Sex und Endometriose: Ein Interview mit Naila Rediske

Heute spreche ich mit Naila Rediske über Fragen rund um das Thema Sex und Endometriose.

Dr. Nadine Rohloff: Heute geht es um das Thema Sex und Sexualität bei Endometriose. Ich bin froh, dass wir heute Naila hier haben. Vielleicht magst du dich einmal ganz kurz vorstellen?

Naila Rediske: Hallo. Ich freue mich auch sehr, hier zu sein. Ich bin Naila Rediske. Ich habe eine eigene Praxis in Hamburg für Sexualberatung, Paarberatung und auch Einzelberatung ganz im Allgemeinen, aber eben auch spezialisiert auf Menschen, welche Endometriose und Adenomyose haben. Ich habe verschiedene sexualtherapeutische, systemische Fortbildungen sowie Ausbildungen und arbeite wahnsinnig gern mit Menschen zusammen in diesem Bereich.

Dr. Nadine Rohloff: Sehr schön. Es ist auch wichtig, dass man mit Freude über dieses Thema redet, auch wenn es natürlich auch Sorgen bereitet bei Endometriose. Wir starten vielleicht einmal mit einer Frage aus der Community. Da hat jemand gefragt: „Sind diese Schmerzen beim Geschlechtsverkehr normal?“

Naila Rediske: Spannende Frage. Ich würde sagen, die eine Antwort ist „Ja.“ Leider ist es normal, dass Schmerzen vorkommen können, weil die Erkrankung eben zu bestimmten Einschränkungen führt. Ob nun körperliche Einschränkung aufgrund von Verwachsungen nach Operationen oder eben auch auf psychischer Ebene. Negative Erinnerungen an Operationen, traumatische Untersuchungen können dafür sorgen, dass der Körper „zumacht“ und mit Schmerzen reagiert. Die andere Antwort ist „Nein“, es ist nicht normal, Schmerzen zu haben beim Sex. Und es ist nicht normal, Sex zu haben, wenn er schmerzhaft ist, solange die Schmerzen ungewollt sind. Es gibt natürlich Schmerzen, die gewollt sind, die meine ich damit nicht. Ich glaube die Userin und Community auch nicht. Es geht darum, dass der Körper Schmerzen beim Sex verspürt, die nicht da sein sollen. Da ist es ganz wichtig, sich aufzuklären und sich damit auseinanderzusetzen. Durch diesen Prozess, beginnt man dafür zu sorgen, dass eben keine Schmerzen mehr beim Sex vorkommen.

Dr. Nadine Rohloff: Die nächste Frage schließt eigentlich auch ganz gut daran an. Wodurch entstehen Schmerzen beim Sex bei Frauen mit Endometriose?

Naila Rediske: Da gibt es viele Optionen. Endometriose ist eine individuelle Erkrankung. Was mit die Hauptgründe sein können: Das eine ist Vaginismus, der sehr oft mit bei Endometriose-Betroffenen entsteht. Das andere ist, dass es Verwachsungen geben kann in der Vagina, an der Gebärmutter, in der Gebärmutter. Dazu gehört auch Adenomyose. Weiter kann es zum Beispiel sein, dass es einen Anstoßschmerz gibt, wenn Penetration vorhanden ist. Das ist total unangenehm, wenn eine Verwachsung vorhanden ist und etwas stößt dagegen. Dann kann es sein, dass einfach das Körperempfinden anders ist nach einer Operation, da beispielsweise noch nicht alles verheilt ist? Bei einem Orgasmus beispielsweise verkrampft der Unterleib kurzzeitig, was eventuell zu Schmerzen führen könnte. Ein Mensch mit Endometriose kann plötzlich Verwachsungen und Verletzungen im Körper spüren und das eben als sehr unangenehm empfinden, auch beim Orgasmus. Ein weiterer Grund für Schmerzen stellt eine fehlende Aufklärung dar. Wenn die Aufklärung über die Erkrankung und über den eigenen Körper besser ist, dann weiß eine Person eben auch: „Mein Körper braucht Gleitgel, mein Körper braucht Wärme, mein Körper braucht Ruhe, mein Körper braucht bestimmte andere Dinge, damit ich wirklich entspannt meine Sexualität leben kann.“

Dr. Nadine Rohloff: Wenn Schmerzen da sind, welche Tipps gibt es vielleicht, um erst einmal Linderung zu verschaffen oder um damit umzugehen?

