Bioidentische Hormone: Worum geht es und sind sie wirklich sanfter?

Bioidentische Hormone, naturidentische Hormone, natürliche Hormone: Mit diesen Begriffen werden Medikamente bezeichnet, die im Rahmen einer Hormontherapie gegen Wechseljahresbeschwerden und auch bei Endometriose eingesetzt werden. Hersteller und einige Praktiker versprechen, dass diese Medikamente weniger Nebenwirkungen haben und effektiver wirken als herkömmliche Hormonpräparate.

Endometriose: Ursachen, Auswirkungen und Symptome

Die Endometriose ist eine eigenständige Erkrankung, von der allein in Deutschland schätzungsweise 1,7 Millionen Frauen betroffen sind. Die Symptome reichen von Schmerzen über Zyklusstörungen und starke Blutungen bis zu Unfruchtbarkeit.

Trotz der weiten Verbreitung und der zum Teil erheblichen Symptomatik dauert es bis zur Diagnosestellung rund vier bis elf Jahre.

Auch die Ursachen konnten bislang nicht abschließend erforscht werden, was auch die Therapie deutlich erschwert. Wesentliches Merkmal der Endometriose ist, dass sich gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter, im gesamten Bauchraum und zum Teil sogar am Zwerchfell sowie in der Lunge, ansiedeln und dort sogenannten Endometrioseläsionen bildet.

Diese werden, wie die Gebärmutterschleimhaut in der Gebärmutterhöhle auch, vom Hormonzyklus der Frau beeinflusst [1].

In diesem Artikel erfährst du:

  • in welcher Form eine hormonelle Therapie bei Endometriose eingesetzt wird,
  • worum es bei den sogenannten bioidentischen Hormonen geht und
  • in welchem Verhältnis sie zu den herkömmlichen Hormonpräparaten stehen.

Behandlungsansätze bei der Endometriose: Bedeutung der Hormontherapie

Auf der Basis des Anamnesegesprächs sowie einer Untersuchung sowie einem Ultraschall wird eine Verdachtsdiagnose gestellt. Eine sichere Diagnosestellung bei der Endometriose ist bis heute lediglich durch eine laparoskopische Untersuchung (Bauchspiegelung) mit Gewebeentnahme zur Untersuchung im Labor möglich [2]. Die Behandlung erfolgt, abhängig von Schweregrad der Endometriose, Lokalisierung der Endomerioseherde und dem Alter der Patientin beziehungsweise der Frage nach einem möglichen Kinderwunsch, auf der Basis eines individuellen Behandlungskonzeptes. Dieses kann unterschiedliche Bausteine enthalten:

Hormone werden, alleine und in Kombination mit einer Operation, zur Behandlung der Endometriose eingesetzt, weil das Vorhandensein von Östrogen auf die Entstehung und den Fortbestand der Endometriose einen maßgeblichen Einfluss hat [3]. Wird der Östrogenspiegel reduziert, so vernarben die vorhandenen Endometrioseläsionen und es bilden sich keine neuen. Die Idealziele der endokrinologischen (hormonellen) Therapie, die aber derzeit nicht oder nur teilweise erreicht werden, sind neben der Eliminierung der Endometrioseherde auch eine Reduktion der Symptome inklusive einer Verbesserung der Fertilität, eine Vermeidung sekundärer Krankheitsfolgen sowie eine Prophylaxe des Krankheitsausbruchs [8].

Definition: Was sind bioidentische Hormone?

Die Begriffe bioidentische, natürliche oder naturidentische Hormone suggerieren, dass diese Hormone auf ganz natürliche, sanfte Weise wirken und (nahezu) keine Nebenwirkungen haben. Auf Internetseiten [4] von Heilpraktikern und zum Teil auch Laboren sind Aussagen zu lesen wie: Naturidentische Hormone unterscheiden sich grundlegend von klassischen, synthetischen Hormonen. Zudem heißt es dort, dass eine bioidentische Hormontherapie unter Berücksichtigung der individuellen Krankheitsursachen angewendet wird. Angesichts der immer wieder aufkeimenden Diskussion und der tatsächlich (zumindest für einige Frauen) bestehenden Nebenwirkungen von Hormontherapien [5], ist dies nicht verwunderlich. Betroffene Frauen sehen sich nach einer Behandlung, die verträglicher ist, als die bekannten Hormonpräparate.

Der Begriff „bioidentische Hormone“ hat keine standardisierte Definition, was zu einer Verunsicherung bei Patienten führt. Je nach Kontext wird unter der Bezeichnung:

  • nicht-künstlich hergestellt,
  • aus pflanzlichem oder tierischem Ursprung oder
  • chemisch der Struktur des jeweiligen menschlichen Hormons entsprechend.

Die „Endocrine Societey“, der Ärzte und Organisationen aus mehr als 100 Ländern angehören, definiert bioidentische Hormone als „Verbindungen, die genau die gleiche chemische und molekulare Struktur aufweisen wie das Hormon, das im menschlichen Körper produziert wird“ [6]. Dabei handelt es sich um eine sehr weite Definition, die rein auf die Eigenheiten des Hormonproduktes abstellt und keine Aussagen zu der Quelle der Ursprungsstoffe und den Herstellungsprozessen macht.

