Kinderwunsch bei Endometriose: 2. Interview mit Dr. Ibrahim

Heute sprechen wir mit Dr. Mohamed Ibrahim über ein sehr wichtiges Thema: Kinderwunsch bei Endometriose bzw. Adenomyose.

Teresa Götz: Herzlich Willkommen, Dr. Ibrahim. Die erste Frage, die wir mitgebracht haben, ist, bedeutet Endometriose oder Adenomyose immer eine Risikoschwangerschaft?

Dr. Mohamed Ibrahim: Man muss ganz klar sagen, nein, nicht immer. Allerdings empfehle ich immer, und das steht auch in den aktuellen europäischen Leitlinien für Endometriose, dass wenn eine Schwangerschaft bei einer Patientin eingetreten ist, man ein Auge auf den Schwangerschaftsverlauf haben sollte, d.h. engmaschige Ultraschalluntersuchungen.

Über Dr. Ibrahim

Dr. Ibrahim kommt aus Ägypten und hat dort seine Facharztausbildung gemacht. Seit knapp 11 Jahren lebt er in Deutschland. Zuerst hat er im Endometriosezentrum der Charité in Berlin unter der Betreuung von Sylvia Mechsner gearbeitet, wo er auch seine Doktorarbeit zum Thema Endometriose und Adenomyose verfasst hat. Im Anschluss ist er nach Münster gezogen und hat dort eine Weiterbildung in Evolutionsmedizin, d.h. im Bereich Kinderwunsch, gemacht und war vier Jahre an der Uniklinik tätig. Nach Abschluss der Facharztausbildung ist er wieder nach Berlin gegangen und hat im Kinderwunschzentrum Magdeburg als Kinderwunscharzt gearbeitet. Mittlerweile lebt Dr. Ibrahim in Niedersachsen und ist ärztlicher Leiter des Teams Kinderwunsch Oldenburg. Neben seiner Arbeit als Arzt ist er Referent auf nationalen und internationalen Kongressen zum Thema Kinderwunsch und Endometriose.

Teresa Götz: Das heißt, es muss nicht immer ein Risiko sein, aber die häufige Kontrolle ist zur Sicherheit besser. Kann man das vielleicht so sagen?

Dr. Mohamed Ibrahim: So ist das, vor allem auch bei der Geburt. Ich bilde auch junge Ärzte aus, die im Kreißsaal tätig sind. Wenn eine Frau mit einer Vorgeschichte von Zustand nach Entfernung oder Sanierung von tiefsitzender Endometriose kommt, muss man den Geburtsverlauf auch gut beachten. Bei einer Verzögerung oder einem Verlauf sollte man zügig darauf reagieren, besonders bei tiefsitzender Endometriose. Denn das Endometriose-Gewebe ist ein weiches Gewebe. Wenn dieses weiche Gewebe während der Geburt auseinander aufgeht, dann ist das ein Problem, ein Risiko für eine Ruptur. Das heißt, ein Aufriss an der Gebärmutter oder der Scheidenwand führt schnell zu einer verstärkten Blutung nach der Geburt. Wir wollen aber denen, die schwanger sind, keine Angst machen. Meistens sind die Komplikationen wie bei allen anderen Frauen, die keine Endometriose haben. Aber man muss einfach im Hinterkopf haben, dass diese Frauen eine engmaschigere Kontrolle brauchen als die anderen.

Teresa Götz: Es ist besser vorsichtig zu sein und noch einmal zu kontrollieren, als das Risiko einzugehen. Wollen Sie noch etwas zu der Frage ergänzen?

Dr. Mohamed Ibrahim: Eine Schwangerschaft mit Endometriose gilt als eine Hochrisikoschwangerschaft, doch das Allerwichtigste ist, nicht alle Endometriose-Patientinnen haben die gleichen Komplikationen oder die gleichen Risiken. Besonders muss man hier die Frauen erwähnen, die Endometriose vor allem in der Gebärmutterhöhle, also in der Gebärmuttermuskelschicht haben. Diese Art der Endometriose heißt Adenomyose. Hier haben wir ein höheres Risiko für Fehlgeburten. Deswegen behalten wir immer ein Auge darauf, auch bei der Kinderwunschbehandlung. Wir überlegen, welcher Therapieplan für diese speziellen Fälle geeignet wäre. Manchmal braucht man beispielsweise eine hochdosierte Hormongabe. Zum Beispiel, die Gelbkörperhormon-Unterstützung, schon vor dem Embryotransfer, also vor dem Einsetzen des Embryos bei der Kinderwunschbehandlung. Auch während der ersten Wochen der Schwangerschaft, bis zur 12. oder 16. Schwangerschaftswoche. Das ist immer wichtig bei dieser Form der Endometriose zu betrachten. Allerdings Frauen, die nur eine ganz oberflächliche Endometriose haben, also diese Nadelkopf-großen Endometrioseherde haben, müssen sich keine Sorgen machen. Meistens verläuft die Schwangerschaft gut bei dieser Endometriose. Bei einem ausgeprägten Endometriose-Befund am Darm oder an der Scheide, da muss man ganz genau schauen, wie der Geburtsverlauf ist und zügig darauf reagieren. Dann muss man schnell eingreifen und doch lieber einen Kaiserschnitt machen oder auch nach der Entbindung schauen, ob es im auch Geburtskanal Verletzungen an ungewöhnlichen Stellen gibt.

