Neueste Forschungserkenntnisse – 14. Welt Endometriose Kongress

In der Schmerzforschung ist seit langem bekannt, dass Schmerzerfahrungen ein komplexes System sind, bei dem es unterschiedliche Arten von Schmerzen und verschiedene Mechanismen gibt, die Schmerzen hemmen und verstärken können. Wie das genau funktioniert, ist noch nicht ganz geklärt. Forscher sind momentan dabei, näher zu untersuchen, welchen Effekt Endometriose auf diese Schmerzsysteme haben kann.

Wir stellen euch die Erkenntnisse von zwei Forschergruppen vom Welt Endometriose Kongress vor. Dabei ist wichtig im Kopf zu behalten, dass dies aktuelle Forschungsergebnisse sind, die zunächst von weiteren Studien und anderen Forschungsgruppen bestätigt werden müssen. Bei solchen Erkenntnissen dauert es immer noch eine längere Zeit, bis diese in die Regelversorgung überführt werden können.

Forschung aus Schweden

Eine schwedische Forschergruppe um Miriam Szabo fand heraus, dass Veränderungen im Gehirn von Frauen mit Endometriose-Schmerzen stattfinden und dynamisch sind, das heißt sich mit länger andauernder Erkrankung verändern.

Es konnte gezeigt werden, dass eine Gehirnstruktur, die wichtig für die Schmerzverarbeitung ist – der anteriore cinguläre Cortex (ACC) – bei Frauen mit Endometriose zu Beginn der Erkrankung größer war als bei Gesunden. Die Forschung geht davon aus, dass der anteriore cinguläre Cortex Schmerzempfindungen hemmen kann, ein größerer und aktiverer ACC also Schmerzen verringert. Je länger die Schmerzen jedoch andauerten, desto geringer war der Unterschied zwischen Frauen mit und ohne Endometrioseschmerzen. Bei Frauen, die seit mehr als 8 Jahren Endometrioseschmerzen hatten, war kaum noch ein Unterschied zur gesunden Kontrollgruppe ohne Schmerzen zu erkennen. Die schmerzhemmende Gehirnstruktur war also weniger vergrößert, wenn die Schmerzen sehr lange anhielten. In einer anderen untersuchten Gruppe von Frauen mit chronischen Endometrioseschmerzen ging eine längere Schmerzdauer ebenso mit einer geringeren Größe dieser Gehirnstruktur einher.

Es wird spekuliert, dass die Vergrößerung von bestimmten Hirnregionen wie dem ACC zunächst ein Mechanismus ist, der Schmerzen hemmt und dadurch lindern kann. Dauern die Schmerzen aber sehr lange an, kehrt sich der Prozess um und führt zur Abnahme von schmerzhemmenden Regionen im Gehirn. Die Schmerzen werden also wieder stärker wahrgenommen. Zusammenfassend zeigt die Studie, dass Schmerzen bei Endometriose zu Veränderungen im Gehirn führen können. Diese sind aber dynamisch und können sich mit der Zeit verändern.

Forschung aus England

Eine andere Forschergruppe um Lydia Coxon von der Universität Oxford untersuchte neuropathische Schmerzen/ Nervenschmerzen bei Endometriose. Diese werden durch Nervenschädigungen ausgelöst. Nervenschädigungen treten z.B. nach Operationen, aber auch durch die Endometriose selbst auf. Nervenschmerzen unterscheiden sich von den Schmerzen, die durch die Verletzung anderer Gewebe hervorgerufen werden, beispielsweise die Verletzung von Muskeln oder Organen. Je nachdem, ob der Nerv einen Schmerzreiz in einem anderen Gewebe wahrnimmt oder ob er selbst verletzt wird, werden etwas andere Prozesse in Gang gesetzt. Sie werden anders verarbeitet und fühlen sich daher etwas anders an. Nervenschmerzen und andere Schmerzarten können auch gleichzeitig auftreten. Verschiedene Schmerzarten zu unterscheiden ist unter anderem deshalb wichtig, weil die Wirksamkeit von Medikamenten davon abhängig sein kann.

Die Forschergruppe benutzten einen speziellen Fragebogen, der Schmerzen sehr genau erfasst. Sie fanden, dass von den 1.400 befragten Frauen mit Endometrioseschmerzen bei 75% Nervenschmerzen einen möglichen Einfluss haben. Im genutzten Fragebogen beschrieben 40% der Frauen ihre Schmerzen so, dass sie von den Forschern als Nervenschmerzen einordnet wurden. Bei 35% waren verschiedene Schmerzarten vorhanden und lediglich bei 25% der Frauen lagen laut den Kriterien der Forscher keine Nervenschmerzen vor.

Darüber hinaus konnte die Forschergruppe zeigen, dass Nervenschmerzen zu veränderten Verknüpfungen und bei neuen Schmerzreizen zu veränderten Reaktionen im Gehirn führen. Auch unabhängige Schmerzen können durch die neuropathischen Schmerzen also anders wahrgenommen werden.

Die Patientinnen wurden einem leichten Schmerzreiz am Bauch ausgesetzt. Je mehr Nervenschmerzen die Frauen dabei berichteten, desto weniger Aktivität wurde im Hirnstamm gefunden. Die Hirnstammaktivität würde in dem Fall die Schmerzen hemmen. Es könnte also sein, dass Nervenschmerzen im Hirnstamm unterschiedlich stark gehemmt werden.

Ohne externen Schmerzreiz, im Ruhezustand konnten aber keine Unterschiede der Hirnstammaktivität gefunden werden.

Unterschiedliche Schmerzreize scheinen also unterschiedliche Mechanismen zu nutzen und auch im Gehirn anders verarbeitet zu werden.

Fazit

Zusammenfassend zeigen die aktuellen Forschungserkenntnisse, wie komplex und individuell Endometrioseschmerzen tatsächlich sind. Daher ist es besonders wichtig, dass Patientinnen mit Endometrioseschmerzen zusätzlich von einem Schmerztherapeuten behandelt werden, um eine möglichst passgenaue Schmerztherapie zu erhalten. Zukünftig könnte Forschung in diesem Bereich dazu beitragen, die Behandlung von Endometriose zu verbessern.

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Teresa Götz