In diesem Beitrag wird Dr. Nadine Rohloff von Dr. Lan Göttinger, die in ihrem Podcast „gerngesund“ über wichtige medizinische Themen aufklärt, interviewt. Es geht um verschiedene Fragen zu Symptomen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten von Endometriose.
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Endometriose & Kinderwunsch: Ein Interview mit Dr. Ibrahim
Heute spreche ich mit Dr. Mohamed Ibrahim, dem Experten für Kinderwunsch aus Oldenburg. Es geht um Endometriose und Kinderwunsch und Themen, die damit zusammenhängen.
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Du hörst gerne Podcasts? Dann höre in den Endometriose-Podcast von Dr. med. Nadine Rohloff rein! In unserem Newsletter informieren wir dich immer über neue Erkenntnisse und neue Beiträge auf unserer Seite. Der interaktive Austausch ist bei Endometriose auch sehr wichtig. Mach bei unserer privaten Endometriose-Facebook-Gruppe mit. Du hast etwas Interessantes zum Thema Endometriose zu erzählen? Wir sind dein Sprachrohr! Melde dich einfach per Email. [/av_textblock] [/av_one_full]Dr. Nadine Rohloff: Herzlich willkommen an Dr. Ibrahim oder Mohamed vom Team Kinderwunsch. Du sagst gleich noch ein, zwei Worte zu dir selbst. Aber ich freue mich sehr, dass du heute hier bist, dass wir heute über das Thema Endometriose und Kinderwunsch sprechen. Das ist ein riesiges Thema und ich freue mich immer, einen Experten da zu haben, weil das natürlich ein sehr weites und spezielles Feld ist. Ich freue mich auch sehr, dass du hier bist, weil wir auch schon einmal zusammen in der Uniklinik Münster gearbeitet haben. Aber vielleicht stellst du dich kurz selbst vor. Dr. Mohamed Ibrahim: Erst einmal vielen Dank für die Einladung, Nadine. Ich freue mich auf dieses Interview, dass wir uns einmal austauschen und die Zuhörenden über das wichtige Thema Endometriose aufklären. Klar, ich kenne dich auch schon sehr lange. Aus der Zeit in der Uniklinik Münster, in dem Endometriosezentrum, wo ich auch tätig war, auch im Kinderwunschzentrum. Das Thema Kinderwunsch mit Endometriose finde ich ganz wichtig. Zu meiner Person, ich bin Mohamed Gamal Ibrahim und ich komme ursprünglich aus Ägypten. Ich habe dort auch meine Facharztausbildung gemacht. Seit knapp elf Jahren bin ich hier in Deutschland. Mein Start war an der Charité im Endometriosezentrum unter der Betreuung von Frau Professor Sylvia Mechsner, eine sehr bekannte Expertin auch für Endometriose. Dort habe ich meine Doktorarbeit über Endometriose und Adenomyose gemacht und bin dann nach Münster umgezogen, wo ich die Weiterbildung in Evolutionsmedizin, also in dem Kinderwunschbereich, gemacht habe. Ich habe für vier Jahre an der Uniklinik Münster gearbeitet. Nach dem Abschluss der Facharztausbildung bin ich zurück nach Berlin gezogen und habe mich dann im Kinderwunschzentrum Magdeburg niedergelassen, wo ich als Kinderwunscharzt gearbeitet habe. Jetzt, seit gut zwei Monaten, bin ich der ärztliche Leiter des Team Kinderwunsch Oldenburg. Mein erster Auftritt hier in der Region Niedersachsen. Ich beschäftige mich seit sieben Jahren sowohl klinisch als auch wissenschaftlich mit dem Thema Endometriose. Ich bin Referent auf internationalen und nationalen Veranstaltungen und Kongressen zum Thema Kinderwunsch und Endometriose.
Über Dr. Ibrahim
Dr. Ibrahim kommt aus Ägypten und hat dort seine Facharztausbildung gemacht. Seit knapp 11 Jahren lebt er in Deutschland. Zuerst hat er im Endometriosezentrum der Charité in Berlin unter der Betreuung von Sylvia Mechsner gearbeitet, wo er auch seine Doktorarbeit zum Thema Endometriose und Adenomyose verfasst hat. Im Anschluss ist er nach Münster gezogen und hat dort eine Weiterbildung in Evolutionsmedizin, d.h. im Bereich Kinderwunsch, gemacht und war vier Jahre an der Uniklinik tätig. Nach Abschluss der Facharztausbildung ist er wieder nach Berlin gegangen und hat im Kinderwunschzentrum Magdeburg als Kinderwunscharzt gearbeitet. Mittlerweile lebt Dr. Ibrahim in Niedersachsen und ist ärztlicher Leiter des Teams Kinderwunsch Oldenburg. Neben seiner Arbeit als Arzt ist er Referent auf nationalen und internationalen Kongressen zum Thema Kinderwunsch und Endometriose.
Dr. Nadine Rohloff: Ja, wunderbar. Geballte Erfahrung sozusagen. Wir fangen einmal ganz allgemein mit dem Thema an. Endometriose und Kinderwunsch, da geht es viel darum, warum es mit Endometriose schwerer ist, schwanger zu werden. Vielleicht kannst du das einmal erklären. Wo liegt überhaupt das große Problem? Dr. Mohamed Ibrahim: Ich finde die Frage ganz toll, denn das ist das allererste, was ich dem Paar erkläre, welches sich in meiner Sprechstunde vorstellt. Wie funktioniert es überhaupt, auf natürlichem Weg schwanger zu werden? Da spricht man über mehrere Baustellen bei beiden Personen. Die erste Baustelle ist die Scheide, wo die ganzen Spermien beim Sex landen. Dann müssen die Spermien natürlich auch hochschwimmen in die Gebärmutterhöhle. Dann gelangen sie zum Eileiter, wo die Eizelle zum Zeitpunkt des Eisprungs empfangen wird. Ich stelle mir den Eileiter vor wie ein Hotelzimmer. Das muss schon gemütlich sein für die Spermien und für die Eizellen, damit am Ende die Eizelle von einem schönen, hübschen Spermium befruchtet werden kann. Die muss sich auch wohlfühlen, sich auch teilen für ein paar Tage in dem Eileiter. Dann schwimmt der Embryo, die fortgeschrittene Eizelle zurück und landet in der Gebärmutterhöhle, wo sich der Embryo einnistet. So tritt eine Schwangerschaft normalerweise ein, auf natürlichem Weg. Jetzt im Zusammenhang mit Endometriose. Endometriose heißt, dass sich das Schleimhautgewebe außerhalb der Gebärmutter befindet. Zum Beispiel am Eileiter. Dort sind aktive Herde oder Läsionen, die jeden Monat bluten. Aber das mag der Eileiter nicht, denn das verursacht einen Reiz, Verwachsungen und chronischen Entzündungen. Dann ist das Hotelzimmer nicht mehr gemütlich für die Eizellen und Spermien. Wenn Verwachsungen auftreten, bleibt der Eileiter auch verschlossen. Verschlossene Eileiter können eine Ursache für ungewollte Kinderlosigkeit sein. Außerdem kann sich die Endometriose an den Eierstöcken einnisten. Dort ist die ganze Eizelle selbst von der Frau vorhanden. Wenn der Eierstock besetzt ist durch eine große Endometriose Zyste, hat die Frau quasi weniger Eizellen. Dann spricht man von weniger Chancen, mehrere Kinder zu haben. Die Endometriose kann man auch an der Scheidenwand finden. Diese ist eine wichtige Baustelle beim Geschlechtsverkehr. Das heißt, es wird auch schmerzhaft beim Sex. Manchmal verzichten die Frauen komplett auf Sex. Dann haben sie auch keinen regelmäßigen Sex. Von daher kann das auch ein Hindernis sein zur Erfüllung des Kinderwunsches.
Dr. Nadine Rohloff: Genau. Wie ist das, wenn andere Stellen außerhalb des Eileiters betroffen sind, zum Beispiel von Adenomyose, oder aber eine Bauchfell-Endometriose vorliegt? Wie sind da die Mechanismen? Ist das auch ein Problem? Dr. Mohamed Ibrahim: Das sind besondere Arten von Endometriose, vor allem die sogenannte Adenomyose. Adenomyose bedeutet, dass sich die Herde in der Muskelschicht der Gebärmutter befinden. Normalerweise gehören sie aber zu der Gebärmutterhöhle, wo sich die befruchtete Eizelle einnistet. Das Problem mit der verdickten Muskelschicht ist, dass die Gebärmutter davon gereizt wird. Das macht die Stelle nicht so gemütlich für den Embryo. Es gibt mehrere aktuelle Studien, die belegt haben, dass Adenomyose im Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für eine Fehlgeburt steht. Ob es da auch einen Zusammenhang mit der verhinderten Einnistung des Embryos in der Gebärmutterhöhle gibt, bleibt weiterhin unklar. So viel einmal zur Adenomyose. Zur Bauchfell-Endometriose – da gibt es mehrere Theorien, dass jeden Monat die Endometrioseherde im Bauch bluten. Dann merkst du, dass der Bauch schneller gereizt wird, was zu Verwachsungen und Schmerzen führt. Wenn die Frau ständig Schmerzen hat, die Regelschmerzen und ein paar Tage vor der Regelblutung, ein paar Tage nach der Regelblutung oder mit dem Zeitpunkt des Eisprungs, ist sie schlecht darauf, vielleicht hat sie auch depressive Verstimmungen. Dann verzichtet sie auch auf Sex, was die Regelmäßigkeit stört. Verwachsungen in der Bauchhöhle können auch zu einem Schnitt und Verschluss der Eileiter führen. Es gibt aber auch andere molekularbiologische Mechanismen in diesen Endometrioseherden. Da sind zunächst viele Faktoren wie Proteine, die die Qualität sowohl der Eizellen als auch der Spermien beeinträchtigen können. Wie ich das jetzt alles erzähle, das sind nur Theorien, eine Hypothese. Es gibt so einen großen Zusammenhang zwischen Endometriose und Kinderwunsch. Aber die Endometriose ist nicht die direkte Ursache des unerfüllten Kinderwunsches. Aber es gibt es einen Zusammenhang, eine Assoziation, aber nicht direkt.
