Endo und Beruf: Ein Gespräch mit Steffi von endo.positivity

In dieser Folge spricht Lisa von der Endo-App mit Stefanie Euler, die im Personalwesen tätig ist und den Blog endo.positivity betreibt. Es geht um alle Fragen rund um das Thema Endometriose und Berufstätigkeit.

Steffi: Hallo Lisa, schön, dass du da bist.

Lisa: Danke für die Einladung. Herzlich willkommen an alle, die sich für das Thema Endometriose und Adenomyose im Zusammenhang mit dem Beruf interessieren. Wir werden auch auf das Thema Schwerbehinderung eingehen und ich freue mich sehr, dass Steffi von Endo-Positivity heute bei uns ist. Kurz zu meiner Person. Ich heiße Lisa und arbeite seit etwa einem Jahr im Marketing-Team der Endo-App. Ich freue mich sehr, heute hier zu sein. Liebe Steffi, würdest du dich bitte kurz vorstellen, für diejenigen, die dich vielleicht noch nicht kennen?

Steffi: Ja, gerne. Mein Name ist Steffi, ich bin 30 Jahre alt, komme aus Bielefeld und bin selbst von Endometriose und Adenomyose betroffen. Diese Diagnose habe ich, wie viele andere Betroffene auch, nach einem oft langen Leidensweg im Jahr 2018 erhalten. Beruflich bin ich als Personalreferentin tätig und habe vor etwa zwei Jahren meinen Instagram-Account ins Leben gerufen. Dort gebe ich Tipps und Tricks weiter, leiste Aufklärungsarbeit und lege einen besonderen Fokus auf das Thema Arbeitsleben. Das liegt daran, dass ich Erfahrungen im Personalwesen gesammelt habe und selbst in einer Führungsposition tätig war. Das ist also ein zentraler Schwerpunkt meiner Arbeit und ich freue mich ganz besonders, heute darüber sprechen zu können.

Lisa: Ja, danke. Das klingt sehr spannend und ich finde, du machst eine wirklich wichtige Arbeit. Das ist wirklich toll. Fangen wir gleich mit der ersten Frage an. Gibt es bestimmte Berufe, die für Menschen mit Endometriose oder Adenomyose besonders geeignet sind?

Steffi: Ich glaube, das kommt immer auf die Person an. Theoretisch ist jeder Beruf möglich, je nach Beschwerden und Arbeitsbedingungen. Endometriose ist sehr häufig mit Beschwerden verbunden, daher sind Jobs, die etwas flexibler sind, besser geeignet. Beispiele sind flexible Arbeitszeiten oder Heimarbeit. Die meisten Berufe, die in diese Kategorie fallen, sind kaufmännische Berufe. Bestimmte Berufe, die oft mit flexiblen Arbeitszeiten und Heimarbeit verbunden sind, sind IT-Berufe wie Anwendungsentwickler, Programmierer, aber auch kreative Berufe wie Grafikdesigner und Content-Creator. Einige Mitglieder unserer Community arbeiten freiberuflich oder in Kooperation mit Unternehmen, um Inhalte für soziale Medien zu erstellen. Wer eine andere Sprache als seine Muttersprache beherrscht, kann auch als Übersetzer arbeiten, was auch von zu Hause aus möglich ist. Viele arbeiten flexibel von zu Hause aus in Call-Centern. Virtuelle Assistenz wird immer gefragter. Viele dieser Berufe im kaufmännischen Bereich bieten die Möglichkeit, zumindest teilweise in Teilzeit zu arbeiten, und man kann die Arbeitszeiten nach Bedarf anpassen. Man muss sich nicht auf einen bestimmten Beruf festlegen, sondern sollte offen für Veränderungen sein. Wenn immer wieder berufliche Probleme auftauchen, sollte man darüber nachdenken, einen neuen Beruf auszuprobieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Heimarbeit und flexible Arbeitszeiten oft die besten Optionen sind und in vielen kaufmännischen Berufen möglich sind.

