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Endometriose ist politisch





12.03.2024


Endometriose ist politisch


6 Min. Lesezeit


Endometriose beeinträchtigt alle, die von ihr betroffen sind. Sie wirkt sich auf den Alltag aus, auf die Teilhabe am Leben, auf die Arbeit, auf Partnerschaften und Freundschaften, auf die Lebensqualität und auf so viel mehr. Endometriose betrifft Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Lange wurde sie von Wissenschaft, Medizin und Politik vernachlässigt – wie so viele andere Themen auch, die mehrheitlich Frauen* betreffen.

Dank großer gesellschaftlicher Anstrengungen, nicht zuletzt getrieben von feministischen Bewegungen, hat sich diese Situation in Deutschland über die letzten Jahrzehnte zum Glück deutlich verbessert. Die Gleichberechtigung und –Behandlung von allen in allen Bereichen, auch wenn leider noch lange nicht erreicht, hat große Fortschritte gemacht. 

Auch beim Thema Endometriose hat sich in den letzten Jahren viel bewegt, unter anderem wegen der Öffentlichkeitsarbeit engagierter Aktivist:innen. Vielleicht verfolgst du das Thema Endometriose selbst schon seit einiger Zeit und hast festgestellt, dass es dafür deutlich mehr Aufmerksamkeit gibt als noch vor einigen Jahren. In diesem Beitrag möchten wir mit dir zusammen auf die Politik in Deutschland schauen.

Was hat sich in den letzten Jahren getan, was sagen Politiker und Politikerinnen zu Endometriose, was machen andere Länder vielleicht besser und wo kann der Weg in Zukunft noch hingehen? 


Inhalt:

Was sind eigentlich die „Endo-Baustellen“ in der Politik? 

Endometriose im politischen Gespräch 

Was machen andere Länder (besser)? 

Was kann ich selbst tun? 

Und jetzt? 



Inhalt:

        1. Was sind eigentlich die „Endo-Baustellen“ in der Politik?
        2. Endometriose im politischen Gespräch
        3. Was machen andere Länder (besser)?
        4. Was kann ich selbst tun?
        5. Und jetzt?



Was sind eigentlich die „Endo-Baustellen“ in der Politik?

Was sind eigentlich die „Endo-Baustellen“ in der Politik?


Eine der dringendsten „Endo-Baustellen“ in der deutschen Politik ist vermutlich die Aufklärungsarbeit. Sowohl die breite Öffentlichkeit als auch Ärztinnen und Ärzte sind oft unzureichend über Endometriose informiert [1]. Die Politik kann durch ihre Reichweite, ihre Steuerungs- und Lenkungswirkung (durch z.B. Gesetze) und natürlich auch über die großen finanziellen Mittel von Bund und Ländern einen großen Einfluss darauf nehmen, wie bekannt Endometriose in der breiten Gesellschaft ist.

Aufmerksamkeit wiederum beeinflusst mittelbar, wie viele Ärztinnen und Ärzte sich auf Endometriose spezialisieren, wie anerkannt Endometriose als Krankheit ist oder wie viel Geld für die Forschung bereitgestellt wird. Die Politik muss sicherstellen, dass die Bedürfnisse von Menschen mit Endometriose angemessen berücksichtigt werden. 

Das bringt uns auch zur Grundlagenforschung. Oder besser gesagt, dem Mangel an Grundlagenforschung. Wie du vielleicht weißt, gibt es verschiedene Theorien dazu, wie Endometriose eigentlich entsteht. Genau geklärt ist das aber immer noch nicht. Um Endometriose besser zu verstehen und auch bessere Behandlungsmöglichkeiten oder sogar präventive (also vorbeugende) Maßnahmen zu entwickeln, muss mehr Geld in Forschung fließen. Das sagte auch Peter Hillemanns, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Medizinischen Hochschule Hannover, dem Magazin Business Insider [2]. Ihm zufolge sollten Forschungsprogramme für Endometriose am besten von der Politik, zum Beispiel direkt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), ins Leben gerufen werden.  

Darüber hinaus fehlen oft Strukturen, die einen effektiven Austausch über Endometriose ermöglichen. Es gibt zum Beispiel keine Landesfachstellen oder Landesbeauftragte für Endometriose in den Bundesländern, und auch keine Datensammelstellen oder Register. Diese Stellen, die auch von der Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. gefordert werden, könnten dazu beitragen, Endometriose besser zu verstehen und die Bedürfnisse der Betroffenen nachhaltig in den Fokus zu stellen [3]. 

