Hormonell wirksame Kosmetika

Endometriose ist eine der weitverbreitetsten Erkrankungen unter Frauen. Rund zehn Prozent der Frauen und Mädchen im gebärfähigen Alter leiden darunter und fragen sich, warum genau sie davon betroffen sind. Die Antwort darauf ist nie leicht und konkrete Ursachen für Endometriose sind vielzählig sowie umstritten. Immer öfter fragen sich Betroffene jedoch, ob womöglich Kosmetika einen Einfluss auf die Entstehung oder den Verlauf der Erkrankung haben könnten. Wir haben uns mit dieser Frage auseinandergesetzt und geben in diesem Artikel Informationen darüber, ob hormonell wirksame Inhaltsstoffe in unseren täglichen Kosmetika eine bestehende Endometriose beeinflussen können.

Was sind hormonell wirksame Inhaltsstoffe?

Der Begriff hormonaktive Wirkstoffe (HAWs) beschreibt Substanzen, die unabhängig vom Mechanismus eine hormonähnliche Aktivität besitzen [1]. Verbindungen mit östrogener Aktivität (Xenoöstrogene) erhielten bislang die meisten Bedenken in Bezug auf ihre Wirkung als endokrine Disruptoren. Dabei handelt es sich um Chemikalien, welche das eigene Hormonsystem stören und sowohl bei Menschen als auch bei Wildtieren schädliche Auswirkungen haben können. Antiöstrogene, Antiandrogene und andere Giftstoffe, die auf das Hormonsystem wirken, werden in geringerem Maße von der Wissenschaft und Gesundheitspolitik betrachtet, sind aber nicht weniger wichtig [1]. Da der menschliche Körper aus komplexen biologischen Prozessen besteht, kann eine Störung im Schilddrüsenhormonsystem beispielsweise schon ausreichen, um negative Einflüsse auf den Hormonhaushalt in der Gebärmutter zu haben. Doch welche HAWs sind in Kosmetika anzutreffen und welchen Effekt genau können sie auf unsere Hormone haben?

Typische HAWs in Kosmetika und ihr Einfluss auf den Körper

Es wurden verschiedene Schadstoffe mit endokriner Wirkung beobachtet. Diese HAWs sind sehr unterschiedlich in ihrem Charakter, unterscheiden sich stark in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften, wie sie verwendet werden und wie sie in der Umwelt vorkommen. Da die Liste lang ist, können in diesem Artikel lediglich die wichtigsten HAWs genannt werden. Eine umfangreiche Auflistung kann in der Quelle [2] nachgelesen werden. Betrachten wir lediglich Kosmetika des täglichen Bedarfs, so fallen einige Stoffe auf, welche bedenklich sein können. Drei Hauptklassen von Inhaltsstoffen stehen im Verdacht, HAWs und zudem endokrine Disruptoren zu sein; nämlich Ultraviolett (UV)-Filter, polyzyklischer Moschus, Parabene und Phthalate.

UV-Filter

Handelsübliche Sonnenschutzmittel sind organische Verbindungen, die UV-B- und/oder UV-A-Strahlung blockieren können. Sie werden verwendet, um die Haut vor den schädlichen Auswirkungen des Sonnenlichts zu schützen. UV-Filter finden sich nicht nur in Sonnenschutzmitteln, sondern auch in anderen kosmetischen Produkten. Einige Gesichtscremes oder Tagesmakeup weisen solche UV-Filter auf und konnten bereits in menschlichem Urin nachgewiesen werden [2]. Verschiedene Nachforschungen im Labor und an Lebewesen konnten zeigen, dass eine Reihe von UV-Filtern östrogene Wirkungen ausüben [2]. Andere Studien wiesen nach, dass UV-Filter die Jodidaufnahme in der Schilddrüse hemmten und somit die Biosynthese der Schilddrüsenhormone störten [2].

Synthetische Moschusverbindungen

Synthetische Moschusverbindungen, einschließlich Nitro- und polyzyklische Moschusverbindungen, werden in Waschmitteln und kosmetischen Produkten verwendet [2]. Nitro- und polyzyklischer Moschus sind wesentliche Duftstoffe, die in einer Vielzahl von Parfüms, Kosmetika und Waschmitteln zu finden sind. Diese chemischen Stoffe sind in der Natur dauerhaft existent und können sich in aquatischen Lebewesen anreichern (z. B. Fisch oder Muscheln). Sie wurden bereits in verschiedenen Gewässern sowie in Muttermilch, Fettgewebe und Blut nachgewiesen [2]. Wissenschaftliche Tests zeigten, dass polyzyklische Moschusverbindungen Antagonisten für den Progesteronrezeptor sind. Das bedeutet, sie docken wie das natürliche Progesteron an den entsprechenden Rezeptoren und blockieren diese für das eigene Progesteron [2]. Dies führt dazu, dass die biologisch gewollten Prozesse (welche auch bei Endometriose gewünscht sind) nicht richtig ablaufen können. Dazu zählt beispielsweise eine korrekte Funktionsweise von Progesteron im Körper, was das Wachstum von Endometriose mildern kann.