Teresa Götz: Was natürlich auch viele beschäftigt, ist, ob das Risiko für Fehlgeburten allgemein höher ist bei Endometriose und Adenomyose. Das haben Sie schon beantwortet. Es kommt sehr darauf an, wo der Endometrioseherd ist und wie ausgedehnt es ist. Sie haben gerade schon Methoden beschrieben, was man abklären kann. Aber auch, was man bei Adenomyose zur Vorsorge machen kann. Sie haben zum Beispiel die Hormongabe erwähnt.

Dr. Mohamed Ibrahim: Genau, bei der einfachen oder gewöhnlichen Endometriose sagt man: „Bauchspiegelung – entfernen, ja oder nein?“ Aber bei der Adenomyose ist das Problem ist, dass das Schleimhautgewebe in der Muskelschicht der Gebärmutter darin ist. Das Problem dabei ist, dass eine Entfernung von diesen Herden bedeutet, dass die Gebärmutter entfernt werden muss. Das kommt nicht in Frage bei den Patientinnen. Es gibt allerdings in der letzten Zeit bei der Adenomyose ein radikaleres Vorgehen, bei dem man die Endometrioseherde aus der Muskelschicht der Gebärmutter entfernt. Allerdings empfehle ich das immer nur für Frauen, die keinen Kinderwunsch haben. Aktuell fehlen uns die Langzeitstudien, die uns den Beweis oder die Sicherheit geben, dass solche Eingriffe auch keine negative Auswirkung in den folgenden Jahren auf die Fähigkeit schwanger zu werden haben. Deswegen bleibt uns nur die Hormonbehandlung übrig. Das heißt, wenn wir zum Beispiel eine künstliche Befruchtung anstreben, weil die Spermien bei dem Mann eingeschränkt sind, müssen wir sowieso so eine Behandlung durchführen. Das heißt, wir setzen die Frau bewusst für zwei, drei Monate in die Wechseljahre, schon vor dem Beginn der Behandlung. Damit machen wir die Endometrioseherde inaktiv. Ich vergleiche das immer mit einem Handy, also einmal das Handy herunterfahren und dann noch einmal hochfahren lassen. Das ist diese Unterdrückung. Die Spritze reicht für zwei, drei Monate vor dem Beginn der Behandlung. Anschließend wird mit dem Hochfahren, der Hormonstimulation weitergemacht. Mit dem Einsetzen der Regelblutung, gibt man dann ein Medikament, was dafür sorgt, dass die Gebärmutter auch beruhigt bleibt, und nicht durch die Endometrioseherde in der Muskelschicht der Gebärmutter gereizt wird. Das ist dieses Progesteron, also das Gelbkörperhormon. Bei einem ausgeprägten Adenomyose- Befund tendiere ich zu einer hochdosierten Gelbkörperhormongabe. Das muss man immer individuell entscheiden. Deswegen bin ich auch komplett davon überzeugt, dass man, bevor man irgendeine Behandlung macht, die Patientinnen, die Ausbildung der Endometriose und die Patientinnenbeschwerden gut beurteilt haben muss. Das spielt eine wichtige Rolle für das weitere Vorgehen und für deren Fahrplan.

Teresa Götz: Sie müssen wirklich ein gutes Bild rundum um diese Patientinnen haben, was sie wollen und wie der Zustand ist. Dann können Sie eine gute Entscheidung treffen.