Es gibt natürlich noch viele andere Endo-Baustellen für die Politik, manche größer und manche kleiner, aber diese drei (Aufmerksamkeit, Forschung und Strukturen) sind vermutlich die derzeit größten. Und auch die, die in verschiedenen Formen von Verbänden und auch von uns, der Endo Health GmbH, bemängelt werden [3]. 



Endometriose im politischen Gespräch

Endometriose im politischen Gespräch


Es gibt also viele Baustellen, aber das heißt glücklicherweise nicht, dass gar nicht passieren würde oder dass sich die Politik nicht bewegen würde. Manchmal sind politische Prozesse frustrierend langsam, aber das heißt nicht unbedingt, dass nichts passiert. Endometriose findet mittlerweile zumindest überhaupt im politischen Diskurs statt. 

Im Jahr 2022 äußerte sich zum Beispiel Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gegenüber der ARD aufgeschlossen und sagte „[Endometriose] ist eine schwere Erkrankung, die die Lebensqualität deutlich einschränkt und für die wir noch keine wirklich guten Medikamente haben“ [2]. Wirkliche Taten folgten dem allerdings zunächst nicht. Laut dem Business Insider sei man aber im Bundesgesundheitsministerium auf Fachebene in „gutem Austausch“.  

Generell scheinen, zumindest mündlich, aus der Politik immer wieder positive Signale zu kommen, es würden Gespräche gesucht werden [4]. So fand auch im Dezember 2023 ein Fachgespräch im Deutschen Bundestag mit Mediziner:innen, Politiker:innen und einer Vertreterin der Endometriose Vereinigung Deutschland e.V. statt, bei der über die Verbesserung der Versorgung von Endometriose-Betroffenen, Stärkung von Aufklärung und Intensivierung von Forschung gesprochen wurde [5]. Wirklich zählt am Ende natürlich nur das, was daraus folgt, aber das Thema Endometriose im Gespräch zu halten ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu echten Resultaten. 

Eines dieser echten Resultate zeigte sich 2023. Laut „Frag den Staat“ wurden zwischen 2000 und 2021 nur zwei Forschungsprojekte mit insgesamt 400.000 € vom BMBF gefördert [6]. Im letzten Jahr wurde dieser Zahl dann auf einen Schlag mehr als verzehnfacht: Die Regierung hat in ihrem Haushalt 2023 fünf Millionen Euro für die Erforschung von Endometriose eingeplant. Auch für das Jahr 2024 und die kommenden Jahre seien Haushaltsmittel in ähnlicher Höhe angepeilt [Notiz der Redaktion: Ggf. kann sich dies noch ändern, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gab es aber noch keine anders lautenden Aussagen hierzu]. Dazu sagte zum Beispiel Ekin Deligöz (Die Grünen), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: 

„Aufgabe von Politik und Gesellschaft ist es nun, weitere Sensibilität für die spezifischen Belange von Frauengesundheit zu schaffen. Fangen wir bei Endometriose an: erforschen diese Krankheit verstärkt, schaffen bessere Methoden zur Diagnose und Therapie.“ [7] 

Trotz vieler Baustellen tut sich also endlich etwas, Endometriose und die Bedürfnisse von Betroffenen werden endlich gehört! Die Mühen und das Engagement lohnen sich. Wir finden: Das ist schonmal ein sehr großer Schritt in die richtige Richtung! Allerdings reicht das noch lange nicht. Fünf Millionen Euro pro Jahr für Endo-Forschung sind ein guter Anfang, aber eben nur das: ein Anfang. Wichtig ist auch, wie es danach weitergeht. Insbesondere ein Blick in andere Länder zeigt uns, wo Deutschland noch Aufholbedarf hat. 

Was machen andere Länder (besser)?

Was machen andere Länder (besser)?


Australien war 2018 das erste Land weltweit, das eine nationale Endometriose-Strategie verabschiedet hat. Mit dieser Strategie hat das Land mehr Gelder für Forschung und Entwicklung, Aufklärung und Therapie zur Verfügung gestellt und verfolgt drei Ziele [8]: 

  1. Aufmerksamkeit und Bildung stärken.
  2. Behandlung und Therapie stärken.
  3. Forschung und Entwicklung stärken.

Das ist vor allem deswegen so ein wichtiger und großer Schritt, weil sich die Politik dort zunächst einmal dem Thema Endometriose in vollem Umfang annimmt und es ernst nimmt. Außerdem bündelt es alle Anstrengungen im Land unter einem Dach und setzt konkrete Ziele, die es zu erfüllen gilt. 

