Stillen & Endometriose – die Auswirkungen der hormonellen Veränderungen

Eine Endometriose Diagnose ist für Betroffene zunächst oft ein Schock und wirft einige Fragen auf. Dabei spielt auch das Thema Schwangerschaft eine zentrale und sehr emotionale Rolle. Auch wenn Endometriose mit einem erhöhten Risiko für Unfruchtbarkeit einhergeht, ist eine Schwangerschaft nicht ausgeschlossen und kann sogar komplikationsfrei verlaufen. [1] Es ist bereits bekannt, dass eine Schwangerschaft die Symptome der Endometriose sogar lindern kann. Dies lässt sich auf den veränderten und ausbalancierteren Hormonhaushalt und das Ausbleiben der Menstruation während der Schwangerschaft zurückführen. Leider ist die Verbesserung der Symptome meist nur temporär und lässt mit dem Ende der Schwangerschaft nach. [2] Seit einigen Jahren untersuchen Forscherteams auch den Zusammenhang von Stillen und Endometriose. Mehrere Studien gelangen dabei zu spannenden Erkenntnissen, die für Betroffene interessant sein könnten. Welche hormonellen Veränderungen ruft das Stillen hervor? Wie wirken sich die Veränderungen auf Endometriose aus? Und welche Ergebnisse liefern die Studien bisher? Im folgenden Artikel bekommst du eine Antwort auf diese Fragen.

Welche hormonellen Veränderungen treten beim Stillen auf?

Um den Einfluss des Stillens zu verstehen, widmen wir uns zunächst den hormonellen Veränderungen. Im Laufe der Schwangerschaft haben im weiblichen Körper bereits einige Hormonumstellungen stattgefunden. Möchtest du mehr darüber erfahren, findest du hier einen wissenswerten Artikel in der Endo Wissensdatenbank. Mit dem Ende der Schwangerschaft beginnt nach der Geburt erneut ein wichtiger, hormoneller Umbauprozess, der sich auf Endometriose auswirken kann. Im Mittelpunkt steht die Hormongruppe der Östrogene, welche während der Schwangerschaft besonders stark vertreten ist. Mit der Geburt sinkt der Östrogenspiegel stark ab. Gleichzeitig stellen sich auch bei dem Hormon Progesteron und den Endorphinen Normalwerte ein.

Versorgt die Mutter den Säugling nach der Geburt durch Stillen, rücken weitere Hormone in den Vordergrund:   Oxytocin und Prolaktin. Das Oxytocin spielt bereits während der Schwangerschaft eine wichtige Rolle und ist für das Auslösen der Wehen und die Rückbildung der Gebärmutter verantwortlich. Beim Stillen kommt für das Hormon eine weitere Aufgabe hinzu: die Anregung der Brustdrüsen und die Förderung des Milchflusses. Das Saugen des Neugeborenen regt wiederum die Ausschüttung des Oxytocins an und sorgt für ein wohliges und entspanntes Gefühl bei Mutter und Kind. Ein weiterer hormoneller Akteur beim Stillen ist das Prolaktin. Die Ausschüttung dieses Hormons stellt die Milchproduktion sicher und sorgt dafür, dass die Frau gelassener ist. Das Prolaktin stärkt außerdem die Bindung zwischen Mutter und Kind und unterstützt die Entwicklung der Beschützerinstinkte der Mutter. Stillt die Mutter das Neugeborene voll, setzt der normale Zyklus meist erst wieder nach dem Abstillen ein. Somit bleibt die Monatsblutung bis zum Ende des Stillens aus. Dieser Zustand wird auch Laktationsamenorrhoe genannt. Dies ist im Kontext der Endometriose besonders relevant und kann sich, ähnlich wie während der Schwangerschaft, auf die Endometriose Symptomatik auswirken. [3], [4]

Welche Ergebnisse liefert die aktuelle Studienlage?

