Teresa Götz:
Und was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen auf dem Gebiet der Endometriose?
Prof. Dr. Häusler:
Also ich glaube, das eine ist tatsächlich, dass man diese Informationen in die Breite trägt. Das ist jetzt besser geworden. Man sieht es auch in Social Media und auch in den konventionellen Medien, dass das immer mehr ein Thema ist und auch immer mehr Leute darüber nachdenken. Nicht nur Patientinnen, die das betrifft, sondern eben auch Ärztinnen und Ärzte. Und ich denke, dass da tatsächlich trotzdem noch ein relativ weiter Weg zu gehen ist.
Und das Zweite ist natürlich, wie immer in der Medizin, dass man versuchen muss, die Therapien, die Diagnostik, die Strategien zu verbessern. Da sind wir sicherlich auch noch gar nicht so weit wie vielleicht in vielen anderen Bereichen.
Teresa Götz:
Ich würde dann jetzt zum Endometriose Zentrum kommen, da ein paar Fragen stellen. Wie können denn Patienten hier einen Termin vereinbaren? Geht das direkt oder brauchen die eine Überweisung?
Prof. Dr. Häusler:
Dadurch, dass wir hier durch die Angliederung an die Uni eine Hochschul-Ambulanz bei uns haben, kann man sich tatsächlich einfach direkt hier vorstellen und braucht keine Überweisung. Auf der anderen Seite, wenn man schon einen Arzt oder eine Ärztin hat, der einen lange betreut, dann macht es schon Sinn, dass die auch eine Überweisung ausstellen. Das stehen dann meistens schon so die Kernfragen drauf zu den Betroffenen. Dann weiß man schon, was so das Hauptproblem ist.
Geht also beides!
Teresa Götz:
Wie kann sich denn die Patientin auf die Sprechstunde gut vorbereiten?
Prof. Dr. Häusler:
Also im Endeffekt, glaube ich, ist wichtig, dass man in sich geht und sich fragt, was wirklich die Hauptprobleme sind. Es wird bei Endometriose aber immer von so zwei – in Anführungszeichen – idealtypischen Patienten gesprochen: Einmal die Kinderwunsch-Patienten und einmal die Patienten mit chronischen Schmerzen. Im Endeffekt ist es eigentlich fast nie so, sondern meistens etwas von Beidem, aber um dann für die Patienten individuell planen zu können, was man eigentlich macht, was man diagnostisch für Wege abgeht, was für die Patienten auch vielleicht in Ordnung ist – da macht es schon Sinn, gerade wenn die Patienten sich schon von selbst etwas Informationen angelesen haben oder schon ein bisschen was wissen, dass sie sich tatsächlich überlegen: „Was ist denn so ein Hauptproblem? Was sollen wir denn angehen?“
Ich glaube, dass ist tatsächlich einer der Punkte, die gar nicht so ganz unwichtig sind.
Teresa Götz:
Und wie läuft die Diagnostik bei Ihnen genau ab?
Prof. Dr. Häusler:
Also die Patienten bekommen Termine in der Sprechstunde. Das ist im Endeffekt fast so wie bei der normalen Frauenärztin/Frauenarzt. Man reden miteinander, man guckt die Vorgeschichte an und macht eine ganz normale gynäkologische Untersuchung. Das heißt, dass ist eine Spiegel-Einstellung, das ist eine Tast-Untersuchung, das ist eine gynäkologische Ultraschalluntersuchung. Warum? Weil man damit meistens schon ziemlich gut weiß, in welche Richtung es weitergehen wird.
Klar, großes Problem bei der Endometriose: Ich kann es halt immer noch nicht richtig gut ohne Operation im Stadium eingrenzen und/oder die Erkrankung ausschließen. Aber wie gesagt, es gibt in Deutschland eine ganze Menge an indirekten oder auch direkten Hinweisen, dass Endometriose vorliegen könnte, zusätzlich zur Vorgeschichte, sodass man das schon machen muss. Und vor allem, wenn wir dann in Richtung der ja momentan immer noch Leitlinien gerecht geforderten Diagnostik, nämlich der Operation, gehen, hilft es schon, so ein bisschen in diese Richtung zu planen.
Teresa Götz:
Also, je mehr Informationen Sie vorher haben, desto besser ist es natürlich dann auch für die Operation?