Parabene

Parabene (Alkylester der p-Hydroxybenzoesäure) werden in großem Umfang als Konservierungsmittel und Bakterizide in Kosmetika, Toilettenartikeln und Körperpflegeprodukten verwendet [2]. Sie werden auch als antimikrobielle Mittel in Lebensmitteln und Getränken genutzt. Parabene werden vor allem über das häusliche Abwasser kontinuierlich in die Umwelt freigesetzt. Obwohl sie bei konventionellen Abwasserbehandlungen zu einem beträchtlichen Teil entfernt werden, wurden Rückstände in Wasserproben und auch in Böden sowie Sedimenten nachgewiesen [2]. Östrogene Aktivität von Parabenen beim Menschen wurde berichtet. Verschiedene Analysen haben gezeigt, dass Parabene an Östrogenrezeptoren binden können und dass einzelne Parabene eine schwache östrogene Aktivität aufweisen [2]. Sie wurden zudem in menschlichen Brusttumoren gefunden. Deswegen wird vermutet, dass sie zu einer abweichenden Östrogen-Signalübertragung in der menschlichen Brust beitragen und das Auftreten von Brustkrebs nachteilig beeinflussen könnten. Außerdem könnten sie das Uterusgewicht erhöhen und somit womöglich auch bei der Entstehung von Gewebeneubildungen im Bereich der Gebärmutter wirken [2].

Phthalate

Phthalate sind eine Reihe weitverbreiteter Chemikalien, die sich als endokrine Disruptoren erweisen und der menschlichen Gesundheit schaden. Phthalate sind in den meisten Produkten enthalten, die während der Herstellung, Verpackung oder Lieferung mit Kunststoffen in Kontakt kommen. Trotz der kurzen Halbwertszeit in Geweben wird ein chronischer Kontakt zu Phthalate das endokrine System und die Funktion mehrerer Organe negativ beeinflussen, was sich langfristig hinderlich auf den Erfolg einer potenziellen Schwangerschaft, das Wachstum und die Entwicklung von Kindern sowie die Ausbildung des Fortpflanzungssystems bei Minderjährigen auswirken kann [3].

In der Studie von Koniecki et al. (2011) wurde der Phthalatgehalt in Kosmetik- und Körperpflegeprodukten bestimmt. Dazu wurden von den Forschenden insgesamt 252 Produkte aus herkömmlichen Geschäften des alltäglichen Bedarfs ausgewählt und untersucht, wobei es sich bei 98 Waren um Babypflegeprodukte handelte. Die Auswahlpalette untergliederte sich in Haarpflegeprodukte (Gele oder Haarsprays), Nagellacke, Deodorants sowie Antitranspirantien, Hautreinigungsprodukte, Körpercremes und Lotionen als auch diverse beliebte Babyprodukte (Windelcremes, Öle, Shampoos und Wundsalben). Die Studie konnte demonstrieren, dass beinahe die Hälfte aller Produkte mit Phthalaten belastet ist, in teilweise bedenklichen Konzentrationen [4]. Es zeigt sich somit, dass Phthalate in hohem Maße in Kosmetikprodukten vorkommen und zudem schädlich für das eigene Hormonsystem wirken können. Dass sich dies auch negativ auf eine existente Endometriose auswirken kann, erklärt der folgende Abschnitt.