Naila Rediske: Was ich als allererstes immer abfrage, wenn ich mit meinen Klienten/Klientinnen arbeite, ist, wie weit wurde alles medizinisch abgeklärt? Das ist wichtig. Wenn ich weiß, dass medizinisch alles abgeklärt ist, um z. B. andere Erkrankungen auszuschließen, dann ist der nächste Punkt: Wie weit ist meine Klientin aufgeklärt, wenn es um Sexualität geht? Das bedeutet zum Beispiel: Weiß eine Frau über ihren Körper, das Lustempfinden und feucht sein, das Anschwellen der Klitoris, das Anschwellen der Vulvalippen, dass es all das auch braucht, um lustvollen Sex zu haben, um Freude beim Sex zu empfinden? Weiß die Frau, dass es zum Sex dazugehört, selbst Freude zu haben, Spaß zu haben beim Sex und Lust zu empfinden und nicht nur zu geben? Es gibt viele, die eben auch glauben, es geht darum, einem Partner oder einer anderen Partnerin Freude zu schenken. Aber dem Grunde nach, geht es darum, diese Freude selbst zu empfinden und sie selbst zu empfangen und sie dann natürlich auch mitzuteilen. Man sollte sich somit einiger Dinge bewusst werden, um Schmerzen beim Sex zu reduzieren. Der nächste Tipp wäre: Bitte nicht einfach losrennen und eine Riesenpackung Sex-Toys und Gleitgel und alles Mögliche kaufen und glauben: „Umso mehr ich darauf packe, Toys benutze, Gleitgel oder sonst irgendetwas benutze, desto besser kann es funktionieren.“ Das sind alles Zusätze, die Spaß machen können. Aber um richtig guten Sex zu spüren, geht es darum, erst einmal mit sich selbst anzufangen. Bleibe also erst einmal bei dir, bleibe bei deinem Körper, schaue, wie fühlt es sich an, wenn ich mich selbst berühre, wenn mich jemand anderes berührt? Dann kann alles andere dazukommen.

Über Naila Rediske

Ich lebe mit meiner Familie in Hamburg, hier habe ich auch meine Praxis für Sexualberatung und Paarberatung, in der ich Menschen online oder vor Ort berate. Zusätzlich zu meiner Arbeit zu den Themen Sexualität, Selbstliebe, Körperwahrnehmung, Liebe und Beziehung habe ich mich Anfang 2022 auf Menschen mit Endometriose spezialisiert. Da es für Endometriose-Betroffene eine große Herausforderung sein kann, die eigene Sexualität schmerzfrei zu erleben oder eine ausgewogene Beziehung trotz Endometriose zu führen, ist es mir eine Herzensangelegenheit Menschen in diesem Bereich zu begleiten und zu beraten. Meine Arbeit stützt sich auf Ausbildungen und Fortbildungen in den Bereichen systemische Sexual- und Paartherapie, systemische Einzel- und Familientherapie, Transaktionsanalyse, Selbsthypnose und Sexualberatung unter anderem nach dem Sexocorporal Konzept.

Dr. Nadine Rohloff: Das sind super Tipps. Häufig hat man wirklich das Gefühl, dass es in manchen Diskussionen um das Funktionieren geht. Aber es geht wirklich darum, selber auch Spaß zu haben und diese Sexualität genießen zu können. Jetzt gibt es hier auch eine Frage zu Selbsthilfegruppen für Partner: Wie kann man zum Beispiel den Partner miteinbeziehen? Gibt es da Selbsthilfegruppen, Optionen, um wirklich den Partner oder die Partnerin miteinzubeziehen in diesen Prozess, um möglichst viel zu erreichen?

