Familie und Endometriose: Ein Interview mit Naila Rediske

In diesem Interview sprechen wir mit Paar- und Sexualberaterin Naila Rediske. Es geht um verschiedene Fragen zum Thema Endometriose und Familie.

Sina Winkenjohann: Herzlich Willkommen Naila, wir sprechen heute über das Thema Familie und Endometriose. Ein Thema, auf das ich mich sehr freue, weil mich das auch selbst betrifft. Vielleicht magst du dich trotzdem nochmal kurz vorstellen für alle, die dich nicht kennen.

Naila Rediske: Ich bin Naila. Ich kläre über meinen Instagram Kanal @endo.pareunos über Sexualität und Partnerschaft und andere Themen rund um Endometriose auf. Zusätzlich habe ich eine Praxis in Hamburg, berate aber auch online als Sexualberaterin und Paarberaterin. Und habe unter anderem die Grundausbildung für systemische Familien- und Einzeltherapie. Das heißt, Familienthemen sind mir beruflich vertraut. Außerdem bin ich selbst Mama.

Sina Winkenjohann: Das Thema Familie und Endometriose ist ja wirklich ganz weit gespickt. Vielleicht nehmen wir erstmal so ein paar allgemeine Sachen. Zum Beispiel, wie verändert sich der Alltag für Betroffene hinsichtlich der Endometriose ab dem Zeitpunkt der Familiengründung?

Naila Rediske: Familiengründung an sich ist ja schon ein großes Thema, weil Kinderwunsch für viele sehr schwierig ist. Das ist schon ein großer Punkt der Belastung für viele. Man sagt schon: „Mit Kind braucht es ein ganzes Dorf.“ Im Grunde nach reichen die Eltern nicht, um so einen Alltag mit Kind abzudecken und alle Bedürfnisse so zu erfüllen, dass die eigenen Bedürfnisse auch gut erfüllt werden. Und dabei geht man von gesunden Menschen aus. Wenn man jetzt aber selbst Endometriose hat und dementsprechend Krankheitssymptome hat, dann ist die Herausforderung natürlich eine ganz andere. Das geht schon damit los, dass manche in der Schwangerschaft andere Beschwerden haben mit der Endometriose. Aber eben auch, wenn das Kind auf die Welt kommt, die Belastung eine ganz andere sein kann. Das Wochenbett finde ich sehr schön, aber es ist auch sehr anstrengend. Und wenn man Endometriose hat, können dann nochmal ganz andere Herausforderungen dazu kommen. Und dann hat man so einen kleinen Menschen, den man zusätzlich versorgen muss. Es geht nicht anders und kann sich plötzlich nicht mehr um die eigenen Beschwerden, aufgrund der Endometriose so kümmern, wie man das sonst gewohnt ist. Und dann kommt der Schlafmangel dazu, der anstrengend und für Menschen mit Krankheitssymptomen nochmal eine ganz andere Herausforderung ist. Das lässt sich nicht schönreden.

Sina Winkenjohann: Da knüpft auch das nächste Thema ganz gut an. Wie kann man sich denn Freiräume schaffen, um sich auch mal die Ruhe zu gönnen, die man ja oft einfach auch mal braucht?

