Endometriose und Verdauung

Verdauungsprobleme im Zusammenhang mit Endometriose werden häufig hinter vorgehaltener Hand besprochen. Das kann für Betroffene umso belastender sein. Wir haben ein offenes Gespräch mit Ernährungsberaterin Nicole Heinze darüber geführt, was dem Magen-Darm-Trakt gut tut.

Sina Winkenjohann: Ja, herzlich willkommen nochmal an alle! Vielen dank fürs Einschalten. Ich stelle mir vielleicht kurz selber vor, weil viele haben mich, glaube ich, hier auch noch nicht so häufig gesehen. Ich bin Sina, ich bin seit März jetzt bei der Endo-App dabei als Team-Managerin und freue mich ganz toll, dass die Nicole Zeit für uns hat, und wir sprechen heute über das Thema Darmgesundheit und Endometriose. Nicole ist als Ernährungsberaterin für uns, für die Endo-App, tätig und macht da ganz viele tolle Inhalte und hat Tipps und Tricks, parat sozusagen und ganz viel Wissenswertes. Genau ist ein sehr, sehr wichtiges Thema, weil viele von uns Endometriose-Betroffene haben, halt Probleme mit dem Damen und auch mit Endometriose am Darm, und es ist leider immer noch ein Thema, über das viel zu viel geschwiegen wird, was so ein bisschen hinter der Hand gehalten wird, was absolut nicht notwendig ist, denn auch das gehört dazu. Nicole, magst du vielleicht noch zwei, drei Worte zu dir selbst sagen?

Nicole Heinze: Ja, sie ist auch übrigens total schön, mal mit dir zu sprechen. Ja, ich bin Ernährungsberaterin von Haus aus, hab das mal studiert bis 2013, glaube ich, und wird dann über Umwege beim Thema Endometriose gelandet, und seitdem forsche ich dazu und darf auch seit ungefähr fast zwei Jahren jetzt auch Menschen auf ihrem Weg mit der Endometriose und der Ernährung begleiten. Und ich liebe meinen Job, ich liebe das, was ich tun kann, die Forschung, die Arbeit mit den Betroffenen. Ich finde es einfach sehr schön, es macht immer wieder Spaß.

Sina Winkenjohann: Super, prima! Ja, wirklich ein sehr, sehr wichtiges Thema, und ich spreche da aus Erfahrung. Wenn ich sage, ist es immer gut, da irgendwas an der Hand zu haben und jemanden zu haben, der da auch noch mal darauf eingehen kann. Und ja, genau von daher eine super wichtige Arbeit, die du da machst. Prima, ganz allgemein, welchen Einfluss hat unser Darm auf das körperliche und psychische Wohlbefinden? Kannst du uns da was zu sagen?

Nicole Heinze: Ja, also Studien haben schon gezeigt, dass es da einen Zusammenhang gibt zwischen, also sowieso zwischen unserem ganzen System Körper, aber auch zwischen unserer Psyche, und das ist ja das, was häufig immer so ein bisschen unterschlagen wird, also Depression, und dazu gibt es auch schon Studien, dass es da einen Zusammenhang gibt. Und wenn, wenn da halt irgendwo was nicht richtig funktioniert, dann macht es nicht nur im Körper schnell Probleme, weil die Vitamine nicht richtig aufgenommen werden, Hormone nicht richtig abgebaut werden, Entzündungen dort entstehen, weil vielleicht Gewebshormone nicht richtig auch mit abgebaut werden können, und dann wiederum halt auch dadurch, die Psyche mit beeinflusst wird, ganz kurz und knackig.

Sina Winkenjohann: Ja, genau das ist ein Thema, da kann man, glaube ich, endlos drüber reden. Ich erinnere mich gerade so ein bisschen an ein Buch, was ich gerade gelesen habe, „Darm mit Charme“. Ich glaube, das ist auch unter Betroffenen sehr weit gereicht, dieses Buch. Da wird ja auch viel über das Gehirn im Darm sozusagen gesprochen. Ja, es ist ein Thema, da kann man, glaube ich, endlos drüber sprechen. Wie hängen denn Endometriose und der Darm zusammen?