Dr. Nadine Rohloff: Bei der Bauchfell Endometriose meinst du? Dr. Mohamed Ibrahim: Bei der Bauchfell Endometriose, genau.
Dr. Nadine Rohloff: Jetzt haben wir eine Frage aus der Community bekommen. Ganz allgemein: Gibt es Besonderheiten, die man bei Kinderwunsch mit Endometriose beachten sollte? Ich verstehe das so, dass es auch um unerfüllten Kinderwunsch geht. Aber auch wenn man jetzt gerade den Kinderwunsch hat und man es jetzt versuchen möchte. Dr. Mohamed Ibrahim: Ich finde das Allerwichtigste in einer Sprechstunde, in dem Kinderwunschzentrum, ist, dass der Kinderwunscharzt oder die Kinderwunschärztin, immer gut zuhört, welche Beschwerden die Patientin schildert. Dass man sie auch auf bestimmte Beschwerden anspricht. Zum Beispiel muss man immer fragen, ob die Betroffenen starke Schmerzen haben, ob sie Schmerzen beim Sex haben, Schmerzen beim Wasserlassen, Schmerzen beim Stuhlgang oder es kann auch sein, dass sie auch atypische Schmerzen haben. Unabhängig von der Regelblutung, die immer wieder im Unterbauch auftauchen. Dann denkt man sich automatisch: „Okay, das könnte ein Endometriose Fall sein.“ Dann kommt man zu dem nächsten Schritt und macht die Ultraschalluntersuchungen. Bei dem Ultraschall kann man die Endometriose schnell erkennen. Zum Beispiel eine Endometriose Zyste oder eine Adenomyose. Es gibt heutzutage auch andere Merkmale für die Endometriose, ob die Organe aufeinander verschiebbar sind oder nicht. Dann hat man noch ein zweites zusätzliches Mittel. Somit kann man die Endometriose auch feststellen. Jetzt geht man aber schon in die Kinderwunschbehandlung. Allgemein würde ich sagen, für die individuelle Patientin gibt es keine Besonderheiten, was die Kinderwunschbehandlung angeht. Sondern der Faktor Endometriose muss mitbetrachtet werden für die Festlegung des Fahrplans, wie man in dieser besonderen Situation den Kinderwunsch erfüllen kann.
Dr. Nadine Rohloff: Ja, einfach im Hinterkopf behalten, während man plant. Wie lange sollte ein Kinderwunsch schon bestehen, bevor man sich an ein Kinderwunschzentrum wendet? Und ist die Dauer kürzer oder länger, wenn man Endometriose hat? Dr. Mohamed Ibrahim: Laut der neuesten Leitlinie, der ESHRE-Leitlinie von der weltweit größten Gesellschaft für Revolutionsmedizin 2020, eigentlich nicht. Wir haben keine besonderen Empfehlungen herausgegeben für Personen mit Endometriose, dass sie sich früher vorstellen sollten als die anderen Frauen in dem Kinderwunschzentrum. Aber man muss immer das Alter betrachten. Zum Beispiel bei einer Frau unter 35, die vor einem Jahr die Pille abgesetzt hat und ihre Regelblutung regelmäßig bekommt, sollte es erst einmal etwa ein Jahr versuchen, bevor sie zu uns kommt. Weil nach einem Jahr geht man davon aus, dass 80 bis 85 Prozent aller Frauen auf natürlichem Weg schwanger werden können. Wenn nach Ablauf dieser zwölf Monate alle Versuche erfolglos geblieben sind, wäre das der richtige Zeitpunkt für das Kinderwunschzentrum. Allerdings gibt es schon eine Ausnahme. Ich würde nicht ein Jahr lang warten, wenn die Frau über 35 ist oder wenn eine bekannte Endometriose oder eine Zyste vorliegt. Besonders bei drei, vier, fünf Zentimeter großen Zysten oder wenn die Zyste auf beiden Seiten auftritt. Oder wenn aufgrund der Endometriose bereits eine Operation an den Eierstöcken erfolgt ist. Da muss man ganz genau beurteilen, wie es mit der Eizellreserve aussieht. In diesen besonderen Fällen würde ich aber eher nicht ein Jahr warten, sondern es vielleicht nur drei bis sechs Monate versuchen. Danach ist es Zeit, sich im Kinderwunschzentrum vorzustellen und das sollte auch gut kommuniziert werden mit den Gynäkolog:innen. Diese sind ja immer die erste Anlaufstelle.
Dr. Nadine Rohloff: Ja, auf jeden Fall. Jetzt hast du gerade die Eierstock Endometriose angesprochen. Wenn man jetzt größere Zysten hat, zum Beispiel. Wie ist denn das Verhältnis von Endometriose Schweregrad zu Fruchtbarkeit und Chancen, schwanger zu werden? Auch eine Frage aus der Community. Dr. Mohamed Ibrahim: Wir haben momentan drei Klassifikationen für die Endometriose. Die erste Klassifikation ist die rASRM-Klassifikation oder Beweis. Da gibt es diese sehr bekannten Einstufungen der Endometriose in Stadium eins, Stadium zwei, drei und vier. Man sagt grob, dass eins und zwei milde sind. Drei und vier sind schwere Grade der Endometriose. Bei Grad drei und vier spricht man von einer anatomischen Beschreibung. Die Operierenden beschreiben damit das Ausmaß und die Ausprägung der Endometriose bei der Bauchspiegelung. Wenn man eine Endometriose Zyste hat und die Endometriose weitläufig verbreitet ist, spricht man von einer schwergradigen Endometriose. Da landet man schnell auch bei dieser Stufe drei oder vier. Allerdings muss man dazu sagen, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Stadium und dem Kinderwunsch gibt. Wir sehen auch manchmal vor allem in Stadium drei und vier Frauen, die trotzdem auf natürlichem Weg schwanger geworden sind. Oder sie waren schwanger und haben die Schwangerschaft nach ein paar Wochen verloren. Aber es klappt auch auf natürlichem Weg, klar. Die Chancen mit Endometriose sind aber geringer. Das ist die erste Klassifikation. Es gibt auch noch eine zweite Klassifikation. Das ist auch eine anatomische Beschreibung, die sogenannte ENZIAN-Klassifikation. Dabei beschreibt man auch die betroffenen Organe. Es gibt aber eine ganz wichtige dritte Klassifikation, und das spreche ich immer an in der Sprechstunde. Diese nennt sich Endometriose Fertility Index. Dabei wird nicht nur das Ausmaß der Endometriose betrachtet, sondern auch das Alter der Frau. Ob die Frau bereits schwanger war. Auch, wie lange der Kinderwunsch schon besteht und den Zustand der Eileiter. War der Eileiter bei der Operation entzündet, verdickt, verschlossen oder war er sogar weg auf einer Seite? Wie die Eierstöcke aussehen, wie die Fimbrien der Eileiter aussehen. Auch die Ausprägung der Endometriose wird betrachtet. Am Ende bekommt man einen Score. Die Patientinnen mit den besten Chancen haben einen Score von neun bis zehn. Das sind junge Frauen, die einmal schwanger gewesen sind und seit ein, zwei Jahren einen Kinderwunsch hegen. Die haben minimale Endometriose und die Eileiter, Fimbrien und Eierstöcke sehen alle tiptop aus. Dann haben sie innerhalb von zwölf Monaten nach der Bauchspiegelung eine Chance von 60 bis 70 Prozent, schwanger zu werden. Andersrum gesagt, es gibt so manche Frauen, die leider eine ungünstige Prognose haben mit sehr geringen Chancen auf eine natürliche Schwangerschaft. Das sind meistens Personen über 40 sind, die noch nie schwanger waren und seit über drei Jahren einen Kinderwunsch haben. Die haben eine schwergradige Endometriose und vielleicht ist der Eileiter auf einer Seite oder beidseitig befallen. Dann sagt man: „Okay, die haben kaum Chancen auf natürlichem Weg schwanger zu werden, statistisch gesehen.“ Mit dieser besonderen Gruppe von Patientinnen wird man aber eher über künstliche Befruchtung sprechen und diese auch empfehlen.
Dr. Nadine Rohloff: Ganz spannend, dieser Schweregrad, der hier wahrscheinlich gemeint ist, kann eher vernachlässigt werden. Wichtiger ist der Endometriose Fertility Index, der auch andere Sachen mit einbezieht. Das ist glaube ich eine wichtige Information. Bevor wir jetzt zur Kinderwunschtherapie kommen – es stellt sich ja die wichtige Frage, welche unterstützenden Maßnahmen es denn gibt, um auf natürlichem Wege schwanger zu werden? Dr. Mohamed Ibrahim: Wenn wir jetzt über eine junge Frau sprechen, unter 35 Jahre alt, die gesund ist, kein Übergewicht hat. Der Mann ist auch gesund, wurde nicht operiert an den Hoden und hat keine bekannten Einschränkungen der Spermien. Dann sagt man: „Okay, erst einmal die Pille absetzen, erst einmal auf die Regelblutung warten und dann jeden Monat wieder versuchen.“ Hier kommt meine Empfehlung an alle Zuhörenden: Bitte nicht auf die Uhr schauen, wann man Sex haben sollte. Die Spermien können in der Frau bis zu drei, vier Tage überleben. Die Eizelle kann 12 bis 24 Stunden überleben. Viele Frauen sind immer sehr fokussiert auf die Ovulation, auf den Eisprung. Man kann einen Test machen, um den Eisprung zu verfolgen. Da sammelt man den Urin vom Morgen und schaut, ob der LH-Anstieg nachgewiesen ist und dann hat man erst Sex, vielleicht an dem Tag, oder am Abend oder am nächsten Tag dann. Das könnte schon zu spät für die Eizelle sein, weil sie nur ein paar Stunden lang fruchtbar bleibt. Deswegen werden manche schwanger, aber die anderen eben nicht. Deswegen empfehle ich, nicht mit dem Sex zu warten. Besser ist, es alle zwei bis drei Tage zu versuchen. Unabhängig vom Eisprung. Auch ohne, dass der Partner das wie ein Kommando empfindet. Denn wenn er sich unter Druck gesetzt fühlt, kann das zu Problemen mit der Erektion führen.