Dr. Mohamed Ibrahim: Genau. 40 bis 50 Prozent aller meiner Patientinnen in meiner Sprechstunde sind auch Endometriose-Patientinnen. Ich sage ihnen auch, dass sie nicht überrascht sein sollen, wenn sie im Wartebereich sitzen und sich austauschen und unterschiedliche Therapiepläne haben. Alle haben Endometriose, aber jede ein spezieller Fall. Das muss man immer berücksichtigen, je nach Beschwerden, je nach Ausprägung, je nach den Wünschen der Patientin. Es gibt auch Frauen, die keinen Kinderwunsch haben. Da geht man anders vor als bei Frauen mit Kinderwunsch.

Teresa Götz: Hierzu gibt es passend die Frage: Sollte man direkt vor dem Versuch schwanger zu werden, eine erneute Bauchspiegelung durchführen?

Dr. Mohamed Ibrahim: Nein, ich will heute diese Botschaft auch ganz eindeutig vermitteln. Endometriose bedeutet nicht sofort eine Bauchspiegelung. Endometriose bedeutet, dass wir eine interdisziplinäre Behandlung brauchen. Wir brauchen mehrere Ärzte an Bord, die spezialisiert sind in unterschiedlichen Fachbereichen. Bitte schicken Sie nicht alle Endometriose-Patientinnen zur Bauchspiegelung. Wir können auch nicht immer von jeder Bauchspiegelung einen Nutzen haben oder davon profitieren. Jede Bauchspiegelung ist ein Eingriff und hinterlässt auch eine Stelle, an der eine Verwachsung entstehen könnte. Die Verwachsungen an sich können auch wiederum an den Nervenfasen ziehen, welche auch Schmerzen verursachen können. Die können auch später zu einer Verklärung in dem Bauch führen. Deswegen ist das Motto seit den letzten zwei, drei Jahren „Once Undone“. Eine Operation sollte nur durchgeführt werden, wenn wirklich ein dringender Grund vorliegt. Wenn man die Operation macht, dann sollte man möglichst schon die Endometriose entfernt haben oder entfernen. Nicht alle Endometriose-Patientinnen, die schwanger werden möchten, sollten direkt zu der Bauchspiegelung geschickt werden. Auch hier muss man wieder sagen, das muss man individuell sehen und entscheiden. Es gibt eine Frau, die ist jung, die hat seit einem Jahr einen Kinderwunsch, die Spermien bei dem Mann sind einwandfrei, und sie hat ein bisschen Regelbeschwerden. Da kann man sagen: „Okay, wir sehen uns die Eileiter an, ob die durchgängig sind oder nicht.“ Das ist wichtig für den Kinderwunsch. Dabei können wir auch nach Endometrioseherden suchen und diese entfernen. Das ist das Aufräumen von dem Haus. Dann ist das Haus auch nett eingerichtet für die Schwangerschaft. Das ist die zweite Message für heute. Wenn man die Bauchspiegelung gemacht und die Endometriose entfernt bekommen hat, dann bitte keine Pause für drei oder vier Monaten nach der Bauchspiegelung machen. Ich habe zum Beispiel eine Patientin, die jung ist, die Bauchspiegelung vor drei, vier Monaten gemacht hat und nach der Operation wurde sie für drei Monate auf eine Hormonbehandlung, also auf die Antibaby-Pille gesetzt. Das bringt der Patientin nichts. Das ist eine versäumte Zeit nach der Bauchpiegelung, um schwanger zu werden. Die beste Zeit ist direkt in den ersten Monat nach der Bauchspiegelung, also zeitnah weiter versuchen nach der Bauchspiegelung. Voraussetzung dafür ist, dass es der Frau nach der Operation gut geht und dass sie alles gut überstanden hat. Aber man braucht keine Pause, davon profitiert man nicht. Sondern das ist ein Versäumnis der goldenen Zeit.

Teresa Götz: Das auf jeden Fall schon einmal ein guter Hinweis, dass die Zeit direkt nach der Operation doch günstig ist für eine Schwangerschaft. Da vielleicht auch passend die Frage, wie können die Chancen auf eine natürliche Schwangerschaft noch erhöht werden?

