Dr. Nadine Rohloff: Wenn Schmerzen da sind, welche Tipps gibt es vielleicht, um erst einmal Linderung zu verschaffen oder um damit umzugehen?
Naila Rediske: Was ich als allererstes immer abfrage, wenn ich mit meinen Klient:innen arbeite, ist: Wie weit wurde alles medizinisch abgeklärt? Das ist wichtig. Wenn ich weiß, dass medizinisch alles abgeklärt ist, um z. B. andere Erkrankungen auszuschließen, dann ist der nächste Punkt: Wie weit ist mein:e Klient:in aufgeklärt, wenn es um Sexualität geht? Das bedeutet zum Beispiel: Weiß eine Frau* über ihren Körper, das Lustempfinden und feucht sein, das Anschwellen der Klitoris, das Anschwellen der Vulvalippen, dass es all das auch braucht, um lustvollen Sex zu haben, um Freude beim Sex zu empfinden? Weiß die Frau*, dass es zum Sex dazugehört, selbst Freude zu haben, Spaß zu haben beim Sex und Lust zu empfinden und nicht nur zu geben? Es gibt viele, die eben auch glauben, es geht darum, dem Partner oder der Partnerin Freude zu schenken. Aber dem Grunde nach, geht es darum, diese Freude selbst zu empfinden und sie selbst zu empfangen und sie dann natürlich auch mitzuteilen. Man sollte sich somit einiger Dinge bewusstwerden, um Schmerzen beim Sex zu reduzieren. Der nächste Tipp wäre: Bitte nicht einfach losrennen und eine Riesenpackung Sex-Toys und Gleitgel und alles Mögliche kaufen und glauben: „Umso mehr ich darauf packe, Toys benutze, Gleitgel oder sonst irgendetwas benutze, desto besser kann es funktionieren.“ Das sind alles Zusätze, die Spaß machen können. Aber um richtig guten Sex zu spüren, geht es darum, erst einmal mit sich selbst anzufangen. Bleibe also erst einmal bei dir, bleibe bei deinem Körper, schaue, wie fühlt es sich an, wenn ich mich selbst berühre, wenn mich jemand anderes berührt? Dann kann alles andere dazukommen.
Dr. Nadine Rohloff: Das sind super Tipps. Häufig hat man wirklich das Gefühl, dass es in manchen Diskussionen um das Funktionieren geht. Aber es geht wirklich darum, selber auch Spaß zu haben und diese Sexualität genießen zu können. Jetzt gibt es hier auch eine Frage zu Selbsthilfegruppen für Partner:innen: Wie kann man sie zum Beispiel miteinbeziehen? Gibt es da Selbsthilfegruppen oder Optionen, um wirklich den Partner oder die Partnerin miteinzubeziehen in diesen Prozess, um möglichst viel zu erreichen?
Naila Rediske: Ich kenne keine konkreten Selbsthilfegruppen. Ich kenne es, dass ich mit Partner:innen von Endometriose-Betroffenen spreche, im Einzelnen, aber auch im Paarsetting. Beides ist sehr schön. Ich glaube, der Austausch ist sehr wichtig, vor allem für das Paar selbst. Das heißt, dass das Paar miteinander spricht und lernt, eine gute Kommunikationsebene zu finden, um über Sexualität zu sprechen. Sexualität ist immer unterschiedlich, je nachdem mit wem wir sie haben. Zum einen, weil wir uns weiterentwickeln, zum anderen, weil Endometriose den Körper verändern kann. Ich glaube, es kann bestimmt toll sein, in eine Selbsthilfegruppe für Partner:innen zu gehen. Aber ich glaube, dass es erst einmal sehr wichtig ist, dass das Paar miteinander das Sprechen darüber lernt und eben beide eine Stimme haben. Ich nehme einmal ein klassisches Beispiel: Mann, Frau, sie hat Endometriose, ein totaler Klassiker. Sie hat Schmerzen beim Sex. Er möchte mehr Sex und besteht darauf. Sie macht das mit, aber es tut weh. Sie beide sind nicht glücklich damit, denn er möchte auch, dass sie Spaß hat. Er sollte sagen dürfen: „Es stört mich, dass du Schmerzen beim Sex hast.“ Ohne, dass sie sich davon unter Druck gesetzt fühlt. Das bedeutet nicht, dass sie diese Störung bedienen muss. Das ist der wichtige Punkt dabei. Dann darf er auch überlegen: „Wie kann ich das gut formulieren und gut adressieren an meine Partnerin, und wie können wir damit umgehen?“ Und sie darf genauso darüber nachdenken. Dadurch entstehen eine gemeinsame Ebene und eine Intimität, mit der sie als Paar arbeiten können. Weiter ist es gut, in solchen Gesprächen auch irgendwann die Endometriose herauszunehmen und einfach einmal als Paar zu schauen: „Wer sind wir eigentlich als sexuelle Wesen? Was empfinden wir als Intimität? Was macht uns Lust und Spaß? Was wollen wir noch ausprobieren? Was finden wir komisch? Sind wir da auf einer Wellenlänge?“ Das sind interessante Gespräche, selbst in Langzeitbeziehungen. Manche Paare sprechen das erste Mal über solche Themen und laufen rot an, weil sie irgendwie feststellen: „Wir haben schon so viel zusammen erlebt, aber so ein Gespräch haben wir noch nie geführt. Das ist eine tolle Erfahrung.“
Dr. Nadine Rohloff: Ja, das glaube ich sofort. Ich glaube, es wird häufig unterschätzt, wie wichtig die Kommunikation da ist. Es gibt Studien in denen gezeigt wird, dass allein darüber zu reden einen riesigen Effekt haben kann, auch auf die Sexualität und die Lebensqualität. Ein sehr schönes Beispiel und ein Aufruf, dieser Art der Kommunikation Raum zu geben, auch wenn es vielleicht am Anfang schwerfällt?
Naila Rediske: Ja, auf jeden Fall. Und es ist okay, wenn es anfangs schwerfällt. Über Sex reden lernen ist wie eine neue Sprache. Niemand geht in die Schule und kann von Anfang an eine Fremdsprache, sondern wir lernen das Wort für Wort. Genauso ist es in der Sexualität. Wenn man das verinnerlicht, dann fällt ganz viel Druck ab.