Dr. Nadine Rohloff: Die Frau auch, man setzt sich ja dann auch selbst unter Stress. Dr. Mohamed Ibrahim: Genau. Dann ist die Frau auch unzufrieden, weil es dann schon wieder nicht geklappt hat. Deswegen ich würde sagen, dass man bei diesem Thema einfach entspannt vorgehen sollte. Nicht so wichtig ist, ob der Ovulationstest positiv geworden ist oder nicht. Aber man könnte den Ovulationstest auch als zusätzliche Maßnahmen hernehmen. Temperaturmessungen kann man auch machen, obwohl das keine sehr genaue Methode ist. Wenn Fieber auftritt, ist die Messung natürlich nicht verlässlich. Ich finde es als Methode etwas aufwendig und in meinen Augen würde ich sagen, immer Sex haben. Nach Liebe und Zeit. Man muss die Zeit und Lust darauf haben und nicht nur einen Test oder so etwas machen. So würde ich das empfehlen und für zwölf Monate versuchen, regelmäßig Sex zu haben. Vorher aber natürlich die Pille absetzen.
Dr. Nadine Rohloff: Ja, das wäre gut, die Pille vorher abzusetzen. Genau. Wenn es jetzt nicht klappt, für zwölf Monate oder kürzer. Je nachdem, wie die individuelle Situation ist und man geht jetzt zum Kinderwunschzentrum. Was passiert dann? Was kann man da erwarten und vielleicht auch ganz wichtig – geht man dort alleine hin oder zu zweit? Was erwartet einen dort? Was gibt es dort für Möglichkeiten? Dr. Mohamed Ibrahim: Genau. Dann ist die Frau auch unzufrieden, weil es dann schon wieder nicht geklappt hat. Deswegen ich würde sagen, dass man bei diesem Thema einfach entspannt vorgehen sollte. Nicht so wichtig ist, ob der Ovulationstest positiv geworden ist oder nicht. Aber man könnte den Ovulationstest auch als zusätzliche Maßnahmen hernehmen. Temperaturmessungen kann man auch machen, obwohl das keine sehr genaue Methode ist. Wenn Fieber auftritt, ist die Messung natürlich nicht verlässlich. Ich finde es als Methode etwas aufwendig und in meinen Augen würde ich sagen, immer Sex haben. Nach Liebe und Zeit. Man muss die Zeit und Lust darauf haben und nicht nur einen Test oder so etwas machen. So würde ich das empfehlen und für zwölf Monate versuchen, regelmäßig Sex zu haben. Vorher aber natürlich die Pille absetzen.
Dr. Nadine Rohloff: Ja, das wäre gut, die Pille vorher abzusetzen. Genau. Wenn es jetzt nicht klappt, für zwölf Monate oder kürzer. Je nachdem, wie die individuelle Situation ist und man geht jetzt zum Kinderwunschzentrum. Was passiert dann? Was kann man da erwarten und vielleicht auch ganz wichtig – geht man dort alleine hin oder zu zweit? Was erwartet einen dort? Was gibt es dort für Möglichkeiten? Dr. Mohamed Ibrahim: Bei uns im Kinderwunschzentrum oder in meiner Sprechstunde empfange immer das Paar für das erste Gespräch. Dann gehen wir einmal die Anamnese, die Vorgeschichte zusammen durch. Ich frage auch schon einmal ein paar Sachen ab, vor allem zu den endometriosetypischen Beschwerden. Zum Beispiel nach der Stärke der Schmerzen. Muss sie immer Schmerztabletten einnehmen? Gibt es eine Lebenseinschränkung, wenn sie die Regelblutung hat? Da kann sie nicht feiern gehen, oder zum Geburtstag gehen oder so was. Das sind so Hinweise auf Endometriose. Ist der Sex schmerzhaft? Ist der Stuhlgang schmerzhaft? Man fragt so einfache Sachen ab. Zweitens fragt man, ob schon Operationen gemacht worden sind. Gab es eine Bauchspiegelung, wurden die Eileiter geprüft. Einfach die Anamnese zu dritt durchgehen. Danach geht man aber so in eine Diagnostik, man nimmt das als Basisdiagnostik. Dann sage ich zu beiden, dass wir sie jetzt biologisch näher kennenlernen müssen. Das heißt, dass für den Mann ein Termin für die Samenuntersuchung ansteht. Denn in 30 Prozent der Fälle liegt die Ursache bei den Spermien. Die Frau bekommt normalerweise drei Termine, bei denen Blut abgenommen und der Hormonspiegel analysiert wird. Der erste Termin ist zu Beginn der Regelblutung zwischen dem dritten und fünften Zyklustag. Da werden zum Beispiel die Eierstockhormone und die Antihormone für die Eizellreserve geprüft. Eine Woche bis zehn Tage später ist der nächste Termin, also in der Mitte des Zyklus zum Zeitpunkt des Eisprungs, für einen Ultraschall. Dann zeige ich der Frau, wie die Gebärmutter aussieht, wie die Schleimhaut auch schön aufgebaut ist, wie die Eierstöcke aussehen. Ich finde das immer ganz gut, damit die Frau das auch versteht, was man hier als grau und weiß oder schwarz und weiß auf dem Bildschirm sieht. Natürlich sieht man hierbei auch Zysten und andere Merkmale für Endometriose oder auch Fehlbildungen an der Gebärmutter. Wieder eine Woche bis zehn Tage später kommt die Frau wieder zu einer Blutabnahme. Anhand dieser Befunde kann man sehen, ob der Eisprung stattgefunden hat in diesem Zyklus. Drei Termine für die Frau, ein Termin für den Mann und dann setzen wir uns noch einmal zu dritt zusammen für ein Auswertungsgespräch. Da können wir die Befunde auswerten und sagen: „Okay, es ist alles unauffällig, alles tiptop.“ Oder es gibt Probleme. Bei wem gibt es das Problem? Sind die Spermien eingeschränkt? Ist die Eizellreserve gering oder eingeschränkt? Gibt es Hinweise auf Endometriose? Dann lege ich in Absprache mit dem Paar einen Fahrplan fest, was wir machen können, um den Kinderwunsch zeitnah zu erfüllen.
Dr. Nadine Rohloff: Ja. Vielleicht möchtest du einmal ganz kurz sagen, auch wenn wir jetzt hier hauptsächlich über die Endometriose sprechen, welche anderen Probleme den unerfüllten Kinderwunsch verursachen können? Dr. Mohamed Ibrahim: Wenn die Spermien zu wenig oder zu langsam sind, dann spricht man von einem eingeschränkten Spermienprogramm. Manchmal findet man auch gar keine Spermien. Da muss man auch schon ein bisschen invasiv herangehen und aus dem Hoden eine Biopsie entnehmen und dort nach Spermien suchen. Wenn man welche findet, kann man diese Gewebe einfrieren und auch später eine Kinderwunschbehandlung durchführen. Bei Frauen gibt es manchmal schon das Problem, dass sie erhöhte volatile Hormone haben. Diese Milchbildungshormone sind wichtig für jede Frau während der Schwangerschaft. Wir bereiten immer beide Brüste vor für die Milchproduktion. Die Hormone dürfen allerdings vor der Schwangerschaft eigentlich nicht erhöht sein. Wenn die volatilen Hormone erhöht sind, dann führt das schnell zu einer Störung des Eisprungs oder zu einer Verkürzung. Das häufigere Problem ist manchmal die Schilddrüsenfunktion. Manche Frauen haben eine Unterfunktion oder eine Überfunktion. Das hat einen Zusammenhang mit den volatilen und anderen Hormonen. Dadurch kann der Eisprung ausbleiben, zu früh oder zu spät kommen. Auch führt das dazu, dass die Regelblutung ausbleibt. Andere Gründe sind Fehlbildungen wie eine große Trennwand in der Gebärmutter oder ein fehlender Eierstock. Seltener kann es vorkommen, dass ein gutartiger Tumor der Auslöser ist, zum Beispiel ein Teratom. Oder dass ein Muskelknoten in der Gebärmutter ganz nah an der Einnistungsstelle liegt. Da könnte man sich überlegen, ob man das Medium operativ entfernen muss. Das sind häufige andere Ursachen für einen unerfüllten Kinderwunsch.
Dr. Nadine Rohloff: Ja. Vielleicht möchtest du einmal ganz kurz sagen, auch wenn wir jetzt hier hauptsächlich über die Endometriose sprechen, welche anderen Probleme den unerfüllten Kinderwunsch verursachen können? Dr. Mohamed Ibrahim: Wenn die Spermien zu wenig oder zu langsam sind, dann spricht man von einem eingeschränkten Spermienprogramm. Manchmal findet man auch gar keine Spermien. Da muss man auch schon ein bisschen invasiv herangehen und aus dem Hoden eine Biopsie entnehmen und dort nach Spermien suchen. Wenn man welche findet, kann man diese Gewebe einfrieren und auch später eine Kinderwunschbehandlung durchführen. Bei Frauen gibt es manchmal schon das Problem, dass sie erhöhte volatile Hormone haben. Diese Milchbildungshormone sind wichtig für jede Frau während der Schwangerschaft. Wir bereiten immer beide Brüste vor für die Milchproduktion. Die Hormone dürfen allerdings vor der Schwangerschaft eigentlich nicht erhöht sein. Wenn die volatilen Hormone erhöht sind, dann führt das schnell zu einer Störung des Eisprungs oder zu einer Verkürzung. Das häufigere Problem ist manchmal die Schilddrüsenfunktion. Manche Frauen haben eine Unterfunktion oder eine Überfunktion. Das hat einen Zusammenhang mit den volatilen und anderen Hormonen. Dadurch kann der Eisprung ausbleiben, zu früh oder zu spät kommen. Auch führt das dazu, dass die Regelblutung ausbleibt. Andere Gründe sind Fehlbildungen wie eine große Trennwand in der Gebärmutter oder ein fehlender Eierstock. Seltener kann es vorkommen, dass ein gutartiger Tumor der Auslöser ist, zum Beispiel ein Teratom. Oder dass ein Muskelknoten in der Gebärmutter ganz nah an der Einnistungsstelle liegt. Da könnte man sich überlegen, ob man das Medium operativ entfernen muss. Das sind häufige andere Ursachen für einen unerfüllten Kinderwunsch.