Lisa: Ja, vielen Dank. Ich glaube, viele fanden es interessant, die verschiedenen Berufsfelder zu hören, die du angesprochen hast. Du hast absolut Recht, Flexibilität ist sehr wichtig. Was ich auch positiv fand, war, dass du betont hast, wie wichtig Offenheit und die Bereitschaft zur Veränderung sind, wenn man merkt, dass etwas nicht funktioniert. Dafür danke ich Dir. Die nächste Frage, die, glaube ich, viele beschäftigt, ist, wie man mit dem Arbeitgeber über die Krankheit spricht. Hast du dazu vielleicht ein paar Tipps? Wann ist der beste Zeitpunkt dafür und wie sollte man das Gespräch führen?

Über Steffi

Stefanie Euler ist im Personalwesen tätig und betreibt den Blog endo.positivity, der Aufklärung und Tipps rund um die Erkrankung bietet. Steffi ist selbst von Endometriose betroffen.

Steffi: Ich bin auf jeden Fall dafür, das anzusprechen. Es gibt viele, die gesagt haben, das ist voll in die Hose gegangen, als ich das angesprochen habe. Ich persönlich bin, wie gesagt, dafür, dass man das mit dem Arbeitgeber anspricht, weil ich ganz klar sage, nur wenn man mit dem Arbeitgeber spricht, dann kann man auch mit dem Arbeitgeber sprechen.

Da muss man sagen, wenn es eine Firma ist, die dich rausschmeißt, wenn du das ansprichst, dann ist die Frage, bist du in der richtigen Firma? Wir sind mittlerweile in einem guten Bewerbermarkt, wo man wirklich in der Regel schnell einen neuen Job findet. Nicht immer, nicht in allen Branchen, aber ich möchte auf jeden Fall dazu motivieren, das beim Arbeitgeber anzusprechen. Wann ist der richtige Zeitpunkt? Ich glaube, das muss man aus dem Bauch heraus entscheiden. Wenn man sagt, ich habe ein gutes Bauchgefühl und erwarte keine weiteren Gespräche, warum nicht direkt in der Probezeit oder vielleicht auch schon vorher? Dass man direkt vor der Arbeitsaufnahme bespricht, ich habe hier eine Erkrankung, die und die Einschränkungen habe ich, und das können wir so und so regeln. Wenn man das anspricht, auch direkt Lösungen mitbringt, indem man das zum Beispiel sagt. Während meiner Periode ist es wirklich sehr schlimm, deswegen würde ich anbieten, dann mehr zu arbeiten, dann weniger zu arbeiten oder sonst immer vor Ort während der Periode im Homeoffice. Mein Tipp ist, da wirklich eine Lösung zu bringen und nicht nur die Herausforderung anzusprechen. Da muss man natürlich schauen, an wen wende ich mich und am besten ist es natürlich an den direkten Vorgesetzten. Aber wenn man sagt, zu dem habe ich nicht so einen guten Draht, dann kann man vielleicht auch vorher mit den Kolleginnen und Kollegen sprechen, die vielleicht auch schon länger dabei sind. Die wissen dann, wie ein Unternehmen mit so etwas umgeht. Das wäre ein Tipp, sich da mal heranzutasten und das vielleicht schon mal bei den Kollegen anzusprechen. Mit den Kollegen kann es auch Probleme geben, wenn du ständig bei der Arbeit fehlst, dann die Aussagen, die machen sich über uns lustig. Also da könnte man anfangen, wenn man sich da wohler fühlt. Ansonsten, wenn man zum Beispiel schwerbehindert ist, größere Betriebe haben auch eine Schwerbehindertenvertretung. Da könnte man auch hingehen, wenn man sagt, da habe ich mehr Vertrauen zu, da sollte man gucken, wo fühle ich mich wohler. Vom Zeitpunkt her ist es ähnlich, wenn man wirklich Angst hat, den Job zu verlieren, dann würde ich das wahrscheinlich auch erst nach der Probezeit ansprechen. Dann muss man sich auch wieder überlegen, ist das auf Dauer das richtige Unternehmen für mich? Da möchte ich auch weiter motivieren, dass man nicht in einer unglücklichen Arbeitssituation stecken bleiben muss, sondern dass man sich auch verändern kann. Ansonsten bin ich, wie gesagt, für das Ansprechen, weil, wie gesagt, dann fehlt man vielleicht öfter, oder man muss vielleicht öfter auf die Toilette als andere Kolleginnen und Kollegen, und dann fängt das Getuschel schnell an, wenn man es nicht angesprochen hat. Dem kann man entgegenwirken, mit Offenheit und, wie gesagt, am besten gleich eine Lösung für die Herausforderung mitbringen. Ich glaube, das ist das Einfachste, dass es für den Arbeitgeber etwas leichter ist, in das Gespräch zu gehen.