Naila Rediske: Wenn ich jetzt von einem Kleinkind ausgehe, würde ich sagen, schaut, dass ihr euch gut vernetzt. Dass ihr eine Spielgruppe habt. Dass ihr dafür sorgt, dass die Großeltern, die Paten, oder andere Freunde, andere Erwachsene da sind, die einen guten Bezug zum Kind haben. Dass das Kind von Anfang an eine gute Bindung aufbaut zu anderen Erwachsenen. Da geht es nicht darum, dass ich als Mama, oder als Papa, ersetzt werde. Sondern es geht darum, sozusagen dieses Dorf aufzubauen, von dem ich eben gesprochen habe. Und gerade bei kleineren Kindern ist es ja oft so, dass sie sehr an den Eltern, oder besonders an der Mama, noch hängen. Und wenn man von Anfang an andere Erwachsene mit einbezieht, dann kann die Bindung so aufgebaut sein, dass ich mir eben Freiräume schaffen kann. Und das Kind ist gut versorgt mit Oma, mit Tante, mit Onkel, wie auch immer. Und das wäre so mein erster Masterplan, zu sagen: „Hole dir möglichst Menschen dazu.“ Und das dann auch nicht als Defizit betrachten, nicht als Mensch: „Ich versage hier jetzt gerade als Mutter.“ Sondern wirklich als: „Nein, ich brauche das jetzt gerade. Das ist jetzt gerade wichtig für mein Kind, und es ist wichtig für mich.“

Sina Winkenjohann: Das fängt ja auch schon so ein bisschen an mit dem eigenen Partner. Auch zu sagen: „Ich verbringe mein Leben mit dieser Person. Ich habe mit dieser Person ein Kind bekommen.“ Natürlich kann er dieses Kind auch versorgen. Auch da das Vertrauen abzugeben, oder auch das Vertrauen zu haben, dass ich nicht immer 100 Prozent da sein muss. Sondern dass der andere das genauso schafft. Das ist genauso sein Kind, oder ihr Kind.

Naila Rediske: Viele gehen davon aus, so viel Zeit wie möglich mit dem Kind verbringen zu wollen. Das ist auch schön und ehrenhaft. Am Ende geht es aber um die Qualität. Und wenn ich es nur mal brauche, dass ich jeden Tag eine Stunde ein Mittagsschlaf mache. Weil ich einfach wahnsinnige Schmerzen habe und sonst nicht durch den Tag komme. Dann habe ich diese Stunde vielleicht weniger mit meinem Kind. Aber ich habe die andere Zeit eben mit Qualität. Anstatt mich durch den Tag zu schleppen und nicht mehr zu wissen, was ich mit meinem Kind machen soll. Weil ich selbst überhaupt nicht mehr kann.

Über Naila Rediske

Ich lebe mit meiner Familie in Hamburg, hier habe ich auch meine Praxis für Sexualberatung und Paarberatung, in der ich Menschen online oder vor Ort berate. Zusätzlich zu meiner Arbeit zu den Themen Sexualität, Selbstliebe, Körperwahrnehmung, Liebe und Beziehung habe ich mich Anfang 2022 auf Menschen mit Endometriose spezialisiert. Da es für Endometriose-Betroffene eine große Herausforderung sein kann, die eigene Sexualität schmerzfrei zu erleben oder eine ausgewogene Beziehung trotz Endometriose zu führen, ist es mir eine Herzensangelegenheit Menschen in diesem Bereich zu begleiten und zu beraten. Meine Arbeit stützt sich auf Ausbildungen und Fortbildungen in den Bereichen systemische Sexual- und Paartherapie, systemische Einzel- und Familientherapie, Transaktionsanalyse, Selbsthypnose und Sexualberatung unter anderem nach dem Sexocorporal Konzept.

Sina Winkenjohann: Das geht schon so ein bisschen in unsere erste Frage, die wir aus der Community bekommen haben. Nämlich: Gibt es Tipps zum Entstressen des Mutterseins bei Schmerzschüben?

