Kinderwunsch bei Endometriose: Ein Interview mit Rieke (@matsundfrida)

In diesem Interview spricht Rieke, bekannt durch ihren Instagram-Account @matsundfrida, über Endometriose und Kinderwunsch.

Ellen Brockmann: Willkommen! Rieke von dem Instagram-Account @matsundfrida ist heute unsere Gästin. Wir werden über das Thema Endometriose und Kinderwunsch sprechen. Liebe Rieke, bitte stelle dich kurz vor und erzähle und beschreibe uns deine persönliche Geschichte und deinen Weg mit Endometriose.

Rieke Viertel: Sehr gerne. Ich bin Rieke, 30 Jahre alt und wohne mit meinem Mann, meinen zwei Kindern und unseren zwei Hunden in der Südpfalz. Mats ist fünf und wird dieses Jahr sechs Jahre alt. Frieda ist drei und wird dieses Jahr vier Jahre alt. Wir haben alle zusammen Geburtstag. Das ist immer ein kleines Highlight, auch auf unserem Profil. Wir haben eine längere Endometriosegeschichte hinter uns. Der klassische, lange Diagnoseverlauf, wie man es leider oft hört, war bei uns auch der Fall. Es ist am einfachsten, wenn ich einmal bei Null anfange und ein bisschen in der Zeit zurückgehe. Ich bin mittlerweile 30 Jahre alt. Bei mir ging es mit 16 oder 17 Jahren relativ spät mit starken Symptomen los. Wobei das eigentlich ein normales Alter ist, in dem es so richtig aufblüht. Manche haben vorher schon Beschwerden. Das hatte ich nicht. Ich habe aber mit elf Jahren relativ früh meine Periode bekommen, wobei das auch nicht unbedingt etwas heißen mag. Mit 16 Jahren ging es damit los, dass ich verstärkt Schmerzen hatte, nicht nur während der Periode, sondern auch mittendrin im Zyklus. Man konnte das gar nicht genau sagen. Ich habe das natürlich auch beim Frauenarzt angesprochen und sogar eine Pille genommen. Es wurde auch nie so wirklich ernst genommen. Es wurde gesagt, dass das normal ist und man sich keine Gedanken machen muss. Ich sei so jung, was solle da sein. Beim Ultraschall wurde klassischerweise auch nichts gesehen. Es gab keine Zysten. Alles war gut. Das Ganze wurde innerhalb von wenigen Monaten immer schlimmer, sodass ich gesagt habe, dass das nicht sein könne. Es folgten beim gleichen Arzt dreimal im Monat Arztbesuche, weil die Schmerzen fast täglich da waren. Es ging sehr schnell. Zwischenzeitig war es so schlimm, dass ich mich nicht einmal auf einen Stuhl setzen konnte. Ich dachte, jemand rammt mir ein Messer unten hinein. Dann ging es wieder zum Arzt und es hieß, dass da nichts sei. Ich wurde schon blöd angeguckt. Das war für mich sehr unangenehm. Ich würde nicht sagen, dass ich nicht ernst genommen wurde. Er hat immer geschaut. Aber es war nichts. Ich habe dann gedacht, dass es vielleicht normal ist, solche Schmerzen zu haben. Es wurde aber wirklich so schlimm, dass es auch geblutet hat und ich gar nichts mehr machen konnte. Jeder Schritt war wie eine Erschütterung. Ich habe gesagt, dass das nicht normal sein kann. Familienmitglieder haben mich auch noch einmal gedrängt und gesagt, dass das nicht richtig sein kann und dass wir noch einmal hingehen sollen. Bei der Anmeldung wurde wieder mit den Augen gerollt und ich kam mir echt blöd vor. Heutzutage frage ich mich natürlich, warum ich mir keine zweite Meinung eingeholt habe. Aber ich war jung und habe geglaubt, was mir gesagt wurde. Da kam das erste Mal der große Knall. Der Arzt hat relativ genervt wieder einen Ultraschall gemacht und gesagt: „Ich glaube, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.