Lisa: Danke. Auch hier ist die Selbstfürsorge ein ganz, ganz wichtiger Punkt, den man auf keinen Fall vergessen sollte. Vielen Dank. Ich würde sagen, wir kommen jetzt zu den Fragen, die ihr uns gestellt habt. Die erste Frage, die wir bekommen haben, war: Wie schwer ist es, 50 Prozent in der Arbeit zu bekommen? Was muss man dafür tun? Gibt es irgendwelche Einschränkungen? Wovon hängt es ab? Was sagst du dazu?
Steffi: Was muss ich dafür tun? Zunächst einmal ist es wichtig, einen Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis zu stellen. Dabei kommt es nicht nur auf die konkrete Erkrankung an, sondern auch darauf, welche Auswirkungen und Einschränkungen sie mit sich bringt. Es ist schwierig, hier feste Kriterien festzulegen, z.B. wie man einen Grad von 50 erreicht. Wir werden gleich auf die Hinweise für die Antragstellung eingehen. Zuvor möchte ich jedoch betonen, wie wichtig es ist, die behandelnden Ärzt:innen in den Prozess einzubeziehen. Es empfiehlt sich, die Ärzt:innen im Vorfeld zu konsultieren und sie über die Absicht, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen, zu informieren. Es ist ratsam, gleichzeitig mit dem Antrag ein ärztliches Attest einzureichen. Dies verkürzt nicht nur die Bearbeitungszeit, sondern erhöht auch die Chance, dass die angegebenen Einschränkungen anerkannt werden. Wichtig ist, dass sich ein Grad der Behinderung auch aus mehreren Erkrankungen zusammensetzen kann. Dies ist ein wichtiger Aspekt. Es gab Fälle, in denen nur eine Erkrankung anerkannt wurde, während in anderen Fällen mehrere Erkrankungen berücksichtigt wurden. Hier kann auch der:die jeweilige Sachbearbeiter:in eine Rolle spielen. Daher ist es ratsam, die eigenen Erkrankungen zu berücksichtigen und herauszufinden, welche weiteren gesundheitlichen Probleme neben der Endometriose bestehen. Bei meinem Antrag war zum Beispiel ein chronisches Schmerzsyndrom ausschlaggebend. Viele Betroffene leiden unter chronischen Schmerzen, wissen aber nicht, dass es sich dabei um ein eigenständiges Krankheitsbild handelt. Deshalb ist es ratsam, sich zu informieren, mit den Ärzt:innen zu sprechen und einen fundierten Antrag zu stellen.
Lisa: Sehr gut, danke für den Hinweis. Das ist sicher für viele sehr interessant, weil, wie du schon gesagt hast, viele das wahrscheinlich gar nicht wissen. Danke. Die nächste Frage, die ich habe, ist, was passiert, wenn man wegen der Endometriose länger ausfällt? Hat man dann am Arbeitsplatz etwas zu befürchten?
Steffi: Viele Leute haben Angst vor einer krankheitsbedingten Kündigung. Das ist die häufigste Sorge von allen, und ich muss sagen, dass es für Arbeitgeber:innen nicht einfach ist, das durchzusetzen. Es gibt bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Eine Möglichkeit ist, dass ein:e Arbeitnehmer:in zwei oder drei Jahre hintereinander krank ist und die Prognose für eine Genesung negativ ist. In einem solchen Fall hätten Arbeitgeber:innen gute Erfolgsaussichten, auch vor Gericht.
