Endometriosezentrum der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe St. Marien Amberg

Fakten zum Endometriosezentrum

Ort: Amberg
Stufe: 3
Patientinnen: 300 – 400
OPs: ca. 200
Leitung: Dr. med. Raul Donutiu

Interview mit Priv.-Doz. Dr. med. T. Papathemelis

Herr Dr. Papathemelis, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um mit uns zu sprechen. Würden Sie sich bitte einmal kurz vorstellen?
Dr. Papathemelis: Ja, mein Name ist Thomas Papathemelis. Ich bin leitender Arzt der Frauenklinik in Amberg. Wir sind eine Klinik, die unter anderem gynäkologisches Krebszentrum ist, Brustzentrum, Perinatalzentrum Level I und eben auch klinisches Endometriosezentrum. In dieser Funktion arbeite ich seit 2018. Ich war zuvor leitender Oberarzt und davor auch lange operativer Oberarzt an der Universitätsklinik in Aachen und habe mich eigentlich viele Jahre mit dem Thema beschäftigt.

Was hat Sie denn zu diesem Thema und Ihrer Spezialisierung auf Endometriose gebracht? Was fasziniert Sie so an dem Thema der Endometriose?
Dr. Papathemelis: Mich faszinieren eigentlich viele Aspekte. Mich hat immer die minimal invasive Chirurgie fasziniert, die sowohl für die Diagnosestellung als auch für die Therapie von Endometriose ein wichtiger Aspekt ist. Zudem gab es in meinem beruflichen Werdegang viele Schlüsselerlebnisse, die dazu geführt haben, mich mit dem Thema Endometriose zu beschäftigen. Zum einen, dass wir sehen, dass es manchmal sehr lange dauert, bis es zu einer Diagnose kommt. Zum anderen, dass es eine Erkrankung ist, die in der Regel Frauen betrifft, die mitten im Leben stehen, junge Frauen im reproduktionsfähigen Alter, die vielleicht gerade eine Ausbildung begonnen haben oder im Studium stecken, die gerade ihre ersten Schritte im Leben machen, sowohl privat als auch beruflich. Ich habe gesehen, welche Einschränkungen diese Erkrankung in ihrer fortgeschrittenen Form in der Lebensqualität und in sozialen und gesamtgesellschaftlichen Aspekten mit sich bringt.

Was denken Sie denn, warum es bisher noch so lange dauert, bis einer Frau überhaupt die Diagnose Endometriose gestellt wird?
Dr. Papathemelis: Ich denke, das hat viele Gründe. Ein Grund ist vielleicht, dass menstruelle Schmerzen oder Unterleibsleiden von Frauen nicht immer im Mittelpunkt standen. Das Bewusstsein für diese Erkrankung war lange einfach nicht da. Das zweite ist, dass Symptome sehr lange auch unspezifisch sein können. Unterbauchschmerzen können ganz viele Gründe haben. Wenn man über Jahre damit kämpft, kann es sein, dass die Fruchtbarkeit abnimmt und man das aber erst realisiert, wenn es zu spät ist. Es sind viele unterschiedliche Gründe, die dazu führen, denke ich. Auch die Ausbildung befasst sich erst jetzt ausführlicher damit. Die Etablierung von Endometriosezentren, die Selbsthilfegruppen und die Stiftung Endometriose Forschung sind erst in den letzten Jahre ins Laufen gekommen.

Ich stimme dazu. Ich bin auch Endometriose Patientin. Mir wurde die Diagnose 2015 gestellt, da war ich 26 und habe auch das Gefühl, dass gerade in den vergangenen Jahren mehr passiert ist und dass immer mehr auf die Krankheit aufmerksam gemacht wird, beispielsweise auch auf Social-Media-Kanälen. Wie stehen Sie dazu, sich als Patientin Informationen über Social-Media-Kanäle zu holen?
Dr. Papathemelis: Es hängt natürlich immer mit der Wertigkeit dieser Informationen zusammen. Die Frage ist, welchen Einfluss haben Meldungen in den Social-Media-Kanälen? Werden wirklich fachliche Informationen oder eigene Erfahrungen, eigene Erwartungen, die vielleicht erfüllt oder nicht erfüllt werden, weitergegeben? Es ist immer die Frage, was genau vermittelt wird und welche Informationen verbreitet werden. Es gibt auch viele junge Influencer, die beispielsweise viele Informationen über die Antibabypille und die Nebenwirkungen verbreiten. Wir sehen in den letzten Jahren in den Sprechstunden einen gewissen Shift, dass die Nebenwirkungen dieser Präparate im Vordergrund sind. Teilweise geht es dabei um sehr seltene Nebenwirkungen. Die Informationen werden oft nicht im richtigen Kontext gesehen. Da sehe ich schon ein gewisses Problem. Was denken Sie?