“ Ich habe natürlich erst einmal einen Schock bekommen und gefragt, was denn los sei. Da war der ganze Bauchraum schon voll mit Flüssigkeit und ich wurde direkt ins Krankenhaus eingewiesen, weil er gesagt hat, dass da wirklich irgendetwas nicht stimmt. Er war sich noch nicht sicher, was es ist. Aber auf der Einweisung stand: „Verdacht auf Endometriose“. Ich wusste nicht, was Endometriose ist. Das hat er mir auch nicht erklärt. Ich sollte einfach direkt ins Krankenhaus gehen. Das habe ich gemacht und wurde am gleichen Tag noch operiert, weil es schon so schlimm war, dass es geblutet hat und ich Blut im Stuhlgang hatte. Es war echt schlimm. Als ich wieder aufgewacht bin und zu mir kam, standen vier Ärzte um mich herum und haben mir erklärt, dass mein Darm, meine Blase, meine Eileiter und meine Gebärmutter aneinandergewachsen sind. Es war ein Klumpen. Es war alles zusammengewachsen. Auch der Darm war extrem befallen, sodass sie gar nicht operieren konnten, weil alles voll war. Sie konnten keine Sanierung durchführen. Ich habe in dem Moment das erste Mal von Endometriose gehört. Ich wusste gar nicht, wie mir geschieht. Es war echt ein richtiger Schock. Im Krankenhaus wurde mir erst richtig erklärt, was hier überhaupt passiert und was die Monate davor versäumt wurde, und dass man viel eher etwas hätte machen können. Es ging dann mit der eigentlichen Therapie los. Mir wurde gesagt, dass aufgrund der Schwere nicht operiert werden konnte. Ich wurde mit Zoladex für sechs Monate künstlich in die Wechseljahre versetzt. Das ist eine Spritze, die heute auch noch verwendet wird. Aber es gibt verschiedene Methoden. Aufgrund der Schwere war es aber nötig. Das ist eine Depotspritze mit einer riesigen, dicken Nadel. Als ich die gesehen habe, bin ich fast rückwärts vom Stuhl gefallen. Man bekommt dann eine Art Depot in den Bauch gespritzt, durch das Hormone abgegeben werden. Das ist wie künstliche Wechseljahre. Das war nicht nur körperlich, sondern auch für die Psyche echt heftig, weil man von null auf hundert in die Wechseljahre versetzt wird. Eine normale Frau kommt im Alter langsam in die Wechseljahre und ich habe gleich das volle Rohr bekommen. Die Nebenwirkungen waren heftig. Nach sechs Monaten hat die eigentliche Sanierung stattgefunden. Durch die künstlichen Wechseljahre, also durch diese Zoladex-Spritze, wird die Blutung komplett gestoppt und die Herde trocknen aus. Das ist der Sinn der Sache. Dadurch konnten die Ärzte nach sechs Monaten sanieren und die Organe trennen. Aber es sind natürlich viele Verwachsungen geblieben.