Dr. Mohamed Ibrahim: Allgemein und speziell für Endometriose. Allgemein würde ich sagen, bei Frauen, die unter 35 Jahre alt sind, tickt die biologische Uhr etwas langsamer als bei Frauen, die über 35 Jahre alt sind. Die Qualität der Eizellen ist ein bisschen anders als die Qualität von über 35- oder über 38-Jährigen. Solange sie eine regelmäßige Blutung nach dem Absetzen der Pille bekommen haben, kann man erst einmal für zwölf Monate versuchen, regelmäßig zu Hause Sex zu haben. Warum zwölf Monate? Statistisch gesehen, werden nach dem ersten Jahr 80 bis 85 Prozent schwanger. Stellen wir uns vor, 100 Frauen versuchen seit Januar 2022 schwanger zu werden. Im Januar 2023 sind 80 bis 85 davon auf natürlichem Wege, ohne ärztliche Hilfe, schwanger. Deswegen sage ich den Frauen immer: „Lassen Sie sich erst einmal Zeit zu Hause. Sie können es auch einfach zu Hause versuchen.“ Es kommen auch ein paar und sagen: „Wir haben jeden Tag Sex gehabt und an manchen Tagen sogar zweimal und haben die Ovulation getestet.“ Wenn das dem Paar guttut, dann ist das kein Problem. Aber meistens ist es das leider nicht. Dann ist es eher Sex auf Kommando und alles muss jetzt gemacht werden. Dann ist es kein normales Sexualleben mehr für das Paar. Dann verliert man auch die Lust auf Sex. Das ist einfach mit dem Ziel verbunden, schwanger zu werden, mehr nicht. Das soll aber eigentlich nicht so sein. Wir nehmen einen Fakt aus der Biologie. Die Spermien können drei bis vier Tage nach der Ejakulation, nach dem Sex überleben, also lebendig bleiben. Die Eizelle kann bis zu 24 Stunden fruchtbar bleiben. Deswegen empfiehlt man, alle drei bis vier Tage einmal Sex zu haben. Abgesehen davon, ob der Eisprung ansteht oder nicht, nach der Regelblutung kann man ganz entspannt so herangehen und alle drei Tage einmal Sex haben. Wenn man Lust und Zeit für mehr Sex hat, dann ist es kein Problem, aber es muss nicht sein. Dann kann man auch den Kopf frei machen. Kein Ovulationstest mehr und „Schatz, du musst heute früher von der Arbeit kommen, wir müssen Sex haben, weil der Ovulationstest positiv anzeigt.“ Ausnahmen für diese Empfehlung sind Frauen, die über 35 Jahre alt sind. Dann würde ich sagen, dass sie es nicht ein ganzes Jahr versuchen sollen. Sondern da gibt es eine Empfehlung, es ein halbes Jahr zu versuchen. Wenn die Regelblutung aber gar nicht oder unregelmäßig kommt, also nicht einmal im Monat, sondern vielleicht alle zwei oder drei Monate. Das ist nicht schlimm, man sollte es aber einmal abklären lassen. Und bitte die Männer bei der Abklärung nicht vergessen. Die sind ein großer Bestandteil der Behandlung. Also, liebe Männer, lasst auch einmal eure Samen untersuchen. Denn bei einem Drittel liegt die Ursache bei dem Mann.

Bei Endometriose-Patientinnen sieht es so aus: Sobald sie Beschwerden haben, die auf eine Endometriose hindeuten könnten, also starke Regelschmerzen, andauernde Schmerzen, die therapiebedürftig sein. Das heißt, man muss immer eine Schmerztablette einnehmen, sonst kommt man mit den Schmerzen nicht zurecht. Die Schmerzen dauern drei oder vier Tage an, was auch nicht normal ist. Oder die Schmerzen haben zugenommen nach dem Absetzen der Pille oder Schmerzen beim Sex, beim Wasserlassen oder beim Stuhlgang. Da sind die Beschwerden, bei denen man sich einmal in einem Endometriose-Zentrum oder Kinderwunschzentrum mit Schwerpunkt Endometriose oder bei einer Frauenärztin oder einem Frauenarzt, die auch auf Endometriose spezialisiert sind, vorstellen sollte. Wir müssen nicht alle Endometriose-Spezialisten sein. Aber wir sollten Endometriose-orientiert sein. Wir müssen die Endometriose auch im Hinterkopf haben, wenn wir unsere Patientinnen sehen. Wenn man alles abgecheckt hat und sieht, dass alles super ist, dann könnte man die Bauchspiegelung in Betracht ziehen und einmal schauen, wie die Eileiter aussehen und dabei gegebenenfalls auch die Endometriose entfernen. Dann sind auch hier die Chancen recht hoch, nach der Bauchspiegelung schwanger zu werden. Also bis zu 60 Prozent der Frauen werden in den ersten sechs Monaten nach der Entfernung der Endometriose schwanger. Ich rede auch von jüngeren Frauen, die unter 35 Jahren alt sind. Als letztes nicht vergessen, Folsäure einzunehmen. Sobald sie sich mit dem Kinderwunsch beschäftigen, sollten sie regelmäßig Folsäure einnehmen.