Nicole Heinze: Der Darm hat ja ein eigenes Mikrobiom, was aus ganz vielen unterschiedlichen Bakterien zusammengesetzt ist und auch aus Pilzen, und alles, was da so was da so drin lebt, ist ein ganz, ganz eigener Zoo, im Grunde. Und was ich schon sagte, die Hormone werden halt auch über und Leber und so weiter abgebaut. Das heißt, funktioniert der Darm vernünftig, funktioniert auch unser Abfallsystem im Grunde vernünftig. Darüber und auch über die Blutbahn ist es so, dass Hormone auch abgebaut werden, die beispielsweise auch wieder unser Vaginal-Mikrobiom beeinflussen, also beispielsweise Östrogene, die den Aufbau der Vaginalschleimhaut mit unterstützen, und sind die halt nicht da oder in einem Überschuss, macht es wieder ein Unterschied für die Vaginal-Flora. Das ist also schon der erste Zusammenhang. Natürlich haben wir natürlich auch einen Östrogen-Überschuss bei der Endometriose, das heißt, wenn das ganze dann ab der zweiten Zyklus nicht tätig abgebaut werden kann über den Darm, da haben wir natürlich auch wieder ein Problem. Das heißt auch, da brauchen wir unsere damals Entsorgungssystem.

Sina Winkenjohann: Ja, richtig, also auch wieder so ein hormonelles Ungleichgewicht sozusagen, was da absolut mit reinspielt. Prima! Jetzt hatten wir das, glaube ich, schon so ein bisschen. Wie beeinflusst der Darm den weiblichen Zyklus? Das hast du gerade schon erwähnt, mit der ersten und zweiten Zyklus-Hälfte sozusagen? Gibt es da noch irgendwas zu ergänzen?

Nicole Heinze: Na ja, was, was ja ganz viele so im Zyklus auch merken, die Verdauung verändert sich. Gerade unser Darm und auch der ganze Unterbruch, das, das ist wirklich schon sehr nah beieinander, was aber halt auch ganz gerne dazu führt, beispielsweise rund um die Menstruation, dass durch den Ausschluss von Prostaglandinen, die dann halt auch wieder die Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut dann mit verursachen, dass dort der Darm dann auch wieder mit angeregt wird. Das heißt, es kommt halt rund um die Menstruation, dadurch, durch diesen ganzen Vorgang, auch häufiger einfach zu Blähungen oder Durchfallen. Andersrum Progesteron, unser Hormon, gerade so, was primär in der zweiten Zyklushälfte unterwegs ist, ist halt eins, was uns ganz gut entspannen lässt. Problem ist, es entspannt halt auch alles, unter anderem auch den Darm, was dazu führen kann, dass es vor der Menstruation gerne zu einem trägen Darm und zu Verstopfung kommt. Und dann halt ab der Menstruation meistens ins absolute Gegenteil umschlägt. So hängen da auch unsere Hormone und unser Zyklus mit drin.

Sina Winkenjohann: Was würdest du denn sagen, wie können unsere Endometriose-Betroffenen ihren Darm für stärken?