Prof. Dr. Häusler:
Also Stichwort Kinderwunsch-Patienten – da interessiert es einen natürlich, was da sonst so die Voraussetzungen sind, was da schon für Diagnostik gelaufen ist, was für Hormone angeguckt worden sind, wie es beim Partner war. Bei der chronischen Unterbauch-Schmerzpatienten – was für andere, wo meistens ja schon sehr viel an der Diagnostik gelaufen ist, dass sie alle Befunde mitbringen, eine Darmspiegelung mitbringen. Und so weiter und so fort.
Teresa Götz:
Und wie geht es nach der Diagnosestellung weiter? Welche Therapien bieten Sie zur kurzfristigen und zur langfristigen Behandlung?
Prof. Dr. Häusler:
Also im Endeffekt ist es so, dass ja in vielen Fällen der erste Schritt die Operation ist. Und zwar die Operation eigentlich aus zweierlei Gründen: Einerseits eben, wie wir schon gesagt haben, therapeutisch, aber andererseits vor allem auch diagnostisch, um zu sagen, wo sitzt es eigentlich, was für eine Unterart ist es? Was muss ich denn eigentlich tun, um die zu entfernen?
Was macht Sinn, in dem Setting jetzt eigentlich zu tun? Das heißt, man darf nie so ganz vergessen, dass die Operation eben auch Diagnostik ist und, das sagt man immer nicht so gerne, aber es ist halt so im Endeffekt, gerade wenn ich im Ultraschall irgendeine Zyste sehe, geht es ja auch ein bisschen darum einzuschätzen, was ist es denn jetzt eigentlich wirklich hystologisch?
Ist die Verdachtsdiagnose Endometriose richtig oder ist es doch was anderes? Also dieser Teil der Diagnostik der gehört glaube ich immer mit in die Operation hinein. Bezüglich der Therapie ist es auch ein ganz wichtiger Bestandteil der Endometriose-Therapie – also die Operation neben der hormonellen, endokrinen Therapie. Das kann in verschiedensten Ausprägungen dann notwendig sein. Es gibt Patientinnen, die haben nur einen ganz geringen Befall, wo man relativ schnell mit so einer Operation fertig ist, es gibt Patientinnen, die haben einen ganz großen.
Dummerweise ist es so, dass leider der Befall nicht immer korreliert mit dem Beschwerdebrief. Das heißt, ich kann nicht sagen, die Patienten mit wenig Beschwerden, hat auch weniger Endometriose. Ich kann auch nicht sagen, die mit viel hat viel Endometriose. Deswegen weiß man das immer leider erst nach der OP, was dann eigentlich tatsächlich notwendig ist. Aber wie gesagt, das sind so die beiden großen Punkte bei der Operation.
Der zweite therapeutische Ansatz ist ja die Hormontherapie. Warum eigentlich? Endometriose ist im Endeffekt Gebärmutterschleimhaut, die nicht da ist, wo sie hingehört – mit all ihren Eigenschaften, Empfindlichkeiten und soweiter und so fort. Das heißt, es ist halt einfach auch was, was die normale Gebärmutterschleimhaut (man kennt es ein bisschen von der Pillen Einnahme) auf Hormone, weibliche Sexualhormone, anspricht. Und tatsächlich muss man sagen, wenn man jetzt nur die kurz und mittelfristige Effektivität anschaut, nehmen sich die beiden Ansätze gar nicht so arg viel.
Es ist nicht so, dass die Hormontherapie dramatisch schlechter wäre in der Verbesserung von Schmerzen (zum Beispiel) als die Operation. Sondern es ist eigentlich sogar gleich gut. Der einzige Unterschied ist eben, dass ich mit einer reinen Hormontherapie halt nie diesen Beweis der Endometriose hab, den habe ich halt nur durch die Operation. Deswegen ist es meistens so, dass man beide Ansätze versucht zu kombinieren.
Anbieten tun wir natürlich beides und das bringt natürlich so eine Endometriose Einrichtung mit sich, dass man eben auch beides mittel und langfristig für die Patienten anbietet und die Leute dann auch kontrolliert, ob das funktioniert, was man sich vorgestellt hat.
Teresa Götz:
Wie oft kommen denn die Patientinnen zu Ihnen in die Sprechstunde?