Auswirkungen von HAWs bei Endometriose

Endometriose kann als das Vorhandensein von endometriumähnlichem Gewebe definiert werden, das strukturell und funktionell den Endometriumdrüsen oder dem Stroma ähnelt. Zu den am häufigsten von Endometriose betroffenen Strukturen gehören die Eierstöcke, die Bänder der Gebärmutter, das Beckenbauchfell, das rektovaginale Septum (Trennwand zwischen Vagina und Mastdarm) und der untere Genitaltrakt [2]. Andere Stellen, die betroffen sein können, sind der Dünn- und Dickdarm, das gesamte Bauchfell, der Urogenitaltrakt mit Blase und Harnleiter, der Ischiasnerv oder auch weiter weg gelegene Organe wie die Lunge. Sie ist durch ein anormales Wachstum von Gebärmutterschleimhaut-ähnlichen Zellen außerhalb des Uterus gekennzeichnet, was zu einer durch Östrogen induzierten Wucherung der Gewebe führt und innere Blutungen verursacht. Die Ursachen dieser Krankheit sind nur ansatzweise erforscht, aber der Kontakt gegenüber östrogenähnlichen Verbindungen (wie HAWs) wird vermutet und Immunmechanismen könnten am Krankheitsprozess beteiligt sein [2].

Grundsätzlich ist bei Endometriose der Hormonhaushalt von größter Bedeutung. Hormonelle Medikamente werden derzeit am häufigsten für die medizinische Behandlung verwendet und basieren auf den endokrin-pathogenetischen Aspekten. Östrogenabhängigkeit und Progesteronresistenz sind die Schlüsselereignisse, die das krankhafte Wachstum von endometriumähnlichen Zellen verursachen, den gesunden Zelltod verringern und oxidativen Stress, Entzündungen und Neuroangiogenese (Wachstum von Nerven sowie Blutgefäßen) erhöhen [5]. Da verschiedene HAWs in der Lage sind, östrogenähnlich zu wirken oder Progesteronrezeptoren zu blockieren, liegt die Vermutung nahe, dass sich dies nachteilig in Bezug auf Endometriose auswirkt.

Da die Studienlage zu Endometriose grundsätzlich eher schlecht ist, sind nur wenige Studien zum Thema HAWs und Endometriose vorhanden. Somit kann bislang nicht eindeutig ausgesagt werden, ob diese sich nachteilig auswirken. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie harmlos und unbedenklich sind, im Gegenteil. Die wenigen existenten Studien lassen die Vermutung zu, dass HAWs einen negativen Einfluss auf das Hormonsystem haben können und damit auch auf die Erkrankung selbst.

Bei Frauen mit Endometriose konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass diese in ihrem Blut häufig erhöhte Konzentrationen an Phthalaten aufweisen [6]. Die Plasmakonzentrationen von allgegenwärtigen Umweltschadstoffen wie Phthalaten werden in einer italienischen Studie mit Endometriose in Verbindung gebracht, die zum ersten Mal die Rolle von Phthalatestern bei der Pathogenese der Krankheit nahelegt [6]. Auch die beschriebenen UV-Filter in vielen Kosmetika wurden genauer in Bezug auf Endometriose untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass der Kontakt gegenüber erhöhten UV-Filter-Konzentrationen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Endometriose-Diagnose verbunden sein kann [7]. Zu synthetischen Moschusverbindungen sind bislang keine Studien durchgeführt worden, jedoch konnten bei Frauen mit gynäkologischen Problemen vermehrt Nitro-Moschusverbindungen im Blut ermittelt werden [8]. Da viele Patienten mit gynäkologischen Auffälligkeiten an Endometriose leiden, könnte hier ein Zusammenhang bestehen. Diese Hypothese muss jedoch erst durch wissenschaftliche Untersuchungen analysiert werden.

Bei Parabenen sieht die aktuelle Studienlage schon klarer aus. Diese chemischen Verbindungen zählen zu den beliebtesten Konservierungsmittelen in einer Vielzahl von Produkten und sind weltweit in aktiver Verwendung. Der menschliche Körper kann Parabene leicht aufnehmen, was in höheren Mengen Folgen nach sich ziehen könnte [9]. Sie sind in der Lage die normale Funktionsweise der natürlich vorkommenden Hormone zu stören, sodass diese in ihrem Wirkmechanismus beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund ist die Suche nach alternativen und sichereren Konservierungsmittel sinnvoll, um die bislang beschriebenen negativen Auswirkungen von Parabenen auf das Hormonsystem zu umgehen [9]. Dennoch finden sie immer noch intensiven Einsatz, auch in Kosmetika. Die Ergebnisse von Peinado et al. (2021) zeigen, dass die Häufigkeit der Verwendung von Kosmetika ein großer Faktor dafür ist, welcher aussagen kann, wie stark ein Mensch verschiedenen Parabenen ausgesetzt ist. Diese chemischen Verbindungen können das Endometrioserisiko in einer von oxidativem Stress unabhängigen Weise erhöhen [10].