Lisa: Super, danke. Ich glaube, das sind super hilfreiche Tipps. Offene Kommunikation, das ist sowieso immer sehr, sehr wichtig und ich denke, gerade mit Endometriose und Adenomyose, um Rechtfertigungssituationen vorzubeugen, wie du schon gesagt hast, dass nicht dieses Getuschel im Betrieb losgeht. Super, danke für deine Tipps. Die nächste Frage, die ich an dich habe, ist, gibt es bestimmte Tipps, die du hast, um den Arbeitsalltag zu erleichtern? Gerade an Tagen, wo die Schmerzen sehr stark sind? Was kannst du Betroffenen mit auf den Weg geben?

Steffi: Wie schon erwähnt, halte ich Kommunikation für einen wichtigen Faktor, um Stress abzubauen. Darüber hinaus ist ein effektives Stressmanagement von entscheidender Bedeutung. Genau aus diesem Grund widme ich diesem Thema derzeit eine ganze Themenwoche auf meinem Instagram-Account. Dazu gehören Fähigkeiten wie „Nein“ sagen lernen und Atemübungen, sei es am Arbeitsplatz oder in Momenten, in denen man sich unwohl fühlt. Auch Pausen, in denen man spazieren geht oder Atemübungen macht, können helfen, Stress abzubauen. Ich denke, dass Stressmanagement am Arbeitsplatz besonders wichtig ist. Viele Endometriose-Betroffene haben ihre bewährten Strategien, um mit den Beschwerden umzugehen, und ich denke, dass sie diese nicht nur zu Hause anwenden sollten. Ich persönlich nehme viele dieser Hilfsmittel regelmäßig mit zur Arbeit. Zum Beispiel habe ich immer CBD-Öl dabei, besonders während meiner Periode oder wenn ich ins Büro muss. Ich nehme auch mein TENS-Gerät mit, wenn ich ins Büro gehe, und meine Kollegen wissen darüber Bescheid. Schmerzstillende Salben und Cremes sowie ätherische Öle sind ebenfalls eine gute Wahl. Eine Duftlampe ist nicht in jeder Arbeitsumgebung möglich, kann aber in manchen kaufmännischen Berufen durchaus sinnvoll sein. Ich trage diese kleinen Helfer regelmäßig bei mir und empfehle jedem, sie zu benutzen.