Naila Rediske: Kommt drauf an, wie alt das Kind ist. Es gibt zum Beispiel Spiele im Liegen, diese findet man auch im Internet. Wenn man sagt: „Okay, ich muss liegen. Ich habe Schmerzen.“ Dann kann man zum Beispiel mit einem Kind spielen und sagen: „Ich bin jetzt der Pizzabelag. Und du kannst mich jetzt mit deinen Bauklötzen belegen.“ Oder vielleicht gibt es auch Spielzeuggemüse, oder Obst, oder sowas: „Belege mal eine Pizza.“ Und: „Nein, wir brauchen jetzt aber nochmal das und das. Hole nochmal das aus deinem Zimmer.“ Und dadurch so eine Beschäftigung aufbauen, in der man sich selbst nicht bewegen muss. Da gibt es ganz viele Möglichkeiten. Zum Beispiel gibt es auch das Spiel, dass man liegt und man macht verschiedene lustige Töne, wenn das Kind auf das Knie tippt, wenn das Kind auf die Nase tippt. Ansonsten würde ich empfehlen, dass man sich so eine kleine Notfallbox zusammenstellt. In Schmerzphasen, in denen wirklich gar nichts mehr geht mit dem Kind, hat man eine kleine Box oder ein Fach mit Dingen wie Ausmalbildern oder Bastelsachen. Bei vielen kriege ich auch oft mit, dass das Thema Medien ein Thema ist. Das kann man gestalten und man kann man zum Beispiel sagen: „Wir gucken dann jedes Mal eine Wissensserie zusammen. Danach sprechen wir darüber, malen, oder schreiben auf, was wir da heute gelernt haben.“ Oder: „Wir hören gemeinsam ein ganz spannendes Hörbuch und reden danach darüber.“ Trotzdem ist es auch okay, das Kind einmal vor der Serie zu parken, ohne sich dabei schlecht zu fühlen.

Sina Winkenjohann: Als ich meine akuten Schmerzphasen hatte, haben wir Hörbücher herausgesucht, oder dann die Tonibox. Und dann konnte ich mich auf das Sofa legen. Und er hat am Fußende gesessen mit der Wolldecke und hat dann spannend zugehört. Das war dann immer wirklich so eine Stunde. Wo ich dann die Wärmflasche auf dem Bauch hatte, die Schmerztablette eingeschmissen habe und warten konnte, bis sie dann vernünftig wirkt. Bis ich mich wieder aufsetzen konnte. Irgendwann hat er dann angefangen, sich Bilderbücher zu holen. Und mir zu erklären, was in den Bilderbüchern ist, als er dann ein bisschen älter war, und so. Das war auch immer ganz schön.

Naila Rediske: Sowas geht richtig gut. Wie mit der Notfallbox. Wenn man sagt, man hat immer am Sofa vielleicht ein paar Bücher liegen, oder am Bett. Dass man weiß, wenn man sich jetzt hinlegen muss mit Schmerzen, dann hat man für das Kind schon was griffbereit.

Sina Winkenjohann: Die nächste Frage aus unserer Community lautet: Wie erklärt man Kindern die Endometriose? Ich meine, es kommt natürlich auch immer ein bisschen aufs Alter an. Wir gehen jetzt von späten Kindergartenkindern bis Schulkindern aus.