Ein anderer Fall wäre, wenn ein:e Arbeitnehmer:in über mehrere Jahre hinweg eine steigende Anzahl von Krankheitstagen aufweist, z. B. 40 im ersten Jahr, 60 im nächsten Jahr und 80 im darauffolgenden Jahr, was ebenfalls auf eine ungünstige Gesundheitsprognose hindeuten könnte. Es ist also nicht einfach, solche Bedingungen zu erfüllen. Trotzdem versuchen viele Arbeitgeber:innen, kranke Mitarbeiter:innen zu entlassen. In solchen Fällen kann ich nur dazu ermutigen, den Rechtsweg zu beschreiten. Entweder hat man eine Rechtsschutzversicherung, oder man kann sich eine:n Anwält:in leisten, wenn man nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt. Bei einem Rechtsstreit kommt es oft zu einer Güteverhandlung, bei der Richter:innen entscheiden, ob die Kündigung rechtmäßig war oder nicht. In den meisten Fällen von krankheitsbedingter Kündigung würde ich sagen, dass die Richter:innen feststellen, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Das kann daran liegen, dass die Gesundheitsprognose nicht negativ ist und keine eindeutige Tendenz erkennbar ist. In solchen Fällen sind Arbeitgeber:innen auch verpflichtet, Alternativen für Mitarbeiter:innen zu prüfen, da die Erkrankung möglicherweise auf die Arbeitsbedingungen zurückzuführen ist. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das BEM-Gespräch. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten an einem solchen Gespräch teilnehmen. Weigert sich ein:e Beschäftigte:r, könnten Arbeitgeber:innen behaupten, sie haben versucht, dem:der Beschäftigten Alternativen anzubieten, die jedoch abgelehnt wurden. Es ist daher ratsam, an solchen Gesprächen teilzunehmen. Tatsächlich haben viele Menschen positive Erfahrungen mit ihren BEM-Gesprächen gemacht, die nach einer längeren Fehlzeit stattgefunden haben. Diese Gespräche bieten die Möglichkeit, über Arbeitsbedingungen zu sprechen, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken können. Arbeitgeber:innen sind in der Regel daran interessiert, dass ihre Beschäftigten gesund sind und ihre volle Arbeitsleistung erbringen können. Zudem sollte die Angst vor krankheitsbedingten Kündigungen ein Stück weit genommen werden. Ist ein:e Arbeitnehmer:in länger als sechs Wochen krank, hat er in vielen Fällen Anspruch auf Wiedereingliederung. Dieses Modell, das oft auch als Hamburger Modell bezeichnet wird, sieht vor, dass Mitarbeiter:innen schrittweise wieder in die Arbeitswelt eingegliedert werden. Das kann bedeuten, dass er in der ersten Woche zwei Stunden täglich arbeitet, in der zweiten Woche vier Stunden und so weiter, bis er wieder voll arbeitet. Während dieser Zeit ist man weiterhin krankgeschrieben und erhält Krankengeld. Wenn man jedoch merkt, dass man der Arbeitsbelastung nicht mehr gewachsen ist, hat man das Recht, nach Hause zu gehen. Die Wiedereingliederung bietet die Möglichkeit, sich langsam wieder an die Arbeit zu gewöhnen, was nach einer längeren Krankheitspause oft schwierig ist. Es ist auch wichtig, die Meldefristen einzuhalten, insbesondere wenn es sich um aufeinanderfolgende Krankmeldungen handelt. Diese sollten rechtzeitig eingereicht bzw. mitgeteilt werden, um Abmahnungen zu vermeiden. Bei längeren Abwesenheiten ist es auch ratsam, sich Zeit für die Genesung zu nehmen und auf den eigenen Körper zu hören. Krankheitsphasen sollten nicht überstürzt beendet werden, das hilft auf Dauer niemandem. Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen, eventuell Schmerztherapie oder Rehabilitation in Anspruch zu nehmen, wenn dies angezeigt ist. Also ich ermutige dazu, sich in Ruhe auszukurieren und sich nicht unter Druck setzen zu lassen.
Lisa: Danke. Ich glaube, deine Worte haben auf jeden Fall vielen Mut gemacht, auch nicht diese Angst vor der Krankschreibung zu haben, weil das ist wahrscheinlich wirklich eine Angst von vielen. Vielen Dank. Wir wollen ein bisschen über den Grad der Behinderung sprechen. Das ist auch ein Thema, das viele interessiert. Ich würde gerne zuerst von dir wissen, was denkst du, wann ist es sinnvoll, diesen Antrag zu stellen?