Dr. Nadine Rohloff: Welche Therapieoptionen gibt es, wenn man die Ursache festgestellt hat? Dr. Mohamed Ibrahim: Das kommt darauf an. Im Auswertungsgespräch schaut man schon mehrere Faktoren an und sagt: „Okay, eine junge Frau hat eine sehr gute Eizellreserve.“ Das kann man anhand der Hormonwerte und des Ultraschalls feststellen. Bei dem Mann sind die Spermien tip top. Dann könnte man sagen: „Okay, wir können schon was einfaches versuchen.“ Das wäre zum Beispiel ein bis zu zwei Monate langes Zyklusmonitoring. Dann macht man zwei, drei Ultraschallkontrollen, bis sich auf einer Seite ein Eibläschen gebildet hat. Dann löst man mit speziellen Spritzen den Eisprung aus. Dann sagst du dem Paar, dass sie jetzt einen schönen romantischen Abend haben können. Sollte das nach einem bis zwei Monaten nicht funktioniert haben, kann man zur Insemination wechseln. Das ist auch eine Art Entwicklungsmonitoring. Man macht zwei bis drei Ultraschallkontrollen, die den Eisprung anschließend auslösen. Nach einem oder zwei Tagen muss der Mann seine Probe abgeben. Die Spermien werden in einem Labor aufbereitet und die besten Spermien aus dem gesamten Kollektiv werden herausgefiltert, um sie für die Insemination zu verwenden. Wir übertragen die Spermien in die Gebärmutterhöhle. Das ist ein sehr kleiner Eingriff, erfordert keine Narkose und ist auch nicht schmerzhaft. Das Ganze dauert nur so zwei bis drei Minuten. Normalerweise macht man das im Sprechzimmer oder einem kleinen Eingriffraum. Nach zwei Wochen macht man einen Schwangerschaftstest. In einer anderen Konstellation: Die Frau ist 38, 39, 40 Jahre alt mit einer schwergradigen Endometriose. Die Hormone sind sehr niedrig. Gegebenenfalls bei der Bauchspiegelung damals wurde festgestellt, dass die Eileiter verschlossen sind. Die Spermien sind aber normal. Dann können die Spermien auf natürlichem Weg die Eizelle nicht erreichen, weil die Eileiter eben verschlossen sind. Dann macht man so eine künstliche Befruchtungsmethode, die sogenannte In-vitro-Fertilisation. Das heißt, wir richten das Hotelzimmer außerhalb des Körpers ein. Das heißt, wir müssen erst einmal die Frau für ein paar Tage hormonell behandeln, etwa sieben bis zehn Tage. Anschließend entnehmen wir der Frau ihre Eizellen aus diesen großen Eibläschen, das ist auch ein kleiner Eingriff. Manchmal macht man das auch unter Narkose, was etwa zehn Minuten dauert. Am selben Tag muss der Mann eine Probe abgeben. Dann hat man die Spermien und die Eizellen gewonnen. Dann bringt man beides zusammen in den Kühlschrank – Tür zu, Licht aus, romantische Musik an. Am nächsten Tag holt man die heraus und schaut, wie viele haben sich befruchten lassen? Nach drei oder fünf Tagen kriegt die Frau ein oder zwei Embryonen zurück und zwei Wochen später macht man einen Schwangerschaftstest. Das sind so die Varianten, die unterschiedlichen Kinderwunschbehandlungsmöglichkeiten, die man den Paaren anbieten kann.
Dr. Nadine Rohloff: Genau, je nach Situation. Wenn jetzt jemand auf der Suche nach einem Kinderwunschzentrum ist, wie sollte man das auswählen? Wie findet man das richtige Kinderwunschzentrum? Ich meine, es gibt natürlich bestimmt so ein paar Faktoren. Dr. Mohamed Ibrahim: Alle Kollegen sind kompetent und auch alle erfahren. Ja klar, es gibt schon die Möglichkeit, auf Google nachzuschauen. Wie sind so die Bewertungen? Aber manchmal gibt es doofe Bewertungen, auch wenn die gar nicht auf das Zentrum zutreffen. Dann kann man sich auch umhören bei Freunden, Bekannten, vielleicht im Internet, in Foren oder auch Instagram. Ich finde die Community für die Endometriose und Kinderwunsch gut, die Frauen tauschen sich sehr häufig auf Instagram aus. Man kann auch auf die Webseite des Kinderwunschzentrum in der Nähe schauen und schauen, was es so anbietet. Ich finde, dass am Ende der allererste Kontakt mit dem Arzt oder mit der Ärztin dort wichtig ist. Dann kann man sich einfach selbst einen Eindruck verschaffen, wie der Kontakt dort ist. Wie werden die Termine eingehalten, wie hat sich der Arzt oder die Ärztin bei dem ersten Gespräch verhalten? Waren sie sympathisch? Haben sie zugehört, was die Frau alles erzählt hat? Fühlt man sich gut aufgehoben und ernst genommen bei dem ersten Gespräch? Man merkt schnell, ob die Arztperson, die vor dir sitzt, kompetent, empathisch und sympathisch ist. Hat sie Mitgefühl für die Paare? Man muss es probieren.
Dr. Nadine Rohloff: Das ist ein guter Punkt. Ich meine es gibt ja auch Listen und alles, aber es ist ja häufig nicht mit nur einem Termin getan, sondern man sieht sich ja dann häufig. Es ist ja auch ein sehr intimes Thema. Deswegen ist es wichtig, sich ein eigenes Bild zu machen und wirklich danach zu entscheiden, wie wohl man sich fühlt und nicht nur nach Empfehlungen. Was für den einen gut war, muss mir nicht unbedingt gefallen und andersherum. Von daher sollte man sich auf das eigene Gefühl verlassen. Jetzt eine Frage zur Kostenübernahme. Wie ist das denn bei der Kinderwunschtherapie? Wie ist das bei den Krankenkassen? Kann man da pauschal etwas zu sagen? Dr. Mohamed Ibrahim: Ich würde es versuchen. Wir haben ein Paar, beide sind gesetzlich krankenversichert. Dann müssen sie verheiratet und über 25 Jahre alt sein, die Frau aber unter 40. Man muss unter 50 Jahre alt sein, damit die Krankenkasse sich an der Hälfte der anfallenden Kosten für eine Kinderwunschbehandlung beteiligen kann. Das sind so die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Es gibt auch andere Krankenkassen, die bis zu 70 Prozent der Kosten übernehmen. Selten kommt es vor, 100 Prozent der Kosten übernommen werden. Die Kostenübernahme ist meistens begrenzt auf drei Versuche, drei große Behandlungen. Dreimal IVF oder dreimal ICSI. Aber nicht dreimal IVF und dreimal ICSI, sondern dreimal insgesamt. Das ist, wenn die beiden gesetzlich krankenversichert sind. Wenn die beiden privat versichert sind, rechnet die private Kasse das nach dem Verursacherprinzip ab. Das heißt, man muss ganz genau schauen, woran es liegt. Liegt es daran, dass die Spermien eingeschränkt und langsam sind und man macht einen ICSI, dann wird die Privatkasse des Mannes die Kosten meist zu 100 Prozent übernehmen. Egal, ob das Paar verheiratet ist oder nicht. Manche haben auch keine Altersgrenze. Auch bei über 40-jährigen können die Kosten übernommen werden. Oder wenn zum Beispiel eine schwergradige Endometriose oder verschlossene Eileiter vorliegen. Das Problem ist, wenn wir einen gemischten Fall haben. Die Frau ist gesetzlich und der Mann ist privat und wir machen eine IVF. Die Spermien wären bei dem Mann aber gut. Auch so andersrum. Als ein Beispiel, der Mann ist gesetzlich krankenversichert, die Frau ist privat und bei der Frau ist alles unauffällig. Sie hat keine Endometriose, sie ist jung, Hormone sind tiptop. Dann sagt die Kasse: ja, unser Versicherter ist gesund. Dann haben wir das Problem, dass wir aber eine IVF machen oder ein ICSI machen wegen des eingeschränkten Spermienbefund. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt aber nicht die Kosten für die IVF oder für die ICSI. Vielleicht einen Anteil für die Kosten der Spermienaufbereitung bei der Behandlung. Aber wir reden von ein paar Tausend Euro, die werden nicht übernommen. Bei der privaten Krankenkasse muss man immer individuell schauen und auch hier gibt es eine extra Beratung im Kinderwunschzentrum, weil da muss man ganz genau schauen, wie die beiden krankenversichert sind und welche Behandlung man ihnen empfiehlt.