Sogenannte bioidentische Hormone werden inzwischen insbesondere bei der Behandlung von Wechseljahresbeschwerden und eben der Endometriose angeboten. Aufgrund der oben genannten weiten Definition von „bioidentischen Hormonen“ wird deutlich, dass es hier eine ganze Bandbreite von Medikamenten und anderen Hormonersatzprodukten gibt, die differenziert betrachtet werden müssen.

Gibt es Unterschiede zwischen den unterschiedlichen bioidentischen Hormonen?

Der Begriff „bioidentische Hormone“ wird gerne als Marketinginstrument genutzt, um Patientinnen das Gefühl zu vermitteln, das betreffende Hormonpräparat sei besonders natürlich. Allerdings zeigt die oben aufgeführte Definition, dass sich hinter dem „Label“ bioidentisches Hormon sehr unterschiedliche Präparate verbergen können.

Patientinnen sollten zudem wissen, dass einige der als „klassische Hormonpräparate“ bezeichneten Medikamente auf Basis von pflanzlichen oder tierischen Stoffen beruhen [7]. Wichtig ist für Patientinnen, dass sie darauf achten, ob es sich um ein zugelassenes Arzneimittel oder um ein nicht den strengen Zulassungsregeln entsprechendes Präparat handelt. Denn nur zugelassene Arzneimittel müssen in Studien ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit beweisen, werden darüber hinaus fortlaufend beobachtet und bieten somit genügend Sicherheit.

Einordnung: Sind bioidentische Hormone sanfter und effektiver?

Die allgemeine Aussage, dass „bioidentische Hormone“ sanfter, effektiver und nebenwirkungsärmer sind, lässt sich nicht bestätigen [7]. Zum Teil werden auch unter der Bezeichnung „bioidentische Hormone“ Präparate angeboten, bei der verschiedene Hormonkombinationen individuell auf die Patientin zugeschnitten produziert wurden. Als Basis hierfür wird oftmals das Ergebnis eines Speicheltests verwendet, über den der Hormonstatus im Speichel bestimmt und daraus ein Mangel beziehungsweise ein Überschuss von bestimmten Hormonen abgeleitet wird. Allerdings ist der Hormonspiegel im Speichel ein anderer als im Blut, sodass die Herstellung der Hormonpräparate auf Basis falscher Werten erfolgt. Zudem sollte klar sein, dass diese individuell zusammengesetzten Hormonpräparate keinen klinischen Studien unterzogen wurden. Daher lässt sich weder zu der Wirksamkeit noch zu den Nebenwirkungen eine verlässliche Aussage machen. Das reine Label „bioidentisch“ oder natürlich sollten Patientinnen nicht als Entscheidungskriterium für eine Hormonbehandlung wählen.

Außerdem sollte auch bei allen Hormonpräparaten, die aus natürlichen Stoffen (Pflanzen- oder Tierbasis) hergestellt sind, bedacht werden, dass diese Stoffe verarbeitet werden. In diesem Prozess werden sie also zwangsläufig verändert. Es handelt sich also nicht um das reine Naturprodukt.

Manchmal werden die bioidentischen Hormone direkt in der Apotheke bspw. als Creme angemischt. Hier gibt es keine standardisierten Kontrollen der Konzentration und es können erhebliche Qualitätsunterschiede auftreten (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31453957/). Auch bei bioidentischen Hormonen sollte auf eine standardisierte und kontrollierte Herstellung geachtet werden.

Leider ist es so, dass es zu „bioidentischen Hormonen“ nicht viele wissenschaftliche Studien gibt. Die wenigen sind zudem meist mit Bezug auf die Wechseljahre und nicht mit Endometriose-Betroffenen durchgeführt worden.

Gerade bei einer hormonellen Behandlung der Endometriose ist es immer wichtig, dass die ausgewählten Medikamente die Ausprägung der Erkrankung, die Symptomatik sowie die Lebenssituation berücksichtigen.

Auch natürliche oder pflanzliche Medikamente sind Medikamente und können Nebenwirkungen haben. Auch bioidentische Hormone haben Nebenwirkungen, die, ähnlich wie bei synthetischen Hormonen, individuell mehr oder weniger stark ausfallen können. Daher sollte die Einnahme immer mit dem Arzt abgesprochen werden.

Zusammenfassung:

Der Begriff „bioidentische Hormone“ verleitet zu der Annahme, dass es sich bei den entsprechenden Hormonpräparaten um ganz besonders sanft wirkende Stoffe handelt, die weniger Nebenwirkungen haben, als klassische Hormonpräparate. Allerdings ist die Definition von „bioidentischen Hormonen“ so weit, dass die entsprechenden Präparate sich in Bezug auf die verwendeten Wirkstoffe und die Herstellungsverfahren deutlich unterscheiden. Und auch, wenn ein Stoff in ähnlicher Form im Körper vorkommt oder pflanzlich hergestellt wird, können Nebenwirkungen auftreten. Daher sollte die Einnahme immer nur nach ärztlicher Rücksprache oder Verordnung stattfinden.

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