Naila Rediske: Wenn ich meinem Kind sage: „Du musst keine Angst haben.“ Dann hört es nur das Wort Angst. Das heißt, das Erste ist, dass du in deiner Sprache schaust, Dinge wirklich positiv zu formulieren. Und alles rauszulassen, was du eigentlich einem Erwachsenen gegenüber verneinen würdest. Du sagst zum Beispiel: „Weißt du was? Ich habe eine Erkrankung. Die heißt Endometriose. Und die sitzt in meinem Bauch unter anderem.“ Und dann kommt es so ein bisschen aufs Alter an. Kindergarten-, Vorschulalter ist nochmal was anderes als vierte Klasse. Ich würde sagen, dass man sich so ein bisschen eine Angstspanne aufzieht. Man fängt in kleinen Schritten an und erklärt und weiß, ich höre an einem bestimmten Punkt definitiv auf. Aber wenn ich vorher merke, das Kind wird unruhig, dann höre ich schon vorher auf. Und ganz wichtig ist, wenn man Kindern in dem Alter etwas erklärt, dass man die Lösung parat hat. Das heißt, wenn man einem kleinen Kind sagt, oder einem Grundschulkind sagt: „Habe keine Angst. Ich habe eine Krankheit. Die heißt Endometriose. Die ist unheilbar.“ Dann sagt man dem Kind: „Habe Angst, weil es keine Lösung gibt.“ Das ist alles, was das Kind da heraushört. Und die Erklärung wäre eben: „Ich habe eine Erkrankung. Ich merke das ganz stark in meinem Bauch. Du hast das bestimmt auch schon mitbekommen, dass ich immer mal Schmerzen habe.“ Punkt. Lösung, mir hilft: „Das hast du bestimmt auch schon mitgekriegt. Ich mache mir eine Wärmflasche. Ich lege mich hin. Und dann ist es ganz toll für mich, wenn du dich vielleicht sogar zu mir setzen magst und wir hören ein Hörbuch zusammen. Oder du gehst dann in deinem Zimmer spielen, bis die Tablette gewirkt hat.“ Punkt. Und wenn das Kind dann kommt und Fragen stellt, würde ich mich immer versuchen, das erstmal so kurz wie möglich zu beantworten. Ich selbst als Betroffene habe ganz viel Wissen über die Endometriose. Und dennoch ist es so, wenn das Kind dann weitere Fragen stellt, am besten erstmal kurz antworten. Wenn das Kind nach der Ursache der Endometriose fragt, kannst du zum Beispiel sagen: „Hey, tolle Frage. Ehrlich gesagt, weiß man das nicht so ganz genau, aber macht eigentlich auch nichts. Du weißt ja, ich habe meine Wärmflasche.“ Es kann sich für einen Erwachsenen manchmal ein bisschen so anfühlen, wie: „Ich rede das jetzt schön.“ Es ist manchmal so ein schmaler Grad. Und man soll das Kind natürlich nicht anlügen. Und das Kind kriegt den Alltag mit einem mit. Und an diesem Alltag muss man die Aufklärung über die Endometriose natürlich auch anpassen. Wenn mein Kind jetzt mitkriegt, dass ich sieben Tage die Woche weine vor Schmerzen, im Bett liege und gar nichts mehr machen kann, dann ist die Erklärung auch eine andere. Aber wenn es eben so Symptome sind, dass man Alltag macht. Aber zwischendurch eben auch Schmerzen hat und das Kind das mitkriegt. Dann kann man durchaus an diese Lösungsansätze anknüpfen und eben sagen: „Hey, ich habe Tabletten, die mir helfen. Ich kann mal zum Arzt, oder zur Ärztin, fahren, und die schauen sich das dann an.“

Sina Winkenjohann: Nun gibt es ja auch Situationen, wo das vielleicht von null auf 100 kommt. Wenn ich in dem Moment sehr mit mir beschäftigt bin, was Schmerzen angeht. Sprich, ich liege gekrümmt auf dem Badezimmerteppich. Ich muss mich vielleicht übergeben und hadere mit meinem Kreislauf. Das sind Angstmomente, die ich auch habe, weil ich genau weiß: „Okay, es kann jetzt sein, dass mein Kreislauf abklappt.“ Was mache ich mit meinem Kind? Hast du da irgendwie einen Tipp, was so Notfälle angeht?

Naila Rediske: Notfallnummer. Entweder hast du Bekannte, oder Nachbarn, die du anrufen kannst. Im Zweifel musst du einen Krankenwagen rufen. Und das Kind kommt mit dir mit. Oder wenn es zu klein ist und nicht mit ins Krankenhaus darf, kommt es in Obhut. Das wäre der Worst Case.

Sina Winkenjohann: Ja, richtig. Tatsache war es bei mir damals auch so. Wir hatten so eine Mutti-Gruppe, so eine Krabbel-Gruppe. Ich bin dann auch geistesgegenwärtig noch zur Terrassentür gegangen und habe sie aufgemacht. Dann habe ich die Leute aus der Gruppe per Nachricht kontaktiert. Und es kamen Tatsache auch sofort zwei Personen vorbei. Es ist wichtig, da auch einfach die Scheu und die Angst zu verlieren, dass man Leuten irgendwas nimmt. Weil sie würden das Handy ausmachen, wenn sie nicht helfen wollen würden. Das muss man sich einfach selbst auch klar machen. Aber ich weiß auch selbst, dass das ein Schritt ist, den man erstmal selbst begreifen muss. Dass man halt nicht nur eine Belastung ist und sich auch Hilfe holen kann und auch Hilfe holen darf.