Dr. Nadine Rohloff: Das ist komplex. Dann ist es sicher gut, sich vorher beraten zu lassen. Jetzt hast du gerade die ICSI angesprochen, das hatten wir gerade nicht besprochen. Vielleicht magst du noch einmal ganz kurz sagen, was das ist, nur damit da keine Fragen offenbleiben. Dr. Mohamed Ibrahim: Wir haben so einen großen Begriff, der heißt künstliche Befruchtungsmethode. Darunter gibt es zwei Varianten. Die erste ist die IVF, die In-vitro-Fertilisation. Die zweite Variante ist die ICSI. Die ICSI machen wir, wenn die Spermien zu wenig oder zu langsam oder beides sind, denn dann können sie die Eizelle auf natürlichem Weg nicht erreichen. Deswegen müssen wir selbst die Spermien in die Eizelle einbringen. Das machen wir unter dem Mikroskop, daher kommst du auch die Abkürzung ICSI, intransitoplasmatisch. Das ist die Injektion der Spermien in die Eizelle. Das erfordert als ersten Schritt erst einmal eine hormonelle Behandlung für die Frau. Genauso wie bei der IVF für sieben bis zehn Tage. Anschließend entwickelt die Frau die Eizellen. An dem Tag muss man eine Spermaprobe abgeben und dann sitzt man am Mikroskop. Die Embryonen werden im Labor mithilfe der ICSI hergestellt. Das ist eine aufwendige Methode, weil man vorher schon die Umgebung der Eizelle präparieren und dann ein Spermium auswählen und es in die Eizelle hineinbringen. Dann werden alle behandelten Eizellen für ein paar Tage im Brutschrank versorgt und im Anschluss bekommt die Frau einen oder zwei Embryonen zurück. Den Unterschied zwischen IVF und ICSI merkt das Paar aber gar nicht, denn die Schritte sind ähnlich. Der Unterschied liegt nur in der Art, wie man die Eizelle mit den Spermien behandelt. Bringt man nur die Spermien zusammen mit der Eizelle, dann spricht man von einem IVF und das macht man, wenn die Spermien gut sind. Muss man Spermien einzeln in die Eizelle hineinbringen, dann spricht man von einer ICSI Behandlung.
Dr. Nadine Rohloff: Ja, danke sehr. Das waren die Fragen aus der Community. Wir haben einen sehr guten Überblick bekommen, auch über die Kinderwunschbehandlung und was einen da erwarten kann und wann es sinnvoll ist. Von daher ganz lieben Dank, Mohamed. Fragen gerne einsenden, für alle, die gerade zuhören, dann können wir das auch noch im Nachgang beantworten. Allen Leuten mit Kinderwunsch wünschen wir das Allerbeste und dann noch einen ganz schönen Tag heute. Dr. Mohamed Ibrahim: Ich wünsche euch auch alles Gute und viel Erfolg auf dem Weg zur Erfüllung des Kinderwunsches. Vielen Dank an Nadine für das Interview.
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Endometriosezentrum der Universitätsfrauenklinik Würzburg
Fakten zum Endometriosezentrum
Ort: Würzburg
Stufe: 3
Anzahl Patientinnen Ambulanz: 400
Anzahl OPs: 140
Leitung: Frau Dr. med. Anastasia Altides
Interview mit Frau Dr. med. Anastasia Altides, Oberärztin und Leiterin des Endometriosezentrums
Vielen Dank, Frau Dr. Altides, dass Sie heute mit uns über Endometriose sprechen. Stellen Sie sich bitte einmal vor? Dr. Altides: Mein Name ist Anastasia Altides. Ich bin Oberärztin in der Universitätsfrauenklinik in Würzburg und seit vier Jahren Leiterin des seit sechs Jahren zertifizierten Endometriosezentrums. Was hat Sie zu dieser Spezialisierung auf Endometriose bewegt? Dr. Altides: Ich bin eher zufällig auf diese Spezialisierung gekommen und mittlerweile ist sie mir extrem wichtig. Der hormonelle Aspekt ist bei der Endometriose ja sehr bedeutend. Durch meine gynäkologischen Schwerpunkte in der gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin habe ich mich für die Stelle der Vertretung des ursprünglichen Leiters des Endometriosezentrums qualifiziert und habe dann auch die Leitung übernommen. Das Thema liegt mir wirklich sehr am Herzen, weil es sehr komplex ist, aber auch sehr unterschätzt wird. Finden Sie denn, dass die Endometriose ausreichend erforscht wird? Dr. Altides: Nein, aber ich glaube, dass es viele Themen gibt, die sich mehr Forschung wünschen. Ich denke, dass das Maß an Forschung, wenn man die Endometriose mit dem Mammakarzinom vergleicht, sicher unterrepräsentiert ist und mehr Forschung immer gut sein würde. Für die Endometriose hat man leider weiterhin sehr wenig Therapiemöglichkeiten und es wäre schön, wenn man in Zukunft die Möglichkeiten hätte, mehr Forschung zu betreiben, um mehr Therapieansätze anbieten zu können. Es wird zwar schon viel geforscht, aber es gibt sehr wenige klinische Studien, von denen sich viele noch im Tierversuch befinden. Schön wäre es, wenn es die finanziellen Mittel und auch das Personal geben würde, um zu forschen. In Kliniken findet am Tag ja auch der ganz normale Betrieb statt. Wenn man zusätzlich zu denen, die dort im Einsatz sind, ein Team nur mit der Forschung beauftragen könnte, würde man sicher weiterkommen. Forschen Sie denn auch selbst? Dr. Altides: In kleinerem Maße, ja. Wir forschen in Bezug auf Kinderwunsch, Eizellenqualität und Lebensqualität der Patientinnen. Wir konnten z. B. nachweisen, dass die Eizellenqualität bei Endometriose Patientinnen reduziert ist. Jedoch ist keine Endometriose Patientin wie die andere und so können wir noch keine Unterscheidungen zu treffen, z. B. ob nur bestimmte Patientinnen betroffen sind oder was weitere Faktoren sind, die sich hier auswirken. Das Alter spielt immer eine große Rolle und das schlägt auch immer die Endometrioseerkrankung. Ich hatte dazu auch bereits ein interessantes Gespräch, weil das Alter bei Endometriose Patientinnen mit Kinderwunsch einfach oft außer Acht gelassen wird, obwohl gerade dieses der Risikofaktor ist. Dr. Altides: Man weiß, je älter die Patientin ist und je ausgeprägter die Endometriose ist, desto schwieriger wird es schwanger zu werden, desto großzügiger induziert man die künstliche Befruchtung, weil man damit die schnellsten und besten Ergebnisse hat. Dennoch muss man sagen, dass es natürlich keine gute Idee ist, eine Patientin mit Anfang 30, die gerade die Diagnose Endometriose erhalten hat, gleich mit dem Thema der künstlichen Befruchtung zu konfrontieren. Hier muss man schrittweise an die Sache rangehen, man kann es aber auch nicht verschweigen. Es ist ja eine individuelle Entscheidung schwanger zu werden und da spielen auch äußere Umstände, wie ob die Patientin den richtigen Partner hat eine wichtige Rolle. Man würde als Frauenarzt seinen Job nicht richtig machen, wenn man es nicht thematisieren würde.
Was sind Ihrer Meinung nach weitere wichtige Erkenntnisse, die bisher über die Endometriose gewonnen werden konnten?
Dr. Altides: Die hormonelle Abhängigkeit der Erkrankung ist definitiv ein großer Punkt und auch, dass die konservative Behandlung der Endometriose in den Vordergrund tritt, halte ich für bedeutend. Bisher war die Behandlung sehr auf die Operationen fokussiert und der Kinderwunsch erfüllt sich nach einer Sanierung auch deutlich eher, aber natürlich kommt die Endometriose auch nach der OP wieder. Es muss nicht immer operiert werden. Wenn z. B. der Kinderwunsch abgeschlossen ist und die Beschwerden nicht sehr stark sind, kann man es auch erstmal dabei belassen und regelmäßig kontrollieren, wie es der Patientin geht. Bei Patientinnen mit Schmerzen trotz Hormontherapie (Schmerzpatientinnen) muss man natürlich operieren. Das Wichtigste ist immer, die Lebensqualität der Patientin in den Vordergrund zu stellen. Das Komplexe an der Erkrankung ist, dass man wirklich alles auf die Waagschale legen muss.