Ein Duftspender ist nicht in jedem Arbeitsumfeld sinnvoll, kann aber in bestimmten kaufmännischen Positionen durchaus nützlich sein. Ich trage diese kleinen Helfer regelmäßig bei mir und würde jedem empfehlen, offen dafür zu sein und diese Dinge auch mit zur Arbeit zu nehmen. Außerdem empfehle ich, die Arbeitsbedingungen anzupassen. Das kann bedeuten, in Teilzeit zu arbeiten, die Arbeitsstunden zu reduzieren oder in dieser Zeit von zu Hause aus zu arbeiten. Es ist wichtig, individuell zu überlegen, welche Arbeitsbedingungen am besten passen und offen über notwendige Anpassungen zu sprechen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Wahl der richtigen Kleidung. Viele Betroffene kennen das Problem des „Endo-Bellys“ oder haben nach Operationen Schwierigkeiten mit enger Kleidung. Im Büro gibt es heute viele Möglichkeiten, schicke Kleidung zu tragen, die nicht unbedingt unbequem sein muss. In Branchen, in denen Arbeitskleidung vorgeschrieben ist, kann man nach alternativen Kleidungsstücken fragen, die besser passen. Das bedeutet nicht unbedingt höhere Kosten für den Arbeitgeber, oft lassen sich Lösungen finden, wie z.B. elastische Hosen. Auch hier sind Offenheit und Kommunikation entscheidend. Manchmal ist es auch wichtig, sich einzugestehen, wenn es nicht mehr geht. Wenn man nur noch zur Arbeit geht, aber unzufrieden ist und unter den Beschwerden leidet, sollte man eine Auszeit in Betracht ziehen oder den Arbeitsplatz vorübergehend anpassen. Karriere ist mit Endometriose möglich, aber nicht um jeden Preis. Es ist in Ordnung zu sagen, dass es im Moment nicht der richtige Zeitpunkt ist. Das heißt nicht, dass es immer so sein muss, aber es kann sinnvoll sein, die berufliche Tätigkeit vorübergehend anzupassen. Das sind meiner Meinung nach die wichtigsten Ansatzpunkte, um den Arbeitsalltag zu erleichtern.

Lisa: Danke. Auch hier ist die Selbstfürsorge ein ganz, ganz wichtiger Punkt, den man auf keinen Fall vergessen sollte. Vielen Dank. Ich würde sagen, wir kommen jetzt zu den Fragen, die ihr uns gestellt habt. Die erste Frage, die wir bekommen haben, war: Wie schwer ist es, 50 Prozent in der Arbeit zu bekommen? Was muss man dafür tun? Gibt es irgendwelche Einschränkungen? Wovon hängt es ab? Was sagst du dazu?

Steffi: Was muss ich dafür tun? Zunächst einmal ist es wichtig, einen Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis zu stellen. Dabei kommt es nicht nur auf die konkrete Erkrankung an, sondern auch darauf, welche Auswirkungen und Einschränkungen sie mit sich bringt. Es ist schwierig, hier feste Kriterien festzulegen, z.B. wie man einen Grad von 50 erreicht. Wir werden gleich auf die Hinweise für die Antragstellung eingehen. Zuvor möchte ich jedoch betonen, wie wichtig es ist, die behandelnden Ärzte in den Prozess einzubeziehen. Es empfiehlt sich, die Ärzte im Vorfeld zu konsultieren und sie über die Absicht, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen, zu informieren. Es ist ratsam, gleichzeitig mit dem Antrag ein ärztliches Attest einzureichen. Dies verkürzt nicht nur die Bearbeitungszeit, sondern erhöht auch die Chance, dass die angegebenen Einschränkungen anerkannt werden. Wichtig ist, dass sich ein Grad der Behinderung auch aus mehreren Erkrankungen zusammensetzen kann. Dies ist ein wichtiger Aspekt. Es gab Fälle, in denen nur eine Erkrankung anerkannt wurde, während in anderen Fällen mehrere Erkrankungen berücksichtigt wurden. Hier kann auch der jeweilige Sachbearbeiter eine Rolle spielen. Daher ist es ratsam, die eigenen Erkrankungen zu berücksichtigen und herauszufinden, welche weiteren gesundheitlichen Probleme neben der Endometriose bestehen. Bei meinem Antrag war zum Beispiel ein chronisches Schmerzsyndrom ausschlaggebend. Viele Betroffene leiden unter chronischen Schmerzen, wissen aber nicht, dass es sich dabei um ein eigenständiges Krankheitsbild handelt. Deshalb ist es ratsam, sich zu informieren, mit den Ärzten zu sprechen und einen fundierten Antrag zu stellen.