Nicole Heinze: Also, oh Wunder! Ich sag mal über die Ernährung, weil es ist mein Job. Aber nein, ich finde also grundsätzlich, man kann viele Dinge machen, aber man kann auch viel über die Ernährung machen, weil einfach ja auch unsere Ernährung komplett den Darm durchläuft. Fängt damit an, ausreichend zu trinken, und dass man immer irgendwie mal so eine Flasche dabei hat, dass da dann so anderthalb bis zwei Liter einfach möglichst an Wasser in den Körper reinkommen, um die Verdauung zu unterstützen. Dann nächster Schritt: Ballaststoffen, die halt unsere Damen Schleimhaut ist ja so aufgebaut wie so mit so Zotten. Das heißt, alles, was an unverdauliche Nahrungsbestandteile, sei es jetzt aus Gemüse, Schale beispielsweise von Paprika, die relativ schlecht zu verdauen ist für unseren Körper, oder Leinsamen oder Flohsamenschalem, die man dann so ab und zu mal ins Müsli macht, die gehen halt durch diese Zotten durch und putzen da alles schön, was da nicht hingehört, was da sonst so in den hinteren Ecken hängenbleibt und vielleicht eher eine Entzündung verursacht oder halt auch Platz für Pilze ist, um da zu wachsen. Ballaststoffe putzen da halt richtig schön durch und helfen so auch wieder, den Damen gesund zu halten. Und dann natürlich ausreichend Vitamine, aber das ist ja über Obst und Gemüse dann abgedeckt. Es ist aber nicht so, dass die Vitamine dem Darm helfen, sondern es sind wirklich eher die Ballaststoffe.

Sina Winkenjohann: Ja, da fällt mir jetzt mal so ganz spontan ein: Hast du so top fünf sozusagen, wo du sagen würdest, okay, das könnte irgendwie jeder an seiner Ernährung integrieren? Das ist nicht schwierig. Was würdest du uns da für einen Tipp geben? Was sind so deine ich?

Nicole Heinze: Ja, wie gesagt, ich bin in absoluter Freund von, immer irgendwie eine Flasche Wasser oder irgendwas zu trinken mit dabei zu haben, dann einfach auch mal häufiger Vollkorn-Produkte in die Ernährung mit einzubauen, dass man mal Vollkorn-Nudeln nimmt anstatt den normalen und Vollkorn-Reis anstatt dem weißen Reis, das sind so die relativ einfachen Sachen. Wenn man morgens Müsli-Esser ist, kann man natürlich mal so einen halben Esslöffel Flohsamenschalen mit dran machen, oder einen Esslöffel Leinsamen. Hier würde ich vorher ein bisschen im Mörser anhauen, weil die haben super schöne Omega-3- Fette, also gesunde Fettsäuren, die der Körper total gerne hat, die aber auch dem Darm so ein bisschen helfen, und ja grundsätzlich viel Obst, Gemüse und essen, einfach auch wieder für die Ballaststoffe, aber auch für die Vitamine, die wiederum unser Körper braucht, um die Hormone auch wieder umzusetzen. Also das ganze System läuft halt nicht nur auf Energie, also in Form von Zucker, sondern auch mit ganz vielen Vitaminen und Mineralstoffen. Die gibt es dann halt auch viel über eine pflanzliche Ernährung, da kann man sehr viel für sich tun. So eine richtige Top-five-Liste war das jetzt nicht.

Sina Winkenjohann: Aber da war, glaube ich, schon eine Menge dabei, dass man auch sieht, es muss nicht immer kompliziert sein, und es müssen nicht immer die über Nacht gezogenen Overnight-Oats sein oder wer weiß, sondern, wie du schon sagst, der halbe Esslöffel Flohsamenschalen tut es manchmal auch, und viele von uns trinken die ja tatsächlich morgens auch – das ist aber gewöhnungsbedürftig. Das zweite Wasserglas hinterher schmeckt immer doppelt so gut danach. Es gibt halt vieles, was man einfach so schnell und handlich machen kann, und ich glaube, das ist einfach auch ganz wichtig zu wissen, dass die Ernährung nicht immer ein Hexenwerk ist und dass es nicht immer mit aufwendigen Rezepten zu tun hat.

Nicole Heinze: Genau, das ist es halt so. Ich meine wir, wir essen ja sowieso relativ. Man hat irgendwann so seine festeingefahrenen Obst und Gemüsesorten, die man immer wieder kocht. Wichtig ist einfach, dass die immer wieder vorhanden sind und man weiß, wo, wo man seine Ballaststoffe herbekommt, um den Damen so ein bisschen zu unterstützen, auch in der Bewegung.