Naila Rediske: Ich kenne keine konkreten Selbsthilfegruppen. Ich kenne es, dass ich mit Partnern von Endometriose-Betroffenen spreche, im Einzelnen aber auch ein Paarsetting. Beides ist sehr schön. Ich glaube, der Austausch ist sehr wichtig, vor allem für das Paar selbst. Das heißt, dass das Paar miteinander spricht und lernt, eine gute Kommunikationsebene zu finden, um über Sexualität zu sprechen. Sexualität ist immer unterschiedlich, je nachdem mit wem wir sie haben. Zum einen, weil wir uns weiterentwickeln, zum anderen, weil Endometriose den Körper verändern kann. Ich glaube, es kann bestimmt toll sein, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen für Partner oder Partnerinnen. Aber ich glaube, dass es erst einmal sehr wichtig ist, dass das Paar miteinander das Sprechen darüber lernt und eben beide eine Stimme haben. Ich nehme einmal ein klassisches Beispiel: Mann, Frau, sie hat Endometriose, ein totaler Klassiker. Sie hat Schmerzen beim Sex. Er möchte mehr Sex und besteht darauf. Sie macht das mit, aber es tut weh. Sie beide sind nicht glücklich damit, weil er möchte auch, dass sie Spaß hat. Er sollte sagen dürfen: „Es stört mich, dass du Schmerzen beim Sex hast.“ Ohne, dass sie sich davon unter Druck gesetzt fühlt. Das bedeutet nicht, dass sie diese Störung bedienen muss. Das ist der wichtige Punkt dabei. Dann darf er auch überlegen: „Wie kann ich das gut formulieren und gut adressieren an meine Partnerin, und wie können wir damit umgehen?“ Und sie darf genauso darüber nachdenken. Dadurch entsteht eine gemeinsame Ebene und eine Intimität, mit der sie arbeiten können als Paar. Weiter ist es gut in solchen Gesprächen auch irgendwann die Endometriose herauszunehmen und einfach einmal als Paar zu schauen: „Wer sind wir eigentlich als sexuelle Wesen? Was empfinden wir als Intimität? Was macht uns Lust und Spaß? Was wollen wir noch ausprobieren? Was finden wir komisch? Sind wir da auf einer Wellenlänge?“ Das sind interessante Gespräche, selbst in Langzeitbeziehungen. Manche Paare sprechen das erste Mal über solche Themen und laufen rot an, weil sie irgendwie feststellen: „Wir haben schon so viel zusammen erlebt, aber so ein Gespräch haben wir noch nie geführt. Das ist eine tolle Erfahrung.“

Dr. Nadine Rohloff: Ja, das glaube ich sofort. Ich glaube, es wird häufig unterschätzt, wie wichtig die Kommunikation da ist. Es gibt Studien in denen gezeigt wird, dass allein darüber zu reden einen riesigen Effekt haben kann, auch auf die Sexualität und die Lebensqualität. Ein sehr schönes Beispiel und ein Aufruf, dieser Art der Kommunikation Raum zu geben, auch wenn es vielleicht am Anfang schwerfällt?

Naila Rediske: Ja, auf jeden Fall. Und es ist okay, wenn es anfangs schwerfällt. Über Sex reden lernen ist wie eine neue Sprache. Niemand geht in die Schule und kann von Anfang an eine Fremdsprache, sondern wir lernen das Wort für Wort. Genauso ist es in der Sexualität. Wenn man das verinnerlicht, dann fällt ganz viel Druck ab.

Dr. Nadine Rohloff: Ein Thema, was du vorhin schon angesprochen hast, ist Vaginismus. Magst du einmal ganz kurz erklären, was das ist und warum das vielleicht auch bei Endometriose eine Rolle spielt?