Teresa Götz: Da habe ich zwei anschließende Fragen: Können Sie Empfehlungen für Kliniken oder Kinderwunschärzte und -ärztinnen geben, oder wo findet man gute Adressen?

Dr. Mohamed Ibrahim: Ich würde sagen, fast in jedem Bundesland findet man eine zertifizierte Endometriose-Klinik oder ein Kinderwunschzentrum mit dem Schwerpunkt Endometriose. Wie findet man das Ganze? Es gibt die Endometriose Vereinigung Deutschland, wo alle Zertifizierten aufgelistet sind. Dazu findet man auch Informationen im Internet. Als zweite Sache würde ich empfehlen, eine Beratung zu machen. Sie können einfach einen Termin ausmachen. Testen Sie aus, ob es in der Klinik passt, ob Sie von der Erzählung des Arztes oder der Ärztin überzeugt sind oder nicht. Wir sind alle Menschen, auch ich. Wenn ich krank bin, gehe ich zu einem Arzt oder einer Ärztin, rede mit ihm oder ihr und schaue, ob alles passt. Obwohl das nicht in meinem Fachbereich liegt, kann ich entscheiden, ob ich mich dabei wohlfühle oder nicht. Es ist wichtig, ob die Chemie passt. Das ist ein psychologischer Faktor. Ich glaube, da sind sie die Experten dafür, für diesen Placebo-Effekt. Man muss auch ein Vertrauen mit seinem Arzt oder seiner Ärztin aufgebaut hat. Deswegen kann man sich die Liste im Internet anschauen und auch selbst Erfahrungen sammeln. Heutzutage ist der Austausch unlimited. Das ist überall. Der Austausch findet auch auf allen unterschiedlichen sozialen Kanälen, WhatsApp, Instagram, Facebook und so weiter statt. Da kann man sich immer austauschen und sagen: „Ich habe eine Empfehlung. Ich habe hier eine gute Erfahrung gemacht mit dem Arzt oder mit der Ärztin.“ Da kann man dann hingehen und das ausprobieren.

Teresa Götz: Dass man auch vielleicht sagt: „Ich komme aus der Gegend, wer hat dort eine Empfehlung?“ Ich kann Ihnen auch noch einmal zustimmen. Ich habe es immer in der Rehaklinik gesehen, dass das auch ein sehr emotionales Thema ist. Die Kinderwunschbehandlung kann eine Achterbahnfahrt sein. Da muss man sich einfach sehr gut aufgehoben fühlen. Wir haben noch einige Fragen. Sie haben auch schon Folsäurepräparate angesprochen. Eine Betroffene hat schon im Vorhinein die Frage gestellt: Folsäurepräparate fördern die Histaminausschüttung, dadurch hat sie Beschwerden. Was gibt es für Alternativen?

Dr. Mohamed Ibrahim: Schwierig, mit dieser Frage bin ich ein bisschen überfordert. Ich weiß nicht, ob es eine Alternative gibt für Folsäure, die aber nicht dazu führt, dass Histamine ausgeschüttet werden. Ich würde sagen, an dieser Stelle wenden Sie sich am besten an einen Ernährungsberater. Dass man erfragt, ob auch über andere Ressourcen oder Quellen Folsäure zu entnehmen ist. Man muss auch sagen, dass man gut mit Folsäure versorgt ist, wenn man sich normal ernährt und ein ausgewogenes Essen zu sich nimmt. Worin Folsäure enthalten ist, kann man im Internet nachsehen. Dann muss man nicht unbedingt Tabletten einnehmen. Aber man muss schon darauf achten, dass man immer ein ausgewogenes, folsäurereiches Essen zu sich nimmt.

Teresa Götz: Das passt vielleicht auch zu der nächsten Frage. Gibt es vielleicht weitere Möglichkeiten, den eigenen Körper in Vorbereitung auf die Kinderwunschbehandlung zu unterstützen? Was kann man vielleicht noch machen?