Sina Winkenjohann: Sehr gut, dann würde ich jetzt mal überschwenken zu unseren Community-Fragen, und da wurden wir gefragt, was kann ich machen bei Unverträglichkeiten und Endometriose? Das kennen ja auch viele von uns, ob das jetzt Histamin ist oder Laktose oder, da gibt’s viele. Die Liste ist endlos. Was kann man da tun?

Nicole Heinze: Ja, das gibt es leider ziemlich häufig, da hast du recht. Das ist auch mit Studien schon statistisch beschrieben. Da gibt es einfach einen ganz argen Zusammenhang. Was kann man da tun? Also die erste Empfehlung ist weglassen, das ist total blöd gesagt. Wenn man weiß, was es ist, so wenig wie möglich, auch bei einer Laktose-Intoleranz. Ich nehme jetzt einfach mal die Laktose-Intoleranz als Beispiel, das ist jetzt eine Intoleranz, keine Unverträglichkeit. Aber jeder Laktose-Intolerante weiß, dass er nicht so essen kann wie vielleicht ein anderer Laktoseintolerante, weil der Körper ja teilweise immer noch ein Anteil von körpereigener Laktase bildet. Gleiche gibt es bei Histamin. Selbst wenn man als Histamin intolerant gilt, heißt es ja nur, dass man unter einer bestimmten Schwelle Histamin verträgt. Genau das gleiche bei Fructose auch. Also da wichtig also, was ist für mich einfach wichtig, macht für viele, einfach die individuelle Schwelle rauszufinden.

Sina Winkenjohann: Hm!

Nicole Heinze: Man muss nicht alles kategorisch verkneifen, und auf Histamin verzichten, geht beispielsweise schon mal gar nicht, weil der Körper es von sich aus bildet.

Sina Winkenjohann: Ja.

Nicole Heinze: Das ist so, als wäre man gegen Wasser allergisch. Finde einfach deine individuelle Schwelle und sonst einfach tatsächlich umgehen. Ich meine, bei Histamin, bei Laktoseintoleranz hat man ja die Möglichkeit, was dagegen einzunehmen, bei anderen tatsächlich Unverträglichkeiten und Allergien eher weniger. Also bei Allergien schon, da hilft dann häufig ein Antihistaminikum. Aber wenn man die Wahl hat, dann sollte man dem Körper dem Stress einfach nicht aussetzen, um nicht noch zusätzlich Entzündungsreaktion im Körper einfach mit anzutriggern, die dann im Endeffekt wahrscheinlich auch wieder die Schmerzen mit begünstigen und die Endometriose so weiter antreiben können. Also das ist dann ein weiterer Punkt.

Sina Winkenjohann: Ja, im Zusammenhang dazu: Manchmal weiß man ja auch gar nicht, welche Unverträglichkeiten man hat. Also gibt es da irgendwie ein Schema, dass man jetzt sagt: Mensch, so finde ich das am besten heraus, oder die Alles-auf-einmal-Methode bringt es ja meist nicht. Hast du da noch irgendwie einen Tipp für unsere Follower?