Prof. Dr. Häusler:
In der Regel gibt es ja diesen erst Vorstellungstermin, wo die Vorgeschichte erhoben wird, wo die ersten Untersuchungen gemacht werden. Dann gibt es meistens dann, wenn man die Operation beschließt, den Termin für die Operation ambulant/stationär, je nach dem Umfang der Operation. In der Regel bestellen wir die Patienten dann auch ein zur Befundbesprechung. Das sind dann eigentlich schon drei Termine.
Und wenn wir uns dann zu einer endokrinen Therapie, zur Hormontherapie, entschließen sollten, dann stellen wir die auch dementsprechend ein. Das heißt, die kommen, kriegen ihre Rezepte mit, werden in der Regel nach drei, vier Monaten noch mal einbestellt, um zu besprechen, wie verträglich das ist und welche Wirkung es hat. Und je nachdem können wir doch relativ engmaschig mittel und langfristig betreuen.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch in der Region Kolleginnen und Kollegen, die sich auf Endometriose spezialisiert haben im niedergelassenen Bereich. Wenn die Patienten aus deren Praxen kommen, übernehmen die Einstellung dann in der Regel die zuweisenden Kolleginnen und Kollegen. Aber wie gesagt, relativ häufig werden die auch bei uns zumindest begonnen – die Hormontherapien.
Teresa Götz:
Sie behandeln ja auch Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. Wie sieht da die typische Unterstützung aus?
Prof. Dr. Häusler:
Da hat es in den letzten Jahren so ein bisschen einen Wandel in der Einschätzung gegeben. Früher hieß es einmal, Endeometriose ist gleich sofort in die Kinderwunsch-Medizin gehen und sofort künstliche Befruchtung. Jetzt weiß man, dass das so nicht zwingend notwendig ist. Es stimmt schon, dass in vielen Fällen Kinderwunsch-Medizin notwendig ist, um gerade in speziellen Situationen zu einer erfolgreichen Schwangerschaft zu führen.
Aber da spielt tatsächlich immer mehr die Operation auch eine große Rolle. Man muss sich das so vorstellen: Wenn ich Endometriose im Bauchraum haben, scheint es da einen großen entzündlichen Unruheherd zu geben. Und wenn man diesen operativ reduziert, dann steigen tatsächlich die Chancen für eine gute Embryonalentwicklung, vorher schon für eine gute Eizellreifung, für eine Einnistung, für eine unauffällige Schwangerschaft.
Insofern spielt bei Kinderwunsch-Patientinnen die Operation als Vorbereitung immer eine große Rolle. Da muss man vielleicht auch nochmal ein bisschen drüber sprechen: Was heißt Kinderwunsch Medizin? Wir sprechen immer so ein bisschen euphemistisch über Kinderwunsch, und wir meinen in dem Fall aber Patienten, die gern ein Kind haben wollen. Es klappt aber irgendwie nicht. Und da muss man natürlich auch sagen, besser als die natürliche Fertilität können wir gar nicht werden. Sprich: wenn man es einmal versucht hat und nicht schwanger geworden ist, heißt das eben noch nicht, ich habe ein Kinderwunsch-Problem. Sondern, da gehören einfach gewisse Voraussetzungen dazu, wo man sagt, ja gut, da ist tatsächlich nachzugucken. Im Endeffekt ist es so definiert, dass ein unerfüllter Kinderwunsch, der medizinisch relevanten Abklärungsbedürftig ist, ein Jahr versucht und es hat nicht geklappt bedeutet. Und das ist, wo man spätestens sich Unterstützung und Hilfe suchen sollte.
Wenn Patientinnen dabei sind mit bekannter Endometiose, also wo das Problem ein bisschen wahrscheinlicher ist, dass es dann auch tatsächlich nicht gut funktioniert. Dann schauen wir doch schon frühr nach, in der Regel nach einem halben Jahr. Ansonsten ist es so, dass gerade hier vor Ort, engmaschigste Verknüpfungen zu den betreuenden Kinderwunsch Zentren sind.
Wir hier in der Klinik selbst machen keine künstliche Befruchtung, sondern fokussieren uns vor allem auf die Hormone und die operative Therapie. Aber da ist ein sehr, sehr regelhafter Austausch. Also wir haben da auch ganz klare Strukturen, wer wann was wo meldet, damit auch wirklich klar ist und auch zeitnah bewerkstelligt werden kann, dass die Leute entsprechend versorgt werden.