Dr. Mohamed Ibrahim: Ich glaube, die seelische Vorbereitung ist ganz wichtig. Ich habe damals einen Austausch über soziale Kanäle mit einer Fotografin aus Australien gemacht. Sie hat 17 Endometriose-Patientinnen fotografiert, also in ihrem Alltag. Sie wollte einfach deren Alltag in einem Heft abbilden. Das Heft heißt, „Life with Endometriosis“. Meine Message dabei ist, dass man sich darauf vorbereiten sollte, wenn man die Diagnose Endometriose festgestellt bekommen hat, sich mit ihr anzufreunden. Es ist eine chronische Erkrankung. Bisher oder zurzeit gibt es leider keine Therapie, die die Endometriose wegmacht. Aber ich empfehle immer, dass man seinen Weg findet, wie man mit der Endometriose leben kann. Das ist „Life with Endometriosis“. Ähnlich ist es bei Bluthochdruck oder Diabetes. Deswegen braucht man diese seelische Vorbereitung. „Mir ist bewusst, dass ich Endometriose habe. Aber ich lebe mit der Endometriose. Ich gehe jetzt zu der nächsten Baustelle. Das ist der Kinderwunsch. Aber eigentlich ist es keine Baustelle. Sondern es ist eine Stelle, bei der ich eine genügende oder gute Versorgung bekommen sollte, um mir dabei zu helfen, schwanger zu werden.“ Das ist, glaube ich, die beste Vorbereitung, bevor man in die Kinderwunschklinik geht. Die Reise ist manchmal nicht so einfach und kann ein bisschen dauern. Deswegen sage ich immer zu all unseren Patientinnen: „Bringen Sie immer Zeit und Geduld mit für die Behandlung.“ Auch als Ärzte müssen wir immer Zeit und Geduld haben. Zeit für unsere Patientinnen und Geduld, dass wir uns auch alle Beschwerden der Patientinnen anhören sollen. Dass wir für das Gespräch mit unseren Patientinnen auch ein bisschen mehr Zeit einräumen.

Teresa Götz: Es geht dann nicht in drei Minuten. Sie haben auch am Anfang gesagt, dieses umfassende Bild und so weiter, oder das Vertrauen schaffen, da braucht man einfach ein bisschen Zeit.

Dr. Mohamed Ibrahim: Das stimmt. Manchmal mache ich einen Ultraschall und finde sofort einen ausgeprägten Endometriose-Befund. Eigentlich waren für das Gespräch oder diese Untersuchung nur 15 oder 20 Minuten eingeplant. Aber ich muss mir ein bisschen mehr Zeit nehmen, vielleicht zehn Minuten nehmen und sagen: „Vielleicht machen Sie noch einmal in der nächsten Woche einen Termin für ein abschließendes Gespräch.“ Das sind weitere 15 oder 20 Minuten, aber der Mensch muss all diesen Input und diese Informationen, die neu aufgetaucht sind, erst einmal verarbeiten und verstehen. Wir behandeln keine Ärzte, wir behandeln einfach Menschen, die vielleicht gar keine Kenntnisse haben über ihren eigenen Körper. Die auch keinen medizinischen Hintergrund haben. Das ist nicht ihre Schuld. Aber das ist unsere Aufgabe als Ärzte, die Patientinnen in das Boot zu holen und sie über alles Mögliche aufzuklären und das in einfacher und verständlicher Sprache zu machen.

Teresa Götz: Dann, denke ich, ist es auch besser, was Sie gerade geraten haben, sich selbst nicht so viel Druck zu machen und zu schauen, was kann ich mir Gutes tun, wie kann ich selbst für mich gut damit umgehen? Das passt sowohl dazu, wenn man schwanger werden will, als auch generell mit der Erkrankung, mit sich selbst liebevoll umzugehen und sich da nicht noch zusätzlich Druck zu machen.

Dr. Mohamed Ibrahim: Genau, da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Ich habe das auch selbst als Patient schon erlebt. Ich musste operiert werden und obwohl ich auch Arzt bin, habe ich das nicht genau verstanden. Es war für mich alles aufregend, auch vor dem Gespräch. Wenn ich das Paar zu dem Gespräch hereinhole und frage, wie es ihnen geht, dann sagen sie: „Wir sind total aufgeregt.“ Dieses Gefühl habe ich auch vor dem Aufklärungsgespräch vor meiner Operation gehabt. Wir sind Menschen. Man muss sich auch vorstellen können, wie es ist, wenn man die Rollen tauscht und wie man sich als Patient fühlt.

Teresa Götz: Genau, das ist einfach nur menschlich. Das darf auch sein. Man kann ein bisschen aufgeregt sein. Ich schaue noch einmal nach weiteren Fragen aus der Community. Jemand hat gefragt: Was kann ich bei einem völlig unregelmäßigen Zyklus tun?