Lisa: Sehr gut, danke für den Hinweis. Das ist sicher für viele sehr interessant, weil, wie du schon gesagt hast, viele das wahrscheinlich gar nicht wissen. Danke. Die nächste Frage, die ich habe, ist, was passiert, wenn man wegen der Endometriose länger ausfällt? Hat man dann am Arbeitsplatz etwas zu befürchten?

Steffi: Viele Leute haben Angst vor einer krankheitsbedingten Kündigung. Das ist die häufigste Sorge von allen, und ich muss sagen, dass es für Arbeitgeber nicht einfach ist, das durchzusetzen. Es gibt bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Eine Möglichkeit ist, dass ein Arbeitnehmer zwei oder drei Jahre hintereinander krank ist und die Prognose für eine Genesung negativ ist. In einem solchen Fall hätte der Arbeitgeber gute Erfolgsaussichten, auch vor Gericht.

Ein anderer Fall wäre, wenn ein Arbeitnehmer über mehrere Jahre hinweg eine steigende Anzahl von Krankheitstagen aufweist, z. B. 40 im ersten Jahr, 60 im nächsten Jahr und 80 im darauffolgenden Jahr, was ebenfalls auf eine ungünstige Gesundheitsprognose hindeuten könnte. Es ist also nicht einfach, solche Bedingungen zu erfüllen. Trotzdem versuchen viele Arbeitgeber, kranke Mitarbeiter zu entlassen. In solchen Fällen kann ich nur dazu ermutigen, den Rechtsweg zu beschreiten. Entweder hat man eine Rechtsschutzversicherung, oder man kann sich einen Anwalt leisten, wenn man nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt. Bei einem Rechtsstreit kommt es oft zu einer Güteverhandlung, bei der Richter entscheiden, ob die Kündigung rechtmäßig war oder nicht. In den meisten Fällen von krankheitsbedingter Kündigung würde ich sagen, dass die Richter feststellen, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Das kann daran liegen, dass die Gesundheitsprognose nicht negativ ist und keine eindeutige Tendenz erkennbar ist. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, Alternativen für den Mitarbeiter zu prüfen, da die Erkrankung möglicherweise auf die Arbeitsbedingungen zurückzuführen ist. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das BEM-Gespräch. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten an einem solchen Gespräch teilnehmen. Weigert sich ein Beschäftigter, könnte der Arbeitgeber behaupten, er habe versucht, dem Beschäftigten Alternativen anzubieten, die jedoch abgelehnt wurden. Es ist daher ratsam, an solchen Gesprächen teilzunehmen. Tatsächlich haben viele Menschen positive Erfahrungen mit ihren BEM-Gesprächen gemacht, die nach einer längeren Fehlzeit stattgefunden haben. Diese Gespräche bieten die Möglichkeit, über Arbeitsbedingungen zu sprechen, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken können. Arbeitgeber sind in der Regel daran interessiert, dass ihre Beschäftigten gesund sind und ihre volle Arbeitsleistung erbringen können. Zudem sollte die Angst vor krankheitsbedingten Kündigungen ein Stück weit genommen werden. Ist ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen krank, hat er in vielen Fällen Anspruch auf Wiedereingliederung. Dieses Modell, das oft auch als Hamburger Modell bezeichnet wird, sieht vor, dass der Mitarbeiter schrittweise wieder in die Arbeitswelt eingegliedert wird. Das kann bedeuten, dass er in der ersten Woche zwei Stunden täglich arbeitet, in der zweiten Woche vier Stunden und so weiter, bis er wieder voll arbeitet. Während dieser Zeit ist man weiterhin krankgeschrieben und erhält Krankengeld. Wenn man jedoch merkt, dass man der Arbeitsbelastung nicht mehr gewachsen ist, hat man das Recht, nach Hause zu gehen. Die Wiedereingliederung bietet die Möglichkeit, sich langsam wieder an die Arbeit zu gewöhnen, was nach einer längeren Krankheitspause oft schwierig ist. Es ist auch wichtig, die Meldefristen einzuhalten, insbesondere wenn es sich um aufeinanderfolgende Krankmeldungen handelt. Diese sollten rechtzeitig eingereicht bzw. mitgeteilt werden, um Abmahnungen zu vermeiden. Bei längeren Abwesenheiten ist es auch ratsam, sich Zeit für die Genesung zu nehmen und auf den eigenen Körper zu hören. Krankheitsphasen sollten nicht überstürzt beendet werden, das hilft auf Dauer niemandem. Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen, eventuell Schmerztherapie oder Rehabilitation in Anspruch zu nehmen, wenn dies angezeigt ist. Also ich ermutige dazu, sich in Ruhe auszukurieren und sich nicht unter Druck setzen zu lassen.