Ellen Brockmann: Es ist unfassbar, dass es überhaupt so weit kommen musste. Es hätte viel früher etwas passieren müssen oder ernst genommen werden müssen. Doch man ist sich unsicher, wenn man so oft gesagt bekommt, dass es normal ist und man sich nicht so anstellen soll.

Rieke Viertel: Absolut. Deswegen habe ich auch so lange gewartet. Ich bin jedes Mal da weggegangen und habe gedacht, dass es komisch ist, aber er ja gesehen hätte, wenn da etwas gewesen wäre. Ich habe mich immer damit abgefunden. Aber irgendwann ging es wirklich nicht mehr. Die zweite OP, also die Komplettsanierung wurde durchgeführt. Ich war erst 19 oder 20 Jahre alt und mir wurde gesagt, dass jetzt der beste Zeitpunkt sei, wenn ich noch Kinder haben möchte. Es ist leider heutzutage immer noch ziemlich verbreitet, dass bei sehr jungen Frauen gesagt wird: „Jetzt ist es komplett saniert. Jetzt sollten Sie ein Kind bekommen, wenn Sie noch welche wollen.“ Das war für mich der absolut falsche Zeitpunkt und ein Schockmoment, weil das gar nicht mein Plan war. Ich habe mir noch ein bisschen Zeit gelassen, aber nicht allzu lang, weil ich Angst bekommen habe, dass es vielleicht nicht mehr klappt. Es ging dann ganz schnell mit einem Antrag bei der Krankenkasse. Ich war zu jung. Wir haben schnell geheiratet, mit Sondergenehmigung. Wir haben eine Sondergenehmigung für die künstliche Befruchtung bekommen und dann unsere erste IVF gestartet. Im Volksmund steht IVF für die künstliche Befruchtung, die In-vitro-Fertilisation. Man spritzt sich zwei Wochen lang Hormone, sodass die Eizellen schnell reifen und viele Eizellen reifen. Diese werden bei einer kleinen OP entnommen, befruchtet und wieder eingesetzt. Uns wurde das empfohlen, weil meine Eileiter komplett hinüber waren. Bei der Spülung ist nichts von der Blaulösung ausgetreten. Die Eileiter waren komplett zu. Die Ärzte haben sie aufgemacht und gesagt, dass wir es eine Zeit lang so probieren können, was aber nicht geklappt hat. Wir haben es bis zu dem besagten Termin gemacht, aber es war abzusehen, dass es nicht funktionieren wird. Die erste IVF hat direkt geklappt. Dabei gab es keine Probleme. Es endete aber relativ schnell mit einer Fehlgeburt und einer Eileiterschwangerschaft. An diesem Punkt habe ich gesagt, dass die letzten Monate und Jahre so viel waren und es für mich jetzt reicht. Deswegen habe ich auch Respekt vor allen Frauen, die das so lange durchhalten. Es ist wirklich eine extreme Belastung für Körper und Psyche. Wir haben uns dann erst einmal eine kleine Pause gegönnt, weil es im Vorfeld ziemlich viel war. Wir haben uns dann für eine Adoption entschieden, weil der Kinderwunsch irgendwann da war und mit der Zeit immer stärker geworden ist. Wir hatten großes Glück, dass wir nach nur vier Monaten schon Eltern von unserem Mats wurden. Auf den Punkt zwei Jahre später kam dann noch seine Schwester auf die Welt. Da bin ich tatsächlich noch schwanger geworden. Vielleicht hat es der eine oder andere vor Kurzem mitbekommen. Unser Kinderwunsch hatte sich erfüllt. Wir waren mehr als glücklich und sehr zufrieden. Nach den ganzen Jahren hatte kein Mensch mehr damit gerechnet, dass wir zwei so tolle Kinder bekommen dürfen. Dieses Jahr im Februar war ich noch einmal schwanger. Die Endometriose hat da aber wieder Hallo geschrien. Es war eine Eileiterschwangerschaft, die lebensgefährlich eingeblutet ist, sodass ich zwei Not-OPs hatte. Bei der zweiten OP habe ich mir beide Eileiter entfernen lassen, weil diese kaputt waren. Es ist bei Endometriose leider nicht selten, dass es zu einer Eileiterschwangerschaft kommen kann, weil die Flimmerhärchen in den Eileitern verkleben oder die Eileiter beschädigt sind. Dementsprechend habe ich mir beide entfernen lassen, wenn schon operiert wurde. Der zweite wurde dann auch untersucht und war ebenfalls komplett hinüber.

Ellen Brockmann: Danke, dass du uns das hier erzählt hast. Das ist definitiv ein sehr sensibles Thema, gerade wenn Dinge vielleicht nicht so laufen oder möglich sind, wie man sich das wünscht. Ich würde einmal die Community-Fragen vorlesen, die wir im Vorfeld eingesendet bekommen haben. Kann man bei Endometriose auch auf natürlichem Wege schwanger werden? Du hast das gerade schon ein bisschen angerissen.