Fazit

Insgesamt zeigt sich somit, dass HAWs durchaus das Potenzial haben, Endometriose zu begünstigen oder den Verlauf der Erkrankung negativ zu beeinflussen. Je nach chemischer Verbindung existieren mehr oder weniger verlässliche Studien. Endometriose ist eine komplexe Erkrankung, bei der viele Einflussfaktoren eine Rolle spielen können. In der Summe jedoch zeichnet sich ein Bild ab, welches von der Verwendung vieler Kosmetika abrät, unabhängig davon ob eine Endometriose vorliegt oder nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wirkweise aus HAW-Kombination noch nahezu unbekannt ist. Menschen nehmen stets einen Cocktail verschiedenster Chemikalien in Form von kosmetischen Produkten auf. Wie diese im Körper zusammen interagieren, ist kaum erforscht. Die derzeitige Studienlage lässt keine eindeutige Aussage darüber zu, ob Kosmetika und bestimmte darin enthaltene HAWs einen Einfluss auf Endometriose haben. Es wird schlichtweg viel mehr Forschung benötigt. Aus diesem Grund kann nur die Empfehlung ausgesprochen werden, im Zweifel auf möglichst viele unnötige Kosmetikprodukte zu verzichten. Im alternativen Produktsegment existieren bereits viele Ersatzprodukte, welche vollständig ohne synthetische Chemikalien produziert sind. Zwar kann auch hier nicht ausgeschlossen werden, dass manche Stoffe nachteilig bei Endometriose wirken, jedoch ist die Summe aller genutzten Inhaltsstoffe geringer. Das in Kombination mit vermehrt natürlichen Produktinhalten reduziert das Risiko von gesundheitlichen Nachteilen.

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Referenzen

  1. National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine, Hormonally Active Agents in the Environment. Washington, DC: The National Academies Press, 1999. doi: 10.17226/6029.
  2. F. Anwer, S. Chaurasia, und A. A. Khan, „Hormonally active agents in the environment: a state-of-the-art review“, Rev Environ Health, Bd. 31, Nr. 4, S. 415–433, Dez. 2016, doi: 10.1515/reveh-2016-0014.
  3. Y. Wang und H. Qian, „Phthalates and Their Impacts on Human Health“, Healthcare (Basel), Bd. 9, Nr. 5, S. 603, Mai 2021, doi: 10.3390/healthcare9050603.
  4. D. Koniecki, R. Wang, R. P. Moody, und J. Zhu, „Phthalates in cosmetic and personal care products: concentrations and possible dermal exposure“, Environ Res, Bd. 111, Nr. 3, S. 329–336, Apr. 2011, doi: 10.1016/j.envres.2011.01.013.
  5. S. Vannuccini, S. Clemenza, M. Rossi, und F. Petraglia, „Hormonal treatments for endometriosis: The endocrine background“, Rev Endocr Metab Disord, Bd. 23, Nr. 3, S. 333–355, 2022, doi: 10.1007/s11154-021-09666-w.
  6. D. Caserta, L. Maranghi, A. Mantovani, R. Marci, F. Maranghi, und M. Moscarini, „Impact of endocrine disruptor chemicals in gynaecology“, Hum Reprod Update, Bd. 14, Nr. 1, S. 59–72, 2008, doi: 10.1093/humupd/dmm025.
  7. T. Kunisue u. a., „Urinary Concentrations of Benzophenone-type UV Filters in US Women and Their Association with Endometriosis“, Environ Sci Technol, Bd. 46, Nr. 8, S. 4624–4632, Apr. 2012, doi: 10.1021/es204415a.
  8. G. P. Katuri, X. Fan, I. Kosarac, S. Siddique, und C. Kubwabo, „Synthetic Musk Compounds in Human Biological Matrices: Analytical Methods and Occurrence—A Review“, Journal of AOAC INTERNATIONAL, Bd. 104, Nr. 2, S. 368–383, Apr. 2021, doi: 10.1093/jaoacint/qsaa154.
  9. K. Nowak, W. Ratajczak-Wrona, M. Górska, und E. Jabłońska, „Parabens and their effects on the endocrine system“, Mol Cell Endocrinol, Bd. 474, S. 238–251, Okt. 2018, doi: 10.1016/j.mce.2018.03.014.
  10. F. M. Peinado u. a., „Cosmetic and personal care product use, urinary levels of parabens and benzophenones, and risk of endometriosis: results from the EndEA study“, Environ Res, Bd. 196, S. 110342, Mai 2021, doi: 10.1016/j.envres.2020.110342.