Ich finde für den Austausch unter Patientinnen ist es tatsächlich ganz gut, wenn es so z.B. Gruppen bei Facebook gibt, denn es gibt auch viele Tabuthemen, über die man als Patientin vielleicht auch nicht spricht. Schmerzen bei der Menstruation sind eine Sache, aber über Schmerzen beim Stuhlgang spricht man eher nicht. Da sind diese Gruppen gut, um sich auszutauschen und um zu sehen, wie andere Patientinnen damit umgehen. Denken Sie denn, dass es unter Frauenärztin mehr Aufklärung geben müsste, damit diese Beschwerden der Patientin schneller ernst genommen werden?
Dr. Papathemelis: Ich glaube, Ärztinnen und Ärzte, die sich im Laufe ihrer Berufslaufbahn nicht so sehr mit dem Thema beschäftigt haben, haben nicht diesen Blickwinkel. Es gibt Beschwerden, wie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Schmerzen beim Stuhlgang und Wasserlassen, da leuchtet bei Ärztinnen und Ärzten, die sich mit der Thematik auskennen gleich etwas auf. Ärztinnen und Ärzte, die sich noch nicht damit auseinandergesetzt haben, die sehen das natürlich auch selten. Nicht jeder setzt sich mit dem Thema auseinander.

Finden Sie denn, dass die Endometriose ausreichend erforscht wird?
Dr. Papathemelis: Nein, denn um erfolgreich Forschung zu betreiben, sind erhebliche finanzielle Mittel notwendig. Wir sehen viele Weiterentwicklungen in der medikamentösen Therapie in der Onkologie. Aber wir sehen natürlich auch, welche Themen weiterentwickelt werden und wo mehr geforscht wird, nicht nur in der akademischen Community, sondern auch in der Pharmaindustrie. Diese hat einen großen Einfluss darauf, was mitentwickelt wird. Für wirklich signifikante Fortschritte braucht man erhebliche Ressourcen, die akademische Einrichtungen leider oft nicht leisten können.

Forschen Sie denn auch selbst?
Dr. Papathemelis: Ja, wir führen klinische Studien durch. Im Bereich der Endometriose untersuchen wir aktuell ob Fluoreszenz und eine Nah-Infrarot-Kamera in der Laparoskopie uns hilft, Herde zu detektieren, die wir im Weißlicht mit bloßem Auge nicht sehen.

Geht es dann dabei darum, dass man dann während der Laparoskopie diese Herde möglicherweise gar nicht sieht, nicht entfernt und dann macht man wieder zu und diese Herde wachsen dann wieder?
Dr. Papathemelis: Genau, denn eine Hypothese ist, dass uns Fluoreszenz-Farbstoffe helfen, die Detektion zu erhöhen. Endometriose kann wie ein Chamäleon unterschiedlicher Morphologie sein und trotz unserer HD-Technik heutzutage nicht immer sichtbar. Derzeit gehen wir also dieser Hypothese nach.

Das ist ja super interessant, wenn man diese Mini-Herde doch schon finden kann, hat man als Patientin vielleicht noch weniger Operation, gerade als Patientin, die schon mehrere Operationen über sich hat ergehen lassen müssen. Wie schätzen Sie denn die psychische Belastung ein, die Frauen erleiden, wenn sie so lange von Ärzten nicht ernst genommen werden?
Dr. Papathemelis: Enorm! Und das hat mich auch motiviert, mich damit medizinisch auseinanderzusetzen. Es gibt nicht nur eine psychische, sondern auch eine soziale Belastung, dass junge Frauen den Anforderungen des Lebens nicht gerecht werden, sei es in der Partnerschaft, z.B. wenn Frauen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr haben, gibt es direkt Probleme. Auch das Arbeitsleben wird belastet. Es gibt Fehltage. Dann fragt sich der Arbeitgeber, ob die Mitarbeiterin überhaupt dort arbeiten möchte. Ich sehe eine enorme Belastung, die aufkommen kann, weil man den täglichen Herausforderungen eben auch nicht gerecht wird. Sie haben Unterbauchschmerzen, sie wollen nicht weggehen, sie krümmen sich im Bett oder das Sexualleben ist nicht gut. Beruflich haben sie zu viele Fehltage, sie verlieren den Anschluss und das führt natürlich sekundär auch zu einer psychischen Belastung.