Lisa: Danke. Ich glaube, deine Worte haben auf jeden Fall vielen Mut gemacht, auch nicht diese Angst vor der Krankschreibung zu haben, weil das ist wahrscheinlich wirklich eine Angst von vielen. Vielen Dank. Wir wollen ein bisschen über den Grad der Behinderung sprechen. Das ist auch ein Thema, das viele interessiert. Ich würde gerne zuerst von dir wissen, was denkst du, wann ist es sinnvoll, diesen Antrag zu stellen?

Steffi: Ich glaube, zeitlich kann ich das nicht genau sagen. Sinnvoll ist es, einen Antrag auf einen Grad der Behinderung zu stellen, wenn man durch eine Erkrankung, sei es Endometriose oder eine andere Erkrankung, Einschränkungen hat. Wenn diese Einschränkungen den Alltag oder die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen oder sogar der Verlust des Arbeitsplatzes droht, sollte man einen Antrag in Erwägung ziehen. Ein guter Zeitpunkt ist zum Beispiel ein Krankenhausaufenthalt. Ich habe meinen Antrag während meiner multimodalen Schmerztherapie gestellt und wurde dabei vom Sozialdienst unterstützt. Viele fragen sich, wer ihnen dabei helfen kann, und da ist es ideal, wenn man Unterstützung vor Ort hat. Generell muss aber jeder für sich selbst entscheiden, wann die Einschränkungen so groß sind, dass man sich durch sie behindert oder benachteiligt fühlt. Dann ist es meiner Meinung nach an der Zeit, sich an die Behindertenhilfe zu wenden.

Lisa: Das hast du sehr gut zusammengefasst. Du hast vorhin kurz angesprochen, dass du auch noch ein paar Tipps für die Antragstellung geben möchtest. Was kannst du dazu sagen? Was kannst du den Leuten mit auf den Weg geben?