Wie gesagt, da braucht es dann häufig in dieser Situation dann doch beide Einrichtungen: Die Operation, die Hormontherapie und dann eben die Stimulation.
Teresa Götz:
Und gibt es bestimmte Schmerzenzentren oder Schmerzmediziner mit denen Sie zusammenarbeiten?
Prof. Dr. Häusler:
Wir haben im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder eine große Schmerz Ambulanz und Schmerz Klinik, die auch sehr intensiv multimodale Schmerztherapie sowohl ambulant, teilstationär oder tagesklinisch als auch stationär betreibt, mit denen wir im engen Austausch sind. Und tatsächlich sind die Erfahrungen wirklich enorm gut. Das ist sicherlich nicht, was jede Patientin braucht, aber es sind dann doch einige mit chronischen Endometrioseleiden, die vielleicht auch schon chronische Schmerzen entwickelt haben.
Wir sind über diese Angebote sehr dankbar, von denen manche Patintinnen extrem profitieren. Und ich glaube tatsächlich, dass ist einer der Punkte, gerade wenn man es in diese Kategorie chronische Schmerzpatienten denkt, was einfach so eine Einrichtung vorhalten muss, weil man auch sagen muss, es gibt Spezialisten für solche Therapien und die müssen da einfach mit an Board. Endometriose ist nichts, was einer alleine macht, sondern es sind viele Leute, die zusammenarbeiten müssen.
Teresa Götz:
Und Sie haben vorhin schon gesagt, dass Sie ja auch zur Endometriose forschen. Was sind da vielleicht Projekte, die gerade laufen oder geplant sind?
Prof. Dr. Häusler:
Also momentan beschäftigen wir uns sehr intensiv mit Komplementärmedizin. Wir haben festgestellt, das ist ein großer Bereich, der eigentlich in der klassischen Lehre/Wissenschaft gar nicht abgebildet ist, der auch gar nicht so gerne von den Patientinnen selbst – wie soll man sagen – angegeben wird, sondern meistens nur auf explizite Nachfrage. Wir haben dann festgestellt, dass doch ein erstaunlich hoher Anteil sich wahrscheinlich aufgrund der langen Vorgeschichte versucht, selbst zu therapieren.
Und da spielt natürlich Komplementärmedizin eine riesige Rolle. Und da muss man sagen, bloß weil es nicht Schulmedizin ist, heißt das nicht, dass es nichts wirkt. Was aber wirkt, hat in der Regel auch Nebenwirkungen oder Interaktionen. Das heißt, es ist für uns wahnsinnig wichtig zu wissen, was die Leute nehmen, was genau sie nehmen, wie das Zeug wirkt, was für Interaktionsmöglichkeiten es vorallem mit der Hormontherapie hat.
Das ist gerade tatsächlich unser großes Projekt, wo wir versuchen, über bestimmte Fragebögen oder auch Apps oder auch online Fragebögen rauszufinden, was nehmen die denn überhaupt? Da gibt es nämlich fast nichts [als Forschung]. Was für eine Wirkung schreiben sie dem zu? Woher haben sie ihre Informationen? Können wir dazu irgendwas beitragen? Können es vielleicht sogar in unsere Therapie mit implementieren? Das ist, glaube ich, auch ein großer Punkt, der uns die nächsten Jahre sehr intensiv beschäftigen wird.
Teresa Götz:
Haben Sie das Gefühl, dass das Bewusstsein für Endometriose und Adenomyose in den letzten Jahren zugenommen hat?
Prof. Dr. Häusler:
Da muss man ja auch wieder teilen zwischen Patienten und Kollegenschaft. Ich glaube, gerade bei den Patientinnen ist es einfach mehr. Gerade durch die zunehmende Durchdringung der Bevölkerung mit Social Media/ Internet spielt das natürlich eine große Rolle. Und ich glaube, da sind mittlerweile auch echt einige Angebote da, die einfach doch dieses Reizwort „Endometriose“ fallen lassen. Und dann beginnt man auch nachzuforschen.
Und ich glaube, das hat wirklich deutlich zugenommen. Dadurch, dass wir auch von der Zentrenseite aus Bildung betreiben – nicht nur, weil wir das unbedingt wollen, (was ich wirklich wichtig finde), aber tatsächlich auch aufgefordert sind, es zu machen – dadurch beginnt es auch schon langsam in dem Kollegenkreis mehr als Problem wahrgenommen zu werden.