Rieke Viertel: Endometriose heißt nicht gleich, dass man nicht auf natürlichem Wege schwanger werden kann oder dass man unfruchtbar ist, was viele denken. Endometriose heißt nicht, dass es nicht auf natürlichem Wege klappt. Es kommt natürlich ganz auf die Ausprägung und Art der Erkrankung an. Die Herde sind bei vielen ganz unterschiedlich angesiedelt. Ich kenne viele Frauen, bei denen die Eileiter gar nicht betroffen und frei sind. Die werden ganz normal und auch schnell schwanger. Man hört es oft, und viele Ärzte sagen heutzutage, wenn sie eine Endometriosediagnose stellen: „Jetzt aber schnell. Es könnte dauern“, und dann werden die Frauen im ersten Zyklus schwanger. Da gibt es gar keine Regel. Es kommt darauf an, wo die Herde sind, wie stark die Verwachsungen sind und wie weit es fortgeschritten ist. Es ist auch von Bedeutung, ob man eine Adenomyose hat, also ob die Gebärmutter befallen ist. Es ist individuell. Man hat bei mir gesehen, dass es trotzdem geklappt hat, einmal mit mehr und einmal mit weniger Glück. Auch wenn die Eileiter schon betroffen sind, heißt das nicht unbedingt, dass es im Eileiter steckenbleiben muss. Auch bei der künstlichen Befruchtung wandert das Ei, wenn es in die Gebärmutter eingesetzt wird, oftmals auch noch einmal in den Eileiter und dann wieder zurück. Selbst bei einer IVF kann es zu einer Eileiterschwangerschaft kommen. Deswegen gibt es bei allem überhaupt keine Regel. Um die Frage noch einmal zu beantworten, Endometriose heißt nicht gleich unfruchtbar und dass man nicht auf natürlichem Wege schwanger werden kann. Das ist komplett individuell.

Ellen Brockmann: Das hast du gerade angerissen, dass bei Endometriose persönliche und individuelle Faktoren in die Frage hineinspielen, ob man Kinder bekommen kann. Kannst du diese noch einmal gezielter auflisten? Denn das ist die zweite Frage, wovon es abhängt, ob man bei Endometriose Kinder bekommen kann.

Rieke Viertel: Hauptfaktor sind die Verwachsungen und wo diese sind. Wenn wir jetzt nur bei der Endometriose sind, also wie stark diese Erkrankung ausgeprägt ist, hängt es oftmals an den Eileitern. Endometriose kann auch die Eizellqualität beeinflussen. Das ist aber auch nicht bei jedem der Fall. Bei manchen sind die Eierstöcke extrem befallen.

Ellen Brockmann: Gibt es etwas, was man als Betroffene von Endometriose selber machen kann, um die Chancen zu erhöhen?

Rieke Viertel: Das ist eine gute Frage. Ich denke, jeder informiert sich ein bisschen. Was kann ich natürlich oder unterstützend machen? Ich habe auch ganz viele Naturheilmittel probiert. Aber wenn man ganz ehrlich ist und die Eileiter beschädigt und zu sind, dann bringt, überspitzt gesagt, auch kein Frauenmanteltee mehr etwas. Wenn man zusätzlich noch Zyklusunregelmäßigkeiten hat, kann man diesen tracken oder schauen, dass man den Eisprung abfängt, wie man es bei Kinderwunsch auch ohne Endometriose machen würde. Aber wenn es lediglich an den Verwachsungen oder an der Endometriose liegt, kann man wenig mit alternativen Mitteln machen. Wenn der Weg versperrt ist, ist er versperrt. Das muss man leider dazu sagen.

Ellen Brockmann: Das ist leider nachvollziehbar. Kannst du erzählen, wie sich eine Schwangerschaft auf Endometriose auswirken kann? Es wird ja oft gesagt, dass es besser wird, wenn man schwanger wird. Aber kann eine Schwangerschaft die Endometriose vielleicht auch anheizen?

