Dr. Rozemarijn de Koning: Frauengesundheit erfährt zu wenig Aufmerksamkeit

Frau Dr. de Koning, könnten Sie sich zunächst bitte kurz vorstellen?

Hallo, liebe Leserinnen! Mein Name ist Rozemarijn de Koning, ich bin Ärztin und habe einen Master in Biomedizinischen Wissenschaften. Derzeit arbeite ich als Doktorandin in der Endometriose-Forschung am Medizinischen Zentrum der Universität Leiden sowie an einem Endometriose-Kompetenzzentrum in Delft, der „Nederlandse Endometriose Kliniek“.

Wie sind Sie dazu gekommen, über Endometriose zu forschen?

Ich erinnere mich, dass ich als Medizinstudentin an einer Vorlesung über Endometriose teilgenommen habe. Die Vorlesung hinterließ bei mir einen bleibenden Eindruck, denn obwohl eine von zehn Frauen an dieser Krankheit leidet, war (und ist) sie in der Gesellschaft relativ unbekannt und unerkannt.

Meine erste Begegnung mit einer Endometriose-Patientin hatte ich während meiner Facharztausbildung. Ich war mit der Anamneseerhebung in der gynäkologischen Ambulanz betraut. Ich erinnere mich an eine Frau und ihren Mann, die vor mir saßen. Die Frau war verzweifelt und weinte. Die Schwere ihrer Schmerzsymptome beeinträchtigte ihre Lebensqualität erheblich: Sie konnte nicht arbeiten, ihrer Rolle als Mutter nicht gerecht werden und an manchen Tagen nicht einmal das Bett verlassen. Sie war verzweifelt, wusste nicht, wie sie sich Hilfe holen sollte, und äußerte depressive Gefühle. Obwohl sie sich bereits einer Endometriose-Resektion unterzogen hatte, flehte sie geradezu um eine weitere Operation.

Diese Begegnung hatte eine tiefgreifende Wirkung auf mich. In der folgenden Woche beschloss ich, einem auf Endometriose spezialisierten Professor (heute der Betreuer meiner Promotion) eine E-Mail mit meiner Motivation und der Frage zu schicken, ob ich einen Beitrag zur Endometrioseforschung leisten könnte. Und so fing alles an.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen auf dem Gebiet der Endometriose?

Es gibt zahlreiche Herausforderungen auf dem Gebiet der Endometriose-Forschung. Natürlich ist die größte Herausforderung, die pathophysiologischen Mechanismen hinter der Endometriose herauszufinden, aber hier sind zwei Beispiele für weitere Herausforderungen, die mir in den Sinn kommen: Erstens die Variabilität im Ansprechen auf die Hormontherapie. Es wäre interessant zu verstehen, warum einige Frauen mit Endometriose gut auf eine Hormontherapie ansprechen, andere dagegen nicht. Ich würde gerne den zugrundeliegenden Mechanismus untersuchen, der dieses Ansprechen auf die Behandlung beeinflusst. Und zweitens die Bewertung des Nutzens einer fruchtbarkeitssteigernden Operation. Derzeit ist die optimale Behandlung für Frauen mit tiefer Endometriose und eigeschränkter Empfängnisfähigkeit noch unbekannt. Das Verständnis der Auswirkungen einer (tiefen) Endometriose-Operation auf die Fruchtbarkeit würde den Gynäkologen und Gynäkologinnen helfen, die klinische Entscheidungsfindung zu steuern.

Könnten Sie Ihre Arbeit für unsere Leserinnen in wenigen Worten zusammenfassen?

Mein Hauptaugenmerk liegt auf der Entscheidung, ob bei Frauen mit tiefer Endometriose eine Operation durchgeführt werden soll. Insbesondere konzentriere ich mich auf die Operation als fruchtbarkeitsförderndes Verfahren bei Frauen mit und Subfertilität. Um dieser Frage nachzugehen, arbeitet unser Forschungsteam mit sieben anderen niederländischen Endometriose-Expertenzentren zusammen, um die „TOSCA“-Studie zu initiieren. Ziel dieser Studie ist es, den Wert eines chirurgischen Eingriffs im Vergleich zu einer In-vitro-Fertilisation (IVF, künstliche Befruchtung) zu bewerten, um die Reproduktionsergebnisse bei subfertilen Frauen mit kolorektaler Endometriose zu optimieren. Außerdem untersuche ich die Auswirkungen der Operation auf die sexuelle Lebensqualität, die Lebensqualität im Allgemeinen und die Schmerzsymptome von Frauen mit tiefer Endometriose. Ein weiteres Forschungsgebiet, an dem ich beteiligt bin, ist die Erhaltung der Fruchtbarkeit bei Frauen mit ovarieller Endometriose. Darüber hinaus arbeite ich mit der anästhesiologischen Abteilung unseres Krankenhauses zusammen, um alternative Methoden der Schmerzbehandlung für Frauen mit chronischen, durch Endometriose verursachten Schmerzen zu erforschen.