Naila Rediske: Bei Vaginismus verkrampft die Beckenbodenmuskulatur und das äußere Drittel der Vagina. Die Vagina ist ein Muskulaturschlauch im Inneren des Körpers, welcher unwillkürlich verkrampft. Unwillkürlich heißt, es lässt sich auf keine Weise ansteuern. Man kann nicht loslassen und sagen: „Das Verkrampfen hört jetzt auf.“ Oder: „Ich sorge dafür, dass es gar nicht erst dazu kommt.“ Bei Vaginismus ist es so, dass die Psyche ein sehr großes Thema ist. Es ist wichtig, sich mit den psychischen Komponenten auseinanderzusetzen und zu schauen, woher kann das kommen und worauf reagiert der Körper da? Ich persönlich finde es bei Endometriose relativ selbsterklärend. Endometriose ist eine Erkrankung, die dafür sorgt, dass die betroffenen Menschen sehr viel gynäkologisch untersucht werden. Das heißt, in dem Körperbereich, den wir für unsere Sexualität ansteuern. Es gibt bei vielen Endometriose-Betroffenen irgendwann den Punkt, an dem sie wirklich müde sind von all diesen Untersuchungen und dann auch eine Mischung aus Traurigkeit, Wut, Verzweiflung dazukommt. Es ist relativ selbstverständlich, dann zuzumachen. Mit der Erkrankung müssen die Betroffenen jedoch weiterhin zu den medizinischen Untersuchungen und leider zu oft schlechte Erfahrungen erleben. Somit ist es für mich relativ logisch, dass der Körper irgendwann sagt: „Dann mache ich jetzt hier zu. Es ist jetzt Schluss, ich will nicht mehr.“ Das ist das, was Vaginismus ist. Das heißt, wir verkrampfen. Es ist teilweise so, dass nicht einmal mehr ein Tampons eingeführt werden kann. Verschiedene Möglichkeiten existieren, um damit zu arbeiten. Ich finde die psychische Komponente mit die wichtigste, aber auch das, was ich vorhin gesagt habe: Es ist immer wichtig, den körperlichen, den medizinischen Part abzuklären. Bei Vaginismus ist es so, dass es auch Körperübungen gibt, die sehr wichtig sind. Es gibt keine reine Gesprächstherapie, mit der sich das sozusagen löst, sondern da ist es wichtig, auch positive Körperberührung und Körperübungen zu nutzen. Dabei muss es sich nicht unbedingt um sexuelle Berührungen oder um Selbstbefriedigung handeln, auch wenn dies natürlich auch schön sein kann. Sich selbst Lust zu schenken, ist gerade mit Endometriose eine ganz wichtige und teils stärkende Ressource. Dies kann dabei helfen negative Erfahrungen zu überschreiben. Wir erfahren beispielsweise eine Untersuchung oder haben Sex, der schmerzhaft ist. Das speichert sich in unserem Körper. Ich kann das aber überschreiben wie früher eine Kassette. Das heißt, ich kann sagen: „Ich überschreibe die negativen Erlebnisse jetzt, indem ich liebevoll in Berührung mit meinem Körper gehe, meinen Körper annehme und mir selber auch beweise und zeige, das geht schmerzfrei.“ Das funktioniert nicht von heute auf morgen, aber es ist eine Möglichkeit, die exisitiert.

Dr. Nadine Rohloff: Selbstfürsorge sozusagen, nicht nur psychologisch, sondern auch körperlich. Sehr schön. Jetzt haben wir noch eine Frage, die ein wenig so ähnlich ist wie eine Frage davor: „Wie kann die Intimität in der Beziehung trotz Schmerzen und Unlust gewahrt werden?“ Ich glaube, wir haben auch schon sehr viel dazu gesagt. Aber hast du noch etwas, was du dazu ergänzen möchtest?