Steffi: Jeder Sachbearbeiter hat seine eigene Herangehensweise. Das heißt, wenn sie vielleicht einen niedrigen Grad der Behinderung zuerkannt bekommen oder in manchen Fällen auch gar keinen Grad der Behinderung, weil man davon ausgeht, dass die Endometriose durch eine Operation geheilt ist, was natürlich nicht der Fall ist, dann würde ich ihnen Mut machen, hartnäckig zu bleiben. Es ist ratsam, Widerspruch einzulegen und sich Unterstützung zu holen. Wie bereits erwähnt, ist es am besten, vorher mit Ihren Ärzten zu sprechen und Gutachten einzuholen. Häufig haben Sie Ihre Beschwerden und Einschränkungen bereits Ihren Ärzten mitgeteilt, die diese im Gutachten bestätigen können. Es ist wichtig, die Ärzte einzubeziehen, und wenn Sie vorab Gutachten einreichen, beschleunigt das den Prozess. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Berücksichtigung und Dokumentation von Mehrfacherkrankungen. Auch hier können Ihnen Ihre Ärzte am besten helfen. Oft ist es wichtig, zusätzlich zum Antrag ein persönliches Begleitschreiben zu verfassen. Das habe ich auch gemacht. Ich habe es in der Schmerztherapie geschrieben, oft am Krankenbett. Viele Menschen tun sich schwer damit und fragen sich, was sie in den Begleitbrief schreiben sollen. Ich habe ein paar Beispiele aufgeschrieben, die ich in meinem Brief verwendet habe, aber das ist sehr individuell. Zum Beispiel habe ich erklärt, woher meine Einschränkungen kommen und wie sie sich im Alltag auswirken. Ein kleines Detail, das ich erwähnte, war, dass ich seit meiner letzten Operation vor einem halben Jahr keine engen Hosen mehr tragen kann, da dies starke Schmerzen an meiner Bauchnarbe verursacht. Das mag unbedeutend erscheinen, hat aber zur Anerkennung meiner Schwerbehinderung beigetragen. Ich beschrieb auch, wie die Endometriose meine Blase infiltriert hatte und wie dies zu Angstzuständen beim Autofahren führte, da nicht immer eine Toilette in der Nähe war. Als ich früher im Außendienst gearbeitet habe, habe ich oft nichts gegessen und getrunken, weil ich Angst vor den Schmerzen hatte. Das sind nur einige Beispiele. Ich habe auch das Thema unerfüllter Kinderwunsch erwähnt, weil das auch auf die Endometriose zurückzuführen ist. In der ärztlichen Verordnung gibt es eine Tabelle, in der das klassifiziert wird. Sterilität zum Beispiel hat einen eigenen Punkt. Es ist wichtig, dies zu berücksichtigen und anzusprechen. Ein weiterer Tipp ist die Verwendung einer Schmerzskala, um die Schmerzen für andere verständlicher zu machen. Eine Skala von eins (leichte Schmerzen) bis zehn (extreme Schmerzen) kann helfen, die Schmerzen zu quantifizieren. Bei mir kommt es vor, dass ich während meiner Periode ohnmächtig werde, und ich habe dies auch beschrieben, um die Art der chronischen Schmerzen zu veranschaulichen, die ich täglich erlebe. Schließlich fragen sich viele, wer ihnen bei der Antragstellung helfen kann. Der Sozialdienst im Krankenhaus kann helfen, wenn man dort ist. Es gibt auch Fachanwälte für Sozialrecht, auch wenn die Kosten oft abschrecken. Eine Endometriose-Vereinigung ist eine gute Anlaufstelle für Unterstützung in sozialrechtlichen Fragen, insbesondere wenn Sie Mitglied sind. Diese Organisationen bieten kompetente Hilfe und Fachwissen.

Lisa: Super, danke. Zum Abschluss würde ich dich bitten, noch einmal zusammenzufassen. Gibt es vielleicht Vorteile oder vielleicht auch Nachteile, wenn man diesen Antrag gestellt hat und dann den Grad der Behinderung bekommt? Was bringt das?

Steffi: Die meisten Vorteile hat man ab einem Grad der Behinderung von 50. Ab dem Punkt hat man besondere Vorteile im Berufsleben. Es gibt einen besonderen Kündigungsschutz, einen Anspruch auf Zusatzurlaub, die Möglichkeit der Freistellung von Überstunden und gegebenenfalls eine Anpassung des Arbeitsplatzes. Bei einem Grad der Behinderung von 30 oder 40 kann man sich gleichstellen lassen und hat mit Ausnahme des Zusatzurlaubs ähnliche Rechte am Arbeitsplatz. Der Kündigungsschutz bleibt jedoch erhalten, was für viele sehr wichtig ist. Auch Arbeitgeber profitieren von Schwerbehinderten, denn sie müssen ab 20 Beschäftigten eine Schwerbehindertenquote erfüllen. Erfüllen sie diese nicht, müssen sie Ausgleichszahlungen leisten, die von Jahr zu Jahr teurer werden. Für Bewerberinnen und Bewerber mit einer Schwerbehinderung kann es daher von Vorteil sein, wenn die Unternehmen bestrebt sind, diese Quote zu erfüllen oder generell schwerbehinderte Menschen zu unterstützen. Im Privatleben gibt es bei vielen Freizeitaktivitäten Vergünstigungen für Schwerbehinderte, in der Regel ab einem Grad der Behinderung von 50. Jeder Grad der Behinderung bringt gewisse steuerliche Vorteile mit sich, je nachdem, wie hoch der Grad der Behinderung ist.