Wie kann Ihre Arbeit dazu beitragen, das Leben von Frauen mit Endometriose langfristig zu verbessern?

Ich glaube, dass meine Arbeit dazu beitragen wird, den Frauen die Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um fundiertere Entscheidungen über ihre Behandlungsmöglichkeiten zu treffen, und ihre Behandlungsziele zu erreichen. Durch die Durchführung von Forschungsarbeiten und die Gewinnung von Erkenntnissen werden wir in der Lage sein, sicherzustellen, dass Frauen Zugang zu den notwendigen Informationen haben, um Entscheidungen zu treffen, die auf ihre individuellen Umstände und Behandlungspräferenzen abgestimmt sind.

Was sind Ihre zukünftigen Forschungsziele?

Das ultimative Ziel ist die Einrichtung einer umfassenden landesweiten oder internationalen Datenbank, in der Daten über die Wirksamkeit und die Ergebnisse der verschiedenen Behandlungsmethoden für Endometriose gesammelt werden.

Ein hervorragendes Beispiel für eine solche Datenbank ist die E-QUSUM-Datenbank, die von meinem Kollegen Dr. Jeroen Metzemakers, PhD, erstellt wurde. E-QUSUM ist ein digitales Qualitäts- und Bewertungsinstrument für die chirurgische Leistung bei Endometriose und steht allen Interessierten frei zur Verfügung. Dieses Instrument ermöglicht die systematische Erfassung relevanter chirurgischer Daten für (tiefe) Endometriose, die wir für die Forschung in unserem Fachzentrum (NEK, Delft) nutzen. Darüber hinaus bewerten wir die Auswirkungen von Interventionen (Hormontherapie oder Operation) mit Hilfe von PROMs (Patient Reported Outcome Measures). Es ist wichtig, dass die Frauen diese Fragebögen ausfüllen, um unsere Datenbank zu vervollständigen, damit wir Forschung betreiben und unsere Behandlungspläne verbessern können. In den Niederlanden sollten wir uns um mehr Zusammenarbeit und Datenaustausch bemühen, um Schlussfolgerungen aus einer großen Kohorte ziehen zu können, nach dem Vorbild der nationalen Datenbank in England (BSGE), die Daten aus dem gesamten Land sammelt.

Auch der Bereich der Endometriose-Organoide ist ein sehr interessantes Forschungsgebiet (Anmerkung der Redaktion: Bei Endometriose-Organoiden handelt es sich um Gebärmutterschleimhaut als Mini-Organ, das im Reagenzglas gezüchtet wurde). Mein Ziel ist es, Organoide von allen Endometriose-Phänotypen (oberflächliche, ovarielle, tiefe Endometriose) zu züchten. Durch die Durchführung von In-vitro-Tests an diesen Organoiden können wir auf die Entwicklung einer personalisierten Medizin für Endometriose hinarbeiten.

Was halten Sie von der digitalen Selbsthilfe?

Ich denke, dass die digitale Selbsthilfe eine wichtige Rolle spielt, insbesondere bei der Aufklärung und Früherkennung bei jungen Frauen. Durch die Nutzung digitaler Selbsthilfetools können junge Frauen lernen, zu erkennen, wann Menstruationsschmerzen ungewöhnlich sind, und bei Bedarf einen Arzt aufsuchen. Darüber hinaus kann die digitale Selbsthilfe als wertvolle Ressource dienen, indem sie den Frauen einen Überblick über die verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten sowie die Vor- und Nachteile der einzelnen Optionen bietet. Dies könnte sich auch auf ganzheitliche Behandlungsansätze erstrecken, wie zum Beispiel den Besuch bei einem Ernährungsberater, einer Physiotherapeutin, einer Psychologin oder einem Coach.

Und schließlich können digitale Selbsthilfeplattformen dazu dienen, betroffene Frauen mit anderen in Kontakt zu bringen, damit sie sich gegenseitig unterstützen und ihre Erfahrungen austauschen können.

Gibt es noch etwas, das Sie den Betroffenen mitteilen möchten?

In den Niederlanden liegt die Diagnoseverzögerung bei Endometriose bei etwa sieben Jahren. Frauen müssen oft hartnäckig bleiben und für sich selbst eintreten, um eine richtige Diagnose zu erhalten. Ich hoffe, dass sich das Diagnoseverfahren für Endometriose in Zukunft verbessern wird, einschließlich der Entwicklung von Diagnosetests wie Biomarkern, möchte aber die Frauen ermutigen, ihrem Instinkt zu vertrauen und einen Arzt aufzusuchen, wenn sie den Verdacht haben, dass mit ihrem Körper etwas nicht stimmt.

Liebe Dr. de Koning, vielen Dank für Ihre Teilnahme!

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Teresa Götz