Im Jahr 2017 wurde eine großangelegte Beobachtungsstudie aus den USA zum Thema Stillen und Endometriose veröffentlicht. [5] Dafür wurden Daten der sogenannten Health Study II ausgewertet. Im Rahmen dieser Studie erfolgte in den Jahren 1989-2011 eine regelmäßige Befragung von über 116.000 Frauen. Im Mittelpunkt der Erhebung standen die Entwicklung von Krankheiten und der Lebensstil der Teilnehmerinnen im Laufe der Jahre. Von den befragten Frauen lag bei 3.296 eine mittels Laparoskopie diagnostizierte Endometriose vor. Um die Variable des Stillens zu untersuchen, wurden in Abhängigkeit der Stillzeit unterschiedliche Gruppen gebildet und die Daten auf 100.000 Personenjahre gerechnet. Diese definieren die Anzahl an Patientinnen und die Anzahl an Teilnahmejahren an der Studie. In der Auswertung lieferte die Beobachtungsstudie daraufhin spannende Erkenntnisse über einen möglichen Zusammenhang von Endometriose und Stillen: In der Gruppe von Frauen mit einer Stillzeit von mehr als drei Jahren kam es zu 184 Endometriose Erkrankungen pro 100.000 Personenjahre. Demgegenüber steht eine Gruppe von Frauen, die weniger als einen Monat gestillt haben. In dieser Gruppe konnten 453 Endometriose Erkrankungen pro 100.000 Personenjahre identifiziert werden. In der untersuchten Gruppe zeigt sich somit eine 40%ige Senkung des Endometriose Risikos durch Stillen! Das Forscherteam hat außerdem herausgefunden, dass das Risiko dosisabhängig ist und sich mit steigender Stillzeit verringern lässt. Dies bedeutet im Detail eine Verminderung des Risikos um 8 Prozent pro drei Monate Stillen mit Zufüttern und um 14 Prozent ohne Zufüttern (exklusives Stillen). [6]

Auf die Veröffentlichung der Studie folgten einige weitere Untersuchungen und 5 Jahre später wurde im Jahr 2022 eine zusammenfassende Metaanalyse publiziert. Im Zuge dieser Studie sind 18 herausgegebene Artikel zum Thema Stillen und Endometriose untersucht und überprüft worden. [7] In der Analyse bestätigen die Forschenden aus Australien und dem Iran die Ergebnisse und den positiven Effekt des Stillens und der Muttermilch bei Endometriose.

Neben der generellen Risikoverringerung, wird auch ein Einfluss des Stillens bei Regelschmerzen (Dysmenorrhea), Eierstockzysten (Schokoladenzysten) und dem chronischen Beckenschmerzsyndrom CPP (Chronic pelvic pain syndrome) vermutet. Dieser Zusammenhang wurde im Zuge einer kleineren Studie aus dem Jahr 2021 mit 123 Teilnehmerinnen erforscht. [8] Es konnte eine deutliche Reduzierung der Regelschmerzen und CPP-Beschwerden bei den Patientinnen festgestellt werden und auch die Größe von Eierstockzysten war verringert. Alle Patientinnen haben gestillt und wurden zuvor mit Endometriose diagnostiziert. Einhergehend mit der großen Kohortenstudie wurde deutlich, dass der Effekt abhängig von der Stillzeit ist und Betroffene besonders von exklusivem Stillen und dem Ausbleiben der Menstruation profitieren. Im Hinblick auf den Einfluss einer Schwangerschaft wurde bereits festgestellt, dass eine Verbesserung der Endometriose Symptome meist nur temporär stattfindet und mit dem Ende der Schwangerschaft nachlässt. Leider zeigte sich in der genannten Studie ebenfalls ein Rückgang des positiven Einflusses und eine langsame Wiederkehr der Symptome nach dem Abstillen. Es gibt dennoch eine gute Nachricht: aus einigen der Studien geht auch hervor, dass zumindest die Intensität der wiederkehrenden Symptome nach dem Abstillen abgenommen hat, insbesondere bei exklusivem Stillen über einen längeren Zeitraum hinweg.

Wie genau wirkt sich das Stillen auf Endometriose aus?

Die aktuelle Studienlage deutet also auf einen positiven Einfluss des Stillens hin, der das Endometriose Risiko, sowie Schmerzen und das Wachstum von Endometriose Herde verringern kann. Außerdem verstärkt sich der schützende Einfluss mit längerer Stillzeit und durch exklusives Stillen. Wie genau das Stillen das Endometriose Risiko mindert, ist noch nicht eingehend erforscht. Weiterhin ist offen, ob sich eine bestehende Endometriose durch das Stillen zurückbilden kann. Es gibt jedoch naheliegende Erklärungsansätze für den Wirkungsmechanismus des Stillens. Im Fokus stehen dabei die Unterbrechung des Zyklus und die Hemmung der Monatsblutung. Weiterhin ist die Veränderung des Östrogenspiegels interessant. In der Regel begünstigt ein hoher Östrogenspiegel das Wachstum von Endometrioseherden. Während der Stillzeit ist die Östrogenproduktion in den Eierstöcken allerdings gewöhnlich heruntergefahren.  Dadurch kann der Eisprung verhindert und das Wachstum und die Entwicklung von Endometriose eingedämmt werden. Das Zusammenspiel von Prolaktin und Östrogen könnte also als positiver Wirkungsfaktor des Stillens bei Endometriose in Frage kommen. [8], [9], [10], [11], [12]