Im Hinblick auf Benachteiligungen im Berufsleben kann eine Schwerbehinderung im Bewerbungsprozess Fluch und Segen zugleich sein. Manche Arbeitgeber wollen Schwerbehinderte gezielt fördern und die Quote erfüllen, andere halten dies vielleicht für zu riskant, obwohl es gegen das Gesetz verstößt, wonach alle gleich zu behandeln sind. Es gibt immer noch Unternehmen, die Vorbehalte gegenüber schwerbehinderten Menschen haben. Ein persönlicher Nachteil könnte sein, dass sich manche Menschen psychisch belastet fühlen, wenn sie mit 30 Jahren eine Schwerbehinderung haben. Das entspricht nicht dem gängigen Bild und kann für manche schwierig sein. Aber ansonsten sehe ich persönlich keine Nachteile. Im Gegenteil, der Schwerbehindertenausweis hat meiner Meinung nach eher Vorteile.

Lisa: Das ist vielleicht eher diese Stigmatisierung, die dann damit einhergeht, diese Rolle, in die man sich dann begibt. Danke. Ich sehe, wir sind jetzt leider schon am Ende unserer Zeit angekommen. Hast du vielleicht noch einen abschließenden Satz oder etwas, was du unseren Zuschauer*innen vielleicht noch mitgeben möchtest?

Steffi: Ich möchte jeden ermutigen, der das Gefühl hat, dass er aufgrund seiner Erkrankung Schwierigkeiten im Berufsleben hat oder nicht richtig behandelt wird, sich für sich selbst einzusetzen und die Arbeitsbedingungen so anzupassen, wie es für seine Gesundheit am besten ist. Das halte ich persönlich für sehr wichtig.

Lisa: Danke, das hast du sehr schön gesagt. Danke, dass du heute hier warst. Es hat mir sehr, sehr gut gefallen. Ich glaube, viele oder alle haben heute auch sehr, sehr viel mitnehmen können. Es war wirklich super interessant und ein sehr, sehr wichtiges Thema. Vielen Dank.

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Luna
Luna
19. Oktober 2023 22:31

Hallo, danke für das Interview.
Manche Aspekte kommen mir zu kurz. Wenn es mehrere Jahre bis zur Diagnosestellung braucht, ist die Entscheidung in der Berufswahl meistens schon gefallen. Nicht jede 10. Frau ergreift einen kaufmännischen / IT-Beruf, weil dieser ggf. eine flexible (Heim)Arbeit offeriert. Arbeite ich im sozialen Bereich oder im Gesundheitswesen, in welchen Personal ohnehin knapp ist, bleibt an manchen Tagen nur eine AU-Meldung.
Viele Grüße.

Stefanie
Stefanie
8. November 2023 15:15
Antworten zu  Luna

Hallo Luna,
da gebe ich dir vollkommen recht. In vielen Berufsfeldern kann man nicht auf das Homeoffice ausweichen und eine AU ist manchmal unumgänglich. Dennoch kann man auch hier überlegen: Kann ich ggf. Dokumentationen von zuhause aus schreiben? Kann ich im Sozial- bzw. Gesundheitswesen in einen Tätigkeitsbereich wechseln, der mehr kaufmännische Aufgaben mit sich bringt? Wenn man auf Dauer mehr AU ist, als dass man arbeitet, ist es ja auch als Arbeitnehmer frustrierend. Viele aus den Bereichen wechseln z.B. in die Personalberatung für ihr Fachgebiet. Das sind alles nur Beispiele und kann natürlich kein ganzheitliches Abbild der Möglichkeiten im Arbeitsleben darstellen ???? Ich habe im Interview lediglich Berufsfelder genannt, die man gut mit Flexibilität und Homeoffice vereinbaren kann.

Dr. med. Nadine Rohloff