Die Individualität der Krankheit ist tatsächlich interessant. Manchmal haben Patientinnen mit wenigen Herden starke Schmerzen, Patientinnen mit vielen Herden dagegen weniger. Da ist der Patientin natürlich mit einer OP geholfen. Was denken sie denn, warum es noch so lange dauert, bis es zur Diagnose kommt? Dr. Altides: Die Frage stellen wir uns auch. Die Awareness über die Erkrankung wurde erst in den letzten Jahren wieder aufgegriffen – auch unter den Frauenärzten selber. Ich habe mein Studium vor etwa 13 Jahren abgeschlossen und ich erinnere mich, dass es damals kein großes Thema im Studium war. Es wurde erwähnt, aber es hatte keinen besonderen Stellenwert. In den letzten Jahren gibt es dagegen auch eigene Vorlesungen zu dem Thema, d. h. erst in den letzten 10 Jahren ist das Thema wieder aufgekommen. Wir kämpfen dafür, dass es so bleibt. Es gibt immer mehr Interviews und Zeitungsartikel über die Endometriose, sodass auch Hausärzte und Chirurgen Kontakt zu dem Thema bekommen. Ein weiterer Punkt, dass es häufig so lange bis zur Diagnose dauert, ist, dass Dinge wie Periodenblutungen weiterhin ein Tabuthema sind. Wenn die Mutter oder Oma auch schmerzhafte Perioden hatte, wird gesagt, dass es ihnen auch so ging. Die Schmerzen werden auf diese Weise bagatellisiert und sie werden dann auch beim Frauenarzt nicht angesprochen. Das Thema, dass Hausärzte aufmerksam auf die Erkrankung werden, ist natürlich wichtig. Wenn man Magen-Darm-Beschwerden oder Rückenbeschwerden hat, geht man zuerst zum Hausarzt und dieser ist dann gar nicht über alle möglichen Ursachen informiert, sodass der Gedanke an Endometriose häufig ausbleibt. Denken Sie, man muss da intensiver auf Ärzte anderer Fachrichtungen oder auch auf Frauenärzte, die über viele Jahre vielleicht in eine Art Betriebsblindheit gefallen sind, zugehen? Dr. Altides: Ich denke, da passiert schon einiges. Wir organisieren zu dem Thema auch immer wieder Kongresse und klären die lokalen Kolleginnen und Kollegen auf. Im Studium muss das Thema weiterhin erwähnt werden, sodass jeder den Begriff schon mal gehört hat. Sie haben auch Tabuthemen wie die Periode, die Schmerzen, die Stärke der Blutungen angesprochen und dass Frauen oft gesagt wird, dass das alles normal sei. Es gibt zusätzlich aber ja auch viele weitere Schmerzen bei der Endometriose, die man dann noch weniger anspricht: Schmerzen beim Stuhlgang oder Geschlechtsverkehr z. B. Was denken Sie, was gute Wege sind, die Patientinnen zu motivieren, dennoch darüber zu sprechen? Dr. Altides: Ich denke, Artikel in den Medien sind hilfreich, sodass sich Patientinnen möglicherweise in diesen Geschichten wiederfinden. Wenn die Patientin das Thema dann beim Arzt anspricht und fragt, ob es sich bei ihren Beschwerden auch um Endometriose handeln könnte, wird sie direkt in eine andere Richtung beraten und weitergeleitet, damit diese Frage auch geklärt werden kann. Auch Influencerinnen können darüber sprechen. Hier muss man aber darauf achten, dass nicht alle Geschichten in einen Topf geworfen werden, weil die Krankheit sehr individuell ist. Leider liest man immer von den ganz schlimmen Verläufen und das gibt ein falsches Bild, weil man dadurch beispielsweise beim Thema “Kinderwunsch” die Gedanken wecken kann, dass alle Endometriose Patientinnen nicht schwanger werden. Influencerinnen können nicht immer objektiv genug darüber berichten. Man achtet als Patientin oft auch erst auf die negativen Sachen. Da gibt es nicht den großen Artikel mit dem Titel: “Ich habe Endometriose und 3 Kinder”, sondern man liest immer von den negativen Geschichten. Dr. Altides: Genau das ist die Gefahr. Ich denke, wenn man Persönlichkeiten dazu bringt, darüber zu sprechen, bringt man Frauen schon in die Richtung, etwas darüber zu erfahren, aber es gibt bedauerlicherweise keine Kontrolle des Inhalts. Deshalb denke ich, dass diese App auch eine tolle Idee ist, denn die Inhalte sind geprüft und die Krankheit muss bekannter gemacht werden. Sie ist noch nicht genug Thema und es ist auch wenig bekannt, dass die Endometriose eine schwerwiegende Erkrankung sein kann und dass sie viele Frauen betrifft. Sie ist ganz und gar nicht selten, sondern etwas unterdiagnostiziert und unterbeachtet. Wie schätzen sie die psychische Belastung für Patientinnen ein, wenn sie so lange nicht ernst genommen werden? Dr. Altides: Die ist natürlich sehr hoch, das ist nachvollziehbar und bekannt. Es dauert ja sechs, sieben Jahre bis die Diagnose gestellt wird. Es sind Schmerzen, die schon chronifiziert sind und auch außerhalb der Periode auftauchen und die Lebensqualität extrem einschränken. Das geht vielen natürlich an die Psyche. Was raten Sie Patientinnen im Umgang mit der Endometriose? Dr. Altides: Die Ernährung ist ein erster Schritt. Es gibt keine Ernährung, die Endometriose behandeln kann, aber sie ist immer ein Punkt, dem man nachgehen sollte. Es gibt auch nicht die eine Endometriose Diät und man muss herausfinden, was einem guttut und was nicht und wenn die Darmbelastung durch die Ernährungsumstellung reduziert wird, werden auch die Beschwerden etwas besser. Andere Möglichkeiten sind auch Atemtechniken, Konzentrationstechniken, Schmerzbewältigungstechniken und Mind-Body-Medizin. Auch hier ist es so, dass nicht für jeden alles sinnvoll ist. Yoga und Qigong können auch helfen. Es ist wichtig, auf sich zu achten, aber sich nicht nur noch auf die Krankheit zu konzentrieren und sich auch mit anderen Sachen zu beschäftigen. Ablenkung hilft dann eben doch. Man kann auch in die Komplementärmedizin, wie die traditionelle chinesische Medizin, gehen.
Im Austausch mit Patientinnen hört man auch, dass es natürlich einige gibt, die auf die Ernährung achten und dann gibt es Patientinnen, die sagen, sie leiden mit der Endometriose schon genug, warum sollten sie auf noch mehr verzichten. Wenn man aber die Ernährung umstellt, merkt man vielleicht doch, dass es einem besser geht. Das muss aber jeder persönlich entscheiden.
Genau und es ist von Frau zu Frau unterschiedlich, welcher Verzicht wirklich einen gewünschten Effekt hat, der so nachtragend ist, dass man gerne auf die Sachen verzichtet, aber das muss man rausfinden. Die Motivation kommt von einem selber und ich kann beide Seiten wirklich gut verstehen.
Worauf kommt es denn grundsätzlich bei einer passenden Behandlung an?
Dr. Altides: Es kommt auf eine sehr individualisierte Behandlung an. Diese ist abhängig vom Befund und davon, wie ausgeprägt die Endometriose ist und ob andere Organe betroffen sind. Auch der Leidensdruck, das Alter und der Kinderwunsch der Patientin spielen eine Rolle bei der Behandlung. Wir müssen darauf hören, was sich die Patientin vorstellen kann und was nicht und auf dieser Grundlage schauen, was für die einzelne Patientin der richtige Weg ist.
Wie viele Patientinnen betreuen Sie denn?
Dr. Altides: Etwa (200 bis) 300 Patientinnen pro Jahr, wenn man Wiedervorstellungen mit einzieht und operativ behandeln wir etwa 130 bis 140 Frauen.
Ich hatte ein Gespräch, in dem der Arzt erwähnte, dass er erstaunlich viele Fälle von Darmendometriose beobachten konnte. Konnten Sie auch schon feststellen, dass Sie bestimmte Fälle besonders oft behandeln?
Dr. Altides: Es ist schon so, dass man als Zentrum mehr Darmendometriose sieht, weil die Patientinnen dann uns verwiesen werden. Mir fällt eher auf, dass man auch bei OPs wegen Zysten oder wegen des Kinderwunschs Endometriose findet, die bis dato für die Patientin noch gar kein Thema war.
Sind Ihre Kollegen auch schon so weit, dass jeder den Blick für die Endometriose hat, auch wenn sie nicht vermutet wurde?
Dr. Altides: Ich habe schon das Gefühl, dass das Bild der Endometriose schon jedem auffallen würde, insbesondere dadurch, dass wir die Zertifizierung haben und ein übersichtliches Team sind und wir uns austauschen. Wir haben auch in unseren Standards, dass man sich operativ einmal alles anschaut. Auch wenn nicht wegen Endometriose operiert wird, schauen wir dennoch danach. In unseren OP-Berichten steht dann ein Hinweis, wenn keine Endometriose gefunden wurde.
Wann und warum sollte eine Patientin ein Endometriosezentrum aufsuchen?
Dr. Altides: Wenn der niedergelassene Frauenarzt damit nicht richtig umgehen kann. Wenn eine Frau Schmerzen hat, die sie in der Lebensqualität einschränken und die zyklisch sind, kommt die Frage, wie es nun weitergeht, definitiv auf. Es gibt auch Patientinnen, die ab der ersten Blutung, mit 13 oder 14, Schmerzen haben. Da ist die erste Wahl weiterhin eine Pille zu verschreiben. Dann ist es auch okay, wenn dies erstmal nicht über ein Zentrum läuft, man sollte jedoch weiterhin ein Auge darauf haben. Wenn der Verdacht einer ausgeprägten Endometriose besteht oder es einen Kinderwunsch gibt, sollte man auch ein Zentrum aufsuchen, da hier gewährleistet ist, dass Kooperationen mit anderen Fachrichtungen bestehen.
Denken Sie, dass es eines Tages eine Heilung geben könnte?
Dr. Altides: Man hofft es natürlich. Ich bin da etwas skeptisch, weil die Forschung doch noch sehr viel Luft nach oben hat. Ich würde mir wünschen, dass in den nächsten Jahren weitere Therapieoptionen auf den Markt kommen, wie nicht-hormonelle Therapieoptionen vor allem beim Kinderwunsch, wo die Hormontherapie nicht parallel laufen kann. Hier sind unsere Optionen noch limitiert. Es gibt ja auch viele Patientinnen, die keine Hormone nehmen möchten. Im Moment geht der Trend ja in die Richtung, dass man lieber keine Hormone zu sich nimmt. Da muss man auch mit den Frauen darüber sprechen, dass es hier ja hier nicht um ein Lifestyle-Produkt geht. Und dann gibt es die Patientinnen, die Hormone einfach nicht gut vertragen und der Sinn und Zweck der Wiederherstellung der Lebensqualität in diesen Fällen nicht gegeben ist. Wenn wir hier Alternativen hätten, vor allem auch welche, die man zum aktiven Kinderwunsch nehmen kann, wäre das schön. Insgesamt wäre es gut, wenn man einfacher sagen könnte, welche Patientin welche Therapie benötigt.
Mit Schmerzkalender und Ruhe durch den Alltag
Interview mit Endometriose Patientin Sandra
Sandra hat mit 23 Jahren die Diagnose Endometriose erhalten – nach einem 13-jährigen Leidensweg, denn dieser begann für sie schon mit der ersten Periode. Wir haben mit ihr über ihre Diagnose, ihren Alltag und ihre Wünsche gesprochen.
Hallo Sandra, schön, dass du dir die Zeit genommen hast, heute mit uns über deine Endometriose zu sprechen. Kannst du dich bitte einfach mal vorstellen?
Sandra: Ich bin Sandra, bin 40 Jahre alt, komme aus München und habe Endometriose Grad 4.
Was bedeutet Endometriose für dich?
Sandra: Für mich ist es eigentlich so ein Ausfall vom Leben, weil ich permanente Schmerzen habe, treffe auf Unverständnis, keiner kann das nachvollziehen. Manchmal denke ich mir, es wäre besser gewesen, keine Frau zu werden.
Wie verlief denn so deine Krankheitsgeschichte bis zu der endgültigen Diagnose und was war in der Zeit das Schlimmste für dich?