Nicole Heinze: Um da wirklich eine gesicherte Diagnose zu haben, geht es am besten wirklich nur über einen Arzt, der guckt aber auch erstmal wirklich nur danach, also nach bestimmten Lebensmitteln. Das heißt, Tests auf Unverträglichkeiten und Intoleranzen können wirklich nur verlässlich gemacht werden, wenn es um einzelne Lebensmittel geht. Es ist ein anderer Test als beispielsweise diese Selbsttests, die es halt überall gibt, die auch Ergebnisse liefern, die aber nicht wirklich verlässlich sind, weil die Werte, die da halt mit ausgegeben werden, häufig auch erhöht sind, wenn man die Lebensmittel häufig konsumiert. Also wichtig: Guck einfach, mach dir ein Ernährungstagebuch und beobachte einfach mal eine Zeit lang, damit du schon eine grobe Richtung hast. Wo könntest du lang gehen, damit man weiß, okay, wenn ich jeden morgen Kaffee mit Milch trinke und Weißmehlbrötchen esse mit Käse drauf, dann habe ich Probleme: Okay, dann weiß man, man hat drei Möglichkeiten. Man hat den Kaffee, man hat Weizengluten und man hat Laktose mit dem Käse, vielleicht noch Histamin mit dem Käse. Aber um da wirklich durchzusteigen und sich nicht einarbeiten zu müssen, ist es manchmal leichter, sich einfach jemanden mit ins Boot zu holen, zu sagen hier, ich hab da mal was aufgeschrieben: Meine Idee ist folgende, wie sieht das aus? Und das kann die Ärztin bzw. der Arzt sein, das kann ein Ernährungsfachkraft sein. Es ist auf jeden Fall leichter, sich unterstützen zu lassen, nachdem man sich selbst schon ein bisschen beobachtet hat.

Sina Winkenjohann: Ja, wunderbar, prima! Dann ein ganz großes Thema auch im Bereich Endometriose, und da ist der berühmt berüchtigte Endo-Belly, der aufgeblähte, spannende, schmerzende, dicke Bauch. Hast du da einen Tipp, wie man den reduzieren kann beziehungsweise das Zusammenleben angenehmer gestalten kann?

Nicole Heinze: Ja, das ist so, ist ein großer Leidenspunkt oder auch Leidensdruck, tatsächlich in dem Punkt. Wichtig ist, den Auslöser zu finden, allgemein sich gesund zu ernähren, also z. B. Ballaststoffe zu sich zu nehmen – wo wir eben gerade schon drüber gesprochen haben. Auslöser können ganz unterschiedlicher Natur sein. Also manche vertragen Koffein beispielsweise nicht so gut, bringen das aber nicht so richtig mit der Verdauung in Verbindung, sondern erst so mit Unruhe und Zittern. Bei manchen sind auch längere Phasen des Essens, also des nicht Essens, quasi problematisch. Manche reagieren, wenn sie intermittierend fasten mit einem Blähbauch. Bei manchen hilft das, aber ich möchte da nicht irgendwie richten, aber da mal hinzugucken. Kohlensäure ist noch ein ganz, ganz großer Punkt. Ich glaube, ich habe in meiner Beratung selten mal den Fall, dass eine da mit dabei ist, die sagt, dass die Kohlensäure so richtig gut verträgt. Das ist leider ganz auch wieder ein großer Punkt. Zu viel Zucker kann auch wieder so in die Richtung gehen, da freut sich dann der Zucker-Darm-Bakterien-Stamm und feiert ein großes Fest, und das, was wir uns eigentlich mal bewusst machen müssen: Wir haben ja nicht die Blähungen, wir sind ja nur aufgebläht. Blähungen haben eigentlich die Darm-Bakterien. Ja, also, wir haben einfach die Darmbakterien, die halt da irgendwie ein großes Fest veranstalten. Wir sind am Ende die Leidtragenden, die das Ganze nach draußen bringen müssen, die dann sich dann womöglich auch noch für das ganze Thema schämen. Also was auch hilft, ist leichte Bewegungen natürlich. Wenn es so weh tut, ist es auch schwer zu sagen, mach mal eine Bauchmassage. Das kann man aber vorbeugen. Wenn man weiß, okay, das tritt zu einem bestimmten Zeitpunkt auf, kann man das dann auch noch mal machen. Aber ansonsten nur leicht bewegen, und such dir einen Ort, wo du es in Ruhe rauslassen kannst, wo es dann raus möchte.