Naila Rediske: Man kann es auch in guten Phasen absprechen. Wenn man gerade keine Schmerzphase hat, dass man sich eben versorgt und mit Freunden, Nachbarn, wie auch immer, und das abspricht.

Sina Winkenjohann: Eine Frage habe ich noch. Gibt es Tipps, um die Balance zwischen Partnerschaft und Familie zu halten?

Naila Rediske: Es kommt ein bisschen drauf an, wie alt das Kind ist. Umso älter das Kind ist, umso leichter ist es natürlich, sich auch Freiräume zu erschaffen. Da rate ich dringend zu, das regelmäßig zu machen. Und mit der Endometriose ist diese Regelmäßigkeit dann so ein bisschen unregelmäßig. Das heißt, man schaut, kriege ich das einmal die Woche, oder alle zwei Wochen hin, dass ich mit meiner Beziehungsperson zu zweit unterwegs bin. Und zwar nicht, das Kind ist im Bett und wir sitzen auf dem Sofa. Sondern man verlässt mal gemeinsam die Wohnung und geht eine Stunde spazieren. Oder setzt sich nebenan ins Café, oder geht richtig aus, wonach einem auch immer ist. Oder andersrum, wenn man aufgrund der Endometriose nicht raus mag. Das Kind wird mal abgeholt für zwei Stunden Spaziergang, und man ist zu zweit zu Hause. Und das ist was, wozu ich allen Paaren, die Eltern sind, die zu mir in die Beratung kommen, immer wieder rate. Das muss eine feste Routine sein. Beziehung ist immer auch Arbeit. Egal, ob man in der Krise ist, oder nicht. Und ganz besonders ist Beziehungsarbeit, wenn man eben auch Eltern ist. Und wenn man die Herausforderung der Endometriose und dann noch andere Lebensherausforderungen hat. Dementsprechend würde ich euch raten, sorgt dafür, dass ihr eine gute Kommunikationsebene miteinander habt. Das heißt, nehmt euch Zeit für eine respektvolle, achtsame und aufmerksame Kommunikation. Das macht einen Riesenunterschied zum Alltag. Sich mal eben so in ein, zwei Sätzen, oder per WhatsApp, Themen rüberschieben. Und das andere ist eben diese Routine und zu sagen: „Okay, alle zwei Wochen spätestens sind wir zu zweit. Und das Kind ist woanders, oder das Kind ist zu Hause mit jemanden. Und wir gehen raus.“ Und da muss gar kein großer Anspruch hinterliegen. Viele sind dann so: „Hey, es ist Date Night. Das muss jetzt alles großartig sein.“ Es geht erst mal einfach darum, zu zweit zu sein. Und das immer wieder zu machen und zu sagen: „Hey, wir sind zufrieden miteinander. Wir können zu zweit sprechen. Und wir können dann vielleicht auch schöne Sachen erleben.“ Und das ist etwas, was eigentlich kein Geld kosten muss unbedingt und durchaus umsetzbar ist.

Sina Winkenjohann: Wenn ein neuer Lebensumstand, wie ein Kind, ins Leben tritt, dann sind andere Dinge gerade Priorität als die Partnerschaft. Auch wenn sich jetzt jemand angesprochen fühlt und sich denkt: „Okay, eigentlich habe ich gar keine Partnerschaftzeit mehr.“ Das dann auch in Angriff zu nehmen und jetzt vielleicht auch zu merken: „Okay, gut, das ist vielleicht eine Lösung. Und vielleicht mache ich das erstmal nur alle vier Wochen, weil wir es irgendwie gar nicht anders hinkriegen.“ Und so ist ja letztendlich alles Abstimmungssache. Aber auch den Schritt zu gehen und zu wissen, es ist eigentlich nie zu spät, solange man irgendwann mal handelt.