Rieke Viertel: Anheizen ist mir nicht bekannt. Ich kenne es nur, dass immer gesagt wird, dass es nach der Schwangerschaft weg sein kann. Das ist auch eine schwierige Aussage. Wir reden ja von einer chronischen Erkrankung. Das war bei mir leider auch nicht der Fall. Während der Schwangerschaft ist es so, dass erst einmal ein Stillstand von den Blutungen stattfindet. Ich hatte in der Schwangerschaft gar keine Beschwerden, bis auf einmal ein bisschen Ziehen von den Verwachsungen. Ich habe ein bisschen von den Verwachsungen gemerkt, auch im Darm. Das kann normal sein. Aber es kam danach leider auch wieder zurück. Das muss man ehrlich sagen. Bei manchen geht es vielleicht langsamer und dauert, oder es ist nicht mehr ganz so ausgeprägt. Es kann auch gut sein, dass einige Stellen komplett ausgetrocknet sind. Aber es ist nicht so, dass man nach einer Schwangerschaft geheilt ist. Das wird gerne gesagt oder als Therapie vorgeschlagen. Das stimmt aber nicht. Während der Schwangerschaft ist erst einmal Ruhe, was das angeht. Ich finde es auch schwierig, eine Schwangerschaft als Therapieart zu betiteln. Entweder möchte ich ein Kind oder nicht. Das wäre für mich keine Therapielösung. An der Kommunikation hapert es manchmal auch noch. Ich finde, dass viele Ärzte leider noch nicht ganz auf dem richtigen Weg sind, was die Kommunikation angeht. Wir haben vorhin ja erwähnt, dass es fragwürdig ist, einer jungen Patientin oder generell zu sagen: „Jetzt oder nie.“ Es ist bewiesen, dass man mit Endometriose bei einer künstlichen Befruchtung nicht weniger Chancen hat. Natürlich kommt es auch auf die Vorgeschichte an. Eine Adenomyose kann bei der Schwangerschaft auch Unterschiede machen oder die Entbindung beeinflussen. Auch da ist es so, dass eigentlich normal entbunden werden kann. Es ist aber individuell und kommt auf die Vorgeschichte der Patientin an.

Ellen Brockmann: Das ist tatsächlich auch schon die nächste Frage. Lydia hat gefragt, ob es Unterschiede in der Art der Einbindung zwischen Endometriosepatientinnen und nicht-Endometriose-Betroffenen gibt. Kannst du dazu etwas sagen?

Rieke Viertel: Mir wurde damals gesagt, dass ich ganz normal entbinden kann, wenn ich das möchte. Dafür habe ich mich auch entschieden und war dafür ganz dankbar. Wenn es nicht gegangen wäre, dann wäre es so gewesen. Zu 90 Prozent ist das auch der Fall. Aber auch da kommt es drauf an, wie die Vorgeschichte aussieht. Es gibt viele Patienten, die aufgrund der Endometriose einen künstlichen Darmausgang haben oder hatten. Es kommt ganz individuell auf den Krankheitsverlauf an. Ich kenne auch viele, bei denen ein Kaiserschnitt empfohlen wurde, weil die Gebärmutter noch leicht verformt war oder es aufgrund der vorherigen schweren Verwachsungen zu Risiken bei der Geburt kommen kann. Es ist auch da individuell. Aber in der Regel spricht nichts gegen eine natürliche Entbindung.

Ellen Brockmann: Das ist schön zu hören. Eine weitere Frage lautet: Wie spricht man es in der Partnerschaft an, wenn man weiß, dass der Partner einen Kinderwunsch hat, aber man selber Sorgen hat, dass es da einen Konflikt gibt, weil es vielleicht nicht möglich ist? Kannst du dazu etwas sagen?