Sandra: Es hat sehr lange gedauert bis ich die Diagnose bekommen habe. Ich hab meine Periode mit 10 Jahren bekommen und hatte schon zu Beginn starke Blutungen und Schmerzen. Es war teilweise so, dass ich gar nicht mehr aufrecht laufen konnte und wurde dann mit Morphin behandelt. Jeder sagte, dass da nichts sei und ich mir einfach nur alles einbilde. Ich ging dann von einem Frauenarzt zum anderen, bis mich ein Arzt nach Pasing zu einem anderen Arzt geschickt hat, der sich mit Endometriose auskennt. Da haben wir dann die erste Laparoskopie gemacht und es dann festgestellt. Dann war zumindest eine Erleichterung da, dass eine Diagnose gestellt wurde und dass ich mir das alles nicht einbilde. Da war ich 23. Es hat schon sehr lange gedauert bis ich endlich wusste, was mit mir los ist.
Was war in dieser Zeit das Schlimmste für dich? Wurdest du von deinen Mitmenschen ernst genommen oder wurdest du eigentlich belächelt? Schade, wenn die Menschen im Umfeld das auch nicht verstehen. Selbst wenn man es ihnen erklärt, können sie nicht nachvollziehen, dass es wirklich so schlimm ist, dass man einfach nicht kann. Man hat vielleicht einen langen Arbeitstag hinter sich und ist am Ende so erschöpft, weil man als Endometriose Patientin alles einfach auch viel intensiver erlebt. Neben dem, was du im Alltag machst, ist dein Körper konsequent mit dieser Krankheit beschäftigt und das schwächt. Wie ist es für dich weitergegangen, nachdem du herausgefunden hast, dass du Endometriose hast? Wie bist du damit emotional umgegangen? Hattest du schon viele Operationen und welche Endometriose wurde bei dir gefunden? Es gibt eben nicht diese eine Lösung, diese eine Lösung für alle. Die Krankheit ist so individuell. Die einen Frauen erleben die Schmerzen mit wenigen Herden auch als extrem stark und Frauen mit vielen Herden haben manchmal so viele Beschwerden.
Sandra: Ich wurde eigentlich nur belächelt. Dann hieß es, dass jeder ja Periodenschmerzen hätte und ich mich nicht so anstellen solle. Aber es sind bei mir ja nicht nur die Schmerzen während der Periode. Ich habe starke Kopfschmerzen bis hin zu Migräne. Ich muss mich dann übergeben. Das geht dann zwei, drei Tage lang. Schulter- und Nackenschmerzen, sodass ich meine Arme kaum hochheben kann. Ich habe einen Schmerzkalender und es gibt vielleicht zwei, drei Tage im Monat, an denen es einigermaßen geht und der Rest besteht einfach nur aus Schmerzen. Das versteht keiner. Ich mache dann Treffen aus, die ich dann doch wieder absagen muss, weil ich mich nicht gut fühle und dann heißt es: „Dann sag doch gleich, wenn du keine Lust hast.“ Aber so ist es ja gar nicht.
Sandra: In der Familie geht es. Meine Schwestern haben auch Endometriose, die können es nachvollziehen. Ich habe jetzt auch einen Partner, der das auch versteht, sehr einfühlsam ist und das alles mitmacht, was auch nicht leicht ist – gerade was die Sexualität angeht. Manchmal hat man währenddessen extreme Schmerzen hat, sodass man währenddessen aufhören muss.
Sandra: Ich hatte schon einige OPs. Die letzte war jetzt im Februar, die davor im Dezember mit einer Teil-Darmresektion. Die ist überall besiedelt: an der Gebärmutter, an den Eierstöcken, an den Bauchwänden. Ich habe eine Zeit lang die Pille durchgenommen, was ich emotional leider gar nicht gepackt habe. Ich bin dadurch in eine leichte Depression gefallen. Deshalb nehme ich die Pille nicht mehr und habe lieber meine Regel. Es ist schade, dass es bisher nichts gibt, sodass man sagen kann, dass es besser wird. Früher hatte ich alle 5 Jahre eine OP, dann alle 2 Jahre. Jetzt habe ich eigentlich jedes Jahr eine OP habe und es wird dadurch ja einfach nicht besser.
Sandra: Ich hab schon vieles ausprobiert, wie auch homöopathische Sachen. Die haben ein bisschen etwas gebracht, aber auch nicht wirklich. Für meine Migräne bin ich jetzt in einem Schmerzzentrum, um zu schauen, ob mir hier geholfen werden kann. Es ist so mühselig, weil ich immer von einem Arzt zum anderen anderem renne, von einer Klinik in die nächste Klinik und es wird einfach nicht besser. Man hat irgendwann keine Lust mehr.
Was denkst du denn, warum Endometriose als Krankheit so oft noch unterschätzt wird?
Sandra: Ich glaube, das liegt daran, dass die Leute nicht aufgeklärt sind und dass man da zu wenig drüber spricht und dass man einfach nicht weiß, was das ist. Wenn du es jemandem sagst: „Ich bin HIV-positiv“, können die Leute etwas damit anfangen. Aber bei Endometriose heißt es: „Endo was? Was ist das?“ Die Aufklärung auch unter Ärzten fehlt.
Wie hast du gelernt, mit der Krankheit zu leben und was hilft dir im Alltag, um mit der Endometriose irgendwie zurechtzukommen?
Sandra: Ich habe mir gedacht, ich muss lernen damit umzugehen und versuche für mich eine Auszeit zu nehmen. Wenn ich in der Früh merke, es geht nicht, dann melde ich mich krank. Früher bin ich trotzdem auf die Arbeit gegangen. Jetzt bleibe ich zu Hause, gehe in die warme Badewanne und gönne mir eine Wärmflasche im Bett, um wieder meinem Körper ein bisschen Energie zu geben. Mich einfach aus dem Alltag rauszuziehen, hilft ganz gut.
Welchen Rat würdest du anderen Frauen geben, die unsicher sind, ob sie Endometriose haben?
Sandra: Sich nicht von den Ärzten unterkriegen zu lassen, zu schauen, ob es irgendwo einen Spezialisten gibt, Fachpersonal aufsuchen und sich nicht einreden lassen, dass das Einbildung oder psychisch bedingt ist. Man muss einfach dranbleiben.
Was würdest du dir denn für die Zukunft wünschen? Was muss passieren?
Sandra: Man muss offener damit umgehen und es muss dafür gesorgt werden, dass das kein Tabuthema mehr ist. Frauen müssen einfach auch mal dafür akzeptiert werden, dass sie die Periode bekommen. Auch von den Krankenkassen aus muss mehr passieren. Man sollte als Frau auch mehr Urlaubstage bekommen.
Und jetzt ist es so, dass du arbeiten gehst, dich aber krankschreiben lässt, wenn du dich nicht gut fühlst. Wie kommt das auf der Arbeit an? Wie geht dein Chef und wie gehen deine Arbeitskollegen damit um, wenn du fehlst?
Sandra: Die wissen, dass ich nur mich krankmelde, wenn es wirklich gar nicht geht und es sind meistens auch nur ein, zwei Tage. Da sind sie echt sehr kollegial und verständnisvoll.
Kommunizierst du auf der Arbeit offen, was du hast?
Sandra: Beim neuen Arbeitgeber nicht. Ich habe das bei meiner vorherigen Stelle gemacht und da wurde es dann so verkauft, dass ich meine Periode habe und nur keine Lust habe, zu arbeiten. Beim neuen Arbeitgeber mache ich das nicht. Die wissen, dass ich in einen Behindertengrad eingestuft wurde, aber warum das so ist, möchte ich nicht erwähnen, weil ich so schlechte Erfahrungen gemacht habe. Da wird aber auch nicht großartig nachgefragt.
Sandra, vielen Dank, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast.
Endometriosezentrum der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe St. Marien Amberg
Fakten zum Endometriosezentrum
Ort: Amberg
Stufe: 3
Patientinnen: 300 – 400
OPs: ca. 200
Leitung: Dr. med. Raul Donutiu
Interview mit Priv.-Doz. Dr. med. T. Papathemelis
Herr Dr. Papathemelis, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um mit uns zu sprechen. Würden Sie sich bitte einmal kurz vorstellen?
Dr. Papathemelis: Ja, mein Name ist Thomas Papathemelis. Ich bin leitender Arzt der Frauenklinik in Amberg. Wir sind eine Klinik, die unter anderem gynäkologisches Krebszentrum ist, Brustzentrum, Perinatalzentrum Level I und eben auch klinisches Endometriosezentrum. In dieser Funktion arbeite ich seit 2018. Ich war zuvor leitender Oberarzt und davor auch lange operativer Oberarzt an der Universitätsklinik in Aachen und habe mich eigentlich viele Jahre mit dem Thema beschäftigt.
Was hat Sie denn zu diesem Thema und Ihrer Spezialisierung auf Endometriose gebracht? Was fasziniert Sie so an dem Thema der Endometriose?
Dr. Papathemelis: Mich faszinieren eigentlich viele Aspekte. Mich hat immer die minimal invasive Chirurgie fasziniert, die sowohl für die Diagnosestellung als auch für die Therapie von Endometriose ein wichtiger Aspekt ist. Zudem gab es in meinem beruflichen Werdegang viele Schlüsselerlebnisse, die dazu geführt haben, mich mit dem Thema Endometriose zu beschäftigen. Zum einen, dass wir sehen, dass es manchmal sehr lange dauert, bis es zu einer Diagnose kommt. Zum anderen, dass es eine Erkrankung ist, die in der Regel Frauen betrifft, die mitten im Leben stehen, junge Frauen im reproduktionsfähigen Alter, die vielleicht gerade eine Ausbildung begonnen haben oder im Studium stecken, die gerade ihre ersten Schritte im Leben machen, sowohl privat als auch beruflich. Ich habe gesehen, welche Einschränkungen diese Erkrankung in ihrer fortgeschrittenen Form in der Lebensqualität und in sozialen und gesamtgesellschaftlichen Aspekten mit sich bringt.
Was denken Sie denn, warum es bisher noch so lange dauert, bis einer Frau überhaupt die Diagnose Endometriose gestellt wird?