Steffi: Ich glaube, zeitlich kann ich das nicht genau sagen. Sinnvoll ist es, einen Antrag auf einen Grad der Behinderung zu stellen, wenn man durch eine Erkrankung, sei es Endometriose oder eine andere Erkrankung, Einschränkungen hat. Wenn diese Einschränkungen den Alltag oder die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen oder sogar der Verlust des Arbeitsplatzes droht, sollte man einen Antrag in Erwägung ziehen. Ein guter Zeitpunkt ist zum Beispiel ein Krankenhausaufenthalt. Ich habe meinen Antrag während meiner multimodalen Schmerztherapie gestellt und wurde dabei vom Sozialdienst unterstützt. Viele fragen sich, wer ihnen dabei helfen kann, und da ist es ideal, wenn man Unterstützung vor Ort hat. Generell muss aber jeder für sich selbst entscheiden, wann die Einschränkungen so groß sind, dass man sich durch sie behindert oder benachteiligt fühlt. Dann ist es meiner Meinung nach an der Zeit, sich an die Behindertenhilfe zu wenden.
Lisa: Das hast du sehr gut zusammengefasst. Du hast vorhin kurz angesprochen, dass du auch noch ein paar Tipps für die Antragstellung geben möchtest. Was kannst du dazu sagen? Was kannst du den Leuten mit auf den Weg geben?
Steffi: Jede:r Sachbearbeiter:in hat seine eigene Herangehensweise. Das heißt, wenn sie vielleicht einen niedrigen Grad der Behinderung zuerkannt bekommen oder in manchen Fällen auch gar keinen Grad der Behinderung, weil man davon ausgeht, dass die Endometriose durch eine Operation geheilt ist, was natürlich nicht der Fall ist, dann würde ich ihnen Mut machen, hartnäckig zu bleiben. Es ist ratsam, Widerspruch einzulegen und sich Unterstützung zu holen. Wie bereits erwähnt, ist es am besten, vorher mit Ihren Ärzt:innen zu sprechen und Gutachten einzuholen. Häufig haben Sie Ihre Beschwerden und Einschränkungen bereits Ihren Ärzt:innen mitgeteilt, die diese im Gutachten bestätigen können. Es ist wichtig, die Ärzt:innen einzubeziehen, und wenn Sie vorab Gutachten einreichen, beschleunigt das den Prozess. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Berücksichtigung und Dokumentation von Mehrfacherkrankungen. Auch hier können Ihnen Ihre Ärzt:innen am besten helfen. Oft ist es wichtig, zusätzlich zum Antrag ein persönliches Begleitschreiben zu verfassen. Das habe ich auch gemacht. Ich habe es in der Schmerztherapie geschrieben, oft am Krankenbett. Viele Menschen tun sich schwer damit und fragen sich, was sie in den Begleitbrief schreiben sollen. Ich habe ein paar Beispiele aufgeschrieben, die ich in meinem Brief verwendet habe, aber das ist sehr individuell. Zum Beispiel habe ich erklärt, woher meine Einschränkungen kommen und wie sie sich im Alltag auswirken. Ein kleines Detail, das ich erwähnte, war, dass ich seit meiner letzten Operation vor einem halben Jahr keine engen Hosen mehr tragen kann, da dies starke Schmerzen an meiner Bauchnarbe verursacht. Das mag unbedeutend erscheinen, hat aber zur Anerkennung meiner Schwerbehinderung beigetragen. Ich beschrieb auch, wie die Endometriose meine Blase infiltriert hatte und wie dies zu Angstzuständen beim Autofahren führte, da nicht immer eine Toilette in der Nähe war. Als ich früher im Außendienst gearbeitet habe, habe ich oft nichts gegessen und getrunken, weil ich Angst vor den Schmerzen hatte. Das sind nur einige Beispiele. Ich habe auch das Thema unerfüllter Kinderwunsch erwähnt, weil das auch auf die Endometriose zurückzuführen ist. In der ärztlichen Verordnung gibt es eine Tabelle, in der das klassifiziert wird. Sterilität zum Beispiel hat einen eigenen Punkt. Es ist wichtig, dies zu berücksichtigen und anzusprechen. Ein weiterer Tipp ist die Verwendung einer Schmerzskala, um die Schmerzen für andere verständlicher zu machen. Eine Skala von eins (leichte Schmerzen) bis zehn (extreme Schmerzen) kann helfen, die Schmerzen zu quantifizieren. Bei mir kommt es vor, dass ich während meiner Periode ohnmächtig werde, und ich habe dies auch beschrieben, um die Art der chronischen Schmerzen zu veranschaulichen, die ich täglich erlebe. Schließlich fragen sich viele, wer ihnen bei der Antragstellung helfen kann. Der Sozialdienst im Krankenhaus kann helfen, wenn man dort ist. Es gibt auch Fachanwält:innen für Sozialrecht, auch wenn die Kosten oft abschrecken. Eine Endometriose-Vereinigung ist eine gute Anlaufstelle für Unterstützung in sozialrechtlichen Fragen, insbesondere wenn Sie Mitglied sind. Diese Organisationen bieten kompetente Hilfe und Fachwissen.