Frankreich ist 2022 als erstes europäisches Land mit Australien gleichgezogen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat eine nationale Endometriose-Strategie angekündigt und schrieb dazu: 

„[Endometriose] ist kein Frauenproblem, es ist ein Problem der Gesellschaft. Die nationale Strategie, die wir auf den Weg bringen, gibt Hoffnung auf eine bessere Lebensqualität für Millionen von Frauen und Mädchen.“ [9] 

Die französische Strategie verfolgt ähnliche Ziele wie die australische. Sie soll [9, 10]: 

  • Informieren, Kommunizieren und Aufmerksamkeit steigern
  • Die Ausbildung von Fachkräften im Gesundheitswesen verbessern
  • Die Diagnosezeit bei Endometriose verkürzen
  • Eine personalisierte Versorgung auf nationaler Ebene sicherstellen
  • Forschung und Innovation fördern

Um diese zu erreichen, soll die französische Endo-Strategie Ressourcen auf nationaler Ebene bündeln und für die Jahre 2022 bis 2025 messbare Erfolge erzielen. Zu jedem der Ziele gibt es einen ganzen Katalog an verschiedenen Maßnahmen mit konkret formulierten Leistungen. Das ist ein extrem wichtiger Fortschritt und ein großartiges Zeichen für mehr politische Aufmerksamkeit für Endometriose. Was wir brauchen, sind mehr Informationen, mehr Ressourcen, mehr Aufmerksamkeit, und mehr Forschung. 

Die Politik hat dafür wichtige Hebel in der Hand und das Beispiel Frankreich zeigt, wie engagierte Aktivist:innen die Politik dazu bringen können, wirklich Dinge zu verändern. Leider ist in Deutschland nach wie vor keine nationale Endometriose-Strategie oder Ähnliches geplant [2]. Das zeigt uns, dass nach wie vor Handlungsbedarf besteht. Wir sollten die Politik nicht aus ihrer Verantwortung entlassen und von ihnen nach wie vor fordern, Endometriose endlich noch mehr anzugehen. Auch Verbände, wie die Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V., sehen das so und haben sogar einen Forderungskatalog an die Politik aufgestellt [3]. 


Was kann ich selbst tun?

Was kann ich selbst tun?


Nicht nur Verbände, auch jede und jeder inzelne kann seine oder ihre Forderungen an die Politik richten und sich so Endometriose auf die Agenda von Politiker:innen bringen.Nur wenn diese wissen, wie viele Menschen Endometriose betrifft und beschäftigt, werden sie handeln.

Es hat sich immer wieder gezeigt, wie lohnend es ist, das persönliche Gespräch mit den Abgeordneten des eigenen Wahlkreises zu suchen. Die Abgeordnete oder den Abgeordneten aus deinem Wahlkreis kannst du zum Beispiel auf der Seite des Bundestages finden. Kontakt kannst du gut per Mail aufnehmen, aber am besten ist es wahrscheinlich einen Brief an das entsprechende Abgeordnetenbüro zu schicken, da Briefe oft mehr Aufmerksamkeit bekommen. Einen handschriftlich unterschriebenen Brief würden wir alle vermutlich ernster nehmen als eine Mail, oder? Wenn wir Politiker:innen erklären, was es bedeutet, von Endometriose betroffen zu sein, und welche konkreten Schritte sie unternehmen könnten, können wichtige Veränderungen angestoßen werden. Dieser Ansatz hat sich übrigens auch in anderen Themenbereichen als effektiv erwiesen.

Alternativ dazu kannst du natürlich auch Petitionen unterschreiben, zum Beispiel End Endo Silence Petition, oder du vernetzt dich mit anderen Betroffenen. Du siehst also, es gibt einige Wege selbst aktiv zu werden. Schreibe uns gerne einen Kommentar wenn dir noch andere einfallen, die wir hier nicht genannt haben! 


Und jetzt?

Und jetzt?


Alles in allem lässt sich festhalten, dass es für die Politik in Deutschland noch einiges zu tun gibt. Trotzdem hat sich in den letzten Jahren einiges getan und wir haben Fortschritte gemacht – nicht zuletzt auch bei Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), wie der Endo-App!

Diese Fortschritte kamen allerdings nicht von allein, sondern wurden hart von engagierten Personen und Verbänden erkämpft. Falls du dich also manchmal von der Politik ungehört fühlst, dann verzweifle nicht daran! Es gibt andere, die ähnlichen Dinge bewegen wie dich! Und du kannst auch etwas dafür tun, dass Endometriose weiter auf der politischen Agenda bleibt.