Fazit

Die Studienlage ist aussichtsreich und das Stillen könnte in Zukunft zu einem wichtigen, modifizierbaren Risikofaktor bei Endometriose werden. Liegt eine Endometriose zum Beispiel bereits vor einer Schwangerschaft vor, könnte das Risiko für ein erneutes Auftreten direkt nach der Geburt mithilfe des Stillens aktiv gemindert werden. Da ein Wiederauftreten der Symptome (eventuell in abgeschwächter Form) nach dem Abstillen möglich ist, sollten Betroffene nach dem Abstillen oder nach einer Geburt bei ihrem Frauenarzt/ ihrer Frauenärztin eine weiterführende Endometriosetherapie ansprechen damit erneute Beschwerden vermieden werden können. Wir beobachten für euch die neuesten Erkenntnisse aus der Forschung und halten euch auf dem neuesten Stand!

Mit der Endo-App kannst du täglich dein Wohlbefinden dokumentieren.

Mit einem Klick auf den nachfolgenden Button gelangst du zur Endo-App, welche jetzt kostenlos für Betroffene verfügbar ist.

Referenzen

  1. Alberico D, Somigliana E, Bracco B, et al. Potential benefits of pregnancy on endometriosis symptoms. 2018. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30308401/fulltext. Accessed 9 February, 2023.
  2. Böhm S. Endometriose und Kinderwunsch. https://www.babyforte.de/endometriose/. Accessed 9 February, 2023.
  3. Abou-Dakn M. Was passiert im Körper beim Stillen? https://lunamum.de/stillhormone-stillen-hormone-was-passiert/. Accessed 9 February, 2023.
  4. Jenapharm GmbH & Co. KG. Informationen rund ums Stillen. https://www.jenapharm.de/service/Stillbroschuere.pdf. Accessed 9 February, 2023.
  5. Farland L V, Eliassen A H, Tamimi R M, Spiegelman D, Michels K B, Missmer S A et al. History of breast feeding and risk of incident endometriosis: prospective cohort study BMJ. 2017. https://www.bmj.com/content/358/bmj.j3778. Accessed 9 February, 2023.
  6. Dr. Bauer Publikationen in der Stillförderung. Still-Lexikon. https://www.still-lexikon.de/laenger-stillende-muetter-sind-seltener-von-endometriose-betroffen/. Accessed. 10 February 2023.
  7. Youseflu S, Savabi-Esfahani M, Asghari-Jafarabadi M, Maleki A. The Protective Effect of Breastfeeding and Ingesting Human Breast Milk on Subsequent Risk of Endometriosis in Mother and Child: A Systematic Review and Meta-Analysis. Breastfeed Med. 2022. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36282195/. Accessed 13 February, 2023.
  8. Prosperi Porta R, Sangiuliano C, Cavalli A, Hirose Marques Pereira LC, Masciullo L, Piacenti I, Scaramuzzino S, Viscardi MF, Porpora MG. Effects of Breastfeeding on Endometriosis-Related Pain: A Prospective Observational Study. Int J Environ Res Public Health. 2021. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8535640/. Accessed 13 February, 2023.
  9. Bühler K. Rund ums Baby. Endometriose und Stillen. https://www.rund-ums-baby.de/experten/kinderwunsch-expertenforum/endometriose-und-stillen__77805. Accessed 13 February, 2023.
  10. Endometriose. Hohl M.H, Mueller M, Eberhard M, Häberlin F. https://www.kantonsspitalbaden.ch/Departement-Frauen-Kinder/Dokumente/broschuere_endometriose_de.pdf. Accessed 13 February, 2023.
  11. Wood R. Endometriosis and pregnancy (and breastfeeding). https://endometriosis.org/resources/articles/endometriosis-and-pregnancy-breastfeeding/. Accessed 13 February, 2023.
  12. Scheele M. Stillen und Empfängnisverhütung. https://www.frauenaerzte-im-netz.de/schwangerschaft-geburt/stillen/stillen-und-empfaengnisverhuetung/. Accessed 13 February, 2023.

Hast du Anmerkungen oder Fragen zum Thema Stillen & Endometriose?

Hinterlasse uns gerne einen Kommentar.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
Zeige alle
Josefine Maxara
Letzte Artikel von Josefine Maxara (Alle anzeigen)