Das hat schon zugenommen. Aber man muss trotzdem sagen, es gibt immer noch die jungen Patientinnen, die mit jahrelanger Schmerz-Anamnese hier aufschlagen, tausende von Vor- Diagnostiken hatten und keiner daran gedacht hat, das könnte doch auch Endometriose sein. Und das ist glaube ich, was man wirklich noch verbessern muss.
Teresa Götz
Und wem würden Sie eine Reha bei Endometriose empfehlen?
Prof. Dr. Häusler:
Also Reha-Maßnahmen, glaube ich, müssen fokussiert angewandt werden. Die helfen bestimmten Patientengruppen wirklich sehr, sehr gut. Ich sehe das vor allem bei Leuten, die chronische Verläufe haben, die vielleicht chronische Schmerzen haben, die rezidiv Beschwerden haben, die Organverluste haben, also sprich, böse Gebärmutter entfernung – die leider Gottes doch manchmal notwendig ist. Schöner Weise nicht so häufig, aber doch immer wieder mal notwendig ist, die auch vielleicht mal einen Eierstockverlust haben.
Das sind Leute, die echt davon profitieren. Und das ist das, was die Leute im Einzelgespräch auch Rückspiegeln, dass sie davon profitieren. Das ist keine Dauertherapie, sondern das soll einfach in einer relativ komprimierten Zeit auf dieses Leben mit dieser Erkrankung vorbereiten und auch so Strategien schaffen, wie man damit umgehen kann. Und dafür ist es gut.
Klar, wenn ich eine Patientin hab, die einen kleinen Herd hat, die später beschwerdefrei sind, von denen man nie mehr was davon hört – da wäre es ein bisschen übertrieben. Aber wie gesagt, für diese eher doch schwerer betroffenen Gruppen ist es denke ich etwas, was dringend ausgenutzt werden muss.
Teresa Götz:
Und was halten Sie von Gesundheits Apps zur Selbsthilfe, zum Beispiel bei Endometriose?
Prof. Dr. Häusler:
Ich denke, das ist ein wertvolles Tool und so muss man es auch sehen. Das ist sicherlich auch wiederum nichts, was für jede Patientin gleich gut geeignet ist. Aber gerade in dem Alterskollektiv, was Endometriose entwickelt, ist ja doch das Nutzen von Mobiltelefonen, von Smartphones, von Internet, von Social Media doch relativ breit verbreitet. Und ich denke, es ist immer gut, wenn man da eine tatsächlich fundierte Informationsgestaltung einerseits macht, wo man tatsächlich keinen Schmarrn vermittelt bekommt.
Das ist natürlich das, was gerade in Social Media doch durchaus mal auftreten kann, dass da was weiß ich entsteht. Und das hat überhaupt gar keinen Sinn. Das ist, glaube ich, gut. Und auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass immer mehr Frauen so eine Art Selbst-Monitoring damit betreiben können. Und da gibt es natürlich einige Apps, die das erlauben.
Zyklus Monitoring ist etwas, was häufig dann auch aus dem Bereich Kinderwunsch Medizin kommt. Aber so spezialisiert für Endometriose – Schmerz-Tagebücher, was für Schmerzen, Stimmungs Profile, was ja auch so ein bisschen die Nebenwirkungen von Hormontherapie einschätzen lässt. Dafür ist glaube ich so eine Zusammenfassung relativ gut. Also ich glaube, gerade bei denen, die dafür sowieso ein bisschen affin sind und die eben auch so chronische Verläufe haben, ist es glaube echt ganz gut.
Und vor allem für Leute, die relativ niedrigschwellig an das Thema herangeführt werden wollen in der Informationsvermittlung. Da ist es denke ich auch sicherlich was Sinnvolles.
Teresa Götz:
Und wo sehen Sie in den nächsten Jahren die größten Chancen, dass die Versorgung noch weiter verbessert wird?
Prof. Dr. Häusler:
Also man sieht schon, und das sieht man ja auf den Seiten von der Stiftung Endometriose Forschung, von der Arbeitsgemeinschaft für Endometriose, der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, dass einfach die Zentren zunehmen, was ein schöner Punkt ist, weil einfach immer mehr Anlaufstellen geschaffen werden. Es sind einfach wahnsinnig viele Patientinnen. Das ist nun mal die zweithäufigste Erkrankung der Frau. Und wenn man überlegt, wie viel Brustzentren/ Krebszentren es gibt und wie wenig Endometriosezentren im Vergleich dazu gibt, für diese extrem häufig Erkrankung, dann ist das schon fast ein bisschen traurig.