Naila Rediske: Auf jeden Fall. Wobei ich da ein bisschen strenger bin. Wenn Paare mir sagen: „Alle vier Wochen könnte klappen.“ Dann sage ich: „Und jetzt bitte mal einen Schritt aus der Komfortzone raus. Dann bitte alle drei Wochen.“

Sina Winkenjohann: Das ist richtig. Vielen Betroffenen haben berichtet, dass es ihnen schwerfällt, Hilfe anzunehmen. Ich kann da aus eigener Erfahrung sagen: „Ja, mir auch.“ Ich denke auch immer, ich muss alles allein schaffen, und ich schaffe das schon irgendwie. Auch das ist ein Prozess, dem man sich annehmen muss.

Naila Rediske: Man darf nicht vergessen, ein Kind ist irgendwann im Kindergarten, verbringt viel Zeit mit der Kindergärtnerin und dem Kindergärtner und nennt die auch nicht Mama, oder Papa. Das sind dann einfach neue Bezugspersonen im Leben des Kindes. Und am Ende kannst du in einer Stunde, die du gemeinsam mit deinem Kind verbringst, so viel Qualität in der Zeit haben, dass das viel entscheidender ist als fünf, sechs Stunden mit Oma. Die Zeit mit Oma kann auch toll sein. Aber die Mamabindung, die Papabindung, die Elternbindung bleibt immer. Und das zu pflegen, ist das Entscheidende. Und das über das Gefühl zu stellen: „Ich versage, ich bin nicht gut genug, weil ich Endometriose habe. Ich bin nicht gut genug, weil ich immer Schmerzen habe.“ Die Gefühle sind nachvollziehbar. Die Gedanken sind nachvollziehbar. Dass man sich schlecht fühlt mit den Schmerzen. Wenn man gerade was mit seinem Kind machen möchte, und dann geht das nicht. Ich kann das gut verstehen. Da dann aber wirklich sich selbst zu beruhigen und zu sagen: „Hey, ich bleibe für mein Kind der Fels in der Brandung. Ich bleibe für mein Kind die Nummer eins Bezugsperson. Ich bleibe für mein Kind Mama.“ Und das ist das Entscheidende: „Und jetzt gerade muss ich mich versorgen. Jetzt gerade muss ich auf meine Schmerzen schauen, und da bin ich für mich die Priorität eins. Damit ich dann wieder für meine andere Nummer eins, für mein Kind, komplett da sein kann.“ Und zum Thema Hilfe annehmen: Ich kenne niemanden, dem das nicht so geht. Und ich glaube einfach, ich sage meinen Klientinnen das auch immer wieder: „Stelle dir vor, es fällt dir jetzt gerade schwer, Hilfe anzunehmen. Und du ziehst das die nächsten zehn Jahre durch. Die nächsten zehn Jahre fragst du nicht nach Hilfe. Stell dir das nur mal vor. Du machst alles allein. Einfach, weil es dir schwerfällt, danach zu fragen, dass dich jemand unterstützt.“ Und dann werde ich mit großen Augen angeguckt: „Wie? Ich soll jetzt zehn Jahre niemanden nach Hilfe fragen?“ Sage ich: „Stelle es dir doch nochmal vor als Gegenextrem.“ „Nein, das ist auch doof. Nein, dann nehme ich lieber die Hürde und frage nach Hilfe.“

Sina Winkenjohann: Absolut. Naila, ich sage, ganz lieben Dank für deine Worte und für deine Tipps. Ich finde, da kann man immer ganz viel rausholen. Das finde ich sehr wertvoll.

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Dr. med. Nadine Rohloff