenen Erfahrung kennen sie meistens nur das Prinzip: Man ist krank und irgendwann ist man wieder gesund.
Gerade, weil bei Erkrankungen wie Endometriose die Beschwerden auch nicht immer gleich stark sind, könnte gerade bei jüngeren Kindern der Eindruck entstehen, dass die Krankheit in einer guten Phase vielleicht wieder weg ist. Akzeptiere daher einfach, wenn dein Kind das Thema immer wieder mal aufbringt. Das vergrößert nicht nur das Wissen deines Kindes über deine Erkrankung, sondern kann auch zusätzlich noch beruhigend sein.
Den einen, den besten Weg, wie du mit deiner Familie über deine Erkrankung sprichst, gibt es leider nicht. Dabei die Grundlagen der gewaltfreien Kommunikation zu berücksichtigen, ist aber auf jeden Fall ein erster guter Schritt – egal ob du mit Erwachsenen oder Kindern sprichst. Viel Erfolg beim Ausprobieren.
Medizinjournalistin
Meike ist wissenschaftliche Redakteurin im Redaktionsteam der Endo Health GmbH. Gesundheitsförderung für Personen mit Endometriose, Adenomyose und Regelschmerzen ist ihr Herzensthema. Für sie bedeutet das nämlich auch Empowerment.
Dieser Text wurde fachlich, nach bestem Wissen und Gewissen, geprüft. Er wurde auf Grundlage der aktuellen Forschung erstellt. Trotzdem können und wollen wir kein ärztliches Gespräch oder ärztliche Aufklärung ersetzen.
Endo-App - kostenlos
Endometriose lindern
App auf Rezept