Sina Winkenjohann: Richtig, ich glaube, gerade dieses Unterdrücken und dieses „Ich kann jetzt nicht so, wie ich muss“, führt dazu, dass viele Betroffene sagen: Okay, ich weiß, es geht jetzt los, es fängt an zu spannen, ich sage alles ab, ich bleibe zu Hause. Ich schließe mich ein.“ Da wären wir wieder bei dem Begleitthema Psyche. Also, das ist schon echt ein großer Punkt, wo viele sagen, das schränkt mich einfach auch sehr ein.

Nicole Heinze: Wir haben ja auch einfach verlernt, in unseren Bauch rein zu atme. Die Bauchatmung kann auch beim Verdauen helfen.

Sina Winkenjohann: Ja, oftmals, also tritt dieser Endo-Belly ja nicht immer sofort auf, sondern da kann ja auch manchmal eine ganz schöne Zeitspanne zwischen liegen. Also, ich sag mal, ich hab jetzt in meiner Anschlussheilbehandlung zum Beispiel auch gehört, dass Leute zwei Tage danach erst den bekommen haben und dann zurückgeführt haben: „Ah ja, richtig, vorgestern dick Pizza gegessen zum Beispiel, und das knallt jetzt auch endlich rein.“ Also, manchmal ist es ja gar nicht so, was war heute morgen, sondern oftmals muss man ja wirklich auch noch mal weiter zurückdenken und gucken, okay, was war die letzten ein, zwei Tage vielleicht auch.

Nicole Heinze: Ja, genau, und da hilft es wirklich, dann einfach mal zu dokumentieren und einfach mal zwei Tage, auch gerade wenn die Verdauung ein bisschen träger ist, dann liegt das auch alles länger im Magen-Darm-Trakt, und dann kann ich mal zeitlich ein bisschen länger zurückgehen.

Sina Winkenjohann: Ja, prima, dann haben wir noch eine Frage. Soll oder kann man dauerhaft Aktiv-Kulturen einnehmen, also für die Darm-Flora?

Nicole Heinze: So richtige Empfehlung gibt’s nicht. Also auf den Packungen von diesen Damen-Bakterien steht häufig drauf, dass man sie in einer niedrigeren Dosierung durchnehmen kann. Wir müssen uns aber immer wieder vor Augen führen: Wir haben Millionen Bakterien im Darm, und davon gibt es sind ganz, ganz viele unterschiedliche Stämme. In so einer Darm-Kur sind dann teilweise nur ein, zwei, maximal zwölf Bakterienstämme drin von man weiß ja noch gar nicht, wie viele es im Endeffekt sind. Das heißt, ruhig ab und zu mal ein bisschen Pause machen. Also ich empfehle es auch wirklich eher als Kur, und ich würde auch eine Pause machen und den Damen die Möglichkeit geben, sich selbst zu regulieren. Also gute Bakterien mit hinzufügen, dass man machen, indem man mal eine Stuhlprobe abgibt, und dann gibt es so individualisierte Darmproben, die Kosten aber echt eine Menge Geld. Oder man wählt halt ein Produkt, was halt mehrere Bakterien enthält, die dann da aber eine gute Basis legen, und dann kann der da sich wieder selbst regenerieren. Aber man muss einfach nur gucken, dass man den Zoo, den man sich quasi da gerade eingekauft hat, auch füttert, weil die, die man damit rein gibt, die wollen versorgt werden. Wenn man dann halt wieder Zucker regelmäßig in größeren Mengen nachschiebt, dann vermehren sich halt wieder die falschen Bakterien und die, die man gerade für teuer Geld da reingesteckt hat, kommen halt einfach wieder aus, ganz hart gesagt!

Sina Winkenjohann: Ja, wenn du sagst, auch mal ne Pause, über welchen Zeitraum reden wir da ungefähr?

Nicole Heinze: Also eine Empfehlung konkret gibt’s nicht. Ich für mich persönlich mache das ein, zweimal im Jahr, einfach zur Unterstützung meines Immunsystems. Aber eine wirklich knallharte Empfehlung ist mir jetzt gerade nicht bekannt, wie oft man das machen sollte.