Dr. Papathemelis: Ich denke, das hat viele Gründe. Ein Grund ist vielleicht, dass menstruelle Schmerzen oder Unterleibsleiden von Frauen nicht immer im Mittelpunkt standen. Das Bewusstsein für diese Erkrankung war lange einfach nicht da. Das zweite ist, dass Symptome sehr lange auch unspezifisch sein können. Unterbauchschmerzen können ganz viele Gründe haben. Wenn man über Jahre damit kämpft, kann es sein, dass die Fruchtbarkeit abnimmt und man das aber erst realisiert, wenn es zu spät ist. Es sind viele unterschiedliche Gründe, die dazu führen, denke ich. Auch die Ausbildung befasst sich erst jetzt ausführlicher damit. Die Etablierung von Endometriosezentren, die Selbsthilfegruppen und die Stiftung Endometriose Forschung sind erst in den letzten Jahre ins Laufen gekommen.
Ich stimme dazu. Ich bin auch Endometriose Patientin. Mir wurde die Diagnose 2015 gestellt, da war ich 26 und habe auch das Gefühl, dass gerade in den vergangenen Jahren mehr passiert ist und dass immer mehr auf die Krankheit aufmerksam gemacht wird, beispielsweise auch auf Social-Media-Kanälen. Wie stehen Sie dazu, sich als Patientin Informationen über Social-Media-Kanäle zu holen?
Dr. Papathemelis: Es hängt natürlich immer mit der Wertigkeit dieser Informationen zusammen. Die Frage ist, welchen Einfluss haben Meldungen in den Social-Media-Kanälen? Werden wirklich fachliche Informationen oder eigene Erfahrungen, eigene Erwartungen, die vielleicht erfüllt oder nicht erfüllt werden, weitergegeben? Es ist immer die Frage, was genau vermittelt wird und welche Informationen verbreitet werden. Es gibt auch viele junge Influencer, die beispielsweise viele Informationen über die Antibabypille und die Nebenwirkungen verbreiten. Wir sehen in den letzten Jahren in den Sprechstunden einen gewissen Shift, dass die Nebenwirkungen dieser Präparate im Vordergrund sind. Teilweise geht es dabei um sehr seltene Nebenwirkungen. Die Informationen werden oft nicht im richtigen Kontext gesehen. Da sehe ich schon ein gewisses Problem. Was denken Sie?
Ich finde für den Austausch unter Patientinnen ist es tatsächlich ganz gut, wenn es so z.B. Gruppen bei Facebook gibt, denn es gibt auch viele Tabuthemen, über die man als Patientin vielleicht auch nicht spricht. Schmerzen bei der Menstruation sind eine Sache, aber über Schmerzen beim Stuhlgang spricht man eher nicht. Da sind diese Gruppen gut, um sich auszutauschen und um zu sehen, wie andere Patientinnen damit umgehen. Denken Sie denn, dass es unter Frauenärztin mehr Aufklärung geben müsste, damit diese Beschwerden der Patientin schneller ernst genommen werden?
Dr. Papathemelis: Ich glaube, Ärztinnen und Ärzte, die sich im Laufe ihrer Berufslaufbahn nicht so sehr mit dem Thema beschäftigt haben, haben nicht diesen Blickwinkel. Es gibt Beschwerden, wie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Schmerzen beim Stuhlgang und Wasserlassen, da leuchtet bei Ärztinnen und Ärzten, die sich mit der Thematik auskennen gleich etwas auf. Ärztinnen und Ärzte, die sich noch nicht damit auseinandergesetzt haben, die sehen das natürlich auch selten. Nicht jeder setzt sich mit dem Thema auseinander.
Finden Sie denn, dass die Endometriose ausreichend erforscht wird? Forschen Sie denn auch selbst? Geht es dann dabei darum, dass man dann während der Laparoskopie diese Herde möglicherweise gar nicht sieht, nicht entfernt und dann macht man wieder zu und diese Herde wachsen dann wieder? Das ist ja super interessant, wenn man diese Mini-Herde doch schon finden kann, hat man als Patientin vielleicht noch weniger Operation, gerade als Patientin, die schon mehrere Operationen über sich hat ergehen lassen müssen. Wie schätzen Sie denn die psychische Belastung ein, die Frauen erleiden, wenn sie so lange von Ärzten nicht ernst genommen werden? Super, dass Sie diese sozialen Punkte auch ansprechen. Man sagt ständig irgendwelche Treffen ab, weil man Schmerzen hat. Dann stellen die Freunde das irgendwann infrage, weil niemand, der das nicht hat, kann wirklich nachvollziehen, wie schlimm die Schmerzen sein können. Im Endeffekt ist man dann immer diejenige, die absagt. Man kann aber gar nichts dafür. Man muss da einfach auf seinen Körper hören. Das ist natürlich auch eine psychische Belastung. Die Frauen da ausstehen. Wie gehen Sie denn mit dieser Individualität der Krankheit um, denn jede Patientin erlebt die Endometriose auch irgendwie anders? Haben Sie bestimmte Angebote für Patientinnen? Wie viele Endometriose Patientinnen betreuen Sie im Jahr ungefähr? Wann und warum sollten sich Frauen mit Endometriose in einem Endometriosezentrum behandeln lassen? Denken Sie, dass es eines Tages eine Heilung der Endometriose geben könnte?
Dr. Papathemelis: Nein, denn um erfolgreich Forschung zu betreiben, sind erhebliche finanzielle Mittel notwendig. Wir sehen viele Weiterentwicklungen in der medikamentösen Therapie in der Onkologie. Aber wir sehen natürlich auch, welche Themen weiterentwickelt werden und wo mehr geforscht wird, nicht nur in der akademischen Community, sondern auch in der Pharmaindustrie. Diese hat einen großen Einfluss darauf, was mitentwickelt wird. Für wirklich signifikante Fortschritte braucht man erhebliche Ressourcen, die akademische Einrichtungen leider oft nicht leisten können.
Dr. Papathemelis: Ja, wir führen klinische Studien durch. Im Bereich der Endometriose untersuchen wir aktuell ob Fluoreszenz und eine Nah-Infrarot-Kamera in der Laparoskopie uns hilft, Herde zu detektieren, die wir im Weißlicht mit bloßem Auge nicht sehen.
Dr. Papathemelis: Genau, denn eine Hypothese ist, dass uns Fluoreszenz-Farbstoffe helfen, die Detektion zu erhöhen. Endometriose kann wie ein Chamäleon unterschiedlicher Morphologie sein und trotz unserer HD-Technik heutzutage nicht immer sichtbar. Derzeit gehen wir also dieser Hypothese nach.
Dr. Papathemelis: Enorm! Und das hat mich auch motiviert, mich damit medizinisch auseinanderzusetzen. Es gibt nicht nur eine psychische, sondern auch eine soziale Belastung, dass junge Frauen den Anforderungen des Lebens nicht gerecht werden, sei es in der Partnerschaft, z.B. wenn Frauen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr haben, gibt es direkt Probleme. Auch das Arbeitsleben wird belastet. Es gibt Fehltage. Dann fragt sich der Arbeitgeber, ob die Mitarbeiterin überhaupt dort arbeiten möchte. Ich sehe eine enorme Belastung, die aufkommen kann, weil man den täglichen Herausforderungen eben auch nicht gerecht wird. Sie haben Unterbauchschmerzen, sie wollen nicht weggehen, sie krümmen sich im Bett oder das Sexualleben ist nicht gut. Beruflich haben sie zu viele Fehltage, sie verlieren den Anschluss und das führt natürlich sekundär auch zu einer psychischen Belastung.
Dr. Papathemelis: Diese Kollegen denken sich, sie haben keine Lust zu arbeiten. Der Partner, denkt er sei nicht mehr attraktiv genug. Die Freundinnen und Freunde, denken, dass man sich nicht treffen will und das erhöht den Druck. Man ist immer in Erklärungsnot und das bringt definitiv andere Probleme mit sich.
Dr. Papathemelis: In der Regel versuchen wir, diese Individualität gemeinsam mit den Patientinnen in der Sprechstunde herauszuarbeiten. Letztendlich muss man ein therapeutisches Konzept zusammen erarbeiten, das an die Lebenssituation und an die Anforderungen angepasst ist. Themen sind dabei die Lebensphase und das Alter der Patientin, ob die Familienplanung abgeschlossen ist, die Prioritäten der Patientin. Wir versuchen basierend auf all diesen Informationen einen individuellen Plan herauszuarbeiten. Das Konzept ist immer an alle Wünsche, an therapeutische Ziele und an die Erwartungen unserer Patientinnen angepasst.
Dr. Papathemelis: Wir haben Partner, mit denen wir innerhalb der Klinik und auch außerhalb im ambulanten Netzwerk zusammenarbeiten. Ich denke, es ist ein Gesamtpaket aus Maßnahmen einer Klinik, sprich Operation, Therapieempfehlungen, medikamentöse Therapie und dann eben auch die komplementärmedizinischen Maßnahmen, wie Ernährung, Bewegung, Informationen, das Mindset, welches für die Patientinnen wichtig ist. Wir haben eine Ernährungsberaterin, Physiotherapie, wir haben den Kontakt zu den Selbsthilfegruppen und Kontakte zur Reproduktionsmedizin.
Dr. Papathemelis: Ich kann sagen, dass wir knapp 200 Operationen mit histologisch nachgewiesener Endometriose durchführen und etwa 300 bis 400 Patientinnen insgesamt im Jahr betreuen.
Dr. Papathemelis: Wenn die Verdachtsdiagnose besteht, wenn die Lebensqualität darunter sehr leidet, wenn Kinderwunschaspekte eine Rolle spielen.
Dr. Papathemelis: Ich weiß nicht, ob wir von Heilung sprechen können, aber ich hoffe, dass wir bessere Werkzeuge haben, um Frauen mit Endometriose besser zu helfen. Wir sehen auch intraoperativ oft, dass jahrelange Endometriose zu einer Art chronischen Inflammation führt. Wir therapieren ja mehrheitlich die Symptome und entfernen etwas, wenn es schon da ist. Wir versuchen Symptome und Schmerzen zu lindern oder hormonell die Aktivität zu unterdrücken, aber wir verstehen ja immer noch nicht das Warum und haben immer noch keine Erklärung. Hier gibt es Entwicklungspotenzial.