Dr. Mohamed Ibrahim: Wenn er völlig unregelmäßig ist, bitte sofort zu dem Frauenarzt oder der Frauenärztin gehen. Das ist nicht normal. Die Regelblutung ist ein Zeichen dafür, dass alles stimmt in dem Körper. Hormone aus der Hormonanhangsdrüse, eine Etage darüber, am Hypothalamus, Hirnanhangsdrüse, Eierstöcke, Gebärmutter. Das ist das Anzeichen dafür, dass alle diese Organe miteinander gut spielen. Wenn das nicht funktioniert und die Regelblutung bei Ihnen ausbleibt, kann es sein, dass es an der oberen Etage liegt oder an den Eierstöcken oder an der Gebärmutter. Bei den Eierstöcken kann es ein PCO-Syndrom, ein polycystisches Ovarialsyndrom sein. Das ist aber ein anderes Thema. Manchmal haben Frauen auch an der Hirnanhangsdrüse einen kleinen gutartigen Tumor, bei 99 Prozent. Der produziert aber vermehrt Prolaktin mit dem Bindungshormon, wodurch die Regelblutung ausbleibt. Oder es ist ein bisschen eine Kopfsache, sodass es zu einer hypothalamischen Amenorrhoe kommt, also einem Ausbleiben der Regelblutung wegen hohen innerem Stress im Körper. Das Gehirn wirkt sich hier negativ auf die anderen Organe aus und deswegen bleibt die Regelblutung aus. Wir haben auch benachbarte Organe. Ein ganz wichtiges Organ ist dabei zum Beispiel die Schilddrüse. Eine Unter- oder Überfunktion kann auch zu einer Unregelmäßigkeit bei der Regelblutung führen. Bei einem unregelmäßigen Zyklus lasse ich das deswegen nicht nicht abgeklärt, sondern ich mache morgen einen Termin bei meinem Frauenarzt oder meiner Frauenärztin und die schaut sich das einmal an. Wenn es nötig ist, dass ich weiter überwiesen werden sollte zu einem Kinderwunschzentrum, weil ich dazu noch einen Kinderwunsch habe, dann machen sie das. Also, lassen Sie das bitte zeitnah abklären.

Teresa Götz: Eine andere Frage: Kann der OvulaRing effektiv helfen? Vielleicht können Sie auch einmal erklären, was das ist.

Dr. Mohamed Ibrahim: Ich habe selbst keine Erfahrung damit. Aber damit wird die Körpertemperatur und der Progesteronspiegel in der Scheide gemessen, soweit ich mich an diese Informationen erinnern kann. Damit kann man etwas genauer sagen, wann die fruchtbaren Tage sind. Das ist ähnlich dazu, die Körpertemperatur immer morgens zu messen, also mit einem Temperaturanstieg von 0,2 bis 0,5°C. Oder auch vergleichbar mit dem Ovulationstest im Urin, der immer morgens gemacht wird, um zu schauen, ob der Eisprung ansteht. Der OvulaRing dient auch dazu, dass man sieht, ob ein Eisprung ansteht und man schauen kann, ob man dann mehr Sex haben sollte. Manche finden, dass es ein tolles Tool ist und auch der Frau hilft, dass sie ihren Zyklus dadurch ein bisschen besser kennenlernen kann. Andere empfinden das aber schon als einen Aufwand gegen die Natur. Ich bin ein bisschen der Typ, der sagt, weniger ist mehr. Das heißt, alle zwei bis drei Tage einmal Sex haben. Abgesehen davon, ob der Mann auch da ist oder auf Dienstreise gehen muss, denn ich habe einen Tag davor Sex gehabt. Da kann ich mir sicher sein, dass die Spermien noch da und lebendig sind. Ich habe auch die nächsten zwei, drei Tage gut abgedeckt mit den Spermien des Mannes. Stress spielt hier auch eine wichtige Rolle, aber dafür gibt es zum Beispiel den OvulaRing.

Teresa Götz: Auch eine spannende Frage: Kann eine Endometriose den Kinderwunsch beeinflussen, obwohl die Eileiter nicht betroffen sind?