Sina Winkenjohann: Prima! Dann ist ja auch ein großes Thema der chronisch entzündliche Darm. Was kann man da tun, damit es dem wieder so ein bisschen besser geht, damit man dem Leiden sozusagen das Leiden unterstützen kann beziehungsweise dem entgegenwirken kann?

Nicole Heinze: Antientzündliche Ernährung! Also auch da viele Vitamine. So was wie beispielsweise rote Bete enthält viel Oxalsäure, was nicht so gut wie die Zähne ist, aber schöne Antioxidantien, auch sowas wie Omega-3-Fettsäuren, also wer Fisch essen möchte, halt den fetten Seefisch, wer es nicht möchte, auch Rotalge, also Rotalgenöl enthält auch gute Omega-3-Fettsäuren. Ansonsten Leinöl oder Rapsöl sind noch so mit die Öle, die das beste Fettsäuren-Verhältnis haben. Also, man sagt immer eigentlich eine angepasste mediterrane Ernährung. Das heißt, im Grunde hast du eine Basis mit Gemüse und Vollkorn-Produkten, dann hast du so ein bisschen Geflügel und auch Milchsäureprodukte, die auch wieder die Darmflora unterstützen, dann oben darüber, eher in kleineren Mengen, mal rotes Fleisch und darüber dann halt der Süßkram. Ab und zu mal ein Glas Rotwein, wobei angepasst steht es ja nicht mehr so drin.

Sina Winkenjohann: Nein, oft ist Alkohol ja so ein bisschen schwierig, sag ich mal, nicht nur bei Endometriose, aber gerade auch da.

Nicole Heinze: Endometriose ist eine Krankheit, die über die Leber funktioniert. Also unsere Hormone werden über die Leber abgebaut, und wenn wir der Leber noch mehr zu tun geben, dann mobilisiert die halt, und dann wird halt erst das Gift Alkohol abgebaut und danach erst die Hormone.

Sina Winkenjohann: Was kann man noch tun, um Schmerzen zu reduzieren bei tief infiltrierender Endometriose am Damen?

Nicole Heinze: Da würde ich gar keinen so großen Unterschied machen. Also wichtig ist, da zu gucken, gerade wenn es direkt nach der OP ist, erst mal langsam rantasten mit Ballaststoffen, weil der Darm sich auch erst mal regenerieren muss. Deshalb erst man nicht überfordern, langsam rantasten mit den Ballaststoffen, dem Darm genug Zeit zum Abheilen geben und auch da wieder antientzündlich ernähren, also wirklich diese angepasste mediterrane Ernährung, die beispielsweise auch bei Rheuma, also auch bei anderen Entzündungserkrankung hilft.

Sina Winkenjohann: Okay, dann vielleicht abschließend. Die halbe Stunde ist irgendwie schon wieder verflogen, aber eine Frage haben wir definitiv noch. Was kann ich tun bei hochgradig fibrosiertem Gewebe in Darm?

Nicole Heinze: Da musste ich tatsächlich nochmal nachgucken, weil ich nichts Falsches empfehlen wollte, weil ich mir gedacht habe: Okay, es ist ganz klar ein gastroenterologisches Thema, und von Seiten der Ernährung kann man auch da wirklich nur mit einer antientzündlicher Ernährung gegensteuern. Außerdem ausreichend trinken, rausgehen und langsam, also gerade wenn, wenn die Schmerzen sehr groß sind oder vielleicht sogar Entzündung da sind,  erstmal Ballaststoffe ein bisschen runterfahren. Gerade auch, wenn man ein Problem mit hartem Stuhl hat, dann vielleicht so klassisches Hausmittel: fünf Backpflaumen in Wasser über Nacht einweichen, essen, Wasser hinterher – funktioniert. Und für die ganz Harten: Sauerkrautsaft trinken. Es schmeckt widerlich, aber es hilft, wenn man Verstopfung hat. Leinöl hilft auch, wenn die Schmerzen ganz akut sind – es schmiert und wirkt antientzündlich. Das hilft dem Darm so ein bisschen, sich an der Stelle wieder zu heilen und zu regenerieren. Aber ansonsten mit einem Arzt noch mal Rücksprache halten, weil die die die Experten sind.