Super, dass Sie diese sozialen Punkte auch ansprechen. Man sagt ständig irgendwelche Treffen ab, weil man Schmerzen hat. Dann stellen die Freunde das irgendwann infrage, weil niemand, der das nicht hat, kann wirklich nachvollziehen, wie schlimm die Schmerzen sein können. Im Endeffekt ist man dann immer diejenige, die absagt. Man kann aber gar nichts dafür. Man muss da einfach auf seinen Körper hören. Das ist natürlich auch eine psychische Belastung. Die Frauen da ausstehen.
Dr. Papathemelis: Diese Kollegen denken sich, sie haben keine Lust zu arbeiten. Der Partner, denkt er sei nicht mehr attraktiv genug. Die Freundinnen und Freunde, denken, dass man sich nicht treffen will und das erhöht den Druck. Man ist immer in Erklärungsnot und das bringt definitiv andere Probleme mit sich.

Wie gehen Sie denn mit dieser Individualität der Krankheit um, denn jede Patientin erlebt die Endometriose auch irgendwie anders?
Dr. Papathemelis: In der Regel versuchen wir, diese Individualität gemeinsam mit den Patientinnen in der Sprechstunde herauszuarbeiten. Letztendlich muss man ein therapeutisches Konzept zusammen erarbeiten, das an die Lebenssituation und an die Anforderungen angepasst ist. Themen sind dabei die Lebensphase und das Alter der Patientin, ob die Familienplanung abgeschlossen ist, die Prioritäten der Patientin. Wir versuchen basierend auf all diesen Informationen einen individuellen Plan herauszuarbeiten. Das Konzept ist immer an alle Wünsche, an therapeutische Ziele und an die Erwartungen unserer Patientinnen angepasst.

Haben Sie bestimmte Angebote für Patientinnen?
Dr. Papathemelis: Wir haben Partner, mit denen wir innerhalb der Klinik und auch außerhalb im ambulanten Netzwerk zusammenarbeiten. Ich denke, es ist ein Gesamtpaket aus Maßnahmen einer Klinik, sprich Operation, Therapieempfehlungen, medikamentöse Therapie und dann eben auch die komplementärmedizinischen Maßnahmen, wie Ernährung, Bewegung, Informationen, das Mindset, welches für die Patientinnen wichtig ist. Wir haben eine Ernährungsberaterin, Physiotherapie, wir haben den Kontakt zu den Selbsthilfegruppen und Kontakte zur Reproduktionsmedizin.

Wie viele Endometriose Patientinnen betreuen Sie im Jahr ungefähr?
Dr. Papathemelis: Ich kann sagen, dass wir knapp 200 Operationen mit histologisch nachgewiesener Endometriose durchführen und etwa 300 bis 400 Patientinnen insgesamt im Jahr betreuen.

Wann und warum sollten sich Frauen mit Endometriose in einem Endometriosezentrum behandeln lassen?
Dr. Papathemelis: Wenn die Verdachtsdiagnose besteht, wenn die Lebensqualität darunter sehr leidet, wenn Kinderwunschaspekte eine Rolle spielen.

Denken Sie, dass es eines Tages eine Heilung der Endometriose geben könnte?
Dr. Papathemelis: Ich weiß nicht, ob wir von Heilung sprechen können, aber ich hoffe, dass wir bessere Werkzeuge haben, um Frauen mit Endometriose besser zu helfen. Wir sehen auch intraoperativ oft, dass jahrelange Endometriose zu einer Art chronischen Inflammation führt. Wir therapieren ja mehrheitlich die Symptome und entfernen etwas, wenn es schon da ist. Wir versuchen Symptome und Schmerzen zu lindern oder hormonell die Aktivität zu unterdrücken, aber wir verstehen ja immer noch nicht das Warum und haben immer noch keine Erklärung. Hier gibt es Entwicklungspotenzial.

Mona Briese