Dr. Mohamed Ibrahim: Ja, könnte. Die Schwangerschaft stelle ich mir immer wie ein Haus vor. Ich empfange Gäste zu Hause und mache eine kleine Party. Dafür muss man aber vorher das Haus gut aufgeräumt und sauber gemacht haben. Der Weg bis zu dem Haus muss auch gut asphaltiert und befahrbar sein. Da sind die Eileiter. Im Garten und um das Haus herum, liegen aber viele Steine und Sand. Das ist nicht schön. Denn auf diesem Weg schwimmen auch die Spermien zu der Eizelle hin. In die andere Richtung schwimmt die Eizelle aus dem Eierstock erst einmal in den Bauch. Danach wird sie durch den Eileiter und landet dann in dem Eileiter. Das heißt, das ist die Umgebung für die Eizellen und Spermien. Wenn da zu viele Endometrioseherde sind, bluten die auch jeden Monat in den Bauch ein, und über Monate und Jahre sammelt sich diese Flüssigkeit beziehungsweise dieses alte Blut in dem Bauchraum. Das wäre auch ungünstig für die Qualität der Spermien und Eizelle. Ich habe selbst auch einmal untersucht, dass Spermien zusammen mit dem Blut schneller sterben. Das heißt, man hat negative Auswirkung auf die Beweglichkeit der Spermien, zum Beispiel. Das gleiche gilt auch in manchen Studien für die Vermischung von der Eizelle mit dem alten Blut aus Endometriosezysten. Auch bei der Eizellentnahme, zum Beispiel bei einem Kinderwunsch. Deswegen wird nicht empfohlen, gleichzeitig eine Endometriosezyste leer zu machen, wenn man die Eizellen entnimmt. Denn das kann schnell die Qualität der Eizellen negativ beeinträchtigen. Deswegen noch einmal zu der Frage, kann die Endometriose ohne Beeinflussung der Eileiter eine Schwangerschaft verhindern? Ja, und deswegen empfiehlt man in diesem Fall, wenn alles andere gut eingestellt ist bei der Frau, dass man eine Bauchspiegelung macht und die Endometriose entfernt.

Teresa Götz: Auf jeden Fall ein wichtiges Thema. Mit der Metapher mit dem Haus kann man sich das immer gut vorstellen, dass Verschiedenes passen muss. Ich glaube, auch die Empfindungen, die mit Endometrioseherden einhergehen, sind auch ungünstig. Durch verschiedene Effekte ist es doch besser, zu Hause aufzuräumen.

Dr. Mohamed Ibrahim: Auf jeden Fall. Wenn ich mit meinen Patientinnen rede, sage ich immer: „Jetzt ist die Wohnung aufgeräumt und mit neuen Möbel eingerichtet. Jetzt darf man auch mit der Party loslegen.“

Teresa Götz: Sehr gut, dann kommen wir schon zu der letzten Frage, die ich mitgebracht habe. Ist mit Verwachsungen eine Schwangerschaft überhaupt möglich? Können die Verwachsungen sich dehnen oder reißen sie? Ich glaube, Sie haben schon bisschen etwas dazu gesagt, aber vielleicht können Sie trotzdem noch einmal ausführen.

Dr. Mohamed Ibrahim: Wenn die Verwachsungen in dem Bauch dazu führen, dass die Eileiter verklebt und verschlossen sind, dann verhindert es, dass eine Schwangerschaft eintritt. Oder es wäre ein Risikofaktor, dass der Embryo, der in dem Eileiter entstanden ist, sich nicht auf den Rückweg zu der Gebärmutterhöhle machen kann. Dann bleibt er stecken und es kommt zu einer Eileiterschwangerschaft. Auch das wäre auch ungünstig. Das sind diese Verwachsungen. Verwachsungen während der Schwangerschaft: Das ist unterschiedlich. Es gibt Frauen, die von einer Besserung der Endometriose-Beschwerden während der Schwangerschaft berichten. Das kann man gut nachvollziehen. In der Schwangerschaft steigen alle Hormone an. Östrogen ist hoch, und das ist so, als ob man eine hochdosierte Pille einnehmen würde. Deswegen wird die Endometriose auch unterdrückt. Es gibt aber andere Frauen, bei denen die Endometrioseherde anders auf diesen höheren Hormonspiegel reagieren. Sodass die bestimmte Veränderungen aufweisen, die dazu führen, dass es noch einmal zu Einblutungen durch Reizung dieser Verwachsungen kommen kann. Dann haben die persistierende, also andauernde Beschwerden, beziehungsweise auch manchmal Verschlechterungen der Beschwerden. Akute Beschwerden während der Schwangerschaft müssen sofort abgeklärt werden. Vor allem, wenn man weiß, dass man schwanger ist und eine große Endometriosezyste an der Eierstöcken hatte. Dann kann es sein, dass diese Zyste in dem Bauch geplatzt ist. Dann kommt es zu einem akuten Schmerz in dem Bauch. Das muss auch abgeklärt werden. Aber Verwachsungen können auch während der Schwangerschaft gedehnt werden. Manchmal können die auch nett bleiben und nichts ausmachen während der Schwangerschaft.

Teresa Götz: Also, auch hier spielen individuelle Faktoren wieder eine große Rolle. Man kann es nicht vorhersagen und braucht viel Erfahrung. Vielen Dank, Herr Dr. Ibrahim für die spannenden Einblicke!

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