Lisa: Super, danke. Zum Abschluss würde ich dich bitten, noch einmal zusammenzufassen. Gibt es vielleicht Vorteile oder vielleicht auch Nachteile, wenn man diesen Antrag gestellt hat und dann den Grad der Behinderung bekommt? Was bringt das?
Steffi: Die meisten Vorteile hat man ab einem Grad der Behinderung von 50. Ab dem Punkt hat man besondere Vorteile im Berufsleben. Es gibt einen besonderen Kündigungsschutz, einen Anspruch auf Zusatzurlaub, die Möglichkeit der Freistellung von Überstunden und gegebenenfalls eine Anpassung des Arbeitsplatzes. Bei einem Grad der Behinderung von 30 oder 40 kann man sich gleichstellen lassen und hat mit Ausnahme des Zusatzurlaubs ähnliche Rechte am Arbeitsplatz. Der Kündigungsschutz bleibt jedoch erhalten, was für viele sehr wichtig ist. Auch Arbeitgeber:innen profitieren von Schwerbehinderten, denn sie müssen ab 20 Beschäftigten eine Schwerbehindertenquote erfüllen. Erfüllen sie diese nicht, müssen sie Ausgleichszahlungen leisten, die von Jahr zu Jahr teurer werden. Für Bewerberinnen und Bewerber mit einer Schwerbehinderung kann es daher von Vorteil sein, wenn die Unternehmen bestrebt sind, diese Quote zu erfüllen oder generell schwerbehinderte Menschen zu unterstützen. Im Privatleben gibt es bei vielen Freizeitaktivitäten Vergünstigungen für Schwerbehinderte, in der Regel ab einem Grad der Behinderung von 50. Jeder Grad der Behinderung bringt gewisse steuerliche Vorteile mit sich, je nachdem, wie hoch der Grad der Behinderung ist.
Im Hinblick auf Benachteiligungen im Berufsleben kann eine Schwerbehinderung im Bewerbungsprozess Fluch und Segen zugleich sein. Manche Arbeitgeber wollen Schwerbehinderte gezielt fördern und die Quote erfüllen, andere halten dies vielleicht für zu riskant, obwohl es gegen das Gesetz verstößt, wonach alle gleich zu behandeln sind. Es gibt immer noch Unternehmen, die Vorbehalte gegenüber schwerbehinderten Menschen haben. Ein persönlicher Nachteil könnte sein, dass sich manche Menschen psychisch belastet fühlen, wenn sie mit 30 Jahren eine Schwerbehinderung haben. Das entspricht nicht dem gängigen Bild und kann für manche schwierig sein. Aber ansonsten sehe ich persönlich keine Nachteile. Im Gegenteil, der Schwerbehindertenausweis hat meiner Meinung nach eher Vorteile.
Lisa: Das ist vielleicht eher diese Stigmatisierung, die dann damit einhergeht, diese Rolle, in die man sich dann begibt. Danke. Ich sehe, wir sind jetzt leider schon am Ende unserer Zeit angekommen. Hast du vielleicht noch einen abschließenden Satz oder etwas, was du unseren Zuschauer:innen vielleicht noch mitgeben möchtest?
Steffi: Ich möchte jeden ermutigen, der das Gefühl hat, dass er aufgrund seiner Erkrankung Schwierigkeiten im Berufsleben hat oder nicht richtig behandelt wird, sich für sich selbst einzusetzen und die Arbeitsbedingungen so anzupassen, wie es für seine Gesundheit am besten ist. Das halte ich persönlich für sehr wichtig.
Lisa: Danke, das hast du sehr schön gesagt. Danke, dass du heute hier warst. Es hat mir sehr, sehr gut gefallen. Ich glaube, viele oder alle haben heute auch sehr, sehr viel mitnehmen können. Es war wirklich super interessant und ein sehr, sehr wichtiges Thema. Vielen Dank.