Naila Rediske: Ich finde das eine total schöne Frage, weil Schmerzen und Unlust können zwei sehr belastende Themen der Beziehung sein. Sich diese Frage zu stellen, bedeutet, dass es sehr viel Wertschätzung in der Partnerschaft gibt. Bei Unlust ist es so, dass ich vielen den Tipp gebe: „Schaut doch einmal in euer Leben außerhalb eurer Sexualität, wo empfindet ihr Lust?“ Da werde ich ganz oft mit großen Augen angeschaut: „Was meint Sie denn? Ich dachte, wir reden hier über Sex.“ Es gibt nicht ohne Grund den Spruch: „Sex beginnt beim Kochen.“ Das liegt einfach daran, dass zum Beispiel Kochen etwas ist, was viele Sinne anspricht, dementsprechend auch Lust sowie Freude und Verbundenheit bereitet, weil man als Paar gerne zusammen kocht. Das heißt, ich würde als Paar wirklich schauen, was bereitet euch in eurer Beziehung Freude? Natürlich ist das Leben belastet durch die Endometriose und auch die Partnerschaft dadurch belastet. Aber es darf trotzdem Momente geben, die Lebenslust schenken. Die können anders aussehen als bei Menschen, die gesund sind. Das ist okay. Für viele mit Endometriose ist es so, dass sie viel Druck und Angst verspüren, wenn es um Sex geht. Dann ist es für mich ein wichtiger Punkt zu sagen: „Passt auf, geht einmal in die Lust hinein, ohne dass ihr es sozusagen bis zum Ende durchführt. Also schaut einmal, dass ihr euch verabredet, euch nackt zu zweit in das Bett zu legen. Ihr macht euch Kerzen und eure Lieblingsmusik an. Ihr berührt euch, ohne dass es weiter geht. Berührt euch, seid miteinander und genießt diesen Moment. Einfach einmal intim und mit Lust zusammen liegen und dann vielleicht auch einmal spüren: „Ich wäre gerne weiter gegangen. Ich habe so viel Lust gehabt, aber wir haben es nicht gemacht.“ Vielleicht aber auch zu spüren: „Genau das war gerade gut. Es hat mir Lust bereitet, dass wir nicht weitergehen, weil ich einfach Angst habe, wenn wir weitergehen.“ Das ist eine ganz schöne Übung, die ich vielen empfehle. Das ist aber nicht unbedingt etwas, womit jeder anfangen muss. Eine Nähe und die Körper als Paar zu erleben und zu spüren, ohne dass da irgendwelche Stoppschilder sind, ist sehr wohltuend. Diese Stoppschilder sind: „Jetzt soll es irgendwie gleich um Penetration gehen. Jetzt soll Oralverkehr kommen.“ Das Ziel ist, diese Gedanken fallen lassen zu können und sich bewusst wird: „Wir sind zusammen und wir genießen das.“ Dann kann man Schritt für Schritt weitergehen und schauen: „Was ist möglich, worum kann es noch gehen?“

Dr. Nadine Rohloff: Ich finde, das ist ein sehr guter Tipp. Es gibt zum Beispiel Leute, die sagen: „Alleine komme ich da irgendwie nicht weiter.“ Und die möchten sich irgendwie Hilfe holen. Wie läuft denn so eine Sexualberatung ab?