Aber das hat zugenommen und ich denke, das ist etwas, was man einfach weiterhin anbieten muss, damit man die Vielzahl der Patienten einfach auch tatsächlich betreuen kann. Und ich denke, klar ist es toll, wenn die alle zu einem kommen. Aber muss ja irgendwie im Arbeitsalltag auch den Patienten gerecht werden. Und da braucht man einfach mehr Leute und dafür ist das glaube ich, ganz wichtig.
Das Zweite ist, dass wir ja immer noch gerade im Bereich der medikamentösen Therapie, gerade wenn man es jetzt vergleicht mit der onkologischen Therapie, echt wahnsinnig wenig Arzneimittel-Studien haben. Also es gibt schon kleinere, aber so richtige Zulassungsstudien – seit Corona weiß jeder, was Phase-Drei-Studien sind – da gibt es echt nicht viel. Es gibt jetzt eine große, die jetzt veröffentlicht wurde und wo hoffentlich eine neue Zulassung steht, aber die letzte Zulassung für ein Endometriose spezifisches Präparat liegt schon ziemlich lange her.
Bezüglich Operationen: Da ist es ganz klar, dass wenn die Frauen bei spezialisierten Operateurinnen/ Operateuren betreut werden/ therapiert werden, dass die Erfolge auch deutlich besser sind, die Komplikationsraten niedriger sind, die Aufenthalte kleiner sind, die Patienten zufriedener sind. Ich glaube auch, da ist natürlich noch ein Punkt. Einerseits in der Ausbildung neuer Operateure und andererseits aber auch in der Erforschung neuer Techniken, neuer Strategien, wie man sowas angeht.
Was man vielleicht mal belassen kann, was man sanieren muss: Nervenschonende Techniken. Die Implementation vom Robotern haben wir hinter uns, was glaube ich, auch ein ganz wertvolles Tool ist. Gerade in den Beckenwänden, wo man einfach ums Eck operieren muss. Was der Roboter echt gut kann. Das sind so Sachen, was glaube ich, auch noch weiter vorgehen muss.
Also es gibt da wirklich viele offene Flanken, wo man tatsächlich was tun kann.
Teresa Götz:
Gibt es sonst noch etwas, was Sie Betroffenen mitteilen möchten?
Prof. Dr. Häusler:
Also ich glaube, das Eine ist: „ich sehe nichts, Sie haben nichts“ – das sollte nicht mehr passieren! Sondern, chronische Unterbauchschmerzen gehören abgeklärt.Und man weiß, dass es eben bei dem Stichwort chronisch Unterbauchschmerzen in über der Hälfte der Fälle Endometriose zur Ursache hat. Und leider Gottes sieht man immer, dass das etwas ist, was als allerletztes abgeklärt wird.
Ich glaube, da auch aktiv auf die entsprechenden Kolleginnen und Kollegen zuzugehen und zu sagen: könnte es nicht das sein?, dass ist, glaube ich, schon mal der wichtigste Punkt. Und ich glaube, was von uns aus auch kommen sollte ist, Sie sollen sich nicht alleine gelassen fühlen. Es gibt Zentren, die sich darum kümmern.
Es gibt Leute, die sich damit beschäftigen. Es muss keine mit ihren Schmerzen leben. Klar, ich kann auch keine unrealistischen Versprechungen machen. Ein Patient mit chronischem Schmerzsyndrom wird nicht zack von heute auf morgen schmerzbefreit sein. Aber das Ziel, dass diese Leute im Alltag normal leben können, das ist das, was realistisch ist. Und die Hoffnung darf man nicht verlieren. Das kann man erreichen.
Und ich glaube, das ist auch etwas, was ich als Mutmacher durchaus den Leuten mit auf den Weg geben kann.
Teresa Götz:
Vielen Dank, Herr Professor Häusler für das sehr interessante Interview. Es hat mir viel Spaß gemacht und ich glaube, da können die Patienten viel mitnehmen.
Prof. Dr. Häusler:
Vielen Dank, gern.