Rieke Viertel: Bei uns war es so, dass wir zusammen in das Thema hineingerutscht sind und mein jetziger Mann damals alles mitbekommen hat. Er war von Anfang an involviert, auch mit dem Krankenhaus, und hat alles von den Ärzten gesagt bekommen, so wie ich auch. Ich habe die Frage aber auch schon öfter von Bekannten gestellt bekommen. Ich bin immer dafür, dass man alles offen und ehrlich kommuniziert, weil ja keiner Schuld daran ist. Das ist auch nichts, wofür man sich schämen sollte und wodurch man sich schon gar nicht unter Druck setzen sollte. Auch wenn mein Mann das früher alles mitbekommen hat. Ich bin ganz ehrlich. Ich habe mich total unter Druck gesetzt und mich meiner Weiblichkeit im ersten Moment total beraubt gefühlt. Es hat eine Zeit gedauert, bis ich verstanden habe, dass das überhaupt nicht so ist und alles in meinem Kopf stattfindet und wir das gemeinsam durchstehen. Wir haben das immer offen kommuniziert. Wie vorhin erwähnt, ist nicht gesagt, dass man nie Kinder bekommen kann. Es ist mit Sicherheit ein schwierigerer Weg als bei Frauen, die keine Endometriose haben, aber es ist nicht unmöglich. Im Nachhinein würde ich mir auch sagen: „Nicht zu früh.“ Ich habe mir natürlich alles ausgemalt und dass es auf gar keinen Fall klappt. Denn wenn man die Pistole auf die Brust gesetzt bekommt und gesagt wird: „Jetzt oder nie“, klingt das so, als würde es niemals klappen. Das war für mich das Schlimmste. Es wurde eine richtige Angst gemacht. Das finde ich schade, weil viele Frauen sich dann erst recht einen Kopf machen, was natürlich berechtigt ist, obwohl gar nicht gesagt ist, ob es vielleicht wie bei manchen einfach so klappt. Es ist ja noch gar nichts gesagt. Ich rede jetzt nicht von allen, aber ein ganz wichtiger Punkt ist, dass die Chance mit einer künstlichen Befruchtung oder einer ICSI fast so ist wie bei gesunden Paaren. Ich glaube, es ist immer ein schwierig anzusprechendes Thema, ob für Mann oder Frau, oder auch wenn der Mann unfruchtbar ist. Aber wenn man den richtigen Partner hat, geht man da gemeinsam durch.

Ellen Brockmann: Ich denke, das hast du sehr schön gesagt. Danke dafür. Die letzte Frage aus der Community ist, ob es einige Kinderwunschmedikamente gibt, die dazu führen können, dass die Endometriose sich stärker ausprägt.

Rieke Viertel: Kinderwunschmedikamente sind in erster Linie meistens alles, was stimuliert. Während der IVF, also während der künstlichen Befruchtung stimulierst du ja deine Eierstöcke. Das ist natürlich total Feuer. Aber in dem Moment macht man es, um schwanger zu werden. Deswegen ist es nichts, was man über Monate nimmt, sondern in dem Fall ist das Ziel eine Schwangerschaft. Von daher ist es kurzzeitig schon so. Aber als nächster Schritt ist ja die Schwangerschaft das Ziel und dann hebt es sich wieder auf. Diese Kinderwunschmedikamente, also die Stimulationsspritzen feuern natürlich im ersten Moment. Aber wir reden im besten Fall von zwei Wochen, je nachdem wie viele Versuche man hat. Da kommt es auch leider öfter zu einer Überstimulation. Auf Dauer können sie die Endometriose anfeuern. Aber wir reden jetzt von einem kurzen Zeitraum und dem Ziel, schwanger zu werden. Das ist in dem Fall nichts, was man dauerhaft gibt.

Ellen Brockmann: Eine Betroffene fragt, ob das Dasein für die Kids trotz Einschränkungen und Schmerzen durch die Endometriose für dich möglich ist.

Rieke Viertel: Ich habe seit der Schwangerschaft auch noch Beschwerden, aber es ist längst nicht mehr so schlimm wie damals vor den Kindern, als es wirklich so akut war. Seit dieser großen OP ist es natürlich noch präsent, aber längst nicht mehr so schlimm. Ich muss auch sagen, so blöd es klingt, man gewöhnt sich irgendwann an diese Schmerzen. Ich mache auch nach wie vor viel dafür. Die Ernährung spielt eine große Rolle. Alles, was einen Blähbauch vermeidet, ist gut, weil du da die Verwachsung merkst. Bei allem, was Spannungen macht, merkst du es gleich wieder. Während der Periode bin ich öfter ein paar Tage ausgeknockt, aber auch da weiß ich mir mittlerweile zu helfen. Man findet einen Umgang damit. Das ist natürlich nicht immer schön, aber irgendwie hat man sich arrangiert. Ich nehme keine Hormone ein. Es ist ja trotzdem leider noch so, dass die Therapie der Wahl ein Langzeitzyklus mit der Pille oder Hormone sind. Das vertrage ich leider nicht so gut und möchte es, soweit es geht, erst einmal nicht machen. Es gibt Tage, die schwierig sind. Aber es nicht so wie damals, dass ich jeden Tag höllische Schmerzen habe. Es gibt Tage, an denen ich einen Endo-Bauch habe, wie man ihn so schön nennt. Damit habe ich schon zwei, drei Tage zu tun. Der kommt auch einfach so. Das zieht bis zur Niere hoch. Aber ich zögere da nicht mehr und nehme dann Schmerzmedikamente, auch wenn viele sagen, dass ich nicht immer Schmerzmittel schlucken kann. Aber Schmerzen sind blöd. Dann ist es eben drei Tage lang so, und es hilft eigentlich ganz gut.

