Angst vor der Operation

Es ist ganz normal und verständlich, dass du dir vor einer Operation Gedanken machst und vielleicht Angst davor hast. Verurteile dich nicht dafür. Eine Operation ist immer mit Unsicherheiten verbunden. Falls du Angst vor deiner Operation hast, gibt es einige Strategien, die dir helfen können. Diese sind auch deswegen hilfreich, weil Studien nahelegen, dass Gelassenheit vor einer Operation sich positiv auf den Körper auswirken kann und z.B. mit einer besseren Wundheilung und weniger Schmerzen verbunden ist [3].

Zunächst hilft manchen ein sogenanntes Angsttagebuch, in das sie eintragen können, welche Situationen Angst ausgelöst haben und welche Gedanken und Gefühle damit verbunden waren. So kannst du vielleicht besser verstehen, was dir gerade Angst macht.

Wichtig ist, dass du dich von deinen Ärzten gut aufgeklärt fühlst. All deine Fragen sollten vor der OP hinreichend beantwortet worden sein. Das ist einerseits logisch, und wurde andererseits auch genauso in Studien nachgewiesen [1,9]. Dich gut zu informieren kann auch deswegen hilfreich sein, weil Angst oft zu einer verzerrten Wahrnehmung führt. Haben wir vor etwas Angst, konzentrieren wir uns auf die potentielle Gefahr um uns schützen zu können. Wir fokussieren uns auf Informationen, die uns Sorgen bereiten, z.B. „meine Ärztin sieht heute angespannt aus“. Zugleich blenden wir Informationen aus, die dafür sprechen, dass das Gefahrenpotential gering ist und wir zuversichtlich sein könnten, z.B. „meine Ärztin hat sehr viel Erfahrung in dieser Art von Operation“.

Ein Teufelskreis der Angst [4] kann entstehen, indem diese verzerrte Wahrnehmung zu vielen negativen Gedanken, Vorstellungen und Zukunftsvisionen über die potentielle Gefahr führt, z.B. „die Operation wird bestimmt schief gehen“. Auf diese Gedanken wiederum reagiert unser System mit dem Gefühl der Angst. Dadurch treten physiologische Veränderungen und körperliche Empfindungen der Angst auf, wie Herzklopfen, Anspannung oder Kurzatmigkeit. Diese werden intensiv wahrgenommen, und der Kreislauf der Angst beginnt von vorne z.B. „mir geht es gar nicht gut, wie soll ich die Operation schaffen?“.

Abb. 1: Angstkreislauf [4]

Abb. 1: Angstkreislauf [4]

Tipps gegen die Angst

Zum Glück kann dieser Angstkreislauf durch verschiedene Maßnahmen unterbrochen werden:

  • Zunächst ist es wichtig, dass du dir deiner möglicherweise verzerrten Wahrnehmung bewusst wirst. Versuche die Situation realistisch und ganzheitlich wahrzunehmen. Was sind die Argumente, die für deine Operation sprechen? Wie könnte die Operation im besten Fall verlaufen, wie könnte die erfolgreiche Operation zu deinem Wohlbefinden beitragen? Vielleicht kannst du beruhigende Gedanken finden, die dir gerade gut tun, z.B. „ich habe schon so viel geschafft, das schaff ich auch noch“, „viele andere Frauen haben eine solche Operation gut überstanden, ich also bestimmt auch“ oder „ich fühle mich bei meinen Ärzten gut aufgehoben“. Oft hilft es, sich intensiv auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und einen Augenblick nach dem anderen anzugehen. Meist richtet sich unsere Angst auf Ereignisse in der Zukunft, und nicht auf das Hier und Jetzt. Nicht die aktuelle Situation macht Angst, sondern unsere Gedanken und Bewertungen zur Situation. Weitere Tipps gegen starkes Grübeln findest du hier.
  • Eine weitere sehr wichtige Strategie gegen Angst ist Entspannung. Durch Entspannung kann der Angstkreislauf insbesondere durch angenehme und entspannende körperliche Empfindungen gestoppt werden. Entspannungsübungen können dir in der Zeit vor der Operation helfen, zur Ruhe zu kommen. Zum Glück kann man gezielte Entspannung lernen, z.B. Progressive Muskelrelaxation oder Yoga. Grundsätzliche Tipps und Infos zur Entspannung findest du hier.
  • Auch Ablenkung kann hilfreich sein, um den Angstkreislauf zu unterbrechen. Schon in den Tagen vor der OP kannst du versuchen, dich positiv abzulenken. Sei es durch Lesen, Spazieren oder Basteln, was immer dir persönlich guttut. Oder du lenkst dich mit Musikhören ab. Denn Studien konnten zeigen, dass Musikhören vor Operationen gegen Ängste helfen kann, und in geringem Umfang auch Herzschlag und Blutdruck positiv beeinflusst [2]. Als Wirkmechanismen gelten u.a. die positive Ablenkung, Entspannungseffekte und die Ausschüttung von Glückshormonen.
  • Des Weiteren kann dir Bewegung gegen Ängste helfen. Studien belegen, dass Bewegung und sportliche Aktivität Ängste reduzieren können [5,6,7,8]. Bewegung beeinflusst sowohl den Körper als auch die Psyche sehr positiv. Sportliche Aktivität kann dir nachgewiesenermaßen präventiv gegen Ängste helfen, aber auch in konkreten Angstsituationen. So kann es z.B. schon hilfreich sein, vor deinem Arzttermin oder wenn du dir gerade Sorgen machst nochmal um den Block zu spazieren oder die Treppe zu laufen. Ängste, Stress und Anspannung werden abgebaut und Glückshormone werden ausgeschüttet. Dein Selbstbewusstsein und das Vertrauen in deinen Körper werden gestärkt. Außerdem vermuten Wissenschaftler, dass Bewegung Gehirnregionen anregt, die wichtig für die Verarbeitung und damit auch die Reduzierung von Stress und Ängsten sind. Zuletzt werden die körperlichen Empfindungen bei Ängsten wie Herzklopfen und Schwitzen beim Sport mit etwas Positivem und selbst Steuerbarem verknüpft.
  • Zuletzt kann natürlich seelische Unterstützung aus deinem Umfeld sehr wertvoll sein. Gerade wenn du vor einer Operation viele Ängste hast, bleibe nicht mit ihnen allein, sondern rede sie dir von der Seele. Versuche in den Tagen vor der Operation besonders liebevoll und fürsorglich mit dir umzugehen, dir etwas Gutes zu tun. So kannst du ruhig, gelassen und zuversichtlich in deine OP gehen.

Wie man nicht wehren kann, dass einem die Vögel über den Kopf herfliegen, aber wohl, dass sie auf dem Kopfe nisten, so kann man auch bösen Gedanken nicht wehren, aber wohl, dass sie in uns einwurzeln. – Martin Luther

Referenzen

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Teresa Götz