Sina Winkenjohann: Ja, ja, ich glaube, letztendlich ist es wie mit allem. Es muss jeder für sich so ein bisschen ausloten und gucken, was geht für mich, das geht für mich nicht. Es ist ja auch immer eine Frage, wo sitzt die Endometriose? Sitzt sie direkt am Darm? Sind da Verwachsungen vorhanden oder so? Dann ist es auch nochmal eine ganz andere Geschichte als jemand, der, ich sage meinen Anführungsstrichen, nur die Endometriose am Bauchfell hat oder ähnliches, was genauso schlimm ist. Das will ich hier gar nicht sagen. Aber so muss man es einfach individuell gucken. Wichtig ist halt, dass es so Leute wie dich gibt, dass man sich Hilfe holen kann. Das ist, glaube ich, auch was, was wir auf jeden Fall mitgeben möchten. Da muss keiner alleine durch, trotz alledem, und die Frage kam hier gerade auch noch mal, und das würde ich dich auch gerne fragen, so ganz unvorbereitet: Hast du noch einen Buch-Tipp zur Ernährung?

Nicole Heinze: Im Moment habe ich leider noch keines, wo ich sagen würde, das ist wirklich so das Non-plus-Ultra, wo sich jeder etwas rausziehen kann.

Sina Winkenjohann: Ich glaube, dass das tatsächlich auch schwierig ist, weil, wie wir schon gesagt haben, jeder hat halt irgendwas anderes. Es gibt halt nicht einen perfekten Weg für jeden sowie bei egal welchem Thema der Endometriose, sondern das ist ja immer ein Abwägen. Was kann ich, was kann ich mir vorstellen?

Nicole Heinze: Das Thema Individualität, das ist ja auch nochmal davon abhängig, nimmt man Hormone ein, aktuell hat man einen eigenen Zyklus, und da ist es total wichtig. Egal, wie ihr daran geht, geht ganzheitlich an das Thema, weil es bringt nichts, sich nur das eine Feld anzugucken, also auch in meiner Ernährungsberatung. Ich mache nicht immer nur so einen Ausschnitt. Ich versuche, das irgendwie so möglichst breit anzugehen wie nur irgendwie möglich. Guckt an allen Ecken und Ende, wo ihr euch Hilfe holen könnt, und wir hoffen ja, dass jetzt auch bald mal so ein bisschen die Basis geschaffen wird, dann abgesprochen mit der Forschung, dass wir da mal so ein Wind unter die Flügel bekommen, dass auch da ein bisschen mehr finanzieren, unterstützen.

Sina Winkenjohann: Richtig, ja, es tut sich gerade viel auf dem Gebiet, und das ist auch. Ich kann das auch als Betroffene irgendwie sagen. Es gibt einem schon ein ganz gutes Gefühl. Klar sind nur Baby-Schritte erst mal. Das muss man halt auch sagen. Das ist jetzt nicht, dass wir alle die Hände hoch schmeißen und sagen, endlich geht es los. Aber immerhin tut sich etwas mit, immerhin wird drüber gesprochen, und ich finde auch das Thema Darm und Endometriose. Es wird mehr langsam drüber gesprochen, und es wird nicht mehr so viel hinter verdeckter Hand gehalten, und das ist halt einfach ganz wichtig, weil das sind Themen, die betreffen viele von uns. Ja, da braucht man sich nicht für schämen, das brauchen wir nicht in dem Berg zu halten, sondern das ist einfach, wie es ist. Genau das war das Interview.

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Dr. med. Nadine Rohloff