Dr. Nadine Rohloff: Es ist ein großes Problem und kann leider nicht von heute auf morgen behoben werden, auch wenn wir es gerne möchten. Was können Betroffene tun, wenn so etwas passiert, wenn sie sich nicht ernst genommen fühlen, wenn sie nicht ernst genommen werden?
Nina Reiter: Das ist eine komplexe Frage, finde ich. Die ist nicht so einfach zu beantworten. Ich würde sagen, wenn du in der Situation bist und merkst, dass du nicht ernstgenommen wirst oder die Arztperson dir etwas absprechen möchte, dass du vielleicht sogar manipuliert wirst, solltest du die Situation erst einmal verlassen. Vor allem, wenn sie dich überfordert. „Das ist nur deine Psyche. Du solltest dich vielleicht nicht so anstellen, du sollst nicht so übertreiben, du musst dich zusammenreißen, es ist halt so als Frau“ – von solchen Sätzen wird oft berichtet. Ich habe solche Sachen auch schon gehört. Wenn du jemand bist, der da in die Konfrontation gehen kann, dann ist auch das eine Option. Aber ich würde dir raten, erst einmal aus der Situation herauszugehen. Nimm dir erst einmal Zeit für dich und reflektiere, was da passiert ist. Ich würde das auch immer mit jemandem besprechen. Bleib nicht allein mit deinen Ängsten und Sorgen und auch mit dem Schmerz, den das auslöst. Man wendet sich ja in dem Glauben an eine Arztperson, dass sie einem helfen wird und für einen da sind. Eigentlich sollte es mit dieser ja eine sichere Situation sein. Ich möchte nicht infrage stellen, dass sie dir etwas Gutes will. Aber verlasse die Situation am besten erst einmal, reflektiere sie mit jemand anderem. Such dir Unterstützung, auch wenn du niemanden hast, der das nachvollziehen könnte. Vielleicht suchst du dir Unterstützung in der Community, das ist immer ein guter Ansatz bei der Endometriose. Vielleicht ist es auch hilfreich, in ein Coaching hineinzugehen. Es gibt da unterschiedlichste Möglichkeiten. Dann ist es natürlich gut, die Arztperson zu wechseln. Hole dir eine andere Meinung. Wenn du schon den Verdacht hast, Endometriose zu haben, gehe sofort in ein Endometriose-Zentrum. Geh nicht weiter zu normalen oder nicht weitergebildeten Ärzten/Ärztinnen. Denen fällt es einfach viel schwerer, das zu diagnostizieren. Wenn die Möglichkeit da ist, würde ich das auf jeden Fall empfehlen. Wenn es dir nicht möglich ist, die Arztperson zu wechseln, würde ich mir einen niedergelassenen Gynäkologen oder eine Gynäkologin suchen, die sich damit gut auskennen. Das ist nicht immer möglich, besonders in kleineren Orten. Dann würde ich mir zur Unterstützung immer jemanden mit zum Arzttermin nehmen. Die Mama, den Papa, Schwester, Freundin, Partner, Partnerin, dass du nicht alleine hingehst. Ich würde mich vorbereiten. Ich würde mir die Symptome aufschreiben, ich würde das dokumentieren, meine Unterlagen mitbringen und auch immer darauf verweisen. Es gibt ja verschiedenste Geschichten in der Community, dass schon diagnostizierte Frauen zu neuen Arztpersonen gehen und diese dann sagt: „Sie haben keine Endometriose. Das kann gar nicht sein.“ Dann legt man den OP-Bericht vor und sie sagen: „Oh okay, na gut, dann vielleicht doch.“ Da ist auf jeden Fall eine gute Vorbereitung hilfreich. Es ist sicher auch hilfreich, ruhig und sachlich zu bleiben. Das ist nicht immer einfach und es ist auch nachvollziehbar, wenn du nicht ruhig und sachlich bleibst. Wenn sich Mediziner:innen dir gegenüber respektlos verhalten oder dir deine Schmerzen absprechen, ist es vollkommen okay, emotional zu werden. Aber Menschen reagieren meistens besser darauf, wenn man ruhig und sachlich bleibt. Es hilft sicher, wenn man während des Termins Notizen macht, damit man sich danach noch einmal Gedanken darüber machen kann. Die auftauchenden Fragen notieren, damit du noch einmal darauf eingehen kannst. Wenn du dich nicht ernst genommen fühlst, dann spricht auch nichts dagegen, das anzusprechen und zu sagen: „Hey, ich fühle mich nicht ernst genommen und ich möchte, dass Sie sich mir gegenüber anders verhalten.“ Selbst wenn das auf Widerwillen stößt, heißt es nicht, dass das falsch war. Das ist eine absolut legitime Option.