Ellen Brockmann: Es klingt, als ob du im Moment trotz allem einen guten Umgang damit gefunden hast.

Rieke Viertel: Mit den Jahren hat man irgendwie gelernt, was einem gut tut. Eine Wärmflasche oder Ruhe tun mir in dem Moment gut. Eine Badewanne hilft mir immer total, wenn ich extreme Bauschmerzen habe. Man weiß, was einem hilft und man hat auch teilweise herausgefunden, was es verstärkt. Ich habe zum Beispiel beobachtet, wenn ich ein Steak esse, was ich nicht mehr mache, dass es danach sein kann, dass ich wieder diesen Endo-Bauch bekomme. Es ist auch bekannt, dass es so sein kann. So ist es bei mir auch. Man weiß, was man darf und was man nicht darf. Es hat aber auch gedauert, bis man einen Umgang damit gefunden hat.

Ellen Brockmann: Rieke, gibt es noch etwas, was du ansprechen möchtest, was wir nicht angesprochen haben?

Rieke Viertel: Ich erinnere mich immer wieder an diese Zeit zurück. Auch im Austausch mit anderen kommen natürlich die Jahre, die man durchgemacht hat, immer wieder zum Vorschein. Wenn ich zurückblicke, denke ich mir, dass ich nie jemandem sagen würde: „Mach dir keinen Stress. Mach dir keinen Druck. Das wird schon.“ Denn in dem Moment kann man das gar nicht gebrauchen. Es ist wichtig, dass man sich auf die richtigen Menschen konzentriert, viel redet, mit seinem Partner zusammenhält, sich Auszeiten nimmt und sich etwas Gutes tut. Es wäre gelogen, dass man einfach einen Schalter umlegen kann. Das Thema war durchgehend präsent und es hat mich sehr gestresst. Es kamen viele Sprüche, die mir wirklich gar nicht geholfen haben. Ich glaube, das Wichtigste ist der Zusammenhalt und dass man trotzdem versucht, sich schöne Momente zu gönnen, um neue Kraft zu tanken. Ganz ehrlich, die Kinderwunschzeit ist furchtbar kräftezehrend. Es dreht sich um nichts anderes. Hier sind auch Menschen wichtig, die einen verstehen. Ihr könnt mir auch gerne schreiben. Der Austausch, das Verständnis von anderen und dass man gehört wird, haben mir sehr gutgetan. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen aus dem Umfeld, die keine Erfahrung damit gemacht haben oder machen mussten, was ja auch schön ist, diese Sehnsucht nicht nachempfinden konnten. Dann kamen diese Sprüche: „Mensch, mach dir doch jetzt keinen Stress, dann klappt es sowieso nicht.“ Das kennen wir ja alle. Das sind diese Klassiker, die gar nichts bringen. Deswegen ist reden immer gut. Der Austausch ist sehr wertvoll. Trotzdem sollte man versuchen, sich Auszeiten zu nehmen oder sich wenigstens etwas Gutes zu tun, auch wenn die Gedanken da sind.

Ellen Brockmann: Ich finde es sehr schön, dass du das noch einmal so gesagt hast, weil es ja auch bestärkt, auf den eigenen Körper zu hören und dass man sich nicht abwimmeln lässt. Ich glaube, man muss sich manchmal vor Augen führen, dass man nicht verrückt ist. Rieke, ich möchte mich ganz herzlich bei dir bedanken.

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Dr. med. Nadine Rohloff