Tritt in Kontakt mit deinen Abgeordneten oder mit Verbänden, tausche dich mit anderen Betroffenen, Freunden oder Familie aus und vor allem: Versuche immer auch ein wenig Positives in den Dingen, die passieren, zu sehen. Politischer Fortschritt kann manchmal frustrierend langsam sein, aber das heißt nicht, dass er nicht kommt! 



  1. Badische Neueste Nachrichten (2022, Juni). Endometriose-Betroffene fordern mehr Aufklärungsarbeit auch in Deutschland. https://bnn.de/kraichgau/bruchsal/oestringen/pdw-endometriose-aufklaerung-kampagne-gesundheitsminister-lauterbach-vergleich-petition. Aufgerufen 19.02.2024
  2. Business Insider (2022, August). Lauterbach warnt vor Massenkrankheit Endometriose – Geld ausgeben für den Kampf dagegen will die Regierung aber nicht. https://www.businessinsider.de/politik/deutschland/lauterbach-warnt-vor-massenkrankheit-endometriose-geld-ausgeben-fuer-den-kampf-dagegen-will-die-regierung-aber-nicht-a/. Aufgerufen 19.02.2024
  3. Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. (2023, März). ENDOMETRIOSE – SCHMERZEN IN DER REGEL SIND NICHT NORMAL! POLITISCHE HANDLUNGSBEDARFE IN NORDRHEIN-WESTFALEN FÜR DIE 18. LEGISLATURPERIODE https://www.endometriose-vereinigung.de/wp-content/uploads/2023/08/2023_Positionspapier_Nordrhein-Westfalen.pdf Aufgerufen 19.02.2024
  4. Taz (2022, Februar). Endlich Endometriose ernst nehmen. https://taz.de/Unterleibskrankheit-bei-Frauen/!5833768/. Aufgerufen 19.02.2024
  5. Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. (n.D.). Fachgespräch Endometriose im Familienausschuss des Bundes https://www.endometriose-vereinigung.de/blog/fachgespraech-endometriose-im-familienausschuss-des-bundes/#:~:text=Heute%20fand%20im%20Ausschuss%20für,die%20Forschung%20intensiviert%20werden%20kann. Aufgerufen 19.02.2024
  6. Frag den Staat (2021). Aufstellung der Fördergelder für Erforschung der Endometriose https://fragdenstaat.de/anfrage/aufstellung-der-fordergelder-fur-erforschung-der-endometriose/. Aufgerufen 19.02.2024
  7. Ekin Deligöz (2023). Post auf dem LinkedIn-Profil der Bundestagsabgeordneten Ekin Deligöz (Die Grünen). https://www.linkedin.com/posts/ekin-deligoez_tag-der-endometriose-meine-bundestagsrede-activity-7115642695804411904-MjIo/?trk=public_profile_like_view&originalSubdomain=de. Aufgerufen 19.02.2024
  8. Australian Government, Department of Health (2018). National Action Plan Endometriosis. https://www.health.gov.au/sites/default/files/national-action-plan-for-endometriosis.pdf
  9. Endometriosis.org (n.d.). France. https://endometriosis.org/resources/national-action-plans/france/. Aufgerufen 19.02.2024
  10. FEMale (2023, September). French endometriosis action plan for the period 2022 – 2025 https://findingendometriosis.eu/french-endometriosis-action-plan-for-the-period-2022-2025/. Aufgerufen 19.02.2024


Dieser Beitrag wurde geschrieben von:

Tom Lühmann

Medizinjournalist

Tom ist wissenschaftlicher Redakteur im Redaktionsteam der Endo Health GmbH. Als Global Health Experte und über Freund:innen und Bekannte wurde er auf die Themen Endometriose und Co. aufmerksam. Sein Ziel ist es, Betroffene aufzuklären und so ihre Lebensqualität zu erhöhen.


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Tom Lühmann

Ich bin Tom und arbeite neben meinem Studium gemeinsam mit vielen tollen Kolleginnen im Marketing-Team der Endo-App. Ich bin über Freundinnen, Bekannte und auch mein Studium auf Endometriose aufmerksam geworden und finde es erschreckend, wie wenig bisher dagegen getan und daran geforscht wurde. Ich hoffe sehr mit meiner Arbeit bei der Endo-App einen kleinen Teil dazu beizutragen, dass Betroffene über ihre Möglichkeiten aufgeklärt werden und ihr Leben so leben können, wie sie es möchten.

veröffentlicht von
Tom Lühmann

 

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