Naila Rediske: Viel reden, gerne viel lachen, aber auch weinen, weil manche wirklich sehr traurig sind über bestimmte Dinge und natürlich wütend sein. Es geht in der Sexualberatung ganz viel um Emotionen, weil es in unserer Sexualität nun einmal um unseren Körper geht und unser Körper sämtliche Gefühle spürt. Wenn wir positive, gute Gefühle in der Sexualität spüren wollen, dann müssen wir uns auch mit den Negativen auseinandersetzen. Das heißt, in der Sexualberatung geht es um viele Gefühlsebenen und um Aufklärung. Die ist ganz wichtig, und da möchte ich auch unbedingt die Scham nehmen. Ich finde, es ist relativ normal, sich aufklären zu lassen als erwachsener Mensch. Ich leite diesen Weg und wir finden zusammen heraus: „Worum geht es denn da? Du bist mit deiner Sexualität unglücklich. Du bist unglücklich über die Schmerzen, aufgrund der Endometriose. Worum geht es dir eigentlich genau?“ Als Beispiel, gerne die Frage: „Ich habe Schmerzen beim Sex. Was mache ich dagegen?“ Dann sage ich: „Was tut denn weh?“ „Das Eindringen tut weh.“ Dann fange ich an, weiter zu fragen. Das sorgt dann schon für ein bisschen Irritation, weil es natürlich intimer wird. Viele sind nicht gewohnt, dass ich sage: „Was heißt denn beim Eindringen? Wann denn beim Eindringen? An welchem Punkt? Spürst du das in deinem Körper, wo tut es weh? Tut es an den Vulvalippen weh? Tut es schon vorne beim Eindringen weh, am Vaginaeingang oder erst innen?“ Dann wird es interessant, dass das Körperspüren in den Vordergrund rutscht. Das können viele gar nicht so gut, und lernen es dann eben durch eine Sexualberatung. Nicht selten kommen sie beim nächsten Mal wieder und sagen: „Naila, total verrückt. Ich bin in die Selbstberührung gegangen oder habe mit meinem Partner Sex gehabt. Ich habe mir das erste Mal Gedanken darüber gemacht, wann es eigentlich weh tut? Ich habe festgestellt, dann und dann tut es gar nicht weh.“ Dass man eben auch lernt, bestimmte Körperstellen zu benennen und sagen kann: „Ich merke irgendwie, der stößt am äußeren Muttermund an und da tut es weh. Dann helfen mir die Ringe.“ Da gibt es dann auch manche Hilfsmittel, die dafür sorgen, dass zum Beispiel bei einer Penetration nicht mehr so tief eingedrungen wird, oder das Gleitmittel wird leider auch oft falsch verwendet. Solche Dinge werden während einer Sexualberatung auch besprochen. Wie benutzt man Hilfsmittel richtig? Wie benutzt man Gleitmittel richtig?

Viele sind erstaunt darüber, dass Sex eben nicht nur der Akt an sich ist. Sex beginnt mit unserer Körperwahrnehmung im Alltag. Wie sitze ich hier gerade? Fühle ich mich gerade wohl? Mag ich hier sitzen? Das ist Körperwahrnehmung. Lächle ich? Wie spreche ich jetzt gerade? Macht mir das Thema Freude? Das hat jetzt im ersten Augenblick überhaupt gar nichts mit Sex zu tun. Im weitesten Sinne aber schon. Das sind alles Sachen, die in unsere Sexualität mit hineinspielen, und darum ist das auch ein Thema in der Sexualberatung. Dann gibt es ganz schöne Übungen. Ich habe in meiner Praxis Vibratoren und verschiedene Dildos. Ich erkläre den Unterschied zwischen den Toys und was Sinn ergibt bzw. kein Sinn ergibt. Auch Gleitmittel sind da, sodass Interessierte das einmal an die Finger nehmen und testet, wie fühlt sich das an? Da gibt es insgesamt ganz viele Möglichkeiten. In einer Sexualberatung wird vor allem gesprochen. Alle bleiben angezogen, keiner zieht sich aus. Das werde ich lustigerweise immer häufiger einmal gefragt.

Dr. Nadine Rohloff: Ich glaube, wir haben heute schon sehr viel über Sexualberatung und auch Sexualität bei Endometriose gelernt. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Vielleicht als letztes Abschlusswort, gibt es einen Tipp, den du allen Endometriose-Betroffenen mit auf den Weg geben möchtest?

Naila Rediske: Ja. Ich würde sagen: Nimm das ernst, was du fühlst, egal was dir andere sagen. Manche sagen: „Das ist jetzt normal. Da musst du durch.“ Oder: „Das kann nicht sein.“ Wenn du das selbst so fühlst, dass du Schmerzen in der Sexualität spürst oder Unwohlsein, nimm das ernst und kümmere dich darum.

Dr. Nadine Rohloff: Ein wunderbares letztes Wort. Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. Vielen Dank.

Naila Rediske: Danke dir für das Gespräch.

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Dr. med. Nadine Rohloff